VIA XLII - Auf leisen Sohlen...

  • Klamheimlich und in aller Stille hatte ich mich, mit dem wertvollen Brief an meiner Brust, durch die leisen Gassen des nächtlichen Corduba geschlagen. Es war ruhig und die Menschen schliefen. Doch etwas war anders. Statt der üblichen Nachtwache zogen immer wieder kleine Gruppen von leicht bewaffneten Banden durch die Straßen. Daß sie offenbar dem Alkohol zu viel gefröhnt hatten, konnte man hören, und sie schienen sich auch nicht groß für mich zu interessieren, zumindest hoffte ich das, so daß ich zur Vorsicht immer an den Hauswänden entlang schlich. Die Angst saß mir im Nacken und ich konnte den Schlag meines Herzen so deutlich vernehmen, daß ich die Befürchtung hegte, mein aufgeregter Pulsschlag könnte mich verraten.

  • Einige Männer aus dem Pöbel, die die Gunst der Stunde genutzt hatten um sich an dem Eigentum ihrer Mitbürger zu bereichen, saßen in geselliger Runde in später Nacht in einem völlig verwüsteten Straßenzug und fröhnten dem Alkohol. Nachdem die Unterhaltung anfangs noch sehr lebhaft geführt wurde, trat bei zunehmender Stunde eine gewisse Trägheit ein. Alle hatten genug von ihren (Schand-)Taten, die sie am heutigen Tage begangen hatten, geprahlt und jeder ging gerade seinen Gedanken nach (manche bereuten bereits, dass sie heute ihren Nachbarn zerstückelt hatten),als plötzlich einer, der von seinen Kameraden nur der "brutale Quintus" genannt wurde, einen Mann erspäht hatte, der verdächtig unauffällig die Straßen entlang schlich. Quintus rief halb im Scherz halb im Ernst zu jenem Mann"Du da! Was kriechst du hier so verdächtig rum?" In diesem Moment schreckten einige, die bereits vor sich hingedöst hatten oder sich schon im alkoholisierten Tiefschlaf befanden, wieder auf und fluchten über die Störung ihres gerechten Schlafs, doch richteten sie unvermeidlich ihre Aufmekrsamkeit auf den vorbeilaufenden Passanten...

  • Für einen Bruchteil einer Sekunde zuckte ich zusammen. Doch dann fasste ich mich und versuchte möglichst entspannt zu wirken.


    "Ich ? Mein Name ist Publius, und seit wann ist es nicht mehr erlaubt nach Dunkelheit in den Straßen zu wandeln ? Ich sehe euch doch auch auf den Beinen."


    Naja, mehr oder weniger. Wirklich auf den Beinen halten konnte sich niemand mehr von denen, weswegen ich auch recht entspannt wirkte.


    "Ihr entschuldigt, aber mein Meister wartet auf mich. Wenn ich ihm diese Bestellung nicht vor der 6. Stunde bringe, kann ich mir eine andere Tätigkeit suchen."

  • Der brutale Quintus konnte mit der Antwort nicht viel anfangen. Er hatte erwartet, dass der Mann entweder vor Angst schlotterte oder sich als einer von ihresgleichen herausstellen würde, doch mit einer so sachlichen Antworten wusste er nicht umzugehen. Er brabbelte etwas in seinen Bart, schwankte zurück zu seinem Platz, denn er hatte sich erhoben und schrie dann etwas wie "Schehr Dich doch weg, du ...du ...Vieh!" Einige seiner Kameraden fühlten sich von ihm belästigt und schnauzten ihn an"Quintus, halt endlich dein Scheißmaul!" Etwas pikiert setzte er sich wieder hin. Alle anderen hatten den Passanten schon längst wieder vergessen, doch der brutale Quintus grübelte nach, was ihm an diesem Mann nicht gefallen hatte. Und dann durchfuhr es ihn. Welcher Meister arbeitete in so einer Nacht? Er sprang trotz der Proteste seiner Kameraden wieder auf und schrie etwas wie "Bleib stehen du Kaisertreuer!"

  • Der bärtige Kerl hatte sich schon wieder zurückgezogen und ich atmete auf, innerlich. Ich setzte meinen Fussmarsch fort, als mich dieser Typ, der sich vom Namen her als Quintus vorstellte, denn so nannten ihn die anderen, plötzlich mit reibeisiger Stimme anfuhr und mich bezichtigte ein "Kaisertreuer" zu sein.


    Sofort durchzuckte es mich, bis ich mich schließlich umdrehte.


    "Ich ? Ein Kaisertreuer ? Junge, du hast zu viel in deinen Weinschlauch geschaut. Ich spucke auf den Ulpier. Er hat Baetica in Stich gelassen."

  • Ja was sollte Quintus drauf entgegnen. Er hatten einen Vorwand gesucht e´heute einen weiteren Menschen zu töten, aber den gab ihm dieser (noch) nicht.


    " Na das ist ja fein, dann komm und trink mit uns noch einen auf den zukünftigen Sturz des Kaisers!" ER legte seinen dreckigen Arm, der mit Blut und Schmutz besudelt war um den Hals des Mannes der sich Publius nannte. Quintus musste barbarisch stinken, aber das war ihm egal.

  • Ich hätte mich am liebsten losgerissen und wäre einfach losgeeilt, zwei, drei Straßen weiter, bloß nicht mehr in seiner Nähe. Aber dann hätte mich dieser Quintus mit Sicherheit erschlagen und daher versuchte ich bestimmt mit Worten meinem Willen Nachdruck zu verleihen.


    "Dein Weingenuß scheint sich auf dein Gedächtnis auszuwirken. Ich sagte doch schon, daß ich dringend zu meinem Meister muß. Außerdem bin ich ehrlich. Ich kann mir angenehmeres vorstellen, als die Gesellschaft unter euch gröhlenden und saufenden Kumpanen."


    Ich versuchte mich von der Umklammerung des Quintus zu lösen, aber die Kraft, die in seinen Armen steckte, konnte ich nicht aufbringen.

  • Der brutale Quintus hatte sich nicht verhört. Dieser Mann wagte es tatsächlich seine Gastfreundschaft abzulehnen!
    Er blaffte ihn an und Publius musste eine ekelhafte Brise Gestank aus Quintus' Mund ins Gesicht bekommen haben. Eine Erfahrung um die wir ihn nicht beneiden;)
    "Was fällt dir ein so frech mit mir zu verfahren. Das hat noch niemand gewagt so mit mir umzuspringen. D u bist wohl nicht mehr ganz richtig im Kopf! Wie heißt dein Meister, was arbeitet er? WIr können ihn ja zusammen besuchen und dann töten wir erst ihn und dann dich"
    Quintus stieß ein abscheuliches Lachen hervor, dass sich aber nach kurzer Zeit in einen starken Reizhusten verwandelte. Vermutlich hatte er ein Stück Fleisch verschluckt. Auf jedenfall vergaß er in diesem Moment kurz Publius genügend fest zu halten.

  • Was für mich die Gelegenheit war, mich aus der Umklammerung dieses Widerwärtigen Stinktiers zu befreien. Ich machte einen Satz und entfernte mich einige Schritte von ihm.


    "Es tut mir leid, du wirst ihn nicht kennen. Sein Name lautet Gallo, wie der gallische Hahn, nur fliegen kann er nicht. Er wohnt am anderen Ende der Stadt, weswegen ich mich auch beeilen muß. Schlosser ist sein Metier und wenn ich nicht vor Mitternacht bei ihm bin, wird er ganz grantig. Du entschuldigst also."

  • Quintus hatte sich nach einer Weile von seinem widerwärtigen Hustenanfall erlöst, aber ihm war das Ganze nicht geheuer. Welcher Meister ließ in einer solchen Nacht arbeiten? Die Stadt befand sich im Krieg. Jeder musste um sein Leben fürchten. Ein Großteil der Häuser und Werkstätten war ohnhein zerstört oder zumindest verwüstet. Quintus rief:
    "Bleib stehen! Heute muss niemand arbeiten. Wenn sich dieser Hund namens Gallo beschwert, dann schick ihn zu mir"
    Ein diabolisch-finsteres Grinsen huschte über sein ausgeprochen hässliches und entstelltes Gesicht.

  • "Erzähl' das meinem Meister ! Der alte Sack hat bis morgen eine Lieferung nagelneuer Schlösser zu erfüllen, und ich bin dabei unabkömmich. Du entschuldigst also, jede Verspätung zieht er mir vom Lohn ab." :(


    Auf die letzten Worte des Quintus entgegnete ich "Ich werde es ihm ausrichten !"


    Ich hatte mich schon einige Schritte entfernt, wartete aber noch ab, bis dieser Widerling seinen starren Blick von mir löste.

  • Quintus wusste nichts mehr zu entgegnen. Dieser Mann hatte es doch tatsächlich geschafft ihm jeden Vorwand zu nehmen, ihn zu töten. Missmutig brabbelte er etwas vor sich hin und trottete schwankend und fluchend zurück zu seinen Kameraden, die bereits alle schon wieder zu schlafen schienen. Auch wenn es mit Quintus' Intelligenz nicht weit stand, so blieb ein gewisser Zweifel, auch der Pöbel vermag seinesgleichen von Menschen aus den gehobenen Schichten zu unterscheiden und jener Mann, der sich als Schlossergeselle ausgab, hatte etwas an sich, was daran zweifeln ließ, dass er wirklich nur ein Handwerkerlehrling sei. Trotz des schleichenden Gefühls hintergangen worden zu sein, legte sich Quintus wieder an seine Stelle, grübelte noch ein wenig nach und schlief darüber ein.

  • Fortuna sei Dank, diesen Quintus bin ich losgeworden. Für wahr keine schöne Gestalt und ein recht unangenehmer Zeitgenosse.


    Nun aber los, die tempora sind schon fortgeschritten und ich muß mich beeilen, hoffentlich ist er noch da...

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!