[Cloaca Maxima] aediles sub urbe


  • Es war ein sonniger Morgen...


    Es hatte in den letzten Tagen hatte es ständig geregnet. Kleine Sturzbäche hatten sich entwickelt, wurden über die Strassen der Stadt Rom hinweggetragen oder ergossen sich in die scheinbar endlosen Tiefen der ewigen Stadt, in die Kanäle der Cloaca Maxima. Die Kanäle schwollen an und an manchen Stellen quoll die dreckige braune Brühe aus den Kanaldeckeln. Doch trotz der vielen Wassermassen, die vom Himmel herabfielen, zeigte sich der Flußgott Tiber auch gnädig und nahm die braune Masse aus der Stadt auf und trug den Gestank und die Abfälle weg, ohne über die Ufer zu treten. Auch hatte die Reinigung vor einiger Zeit durchaus bewirkt, dass nicht alles gleich überschwemmt wurde in der Stadt. Dass das Forum Romanum erneut überschwemmt werden würde, käme den jetzigen Wahlkämpfern wohl nicht sonderlich recht- wollten sie doch wohl mit ihren strahlendweißen Togae die Wähler beeindrucken.


    Heute war es jedoch kein Regentag. Die Sonne blitzte zwischen träge dahinschwebenden Wolken hervor und glitzerte schon idyllisch auf die vielen Wasserpfützen, die zwischen den Pflastersteinen entstanden waren. An anderer Stelle in der Stadt, sah Helios nur auf eine matschige braune Straße herunter. So auch an dieser Stelle, dem Pfad zu dem Eingang zur Cloaca Maxima, der direkt an den Tiber mündete. Hier war einer der größten Kanäle und hier konnte man sogar mit einem Boot in die Cloaca fahren. Es wartete auch ein kleines hölzernes Boot, dessen Hanfstrang die kleine Holzschale vor den Wirbeln des Tibers bewahrte. Drei Männer standen dort, ein älterer Mann in einer grauschwarzen Tunika, und zwei Jüngere, die gerade Laternen und Schaufeln auf das Boot warfen. Einer der jungen Männer, nennen wir ihn mal Minius, sicherte noch mal das Seil. Minius war ein Freigelassener, der sich jetzt im Dienste der Stadt verdingte. Es war das erste Mal für ihn, dass er in die Cloaca hinabsteigen sollte. Immer mal wieder fuhr er sich nervös über seine kurzen braunen Haare und warf einen angewiderten Blick in das dunkle Loch.


    Neben ihm stand ein etwas breiter gebauter Mann [Famius], wenn auch jung an Lenzen. Er trug eine etwas schmuddlige beige Tunika und sah stoisch vor sich hin. Nicht weil er ein Philosoph war, sondern weil er schon lange in den Kanälen tätig war, für wenige Sesterzen die Woche. Doch es reichte um anständig zu leben und somit hatte er es besser als so manch ein anderer in Rom. Minius verzog das Gesicht. „Sag mal, gibt es wirklich Krokodile dort unten?“ Famius zuckte mit der Schulter und spuckte in den Fluss. „Kann sein!“ Minius schauderte kurz. „Und wie steht es mit den Geistern der ertränkten Kinder?“ Wieder ein Schulterzucken. „Jo, könnte genauso stimmen!“ Minius suchte schnell unter sein Tunika das passende Amulett hervor, was er sich am Morgen noch bei einer Wahrsagerin auf dem Forum Romanum gekauft hatte. Famius sah das und lachte kurz und verächtlich.


    Der Älteste unter den Drei stapfte den schlammigen Weg nach oben und trat auf Artoria Medeia zu, die neben ihrer Sänfte stand und immer mal wieder über die steinerne Balustrade nach unten spähte oder über die Strasse. Der alte Mann, sein Name war Bareus, nickte der Aedilin zu. „Wir sind bereit.“ Medeia wandte sich dem Mann zu. „Ja, sehr gut! Ich bin sicher, der Aedilis kommt gleich. Wir sind schließlich etwas zu früh dran.“

  • Die beiden Männer, die sich näherten, waren beide hochgewachsen, überragten die meisten Römer. Ihre Kleidung war schlicht, einfache Tuniken und ihre Schritte halten auf dem Pflaster der Stadt Es waren eindeutig Männer, die in den Legionen Roms gedient hatte, jede ihrer Bewegungen zeugte davon, doch nichts verriet welche Ränge die beiden Männer gehabt hatten, aber der kleinere der beiden strahlte eine natürliche Autorität aus


    Tiberius Vitamalacus hatte darauf verzichtet, an diesen Tag seine Toga zu tragen oder irgendwelche anderen Zeichen seines Amtes oder seine Standes. Nur der riesige Titus trug ein kleines Bündel mit sich, jedenfalls wirkte es in seiner Hand klein. Als sie die Sänfte erreicht hatten, erhob Tiberius Vitamalacus seine Stimme.


    "Nun, du willst wirklich mit auf diese Untersuchung kommen, werte Kollegin ?"

  • Das Zusammentreffen der Aediles


    Der Tiber trug braune Wassermassen mit sich, der wirbelnde Schlamm bildete immer wieder kleine Strudel in denen sich Zweige oder Laub verfingen und eine Weile hin und her gerissen wurden ehe sie weiter im Fluss hinabflossen. Auf der gegenüberliegenden Seite waren einige Boote zu sehen, die wenigen Flussfischer, die schon früh morgens mit ihrer Jagd angefangen hatten. Die Sonne schmeichelte den Männern jedoch nicht, abgerissen und verhärmt sahen sie selbst von weitem aus. Doch schon waren am Horizont wieder die ersten Quellwolken zu sehen, die sich langsam zu Helios Scheibe zogen, um ihr die ganze Strahlkraft zu rauben. Im Moment war das Wetter jedoch noch gut. Unten ging Minius unruhig auf und ab, Famius kaute jedoch inzwischen gelassen auf einem harten Brotkanten, den er noch auf seinem Tisch in der Insula gefunden hatte.


    Als die Schritte sich näherten wandte sich sowohl Medeia als auch Bareus den beiden ankommenden Männern zu. Medeia lächelte freundlich und nickte Vitamalacus höflich zum Gruß zu. Bareus, dessen Schultern ein wenig eingesackt wirkten, wenn er auch immer noch kräftig und robust wirkte, kniff die Augen leicht zusammen und sah den Patrizier unverwandt an. Medeia lachte bei den Worten von Vitamalacus. „Ich? Bei den Göttern nein!“ erwiderte sie schmunzelnd. „Ich habe nur meiner großen Schwäche nachgegeben, die Neugier. Ich wollte mir ansehen, wo denn der wichtigste Zugang zur Cloaca Maxima ist. Zwar würde es mich durchaus reizen, die Gänge mal zu sehen, aber meine Abscheu überwiegt doch.“ Sie spähte noch mal kurz über die Mauer. „Ich kehre gleich in mein Officium zurück und komme heute Nachmittag wieder. Wenn ich jedoch vorstellen darf? Das ist Bareus! Er dient seit zwanzig Jahren der Stadt in der Cloaca. Bareus, dies ist der Aedilis Curulis, Tiberius Vitamalacus!“ Bareus verneigte sich vor Vitamalacus. „Herr! Wollen wir dann gleich?“

  • Der Blick des Tiberius Vitamlacus fiel auf den Zugang zur Cloaca und unweigerlich weckte es erinnerung an Germania, jenen letzten grossen Feldzug, welchen er mit gemacht hatte. Und auch wenn er noch nie in der Cloaka Maxima gewesen war, so hatte er doch eine ziemlich genaue Vorstellung, was denn nun kommen würde. Und auch Titus wusste, welche unangenehmen Gerüche hier auf sie warten würden, die unlust, seinem Tribun hier zu folgen, stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch er schwieg, hielt das Paket in seiner Hand einfach nur noch fester.


    "Werte Kollegin, "antworte der Aedil eben dieser," dann wünsche ich dir einen erfreuilichen Tag in der Basilica, doch ich weis nicht, ob ich es dir empfehlen kann, uns wieder in Empfang zu nehmen, da ich vermute, das wir, bis zum Aufsuchen eines Bades, keine angenehme Gesellschaft sein werden. Vale bene !"


    Er nickte kurz Medeia zum Abschied zu, wandte sich dann dem älteren Mann zu. "Gut, Bareus, wir können uns sofort auf den Weg machen." Und mit der Selbstverständlichkeit mit er stets die Führung übernahm, ging der den schlammigen Weg hinunter, Titus und Bareus hinter sich wissend. Behände bestieg er das Boot. Es brauchte einen Moment, bevor der riessige Ex-legionär Titus sich dazu bewegen konnte, auch in das Boot zu steigen, nicht ohne es bedrohlich zum Schaukeln zu bringen.

  • Und sie begaben sich unter Tage...


    Eine Amsel plusterte sich am Rande der Mauer auf und betrachtete neugierig die Menschenansammlung. Als sich Vitamalacus in Bewegung setzte, flog sie schnell auf und „schimpfte“ noch mal ehe sie am Himmel und über der Pons Aemilius verschwand. Medeia lächelte leicht. „Dann viel Glück, werter Tiberius! Vale bene!“ Dann wandte sie sich ab und verschwand in ihrer Sänfte. Bareus stapfte schweigend hinter Vitamalacus auf den matschigen Weg hinunter und bis zum Boot, wo die beiden Gehilfen schon warteten und das Boot befestigten, damit der Aedil ungehindert einsteigen konnte. Minius und Bareus folgten dem Aedil sogleich ins Boot, was bei den Bewegungen gut hin und herschaukelte. Erst als Titus auch eingestiegen war, knüpfte Famius das Seil von dem eisernen Ring, nahm das Hanfseil in die Hand und kletterte gewandt in das Boot hinein. Sogleich ergriff Famius ein Ruder und drückte auch Minius eines in die Hand. Kräftiger Bewegung stieß er das Boot vom Land ab und tauchte sofort das Ruder ins Wasser, um gegen den Strom des Tiber anzukämpfen. Die beiden Gehilfen mühten sich mit dem Rudern ab und langsam tauchte die Spitze des Bootes in den Kanal hinein.


    Der steinerne Gang verschluckte das Boot und sofort wurde es dunkler. Große steinerne Blöcke bildeten das Gewölbe der Cloaca Maxima und ein schmaler Gehsteg führte an der Seite entlang. Als das Tageslicht vom Ausgang immer schwächer wurde, griff Bareus nach einer kleinen Laterne und entzündete sie geschickt mit einem kleinen Feuereisen. Das Licht erhellte matt den Gang, üble Gerüche drangen an die Nasen der Männer. Minius würgte leise bei dem Gestank, der die übelsten Gassen der Subura oder manche Insulaestraßen weit übertraf. Langsam und gegen den Strom ankämpfend drang das Boot tiefer in den Kanal hinein. Bareus leuchtete gegen die Wände und deutete mit seiner Hand, die von Alterspigmenten gezeichnet waren, auf die Mauern. „Die wurden schon zu der Zeit der Könige gebaut, Herr! Doch man sieht es an den meisten Stellen den Mauern nicht an. Immer noch tadellos. Ja, die alten Römer wussten noch zu bauen. Nicht so wie heute, wo immer wieder Schluder betrieben wird. Kein Wunder, dass viele Bauten heute keine Generation mehr halten. Trotzdem haben die Kanäle auch eine Schwäche, leider. Möchtest Du vielleicht die Cloaca später noch sehen?“ Bareus ließ die Lampe wieder etwas sinken. Der Lichtschein fiel auf die braune und dreckige Masse, die sich träge um das Boot herumwälzt. Eine Ratte teilte den Strom und schwamm am Boot vorbei, dabei war das Tier fast so groß wie eine kleine Katze. Minius schlug hastig mit dem Ruder nach dem Tier, was das Boot heftig schaukeln ließ...

  • Das Gesicht des riesigen Titus verzog sich, als das Boot ablegte. Wasser war nicht sein Element, Botte waren ihm unheimlich, etwas, das er mit so vielen Männer der Legion teilte. Wenn Tiberius Vitamalacus diese Ansicht teilte, so zeigte er dieses zumindest nicht, der Blick des Aedils folgte interessiert den Ausführen ihres Führers, der Gestank in dieser Röhre schien ihn nicht zu stören.


    "Es wurde in der Tat meisterhaft gebaut," antwortet er Bareus, "doch vermutet auch, das so was,.." Kurz deutete er auf die Ratte, "nicht die einzigen Bewohner hier unten sind ?" Die Stimme des Tiberiers war gewohnt kräftig und hallte von den Wänden und der Decke zurück. Hier war er an einem Ort, den zu errichten seine Ahnen schon geholfen hatten und der aus einem Sumpf zwischen sieben Hügel die bedeutenste Stadt der welt gemacht hatte. Hier unten war die Grundlage dessen, was Rom gross gemacht hatte. "Welche Schwäche meinst du ? Und ja, ich möchte mir alles ansehen."
    Hinter ihm im Boot stöhnte Titus auf, umschloss das Paket in seiner Hand noch etwas fester, als ob es ihm auf diesem nassen Element halt geben würde.

  • Excursus Historiae oder die Führung geht weiter...


    Die Ruder des Bootes platschten in die ekelerregende braune Brühe, die den kleinen Erkundungstrupp umfloss. Das Licht der Laterne flackerte unstet und es war als ob das Boot immer tiefer in den Bauch von dem Wesen Rom hineinstoßen würden. Immer wieder waren an den Seiten kleine Zuflüsse zu sehen aus denen das Wasser oder der Dreck der Stadt in die Cloaca Maxima stürzte. Theatralisch seufzte Bareus auf. Seine Hand deutete auf einen der kleinen Zuflüsse. „Das große Problem der Cloaca ist ihr Alter. Sicherlich, die Kanäle sind vom Mauerwerk in einem exzellenten Zustand. Wirklich bewundernswert. Aber trotzdem sind die Gänge in einer Zeit gebaut worden als aus der Ziegenwiese Forum Romanum ein stolzer Platz gemacht werden sollte. Einer Zeit, wo Rom bedeutend kleiner war. Doch heute sind wir eine Weltstadt. Alle Menschen der Welt strömen zwangsläufig nach Rom. Na ja, zumindest viele von ihnen!“ Für Bareus bestand die Welt eh nur aus den römischen Provinzen, ein Stück Partherreich und dahinter war die Welt für ihn zu Ende.


    „Aber die Kanäle können gar nicht die Kapazität der gesamten Stadt aufnehmen. Das merken wir immer zu solchen Zeiten wie jetzt, wenn die Regenfluten herunter kommen. Es ist gut, dass vor einigen Amtszeiten der Consul...ähm...der...ja, der Mann der mit der Zensur belegt wurde, hier mal ordentlich durchgewischt hat...wenn ich das so sagen darf. Aber das ist immer nur ein Aufschieben des Dilemmas. Denn eigentlich müssten die Kanäle erweitert und verbreitert werden, unzählige zusätzliche Kanäle sollten ausgebaut werden!“ Ernst nickte Bareus und glich immer wieder das bedrohliche Schwanken mit dem Arm aus. „Beim Forum in der Nähe steht übrigens die Cloaca...ich fahr nie an ihr vorbei ohne ein kleines Opfer zu entrichten. Wusstet ihr, dass immer wieder subversive Elemente die Cloaca Maxima für ihre Geschäfte nutzen?“ Bareus war kein Analphabet, doch die Laune des Lebens hatte ihm diese Arbeit vermittelt. Doch er verdiente einigermaßen und mit den Jahren hatte er sich damit abgefunden. Und in seinem Alter fand man auch nichts anderes oder besseres.

  • Darüber wie alt die Cloaka irklich war, darüber brauchte Tiberius Vitamalacus keine Belehrung, schliesslich hatte ihn stets sein Grossvater darüber erzählt, das es auch seine Ahnen gewesen waren, welche am Bau der ersten Mauern beteiligt gewesen waren. Und das war auch einer der Gründe, warum er sich nicht scheute, hier unten nachdem rechten zu sehen, auch wenn der Gestänk der Abwässer sicherlich unangenehm war und es einen langen Aufenthalt in den Thermen bedürfte, bevor der Gestank aus der Kleidung verschwand.


    So hörte den Ausführungen des Führers aufmerksam zu, während sein Blick über die Mauern der Kanäle wandern liess, Für ihr alter waren sie in einem Ausgezeichneten zustand.
    "Weisst du, ob es Pläne gibt, die Känäle auszubauen ? Und wie ist die Abwasserentsorgung in den neueren Stadtteilen, welche es zur Zeit der Könige noch nicht gab ?"


    Das Boot passierte einen der kleineren Zuläufe, aus dem aber, im Gegensatz zu den Anderen, kaum Abwasser herrauskam. Offensichtlich hatte irgendetwas diesen Zulauf verstopft. Tiberius Vitmalacus gab dem Führer ein Zeichen, das er sich das einmal näher anschauen wollte.


    "Ich denke, eine grosse Reinigungsaktion ist löblich, doch habt ihr genügend Leute, regelmässig solche Verstopfungen zu beseitigen ? Besonders da die krimellen Elemente diesen Ort für ihre Treffen benutzen, ist doch anzunehmen, das sie auch ihre leidige Konkurrenz hier los werden."


    Zumindest würde er es so tun, wenn er in solchen Kreisen operieren würde. Was hier unten landete, verschwand auf immer und ewig, oder wenn es denn auftauchte, dann war es zur unkenntlichkeit verwest. Als Soldat hatte er schon früh jene Angst verloren, welche die meisten Römer vor einem toten Körper hatten. So scheute er sich auch nicht, vorsichtig aufzustehen, als das Boot dem verstopften Kanal näherte und mit einer Lampe in der Hand auf den schmalen Fussweg am Rande des Kanals zu springen. Er leuchtete in den Zulauf hinein. Etwa 2 Schritt weiter hinten hatte ein Brett oder ein Ast sich quer gestellt und so hatten sich unzählige andere Dionge dort gesammelt : Tücher, Hölzer, Obst und Gemüseabfälle.
    Kurz vor dem Hindernisse tummelten sich zwei Ratten, die, als sie das Licht der Lampe, sich diesem zuwandten.
    Tiberius Vitamalacus wandte sich um, an einen der Männer im Boot:"Gib mir das Ruder..."

  • Die Drecksarbeit eines Aedils?


    „Wenn es Pläne gibt, Aedil, dann wurden sie mir nicht mitgeteilt. Aber bislang habe ich von einem geplanten Ausbau noch nichts gehört!“ Bareus rümpfte leicht die Nase und kratzte sich dann an der Stirn. Auf das Zeichen hin ruderten die beiden Hilfskräfte näher an den Steg heran. Der Rand des Bootes schrammte geräuschvoll gegen den Stein, etwas von der Brühe schwappte über den Rand hinein. Irritiert beobachtete der ältere Bareus wie Vitamalacus auf den Steg sprang. Ein Arm ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, folgte er ihm auf den kleinen Steinweg, der glitschig und sehr nass vom tagelangen Regen über der Stadt war. Als sich Vitamalacus nach vorne beugte, um den verstopften Zufluss zu inspizieren, verharrte Famius mit dem Ruder. Das Boot trieb noch einige Fuß weiter, wurde dann jedoch vom Strom langsam, aber stetig wieder zurück getrieben. Immer mal wieder tauchte Famius das Ruder in das dreckige Abwasser, um das kleine Boot auf der Stelle zu halten.


    Bareus blieb an der Seite von Vitamalacus und beobachtete, was der Aedil dort tat. Fast spähte er ihm über die Schulter und sah den Aedil befremdet an. „Für den normalen Alltag haben wir gerade so genug Leute. Es könnten mehr sein, besonders ein paar mehr staatliche Sklaven oder wenigstens Liberti wäre ganz gut. Aber für aufwendige Reinigungsarbeiten reicht es nicht aus. Aber wir haben wenigstens nicht mehr die Zustände ohne den Princeps. Kriminelle Elemente...ja in der Tat, aber...“ antwortete er und verstummte als Vitamalacus nach einem Ruder fragte. „Herr, bist Du Dir sicher, dass Du da stochern willst? Da könnte es ziemlich schnell rauskommen, wenn der Stau groß genug ist!“ Skeptischen maß er Vitamalacus mit einem Blick. Auch die anderen Männer warfen sich etwas unsichere Blicke zu. Minius kam jedoch der Aufforderung sofort nach und reichte das Ruder weiter. Eine braune fette Ratte trippelte den Steg entlang und direkt auf Vitamalacus' Caliga zu.

  • Das es nicht geplant war, die Canäle weiter auszubauen, nahm Tiberius Vitamalacus mit leichter Besorgnis zur Kenntniss, schliesslich war der Bau der Kanäle die Grundlage dafür gewesen, das die Stadt wachsen konnte. Und wachsen tat sie weiter hin. Er würde dies im Hinterkopf behalten und nachforschen, ob etwas geplant sei, oder aber was denn unternommen werden musste, um einen weiteren Ausbau in die Wege zu leiten. Er ahnte, das ihn dies über seine Amtszeit beschäftigen würde.


    Doch nun nahm der verstopfte Zufluss seine Aufmerksamkei in Anspruch. Schweigend nahm er das Ruder entgegen, sah es spektisch an, wog es prüfend in seiner Hand. "Sicher ist es nicht ohne Risiko, dieses Hindernisse aufzulösen," meinte er trocken, "doch wenn es sich weiter staut, spült es Dreckwasser und solche Gefährten hier,... "
    Ohne Vorwarnung schnellte das Ruder hoch in die Luft unbd dann herab auf die Ratte vor seinen Füssen, diese fast in einer Bewegung tötende und in den Hauptstrom befördernd.
    "..., in die Keller der Insulas," fuhr er ungerührt weiter fort," doch besser ist es, wenn ihr das Boot etwas weg bewegt, nicht das es voll Abwasser läuft."
    Als das Boot dann ein paar Schritte vom Zulauf entfernt war, schob er das Ruder in Schacht, es hatte gerade ein aussreichende Länge. Die beiden Ratten hingegen waren nicht begeistert, blicken den Störenfried ärgerlich an. Doch Tinerius Vitamalacus liess sich nicht beeindrucken, legte stattdessen das Ruder so an, das es direkt auf einen der Äste lag, welcher den Rohrlauf staute. Würde er diesen anbrechen, täte der druck des Wassers den Rest und er hätte noch genug Zeit, sich mit dem Ruder zu entfernen.


    Kurz atmete er durch, dann stiess er zu. Ein leisses Krachen war zu hören, dann kurze Ruhe. Doch der stodd war zu stark gewesen, hatte den Ast durchtrennt und so blieb weniger Zeit als gedacht. Zwar schaffte er es noch, sich etwas zu entfernen und auch das Ruder in der Hand zubehalten, doch ergoss sich eine nicht unbeträchtliche Menge des Abwasser über seine linke Seite. Doch er lachte nur, reichte das Ruder Zurück und bestieg wieder das Boot.


    "Etwas Schmutzarbeit hjat noch nie einem Mann geschadet," meinte lachend, deutete in die Tiefe der Cloaka, "wir können weiter."

  • Rechtzeitig bevor Vitamalacus sich ans Werk machte, war Bareus zur Seite ausgewichen. Stumm beobachtete er das Tun des Aedilis. Auch sein Fuß stieß eine Ratte zur Seite, die schrill aufquieckte und dann im Kanal mit einem leisen Platschen landete. Sofort kam ihr kleiner Kopf wieder hervor und sie fing an davon zu paddeln. Der Wasserschwall kam und Bareus Mundwinkel zuckten kurz. Das war jedoch die einzige Gemütsregung, die er darüber zeigte. Stattdessen kletterte er wieder ins Boot hinein und folgte somit dem Aedilis Curulis. Das Boot schwappte bei der Bewegung leicht hinter her. Den Kanal kam ein großes Stück Holz, wohl ehemals von einem Fass, entlang getrieben. Das Holz stieß kurz gegen die Bootswand und schwamm weiter. Famius und Minius ruderte auf einen Wink von Bareus wieder los. Sie kämpften gegen den Strom und das Boot fuhr stetig vorwärts und tiefer in die Gedärme der Stadt hinein. Wieder leuchtete Bareus voraus und in die Dunkelheit des Kanals. An den Seiten flossen kleine Rinnsäle von Wasser entlang. Scheinbar hatte es angefangen über der Erde zu regnen. Obwohl der Kanal immer noch mehrere Meter breit war, wurde er doch stetig ein klein wenig schmaler.


    Dann fiel das Licht der Laterne auf ein seltsames Gebilde. Eine Frauenstatue, die am Rande des Kanals stand. Gesichtszüge hatte sie keine und auch ihre Körper schien eher von unkultivierter Hand zu kommen, wies sie doch nicht die Feinheiten der griechischen Kunst auf. Zu ihren Füßen lagen allerlei Gaben, Schalen und ihr Sockel war mit dem Wachs unzähliger Kerzen mit einer dicken Patina bedeckt. Eine Ratte knabberte an ihren Füßen an einen der Essensgaben. Famius verscheuchte sie mit seinem Ruder und schien einen Moment ehrfürchtig zu sein. Bareus beugte sich nach vorne und strich mit seiner alten Hand über das Steingewand der Statue, die an dieser Stelle schon blankgerieben war. Er murmelte leise einige Worte und holte eine Wachskerze hervor. Diese zündete er an seiner Laterna und pfropfte sie am Sockel fest. Famius schwieg und schien auf seine Weise an diesem kleinen Dienst teilzunehmen. Nur Minius schien keine Ahnung zu haben, was die beiden Männer dort taten. Bareus wandte sich danach wieder zu Vitamalacus um. „Die Cloacina! Wir sind jetzt fast direkt unter dem Tempel der Venus Cloacina auf dem Forum Romanum. Keiner, der hier im Kanal arbeitet, geht ohne ein Gebet an dieser Göttin vorbei.“ Er schwieg und warf der Statue noch mal einen respektvollen Blick zu. Doch dann kam er wieder zu ihrem Geschäft zurück. „Es gibt da etwas, was ich Euch gerne zeigen will. Es ist in einem Nebenkanal, etwa eine halbe Hora von hier entfernt!“

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