Hinterer Teil des Brautzuges

  • Valeria deutete ein Nicken an. Sie freute sich für ihn, dass es ihm gut ging. Als er jedoch die Gegenfrage stellte, wandte sie den Blick wieder nach vorn, augenscheinlich um den Sonnenuntergang zu beobachten.


    "Es geht", gestand sie dann und schwieg eine Weile, in der sie nur neben Maximian her ging. Sie antwortete wie gewöhnlich auf diese Frage, wenn sie denn gestellt wurde:
    "Ich habe viel Arbeit."


    Einzig Maximian, der sie von allen Anwesenden wohl am besten kennen mochte, würde diese Farce einer Ausrede sicherlich durchschauen. Sie musste schnell das Thema wechseln. Nur worüber sollten sie reden?


    "Bist du...hm, bist du schon in die Legion eingetreten? Du wirkst sehr...kräftig", fragte sie dann und sah ihn wieder an. In der Tat, er wirkte sehr muskulös.
    Mit einem Mal war sie alles satt. Sie seufzte tief und wirkte unruhig. Warum sollte sie ständig ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihm nahe war? Sie waren nun mal ein Paar gewesen, verdammt! Und? Sollte sie deswegen vor einer Berührung zurückschrecken?? Sie waren beinahe die Letzten, nein, sie waren die Letzten des Brautzuges.
    Valerias Herz klopfte bis zum Hals, als sie nach Maximians Hand griff und ihre in seine legte.


    "Du fehlst mir", sagte sie offen und sah dabei auf ihre und seine Hand hinab. War ja auch kein Wunder. Ihr fehlte irgendwer.

  • Maximian hatte Valeria beobachtet, wie sie scheinbar den Sonnenuntergang betrachtete und ihm antwortete, sie habe nur viel Arbeit. Das mochte wahr sein. Maximian kannte Valeria recht gut, war er immer der Ansicht gewesen, und so meinte er im Recht zu sein, wenn er bezweifelte, dass es nur das war, was sie so mitnahm. Denn mitgenommen sah sie alle mal aus.
    Er kniff die Augen ein wenig zusammen und richtete seinerseits den Blick nach vorn. Er beobachtete, wie die Schuhe des Mannes vor ihm kleine Kiesel aufsammelten und im Bogen fliegen ließen, weil der Kerl einen Gehfehler hatte. Er fragte sich, ob die Kiesel ihm ins Gesicht schießen würden, wenn der Brautzug plötzlich nicht mehr nur ging, sondern alle losrannten.


    "Nein, ich bin noch nicht eingetreten. Ich habe mir die Freiheit herausgenommen das alles doch ein wenig langsamer anzugehen und mich vorerst ausreichend auf die Jahre in der Legio vorzubereiten. Es gäbe keine größere Schmach, als wenn man als Sohn des LAPP gleich zu Anfang schlapp macht."
    Er grinste und sog tief die frische Luft ein. Dann gingen sie einen kurzen Moment schweigsam nebeneinander her. Maximian wurde das Gefühl nicht los, dass Valeria ihm gar nicht wirklich zugehört hatte. Dann plötzlich legte sich ihre Hand in seine und sie sagte, er würde ihr fehlen.
    Maximian sah Valeria an und folgte ihrem Blick hinunter auf ihre Hände. Er wusste nicht recht, wie er mit ihrer Offenheit umgehen sollte. Umso aufmerksamer wurde er, denn er konnte sich jetzt sicher sein, dass es Valeria nicht gut ging. Seine Finger tasteten mechanisch ihre ab. Sie waren kühl und wirkten knochig. Zerbrechlich. Dann gab er sich einen Ruck und schloss die warme Hand um Valerias, nur um sie nervös lächelnd zu mustern. Er traute sich nicht stehen zu bleiben, noch großartig darüber nachzudenken.


    "Ich habe auch oft an dich gedacht..." drückte er sich vorsichtig aus und wirkte nur noch unsicherer. "Du siehst nicht gut aus, Valeria. Ich weiß nicht, ob es mir zusteht, dir das zu sagen, aber du wirkst.... nicht glücklich. Ist alles in Ordnung?"

  • Vorbereitung? Das erklärte, dass er so sehr an Statur zugenommen hatte. Valeria nickte unmerklich. Die größere Schmach für den Sohn des Legatus Augusti wäre vermutlich, dass seine vermeintliche Cousine noch immer an ihm hing, auf irgendeine Weise. Und Valeria? Die wusste nicht, was sie tun sollte, denn ihr Leben zog Kreise, über die sie vor zwei Jahren nur belustigt den Kopf geschüttelt und sie als Spinnerei abgetan hätte. Und jetzt? Nun fand sie sich inmitten eines immer schlimmer werdenden Chaos wieder, ihre Gefühle schlugen Purzelbäume, sie zweifelte an ihrem Verstand und sie fühlte sich egoistisch. Und schrecklich allein. Irgendwo weiter vorn ging zwar Livianus, doch er musste sich nur herumdrehen und sehen, mit wem Valeria da Hand-in-Hand ging, und diese einfache, ganz normale Geste würde noch Erhebliches nach sich ziehen. Dabei wollte sie doch nur etwas Geborgenheit haben.


    Die warme Hand Maximians war wie ein Stück Normalität, das plötzlich wieder in ihrem Leben war. Sie machte ihre Hand ganz klein, dass er möglichst viel mit seiner Hand umschließen konnte. Eine kindische Geste, aber sie spendete ihr gerade den Trost, den sie brauchte. Sie begann dennoch zu zittern, nicht, weil ihr kalt war, sondern weil sie Gefahr lief, Maximian nicht nur an der Hand zu berühren, sondern eine größere Nähe zu suchen. Sie hatte das Gefühl, dass entweder sie selbst oder ihr Widerstand, der Versuchuns nachzugeben, gleich zusammenbrechen würde. Unwillkürlich wurde sie langsamer, der Abstand zu den Leuten vor ihnen vergrößerte sich immer weiter. Seine Frage und vor allem die Art, wie er sie fragte, lösten ein ungutes Gefühl in Valeria aus. Nichts war in Ordnung. Livianus machte sich mehr als rar und ließ sie im Ungewissen, eine ihrer Schülerinnen war verschwunden, ebenso wie ihre Leibsklavin, das Provinzcollegium forderte ständig Berichte, die anderen Sacerdotes schienen ihre Aufgaben langsam zu vernachlässigen und der Verwalter der Obstplantage hatte gekündigt. Dann kam noch dazu, dass die Schafe ihres Betriebes weniger Milch gaben als sonst, weil die Weiden nicht mehr so ergiebig waren und Valeria deswegen weniger Schafskäse produzieren konnte, der Kaiser hatte ihren Brief entweder nicht bekommen, nicht gelesen oder antwortete einfach nicht (vermutlich war auch alles zu diesem Thema gesagt, was gesagt werden konnte), aus Mogontiacum hörte sie kaum etwas und sie wurde vermutlich krank, weil sie kaum noch etwas aß. Trotzdem antwortete Valeria nicht mit ihren ganzen Sorgen, sondern verringerte den Abstand zu Maximian um weitere zehn Zentimeter. Ihr Umhang streifte seine Seite nun bei jedem Schritt.


    "Du hast recht. Ich bin nicht glücklich. Ich dachte, ich wäre es, aber ich bin es nicht. Und das schlimmste ist, dass es selbst Leah mit ihren Schminkkünsten nicht verbergen kann", versuchte sie einen matten Scherz, über den sie selbst aber nicht einmal schmunzeln konnte. Sie fröstelte und blieb schließlich ganz stehen, drehte sich zu Maximian herum.


    "Es geht mir schlecht, Lucius. Und ich weiß nicht, was ich daran ändern kann", murmelte sie, einem Zugeständnis gleich. Sie musterte ihn im Licht der letzten Strahlen der untergehenden Sonne, und zog einen Mundwinkel hoch, um ein Lächeln zu imitieren, was allerdings mehr als kläglich scheiterte.

  • Valerias Hand schrumpfte in seiner und Maximian schloss seine Hand fest um die zierliche Frauenhand. Es kam einer freundschaftlichen Geste gleich, etwa weil er spührte, dass sie Halt verlor, weil einiges im Argen lag. Und wenn er sich zuletzt auch nicht imstande gesehen hatte jemals ein Freund für Valeria sein zu können, so stellte er sich damit in diesem Moment gar nicht mal so schlecht an, obwohl er, wenn er einmal ehrlich war, tief in sich drin die Stiche wahrnahm, die ihre Berührungen oder ihr Anblick oder das Wissen darüber, dass man sich nicht gebührend um sie kümmerte, selbst jetzt noch verursachten.
    Er wollte sich gerade darauf konzentrieren nicht darüber nachzudenken, als Valerias Umhang seine Seite streifte. Dann wieder und wieder. Ihr Duft schien mit jedem Schritt, den sie tat, vom wärmenden Stoff zu ihm geweht zu werden. Wieder konzentrierte er sich auf den Abend und den Anlass, die Augenbrauen leicht zusammengezogen, sodass sein Blick ernst an den kieselschleudernden Schuhen des Mannes hefteten, der in immer größer werdender Entfernung vor ihnen in einen Gesang einstimmte.


    Da blieb Valeria stehen. Maximian sah nur ganz langsam zu ihr auf, weil er nicht wusste, ob sie sich ausmalte, welche Wirkung ihre Worte auf ihn haben mochten. Genau genommen wusste er es selbst nicht ganz genau. Das einzige, was er klar sagen konnte, als sein Blick schließlich dem von Valeria begegnete, war, dass er sie immer noch liebte und alles dafür tun würde, damit sie wieder glücklicher sein konnte.
    Er lächelte matt in Valerias Gesicht, das vom letzten Licht des Tages in leuchtendes rot-violett tauchte. Die leichte Brise wehte durch ihr blondes Haar und spielte mit einzelnen Strähnen. Doch all das täuschte nur Lebensfreude vor, denn Valerias missglücktes Lächeln sprach Bände.
    Maximian ließ die Anspannung von sich weichen. Hier war niemand, der sie beobachtete und selbst wenn, dann würde das nichts ausmachen. Valeria brauchte einen Freund, jemand der sie auffing. Die Wut, die er bekam, weil Livianus es scheinbar nicht mehr war, der sie auffangen wollte, schob er mit der Anspannung beiseite und lächelte erneut, wobei er seine freie Hand hob, sie einer Haarsträhne Valerias Haar näherte, diese sachte berührte und dann sanft über Valerias Wange strich.


    "Das macht nichts. Ich kenne dieses Gefühl", sagte er mit ruhiger Stimme und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. "Mir hat es geholfen, wenn ich wusste, dass da jemand ist, der sich anhört, was mir auf der Seele liegt. Ich weiß nicht, ob ausgerechnet ich dieser jemand sein sollte, dem du erzählst, denn ich weiß nicht, was das für Auswikungen haben könnte."
    Er unterbrach sich kurz. In dieser kleinen Pause zuckten seine Mundwinkel lustig kurz nach oben und sein Blick rutschte zu seinem Daumen, der sachte über Valerias Wange strich und dann zusammen mit der Hand sank. Dann sah er Valeria ernst an.
    "Aber wenn du es möchtest, dann werde ich für dich da sein, so gut ich es kann."

  • Skurril. So war die Situation. Und unwirklich war es, wie Valeria sich fühlte. Als sei sie mit der Einladung auf diese Hochzeit ein Stück weit in die Vergangenheit gerutscht und käme nun nicht mehr von dort weg. Sie stand dicht vor Maximian und sah zu ihm auf, wie er zu ihr heruntersah. Inzwischen wurde es immer dunkler, denn die Sonne war bereits untergegangen und die wenigen Fackeln, welche die Umgebung kurz zuvor noch etwas erhellt hatten, wurden von der Hochzeitsgesellschaft ebenso davongetragen wie die Geräusche und Laute, die eine große, feiernde Menschenmenge stets begleiteten.


    maximian hob seine Hand und strich Valeria in einer tröstlichen Geste über die Wange. Die junge Frau schloss die Augen und drehte den Kopf leicht in die BEwegung herein. Es tat so gut, nach so langer Zeit ein Stück geborgenheit geschenkt zu bekommen, noch dazu von jemandem, der ihr viel bedeutete. Sie mochte ungerecht zu Livianus gewesen sein, aber war er nicht auch um ein so vielfaches Ungerecht zu ihr selbst gewesen? Sie verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr an die Wenns und Abers, die in ihrem Kopf herumschwirrten und diesen schönen Moment zu stören drohten. Valeria schloss die Augen und genoss die Berührung mit einem gefühl des inneren Friedens, das sie schon so lange nicht mehr verspürt hatte. Und geerade deswegen gab ihr dieser Moment so unendlich viel.


    Sie öffnete die Augen erst wieder, als Maximian sich anbot, ihr zuzuhören. Was es für Auswirkungen haben könnte.... Valeria überlegte, was genau er damit meinte, doch ihr viel nichts ein, außer... Nein. Im Grunde genommen fiel ihr nichts Negatives ein. Während Maximians Mundwinkel noch zuckten, fragte sich Valeria schon, was um Himmels Willen sie da gerade dachte. Hatten ihr die zwei Becher Wein denn so sehr die Sinne vernebelt? Doch noch ehe sie eine Antwort finden konnte auf diese selbstgestellte Frage, sprach Maximian weiter und ließ die Hand sinken. Valeria seufzte unwillkürlich und sehr leise.


    "Du warst immer da, Lucius. Immer, wenn ich jemanden gebraucht habe. Nur dieses eine Mal nicht, damals, als du im Fieber lagst und ich dachte, du hättest dich nur deinen Pflichten entziehen wollen. Ich habe versucht, mir ein neues Leben aufzubauen. Aber ich fürchte, in einer entscheidenden Sache bin ich gescheitert", begann sie und schloss im Flüsterton, ehe sie den Kopf senkte.
    "Weißt du... Ich habe genug Geld, ich habe eine Tätigkeit, die mich mit Freude erfüllt und der ich gern nachgehe. Ich bin Eques. Aber ich bin nicht glücklich."


    Valeria hob den Kopf wieder und sah Maximian an. Licht aus irgendeiner Lichtquelle spiegelte sich auf seine Gesicht in bizarrer Form wider, ließ aber seine AUgen glänzen und funkeln. Valeria unterdrückte den Impuls, etwas sehr Dummes zu tun.


    "Ich dachte, ich wäre es, aber ich habe es mir wohl nur eingeredet. Vielleicht, um mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Jedes Mal, wenn ich dich treffe, übermannt mich eine enorme Welle der Schuld. Ich versuche, nicht darin zu ertrinken, aber wenn es nicht die Schuld ist, dann ist es deine Anwesenheit, in der ich untergehe. Verstehst du das?" fragte sie ihn und sah ihn bittend an, ließ ihm jedoch keine Möglichkeit der Intervention.
    "Es ist nicht so, wie ich immer gedacht habe. Ich bin nicht stark, Lucius. Ich bin schwach, allein und in gewisser Weise auch dumm. Ich weiß nicht, was ich denken soll, was ich tun soll. Ich weiß nur, dass ich mich selbst damit quäle, wenn ich hier vor dir stehe und dich so ansehe, als ob... Wie früher. Ich versuche, es zu verdrängen, aber es geht nicht. Ich versuche, an meine Zukunft zu denken, aber du tauchst darin nicht als Bekannter auf und nicht als Freund, sondern als etwas, das ich... Ich weiß es nicht. Ich drehe langsam durch, Lucius. Ich...vielleicht..."


    Valeria wandte sich halb ab und griff sich an den Kopf. Er schmerzte; und sie wusste wieder einmal nicht, was sie denken sollte. Weder von ihm, noch von Livianus, noch von sich selbst. War es wirklich so, wie Meridius gesagt hatte? Dass sie eine schwarze Witwe war, dass Unglück über die Decima brachte? Alles drehte sich um sie herum, es wurde dunkler und Valeria schwankte. Zu viel, das alles war zu viel für sie. Noch während sie sich wieder zu Maximian herumdrehen und ihm ein beruhigendes Lächeln zuwerfen wollte, wurde ebendieses Lächeln schon zu einer Grimasse und wie wäre beinahe in die Dunkelheit abgerutscht, die schon mit gierigen Fingern nach ihr griff uns sie umhüllen wollte. So aber hielt sie sich nur an Maximian fest, um nicht zu stürzen, keuchte angestrengt und tat sonst nichts weiter, als zu versuchen, stehen zu bleiben und nicht zu fallen. Sie hatte eben doch wieder zu wenig gegessen.


    Einen Moment später ging es wieder besser, sie stand sicher auf den eigenen Beinen, aber immer noch an Maximian gelehnt da. langsam drehte sie den Kopf schräg nach oben, um Maximian anzuschauen, zerbrechlich, wie sie wirkte. Sie kannte ihn, es würde nichts nutzen, wenn sie den kleinen Vorfall eben als Nichts abtat. Ihr Atem strich über sein Gesicht und Valeria wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus, sondern sah ihn nur an.


    In der Ferne erklangen abermals Talassio-Rufe.

  • Seine Hand, in die sich kurz zuvor noch weich ihre Wange gechmiegt hatte, sank und Valeria seufzte, nur um danach ein Geständnis abzulegen, das Maximian im allerersten Moment in einem sehr ernsten Blick die Brauen zusammenziehen ließ. Warum ahnte er, dass das, was Valeria sagen würde, sehr viel Bedeutung haben würde? War es ihr Zustand? Oder die Art, wie sie ihn ansah, eindringlich, traurig und bittend zugleich?
    Valeria ließ ihm zwar nicht die Chance sich zu irgendeiner Zeit zu Wort zu melden, aber ohne Zweifel wäre ihm auch zu keiner Zeit etwas eingefallen, das Sinn gemacht hätte es auszusprechen. Der junge Mann sah Valeria direkt an. Nur als sie den Kopf senkte, sah er an eine Hausfassade in Valerias Rücken, bis sie schließlich wieder den Kopf anhob. Er wusste nicht recht, ob er verstand. Ob er noch irgendetwas verstand.


    Unglücklich... untergehen... schwach... wie früher...
    Er fühlte sich in einen Traum zurückversetzt. Einen Traum, der ihn bewusst oder nicht an die Hundert Male heimgesucht haben musste in den vergangenen Monaten. Tröstend war anfangs nichts an diesen Träumen gewesen, denn irgendwann war er erwacht und hatte sich an die Realität erinnern müssen. Dann jedoch hatte das Aufwachen als Flucht vor diesen Träumen sich allmählich zu einem Trost erwachsen, der nicht unbeträchtlich daran mtgewirkt hatte, dass Maximian das Leben ohne Valeria, die eben nicht nur Bettgefährtin, sondern auch Freundin und letztendlich Partnerin gewesen war, wieder zu genießen gelernt hatte - so unfair sich das auch anhörte, wo sie nun direkt vor ihm stand.


    Maximian blinzelte und runzelte leicht die Stirn, als Valeria sich abwandte und sich den Kopf hielt. Noch bevor sie es wahrscheinlich bemerkte, sah er sie schon wanken, sodass er sie auffing, als sie zu kippen drohte und sich reflexartig an ihm festhielt. Dass sie fiel, würden seine Arme nicht zulassen, die sich zögerlich um ihren schmalen Körper legten, um Wärme und Halt zugleich zu spenden. Es war ein seltsames Gefühl. Es war seltsam Valeria zu halten, noch seltsamer, wie sie sich anfühlte und am seltsamsten, wie er sich dabei fühlte. Er konnte sich noch so gut daran erinnern, da eine jede ihrer Berührungen auf seiner Haut ein giftiges Brennen verursacht hatten, weshalb er sie lieber gleich als sofort von sich geschubst hätte. Damals, im Hortus der Regia beispielsweise. Das alles war nicht mehr. Aber dafür ließ sein Kopf es zu, dass ihm warm ums Herz wurde, während er Valeria hielt und ihr alle Zeit der Welt gab, die sie brauchte, um wieder zu sich zu kommen. Nicht nur Sorge hatte ihn ergriffen. Alte Gefühle kamen wieder auf.


    Und dann sah sie zu ihm auf. Er konnte ihren warmen Atem auf seinem Gesicht spüren und schon beinahe ihre Lippen schmecken. In ihrem Rücken bewegte sich eine seiner flachen Hände über den Stoff des Mantels, der trotz seiner Beschaffenheit nicht verbergen konnte, dass Valeria sehr abgenommen hatte. Maximian schluckte, aber seine Gesichtszüge waren weicher als sonst jemals in den vergangenen Wochen.
    "Weißt du... gerade weiß auch ich nicht, was ich denken, und noch weniger, was ich tun soll. Ich halte dich in meinen Armen. Du sagst mir, dass du nicht glücklich bist, allein... und es geht dir offensichtlich schlecht, sodass ich mich frage, wo ich die ganze Zeit gewesen bin." Er pausierte kurz und neigte den Kopf ein wenig mehr zu ihr. Nur eine Idee, die aber seine sorgenvoll blickenden Augen ein wenig kleiner werden ließ und die ihre Nasenspitzen näher zueinander brachte.
    "Ich möchte dir helfen, Valeria. Ich möchte, dass du weißt, wo du mich sehen sollst, wenn du an die Zukunft denkst und dass du nicht mehr befürchten musst unterzugehen, wenn du... wenn du mich siehst. Zumindest nicht mehr aus Schuld."
    Wusste er noch, was er da gerade beabsichtigte zu sagen? Konnte es sein, dass er bereit war Valeria zu verzeihen? Wie, um sich selbst zuzustimmen, nickte er kaum merklich, innerlich aber sehr entschlossen mit dem Kopf.
    "Ich beabsichtige etwas dummes zu tun, Valeria. Es geschieht aus Verzweiflung, aber auch, weil... weil ich es tun muss. Ich hoffe, du verstehst es nicht falsch. Du... lässt mir keine andere Wahl."


    Ganz langsam senkte Maximian seinen Kopf noch ein kleines Stückchen zu Valeria hinab. Ihre Nasen berührten sich sachte, dann stubste seine Nasenspitze ihren Mundwinkel an und dann.... ja, dann tat er, was er hatte tun müssen. Er legte seine Lippen sachte auf Valerias, schloss die Augen uuuuuuuuunnnnnd.... küsste sie!

  • Im selben Moment stand auch Livianus einige Meter vor den beiden. Er war zuerst im vorderen Teil des Brautzuges mitgegangen, hatte sich dann aber immer weiter zurück fallen lassen, um nach weiteren bekannten Gesichtern Ausschau zu halten, die ihm vielleicht etwas Ablenkung bieten konnten. Zuerst hatte er noch ein relativ gezwungenes Lächeln aufgesetzt, als immer mehr Gäste jubelnd und feiernd an ihm vorbei gezogen waren. Als jedoch der Festzug einen kurzen Moment abriss, gab er den Blick auf Valeria und Maximian frei, die sich gerade einen Kuss gaben. Fast wäre ihm bei dem Anblick der beiden der Weinbecher aus der Hand gefallen, den er bei dem überstürzten Aufbruch aus der Casa mitgenommen hatte. Sein Lächeln erstarrte und sein Gesicht verzog sich gleich darauf zu einem traurigen und enttäuschten Ausdruck. Darum also die ablehnende und zurückweisende Art von Valeria. Sie hatte wohl in seiner Abwesenheit wieder den Weg zu Maximian gefunden und sich von ihrer ach so beklemmenden Einsamkeit ablenken lassen. Nun war alles klar und für Livianus der Vorhang gefallen. Im Hause der Ducciers hatte er noch an eine Versöhnung und an eine gemeinsame Zukunft geglaubt und gehofft, dass sich die Wogen wieder glätten würden. Hier wurde ihm mit einem Schlag klar, dass dies wohl ein Irrglaube war. Enttäuscht und gebrochen zwang er sich, nicht weiter hin zu sehen, trank seinen Weinbecher leer und verschwand wieder in der Menschenmasse. Bei der nächstbesten Gelegenheit würde er abreisen – am besten noch heute Nacht, wenn die Feier vorbei war - und alles hier einfach nur vergessen.

  • Sie dachte nicht mehr nach. Der winzigen Funken Verstand, den sie noch zu haben schien, war ohnehin vom Wein ausgelöscht worden. Sie und Maximian standen am Ende des Brautzuges, nahe den anderen und doch allein da, denn sie teilten etwas, was sie mit keinem anderen hätten teilen können. Valeria bemerkte Livianus nicht, wie er sich scheinbar unbemerkt von der Gruppe abgesondert hatte, die schon so weit entfernt war, und nun da stand und seine eigene kleine Welt untergehen sah, weil Valeria sich an Maximian lehnte.


    Seine Worte klangen besorgt und aufrichtig, Valeria seufzte leise in der Annahme, dass nun alles besser werden würde, dass sie den Tiefpunkt überwunden hatte und Maximian ihr endlich das verziehen hatte, was sie ihm angetan hatte. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht in ihrer Nähe gewesen war. Die machte sich Livianus vielleicht auch, aber er zeigte es nicht. Valeria kam die ganze Welt so ungerecht vor in diesem winzigen Moment. Nun fühlte sie auch seinen Atem an ihrer Wange, wo er so warm über die feinen Härchen strich. In diesem Augenblick manifestierte sich eine Vermutung in ihr. Sie hätte sich abwenden sollen, wäre noch ein einziger Funken Logik in ihrem Kopf gewesen. Zu Valerias Verteidigung muss man sagen, dass sie wenigstens kurz daran dachte, aber die Situation verschwamm vor ihren Augen mit den Worten Maximians, der ankündigte, etwas Dummes zu tun, der sie indirekt warnte, sie gleich zu küssen.


    Du lässt mir keine andere Wahl...
    Er mochte sie nicht haben, doch sie hatte sie. Ihr Herz pochte hart und schnell gegen ihre Rippen. Maximians Lippen kamen näher, er stupste sie zärtlich mit der Nase an, Valeria konnte sich nicht bewegen, gefangen in einem Bann. Ihr Hände wurden kalt. Sie zwang sich, Maximian loszulassen, einen winzigen Moment nachdem sich ihre Lippen berührt hatten. Wie mechanisch und unter größter Anstrengung drehte sie unendlich langsam den Kopf fort und blickte geschlagene zwanzig Sekunden auf irgendeinen Punkt am Boden. In ihr brannte ein Feuer. Sie wusste nur nicht, wie sie es deuten sollte. Waren es Schuldgefühle? War es die Entscheidung? Das Verlangen, dem Wunsch nachzugeben, ihn zu küssen? Sie fühlte sich mies. Sie hatte Livianus gemein hintergangen und schämte sich trotzdem nicht für ihre Gefühle.


    Das Schicksal wollte es, dass Livianus Maximian und sie in genau jenem Moment gesehen hatte, in dem sie in eindeutiger Pose dastanden. Von dem Aufruhr in ihrem Inneren wusste er nichts, ebensowenig wusste er, wie sie sich fühlte und dass sie den Kuss aus eigener Kraft abbrach. Sie wandte den Kopf wieder Maximian zu und hatte das Gefühl, dass er sie vorwurfsvoll ansah.


    "Lucius, ich...bitte... Ich, ich.... Es ist zu viel. Lass mir noch etwas Zeit zum Nachdenken, ich...es ist alles so wirr... Ich habe das Gefühl, ich verbrenne obwohl es kalt ist", flüsterte sie und faltete die Hände fest ineinander, den Kopf gesenkt. Sie wollte ihn nicht diskreditieren, ebensowenig wie Livianus. Deswegen war es auch gut, dass niemand sie gesehen hatte. Vielleicht war es besser, wenn Valeria nach Britannia reiste. Nach Cyprus. Irgendwo hin, nur fort von diesem Durcheinander, das in letzter Zeit ihr Leben bestimmte.

  • Er küsste sie. Ein ganz kurzer Moment, der dann von Valeria sogleich wieder unterbrochen wurde. Sie wandte den Kopf ab und starrte zur Seite. Maximian musterte ihr Profil und biss sich dann kaum merklich auf die Unterlippe, seine Umarmung um Valeria auflockernd, da sie ja ohnehin wieder sicher auf ihren eigenen zwei Beinen stehen konnte.
    Noch ehe sie ihn wieder ansah, überkamen den jungen Mann verschiedene Gefühle. E war sich nicht mehr sicher, ob es von Vorteil für ihn selbst oder für Valeria gewesen war, was er gerade getan hatte. Er fühlte sich unwohl, weil er Valeria damit in eine möglicherweise beklemmende Enge getrieben und sich darüber hinaus bloßgestellt hatte, was ihre gemeinsame, oder besser gesagt getrennte, jüngste Vergangenheit anbelangte. Auf der anderen Seite jedoch hatte er ein nur schwer nachvollziehbares Mitgefühl für Valeria, viel Verständnis für ihre Reaktion und ein Herz, das in einer verloren geglaubten Liebe schon neue Kraft schöpfte und Gewesenes zu vergessen bereit war.


    War sein Blick eben noch vorwurfsvoll und ein wenig auch enttäuscht gewesen, so wurde er nachdem Valeria gesprochen hatte mit einem leisen Seufzen wieder milder, obwohl auch Maximian die Verwirrung über das alles ins Gesicht geschrieben stand.
    "Aber ja, ich... entschuldige. Ich dachte nur, du würdest gern geküsst... werden wollen" sagte er leise, lächelte unsicher aber aufmunternd und machte sich verlegen daran, Valerias Mantelsäume näher aneinander zu ziehen, damit sie es schön warm hatte und nicht frieren musste. Nach einem schweigsamen Weilchen gab es da nicht mehr viel zu richten, also sah er sie an. Blaue Augen und ein Schmunzeln, das nach Hoffnung aussah. Er war ein Trottel. Aber Valeria machte ihn dazu, er konnte nichts dafür. Das Schlimme daran nur: Er hatte nichts dagegen, wenn sie es tat. Schließlich nickte er leicht, trat einen halben Schritt zurück, wobei seine Hände Valerias Arme hinabstrichen. Dann sah er sie ernst an, eine Augenbraue hochgezogen, wodurch er einen leicht zerstreuten Eindruck machte.
    "Passiert das häufiger? Dass du umzukippen drohst?"

  • Er dachte, sie hatte geküsst werden wollen. Irgendetwas an dieser Aussage war falsch, auf eine so unerklärliche Weise, dass Valeria nicht sagen konnte, was genau daran falsch war. Vielleicht der Umstand, dass Maximian es getan hatte? Oder der, dass er ihre Gedanken gelesen hatte? Oder der, dass er, nach allem was passiert war, sie trotzdem noch, hm, mochte? Vielleicht sogar liebte? Verwirrt sah sie ihn an, als er schon wieder damit beschäftigt war, ihren Mantel zurecht zu ziehen. Eine Geste der Unsicherheit. Er tat das, weil er vermutlich einfach etwas tun musste, egal was.


    Zeitgleich mit ihm, hob auch Valeria den Blick, sodass sie sich trafen. In Maximians hellen Augen konnte sie einen Hoffnungsschimmer erkennen. Das machte es nicht leichter. Sie hatte das nicht gewollt. Und doch...


    Maximian ließ sie schließlich los und wechselte das Thema. Valeria hätte froh darüber sein sollen, aber das Thema an sich behagte ihr auch nicht ganz, so schüttelte sie kurz den Kopf und sah zur Seite. Es schwindelte sich besser so.


    "Nein. Das ist nichts. Es war nur ein bisschen viel Wein heute abend..."
    Sie wandte sich rasch um und deutete auf den Zug, der in weiter Ferne noch immer dahinschritt.
    "Wollen wir....hmm...?"

  • Sie wich seinem Blick aus. Maximian ahnte, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte, nickte so überhaupt nicht überzeugt und sog tief Luft in die Lungen, als Valeria sich schon nach dem davonlaufenden Brautzug zuwandte. Kalte Luft. Sie würde dabei helfen einen kühlen Kopf wieder zu bekommen, denn wohl beide anwesenden jungen Menschen fühlten sich ein wenig durcheinander. Was er da jetzt genau tun sollte - oder ob er das überhaupt sollte - wusste er spontan nicht zu sagen.


    Maximian sah ebenfalls kurz dem Zug zu, wie er sich langsam weiter entfernte, dann jedoch gleich wieder zu Valeria zurück, die er angestrengt nachdenkend musterte.
    "Hmmmm ja. Das heißt..." Er seufzte und wuschelte sich leicht verzweifelt durchs Haar, das recht lang geworden war. Dann legte er seine beiden Hände auf Valerias Oberarm und versuchte zu erreichen, dass sie ihn ansah.
    "Valeria? Eins noch, bevor wir wieder zu den anderen gehen:", sprach er eindringlich und mit ernsthaft gerunzelter Stirn. "Ich werde nichts tun, das dich unter Druck setzt. Versprochen. Du hast alle Zeit der Welt zum... Nachdenken. Erst, wenn du dir ganz sicher bist, dann...", sprach er leise und schüttelte den Kopf leicht, wonach er die Lippen aufeinanderdrückte, dann kaum merklich eine Schulter nach oben zog und die Hände von ihren Oberarmen sinken ließ, nachdem sie diese nochmal sanft gedrückt hatten. Dann lächelte er dümmlich.
    "Wir werden sehen, hm?"

  • Als Valeria Maxens Hände auf ihren Oberarmen fühlte und spürte, wie sie herumgedreht wurde, fürchtete sie schon, dass er nun ganz arg enttäuscht sein und das auch überdeutlich zeigen würde. Aber alles, was er sagte war, dass er ihr Zeit lassen würde. valeria häte beinahe aufgelacht. Sie hatte die letzten drei Monate Zeit gehabt und konnte sich trotzdem nicht entscheiden, wenn sie niemandem wehtun wollte!


    Sie blickte ihn auf großen, sanften Augen an, sagte nichts, sondern nickte nur. Was gab es da auch schon zu sagen? Valeria drängte das aufkeimende Schwindelgefühl fort und ließ ihren Blick kurz über Maximians Gesicht wandern, schenkte ihm dann ein flüchtiges, aber liebevolles Lächeln und nickte abermals. Ein Wort kam nicht über ihre Lippen.


    Maximian musste sich ebenso durcheinander fühlen wie sie sich selbst fühlte.
    "Wir sollten gehen", drängte Valeria noch einmal mit leiser Stimme, ehe einer von ihnen beiden abermals etwas Dummes tun würde, sei es vorsätzlich oder im Reflex.

  • Maximian nickte nur zustimmend, ehe er neben Valeria ging, die sich dann auch in Bewegung setzte, um gemächlichen Schrittes dem Zug zu folgen. Auf seinen Mundwinkeln zeichnete sich der Schatten eines Schmunzelns ab, aber er sagte nichts und tat auch weiter nichts, selbst wenn er daran dachte, dass Valerias Hand dort irgendwo neben seiner sein musste. Er hätte sie nur zaghaft suchen müssen, aber mehr als einen leichten Hauch der Wärme dieser Hand ließ er seiner Hand nicht zukommen.


    Nachdem sie dem Zug ein ganzes Stückchen näher gekommen waren und die Stimmen wieder an Lautstärke gewonnen hatten, drehte er seinen Kopf seiner vermeintlichen Cousine zu und faltete die Hände hinter seinem Rücken. Irgendwie war es seltsam, neben ihr zu gehen, denn dort hatte er sich für den Rest seines Lebens nicht mehr gesehen. Eine seltsame Geschichte, die sie miteinander verband und die sie scheinbar nicht so wirklich auseinandergehen lassen wollte.
    Er lächelte über seine Gedanken in Valerias Gesicht, räusperte sich dann leise und blickte wieder nach vorn, sich die Kante des linken Zeigefingers an die Unterlippe haltend.

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