[Campus Martialis] Die Feier des Equus October

  • Schon im Morgengrauen des noch jungen Tages war die Priesterschaft des Mars in einem feierlichen Zug durch das erwachende Rom in die Richtung des campus martialis geschritten, wo am heutigen Festtag des Kriegsgottes ein ganz besonderes Ereignis stattfinden sollte: Wie jedes Jahr am fünfzehnten Tag des Octobers würde hier in einem Rennen zwischen zwei Pferdestreitwagen der siegreiche ermittelt werden, um dann das rechte Tier des siegreichen Zweispanners zu Ehren des Mars zu opfern. Die älteren Bürger Roms, welche sich an diesem kühlen, aber wolkenlosen Herbsttag schon zahlreich eingefunden hatten, wussten auch den Enkeln oder Söhnen zu berichten, dass dieser Festtag als Sühneopfer in der alten Zeit gefeiert worden sein soll. Nicht umsonst rechnet man die Ahnherren des stolzen römischen Volkes bis zu den Trojanern zurück, welche durch des listenreichen Odysseus' Idee mit einem Pferd genarrt wurden und den Krieg um ihre Stadt verloren.


    Im Kreis seiner Priester ist es denn auch der flamen Martialis, der durch seine besonders markante Erscheinung hervorsticht, ein hochgewachsener, kräftiger Mann in den besten Jahren, mit trainiertem Leib, der unter seiner Kleidung gut zu erkennen ist - die von seiner Frau gewebte Toga mit einer Bronzespange gehalten, dazu das pileus, die aus dem Fell eines Opfertieres hergestellte Kappe. So manche Frau am Straßenrand - denn auch diese waren bei einem solch wichtigen Feiertag anwesend - blickte der stattlichen, so virilen Gestalt des flamen Martialis mit einem Seufzen hinterher, denn trotz des vollständig geschorenen Haars wirkte dieser Mann anziehend und attraktiv, vielleicht mochte es auch das ein oder andere Augenzwinkern sein, das einer schönen Frau am Straßenrand gegolten hatte. Nicht umsonst war Mars der männlichste aller Götter, dessen Liebe zwar Venus gelten mochte, dessen Blick aber niemals nur allein auf eine Frau gerichtet sein konnte.


    So erreichte der Zug der Priesterschaft schließlich das Marsfeld, und viele Bürger, die unterwegs den Straßenrand gesäumt hatten, schlossen sich ihnen an, um ebenso noch Platz auf den aus Holz errichteten Sitzrängen zu finden. Einige besonders Vermessene boten gar im Verstohlenen Wetten darauf an, welches Pferd es am heutigen Tage treffen würde, denn wo ein Risiko, da auch ein kluger römischer Geschäftsmann, der daraus sein Kapital zu schlagen vermochte. Doch auch am Marsfeld selbst hatten sich bereits viele Bürger versammelt, die neugierig dem Ausgang des Pferderennens harrten. Der flamen Martialis nahm seinen Platz auf der für die Priesterschaft vorgesehenen Empore im Kreise der anderen Marspriester ein und blickte über das Marsfeld, ließ die Atmosphäre einige Momente lang auf sich wirken, bevor er die ersten Worte seines Gebetes sprach, welches gleichsam offiziell den Festtag beginnen würde.


    "Mars, Du Behüter unserer Stadt, Du Vater Roms, Schlachtenzieher und Lebenswirker. Schenke uns an Deinem heutigen Tag die Kraft in Gestalt des Pferdes, welches Dir zu Ehren geopfert wird, wähle unter den beiden Gespannen jenes, welches Dir am Besten gefällt, denn nur für Dich haben wir uns eingefunden, Dir zu huldigen und Deinen Namen vieltausendfach zu nennen, auf dass das Echo in alle Ewigkeit erklinge!"
    Sein Arm hob sich, und unter dem tosenden Beifall der Menge nahmen die beiden Streitwagen, deren Lenker aus den Nachwuchstalenten der bekannteren Rennställe aus Rom stammten, schnell Fahrt auf und bogen in einer gewaltigen Staubwolke um den ersten in den Boden gerammten Pfosten, der als Wegmarkierung diente. Es schien der perfekte Tag für eine Feier, und während die Wagen die erste Runde gedreht hatten, strömten immer mehr Menschen zum Marsfeld, um das anschließende Opfer nicht zu verpassen.

  • Natürlich war Tiberius Vitamalacus auch unter den Zushauern, die an diesem Tag dem Rennen und dem anschliessenden Opfer beiwohnen wollten. Er und Titus bahnten sich mühelos den Weh durch die Menge und immer wieder passierte es, das ein Händler sich an ihn wandte, der sich über irgendetwas beschweren oder einem ihrer Konkurenten etwas schlechtes nachsagen wollten. Viele von ihnen wurden schon durch das grimmige Gesicht des ewigen Schattens des Tribuns abgeschreckt, doch immer wieder wagte es doch einer, so auch der kleine, fette Mann in einer feinen Tunika.


    "Salve Aedil, verzeih mir die Störung,...."


    Tiberius Vitamalacus grüsste fast wortlos zurück, doch er blieb nicht stehen, bahnte sich seinen Weg weiter durch die Massen. Wie ungehalten er über diese Störung war, zeigte er nicht wirklich, schliesslich war er ein Amtsträger und er liess diese Störung an einem Feiertag im stoischer Ruhe über sich ergehen, genau wie den unendlichen Redefluss des kleinen Mannes, der Mühe hatte, den Schritten des Tiberiers zu folgen.


    "... meine Name ist Marcus Lucullus, von der Gemeinschaft der Bäcker in der Subura, dort in der Strasse der Backstuben habe ich auch mein Geschäft, wie so viele andere auch. Verzeih Aedil, wenn ich dich störe, doch du musst doch wissen, wie es ist, wenn ein Konkurent die falschen Geswichte verwendet, wenn denn ein Brot nicht mehr so viel wiegt, wie es den wiegen sollte. So werden die ehrlichen Bürger und die ehrlichen Geschäftsleute, wie wir es von der Gemeinschaft sind betrogen,...."


    Langsam reichte es dem Tiberia, er blieb stehen, denn wenn der Mann nicht bald seinen Monolog zu ende brachte, würde er um den Start des Rennens gebracht.


    "Marcus Lucullus, über wen willst du dich beschweren ?"


    Der Blick des Aedils war kalt, spiegelten, wie auch die Stimme, seine Ungeduld wieder. Der kleine Dicke stutzte, brach seinen Redefluss ab und stammelte fast nur die Antwort.


    "Ba..run..dius' Ba..ck..war..en all...er Art...."


    Das er die Besitzerin dieses Geschäftes kannte, zeigte er nicht, es tat auch nichts zur Sache. Es war ein Hinweis, ein Hinweis den er nachgehen müsste und es tun würtde, egal gegen wen er da eventuell ermitteln müsste. So nickte er einfach.


    "Ich werde der Sache nachgehen. doch nun will ich mich dem heutigen anlass widmen."


    Die ganze Geschichte war somit für ihn erledigt, er ging etwas weiter, suchte einen Platz, von dem er einen guten èberblick über das geschehn auf demn Marsfeld hatte. Das sich der kleine dicke Bäcker sich unterwürfigst bedankend davon machte, bekam er garnicht mehr mit, er lauschte den Worten des Flamen, überblickte kurz die Reihen der Zuschauer und verflogte dann gespannt den Verlauf des Rennens.

  • Das Equus October ist Victors liebster Mars-Feiertag, gemeinsam mit den Equirria. Pferderennen, blutige Opfer und Mars - was gibt es schöneres im Leben? Zwar würde er heute nicht am Ende des Rennens bei den Sacerdotes martialis stehen und bei der Opferzeremonie helfen, aber gegen gegen einen Platz bei den Priesterschaften Roms ist auch nichts einzuwenden, immerhin hat man von hier aus die beste Aussicht auf die Rennbahn. Die Stimme des Flamen Martialis donnert über das Feld und bald danach die Hufe der Pferde. Gebannt beobachtet Vic das Rennen. Auch, wenn es hier nicht gilt, einer Factio zuzujubeln, für Mars soll es nur das beste Pferd sein und so gilt es, Aurigae und Pferde anzufeuern, dass sie alles geben und zeigen, wer von ihnen das beste Gespann ist.

  • Irgendwo unter den Zuschauern stand auch Macer, dort wo viele andere Senatoren sich ebenfalls aufhielten. Wagenrennen an einem Feiertag des Mars, abgehalten auf dem Marsfeld - das ließ Erinnerungen in ihm wach werden an die Ludi Martialis, die er hier einmal ausgerichtet hatte. Mit einem Rennen für Nachwuchsfahrer, welches die Russata gewonnen hatte...


    Viel war nicht von diesem Ruhm übrig geblieben, die jungen Fahrer der Russata schienen ewige Talente zu bleiben und so dreht heute zwei andere Fahrer die Runden auf der Bahn. Macer hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, dass er nicht auch deshalb hier war, um diese Fahrer zu beobachten und zu entscheiden, ob er nicht vielleicht einen von ihnen für die Russata abwerben sollte. Aber noch war es nicht soweit, das Rennen hatte gerade erst begonnen, nachdem der Flamen ein Gebet gesprochen hatte und die Staubwolke der beiden Wägen war erst einmal an ihm vorbei gezogen.

  • Einen Vorteil hatte man als Priester des Mars - beziehungsweise sacerdos publicus, der sich um die Angelegenheiten des Marstempels zu kümmern hatte - bei den Feierlichkeiten: Man stand auf der Empore hinter dem flamen Martialis und hatte so die beste Sicht auf das Geschehen. Hätte ich mich heute innerhalb der reichlich anwesenden Menschenmenge herumdrücken müssen, ich hätte sicherlich so manchen Wutanfall über mir zu nahe kommende Bewohner der Subura bekommen, die Empore war der beste Weg, mich halbwegs bei Laune zu halten. Dass mein Magen reichlich übersäuert war und das Frühstück aus einem Becher Milch gegen die Kopfschmerzen bestanden hatte, musste hier schließlich nicht jeder wissen. Wenigstens heute gelang es mir, die Miene eines interessierten Beobachters aufrecht zu erhalten, und nicht allzu verdrießlich dreinzuschauen, nicht zuletzt, weil sich auch der Septemvir Valerius Victor unter den Priestern hier befand und ich Fragen nach meinem persönlichen Zustand einfach vermeiden wollte.


    Es sah düster genug aus in meinem Inneren. Schweigend verfolgte ich die Fahrt der beiden Gespanne und hoffte, dass es das richtige Pferd treffen würde, mit sauberen, makellosen Innereien, denn alles andere hätte ein ausgesprochen übles Omen bedeutet. Alle Tiere waren einwandfrei gesund gewesen, als wir sie gemeinsam begutachtet hatten, und ich hatte die Gelegenheit erhalten, dem flamen Martialis bei seiner Arbeit über die Schulter zu blicken, ihn und seine Handlungen genau zu beobachten. Vielleicht war es das Beste im Augenblick, einfach nicht an ihn zu denken, mich auf die Arbeit zu konzentrieren und irgendwie voran zu leben. Noch immer sah ich die Bilder meines Traumes vor mir und dachte darüber nach, was mir Mars damit hatte sagen wollen, aber irgendwie war ich mir auch sicher, dass ich eine Weile brauchen würde, um die Wahrheit darin zu erkennen. Die Gespanne bogen um den nächsten Pfeiler und schon schien es, als sei das rote Gespann eine Elle schneller als das blaue.

  • Einer der Vorteile seines Amtes war es, das er ohne Probleme einen der besten Plätze einnehmen zu können und ungehindert dem Verlauf des Rennens verfolgen zu können. Obwohl natürlich ein Mann von seiner Grösse auch in den hinteren Reihen hätte problemlos verfolgen können. Zusammen mit Titus, der ihn ja noch einmal fast um Haupteslänge überragte, stand er in der ersten Reihe, beide Männer mussten zwangsläufig heraus ragen.


    Das Rennen war spannend und denoch schmerzte den begeisterten Reiter die Aussicht, das eines dieser Tiere geopfert werden würde. Lämmer, Schafe, Wider und ähnliches zu opfern, das war etwas anderes, als solche prächtige Pferde. Aber, sein Kennerblick verriet, das hier Mars ein würdiges Opfer gebracht würde.

  • Caius war ebenfalls erschienen, um dem Equus October beizuwohnen, denn das Rennen, das veranstaltet wurde, wollte er auf keinen Fall verpassen - und schon gar nicht die folgende Jagd um den Schweif!
    So stand er in der Masse, die kaum etwas von den Kulthandlungen sehen konnte und wartete, dass irgendetwas passierte...

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