[Insula] Commodus' Unterkunft

  • Es schien ihm eine Ewigkeit her gewesen zu sein, seit er Mantua verlassen hatte. Commodus war in dieser Zeit fast ununterbrochen unterwegs gewesen und hatte sich selten eine Pause gegönnt. Müde und lustlos hatte er sich der Stadt genähert, das Pferd in die Stallungen eine Strasse weiter gebracht, wo der Platz, den sein Herr 'gemietet' hatte, bereit stand. Mit ein paar Münzen hatte er etwas Futter für das Tier erkauft und sich dann in sein kleines Zimmer geschleppt.


    Seine Reise war glücklicherweise ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Für das nächste Mal jedoch, wenn man ihn über die Alpen schicken würde, nahm er sich vor, von vornherein ein paar warme Sachen einzupacken. Commodus hoffte fast schon, dass endlich Winter einbrechen würde und die Alpen unpassierbar machte... andererseits würde er dann einen Umweg über Gallien nehmen müssen, was die Hoffnungen, Germania für eine lange Zeit nicht mehr wieder zu sehen, schwinden ließ.


    Commodus legte sich auf die Koje. Bestimmt würde der Artorier wissen wollen, dass er wieder da war, aber er selbst hatte keine Eile, ihm dies mitzuteilen. Der konnte ohnehin froh sein, dass er wie ein Verrückter gehetzt war. Reiten, schlafen, reiten. Das war auch schon alles in den letzten... er musste nachdenken. Während seiner Reisen hatte er jedes Zeitgefühl verloren und wusste nicht, wie lange er nun tatsächlich unterwegs gewesen war. Die Welt war für ihn so unwirklich geworden, während er die Lanfschaft an sich vorbeiziehen sah. Wären nicht die wenigen Tage Pause gewesen, die er in manchen Städten eingelegt hatte, hatte er das Gefühl, dass er langsam durchzudrehen begonnen hätte. Er was froh, dass man ihm wenigstens, wenn auch stets gegen eine kleine Gebühr, Aufenthalt auf den Stationen des Cursus Publicus gewährt hatte und er so nicht draußen übernachten musste... Nein, die Reisen hatte sich Commodus wirklich anders vorgestellt. Von wegen Abenteuer. Manchmal sehnte er sich zurück in die Stallungen in Hispania. Ein langweiliges, aber wenigstens ruhiges und recht lockeres Leben.


    In diese und ähnliche Gedanken vertieft, merkte Commodus nicht, wie die Müdigkeit über ihn herfiel und ihn seiner Sinne raubte. Die Schwärze brach über ihn herein und er schlief fest ein, leise schnarchend...

  • Gemächlich ging Avitus die Strasse entlang, die Zügel seines Pferdes in der Hand, welches ihm gehorsam folgte. Es tat dem Artorier gut, mal raus aus der Castra zu kommen. Angezogen in eine rote Soldatentunika samt seinem Paludamentum, diesem scharlachroten Umhang der römischen Offiziere, sowie seine Caligae, fehlte im Grunde nur die Rüstung, um mit Recht behaupten zu können, er hätte sich in voller Montur aus der Castra gewagt.


    Es war schon erstaunlich, in welch seltsame Situation er sich hineinmanövriert hatte. Als Besitzer eines Sklaven oblag es ihm selbst, jedes mal, wenn er einen Auftrag für Commodus hatte, ihn aufzusuchen, statt umgekehrt. Über diese Erkenntnis musste Avitus nachdenken, während er sich der Unterkunft seines Sklaven näherte, sah jedoch keine andere, geschweige denn bessere, Lösung dieses nicht zu verachtenden Dilemmas. In Betracht kam natürlich eine Freilassung, um den gesellschaftlichen Status Commodus' zu steigern, aber selbst dann würde es nicht besser, da er sich als Patron würde zu seinem Klienten bemühen müssen... er verwarf diese lächerliche Idee. Commodus war von einem Auftrag zurückgekehrt. Ein Beweis seiner Loyalität zwar, aber bei weitem nicht genug, um sich seine Freiheit zu verdienen. Es brauchte, wenn es nach dem Artorier ging, schon mehr, als ein paar Briefe zuzustellen, um ein freier Mann zu leben.


    In derlei Gedanken vertieft, erreichte Avitus die Unterkunft und zeigte seine Anwesenheit durch kräftiges Poltern an die Holztür. Er hoffte - nicht zuletzt für Commodus - dass dieser Zuhause war und Avitus hier nicht unverrichteter Dinge wieder abzog. Wenn es je passieren sollte, würde er dem Sklaven den freien Ausgang wohl drastisch kürzen müssen...

  • Commodus war in den Stallungen, welche unweit der Insula lagen. Er kam von einem Ausritt zurück, den er jeden Tag machte. Zum einen liebte er die Pferde und das Reiten, zum anderen war es ihm unerträglich, in der kleinen Insula zu hocken und den lieben langen Tg darauf zu warten, ob nicht sein Herr plötzlich auftauchte... Commodus erkannte das Pferd, das nun angebunden neben dem Platz für das 'seine' stand, mit dem Schwanz die lästigen Fliegen vertrieb, ansonsten aber mit gesenktem Kopf genüßlich das Futter fraß, das ihm bereit gestellt wurde. Selbst, wenn er das Pferd des Artoriers nicht kennen würde, hätte ihm das Brandzeichen klar und deutlich zu Verstehen gegeben, dass es der Legio gehörte, die unweit der Stadt lagerte. Das hieß nur eines... der Artorier war da.


    Schnell eilte Commodus, nachdem er das Pferd zügig versorgt hatte, zur Insula, um den Römer nicht all zu lange warten zu lassen. Nicht, dass ihm viel an dessen Gemütsverfassung lag... nur manchmal, dass wusste er als Sklave nur all zu gut, wirkte sich die schlechte Laune eines Herrn mitunter dramatisch auf den Sklaven aus, weshalb es auch in seinem Interesse war, den Artorier nicht verärgert vorzufinden...


    Der Werkzeugmacher deutete mit einer seltsamen Kopfbewegung an, dass sein Herr oben wartete. Dabei rollte er mit den Augen, was wohl hieß, dass es um seine Laune nicht zum Besten bestellt war. Er erreichte seine Unterkunft, vor deren Tür sein Herr schon stand.
    "Salve Herr. Ich komme gerade aus den Stallungen..."
    sagte er im Vorfeld, um dem Artorier die Möglichkeit zu rauben, ihn auch nur irgendwie zu tadeln, denn das Pferd hatte Vorrang vor allem anderen.
    "Ich hoffe, du musstest nicht lange warten?"

  • "Schon gut"
    entgegnete Avitus. Mit einer flüchtigen Kopfbewegung deutete er dem Sklaven an, endlich die Tür zu der Unterkunft aufzumachen, und trat hinein, nachdem dieser der wortlosen Aufforderung Folge geleistet hatte. Er nahm auf einem der beiden Stühle im Zimmer Platz.
    "Lass mich nicht vor Durst umkommen, Commodus"
    sagte er, seinen Blick über das Zimmer schweifend. Es herrschte zu seiner großen Überraschung eine Ordnung im Raum, die er nicht vermutet hätte. In einer Ecke entdeckte er sogar einen Besen und musterte daraufhin den Sklaven mit überraschtem Gesichtsausdruck. Dass der Mann es verstand, dieses schäbige kleine Loch auf Vordermann zu halten, verblüffte ihn gerade zu. Aber er konnte sich die Lösung dieses kleinen Rätsels denken, die vermutlich darin bestand, dass sein Sklave offensichtlich tatsächlich hin und wieder in den Genuß weiblichen Besuches in seiner kleinen Unterkunft kam, den er kaum mit einer dreckigen und verkommenen Unterkunft würde locken können. Avitus sprach es zwar nicht aus, musste dies dem Sklaven aber hoch anrechnen, dass er es verstand, in einer für ihn fremden Stadt gut zurecht zu kommen.

  • Commodus öffnete die Tür und folgte dann seinem Herrn rein in die Unterkunft. Er schenkte ihm und sich je einen Becher Wein, der, wie er nun feststellte, schneller als erwartet fast alle war. Das leichte Leben hatten ihn in den letzten Tagen, da er sich nach seiner Rückreise aus Germania erholte, zu mehr Weingenuß veranlaßt, als üblich.
    "Wir bräuchten mehr Wein. Diese Amphoire ist bald leer und dann ist nichts mehr da, Herr"
    sagte er.

  • Avitus zog eine Augenbraue hoch, als ihm der Sklave darlegte, dass der Wein fast weg war. Er fragte sich, wie um alles in der Welt da möglich sein konnte. Die Amphore, die sie hier rauf geschleppt hatten, wog einiges und er erinnerte sich, wie sie beide sich abgemüht hatten, sie hier rauf ins Zimmer zu tragen.
    "Wie kann denn das sein?"
    stellte er dem Sklaven die Frage. Doch an der Tatsache, dass der Wein alle war, konnte auch diese Frage nichts ändern, dass wusste er. So legte er ein paar Münzen auf den Tisch.
    "Kauf eine neue Amphore. Aber wie du sie hier rauf bringst, ist dein Problem"
    sagte er. Avitus erhob sich, schaute aus dem Fenster und drehte sich dann wieder zum Sklaven um.
    "Und zwar heute noch"


    Damit war auch dieses Thema - für diesmal - erledigt und er kam zum eigentlichen Grund seines Besuches. Avitus nahm einen Schluck Wein, um die Kehle zu befeuchten, ehe er sprach.
    "Ich schicke dich nach Rom. Du erinnerst dich noch, wo meine Familie wohnt und lebt? Es gilt, einen Brief zu überbringen. Du brichst morgen früh auf. Sei schnell, ich erwarte, dass du in spätestens zwanzig Tagen zurück bist"

  • Das konnte heiter werden. Commodus musste würde wohl den Werkzeugmacher von unten fragen müssen, ob der ihm beim Rauftragen der Amphore helfen würde. Der Mann würde dies wahrscheinlich nicht für umsonst machen, schließlich - wie er stets betonte - hatte er 'Geschäfte zu leiten'. Commodus war sich aber sicher, dass ein paar Münzen oder auch Becher des Weins da Grund genug sein würden, die Geschäfte mal für ein paar Minuten ruhen zu lassen und ihm zu helfen.


    Dann hörte er, dass der Artorier ihn nach Rom zu schicken beabsichtigte. Zwanzig Tage Zeit. Zwanzig Tage. Allein in Rom würde er bei diesem Chaos, der dort Tag und Nacht auf den überfüllten Strassen herrschte, zwei Tage verweilen. Das hieß, dass er ... er musste einen Augenblick nachrechnen und bediente sich der Finger, um es zu erleichtern... sechzehn, nein achtzehn Tage Zeit hatte, um die Hin und Rückreise zu bewerkstelligen. Das war verrückt... selbst, wenn er vierzig Meilen pro Tag zurücklegte, würden ihm am Ende zwei Tage fehlen.


    "Zwanzig Tage sind aber wirklich wenig, Herr. Ich glaube kaum, dass ich das schaffe"
    wagte er dann zu widersprechen. Vielleicht war es eine dumme Idee, zu widersprechen. Vielleicht hätte er einfach aufbrechen, und es drauf ankommen lassen sollen.

  • "Was ist denn heute bloß los mit dir, beim Mars"
    brauste Avitus auf, als ihm der Sklave widersprochen hatte.
    "Zuerst kommst du zu spät hier an, dann sagst du mir, dass fast kein Wein mehr da ist und dann widersprichst du mir. Ich glaube, du hast schon lange keine Peitsche mehr auf deinem Rücken gespürt"
    warf er dem Sklaven vor. Dann hielt er jedoch inne. Womöglich waren zwanzig Tage in der Tat zu wenig Zeit. Zwar war die Reise in zehn Tagen durchaus zu schaffen, aber der Aufenthalt in Rom würde auch seine Zeit, mindestens zwei Tage, in Anspruch nehmen.
    "Wie viele Tage wären denn deiner Meinung nach genug?"
    frate er nach der Einschätzung Commodus'

  • Commodus sah Strafe schon kommen und plötzlich bereute er es, dem Artorier widersprochen zu haben. Umso mehr überraschte es ihn, dass sich sein Herr dann plötzlich wieder zu beruhigen schien und ihn sogar fragte, wie viele Tage er für angemessen hielt. Commodus musste nicht lange nachdenken.
    "Gib mir 24 Tage, Herr"
    Vermutlich würde er es auch in 22 Tagen schaffen, wollte aber auf Nummer sicher gehen. Man sollte stets mehr verlangen, als man tatsächlich für nötig erachtete.

  • Avitus runzelte die Stirn. Offenbar besaß Commodus so etwas wie Verhandlungsgeschick.
    "24 Tage. Gut, von mir aus. Auf die paar Tage kommt es jetzt auch nicht an"
    sagte er und nahm noch einen Schluck von dem Wein. Dann holte er den Brief raus, den er vorhin in seiner Unterkunft im Castellum geschrieben hatte, und übergab ihn dem Sklaven.
    "Den letzten Auftrag in Germania hast du zufriedenstellend erfüllt. Das hier ist ein Klacks dagegen. Also dann..."
    er nahm noch einen Schluck Wein, leerte damit den Becher und erhob sich, in der Absicht, wieder aufzubrechen.
    "Ich bin wieder weg, die Pflicht ruft. Denk daran, ehe du aufbrichst, dass du dich um den Wein kümmerst"

  • Commodus trank ebenfalls den Wein aus und nahm den Brief entgegen. Er selbst konnte nach wie vor weder lesen noch schreiben und musste hoffen, dass der Artorier seine Absicht, ihm dies beizubringen, in die Tat umsetzen würde. Dies würde seinen Wert als Sklave beträchtlich steigern.
    "Ich werde dich nicht enttäuschen, Herr"
    sagte er.

  • Schon seltsam... der Platz in den Stallungen, der für das Pferd angemietet wurde, sei nicht mehr frei, weil der Vertrag darüber gekündigt worden sei. Commodus hatte zwar versucht, nachzufragen, aber einem Sklaven wie ihm schenkte der Besitzer keine Aufmerksamkeit und hatte ihm sogar gedroht, die Hunde von der Leine zu nehmen, wenn er und sein Gaul sich nicht schleunigst verziehen würde... wahrscheinlich sind der Besitzer und sein Herr in Streit über diese Kündigung geraten.


    Der Werkzeugmacher erzählte ihm dasselbe. Vor zwei Wochen sei der Vertrag abgelaufen und der Artorier hatte sich da auch nicht mehr blicken lassen. Als er fragte, was mit den Sachen aus dem Zimmer sei, erklärte ihm der Werkzeugmacher, der Artorier sei mit ein paar Soldaten und einem Maultier vorbeigekomen und habe alles weggeschleppt, was sich wegschleppen ließ.


    So blieb Commodus nichts anderes übrig, als ohne Umwege in Richtung des Legionslagers zu reiten. Vermutlich würde sich dort alles aufklären lassen.

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