Capitolinium - Eine Kammer

  • Nach dem Gespräch mit Livianus war Valeria abgereist. Es war vielleicht nicht gerade die feine Art, aber sie fühlte sich krank. Das war nun schon beinahe eine Woche her.


    Seit vier Tagen war sie wieder in Colonia und seit vier Tagen ging es ihr nicht gut. Leah hatte sich in dieser Zeit als unverzichtbare Hilfe erwiesen. Sie sorgte dafür, dass ihre Herrin wenigstens etwas aß und dass sie es warm hatte, denn Valeria plagten Schüttelfrost und Fieber. Sie war sichtbar ausgemergelt und die Augen lagen tief in den Höhlen. Ihre Hände zitterten, wenn sie den heißen Wein trank, sie wirkte fahrig und schusselig und hatte etliche Falten mehr bekommen.


    An einem besonders kalten Tag hatte sie Leah zum zweiten Mal fortgeschickt mit dem Essen. Sie hatte einfach keinen Hunger und würde sich nur wieder erbrechen, wenn sie etwas herunterzwang. Mit glasigen Augen suchte sie wirr im Raum umher, aber da war nichts, was das Sehen lohnte, also schloss sie die Augen wieder und stöhnte leise.


    "Ach wie gut dass niemand weiß...."

  • Maximian war nicht ganz so schnell abgereist. Er hatte noch am Frühstück teilgenommen, wo ihm Valerias Fehlen aufgefallen war. Auch Livianus hatte er nicht sichten können. Nachdenklich und ein wenig besorgt hatte er jedoch noch bis zum Abend gewartet, ehe er damit begonnen hatte, sich nach der jungen Priesterin durchzufragen.
    Das Resultat seiner Suche war, dass er ein wenig ratlos das Gasthaus verließ, in dem Valeria genächtigt hatte und nun wusste, dass sie bereits am Vormittag abgereist war.


    Die vergangenen Tage hatte er sich häufig gefragt, wie er diese ihre heimliche Abreise verstehen konnte. Er hatte auf eine Nachricht von ihr gewartet und sich mehrmals gesetzt, um ein Schreiben an sie aufzusetzen. Und er hatte sich zusehends mehr Sorgen um sie gemacht.
    Genau diesem Gefühl verdankte er es auch, dass kein Brief fertig geschrieben und abgeschickt worden war, sondern er ausgerechnet an diesem besonders kalten Tag den Drang verspürte Valeria ein weiteres mal nachzusetzen. So hatte er sich ein Pferd satteln lassen, sich in einen besonders warmen Umhang gehüllt und war aufgebrochen.


    Der Weg nach Colonia war ihm bekannt. Er war ihn exakt einmal hin und einmal zurück geritten. Wie damals überkam ihn auch dieses mal ein ungutes Gefühl, das er nicht wirklich zu deuten wusste. Vielleicht lag es auch einfach nur daran, dass die Erinnerungen von eher schmerzhafter Natur waren.


    Nachdem er das Stadttor passiert hatte und das Pferd solange in einem Stall unterstellen ließ, wo es Futter und Wasser bekommen sollte, hatte Maximian sich geradewegs zum Capitol begeben. Dorthin, wo die Tempel standen. Dort stand er dann nochmal vor einer kleinen Herausforderung, weil er nicht genau wusste, wie er nach Valeria fragen sollte. Doch schließlich stand er vor der Sklavin, die er als Leibsklavin Valerias wiedererkannte. Er wusste ihren Namen nicht mehr, auch wenn Valeria ihn erst neulich wieder erwähnt hatte. Trotzdem legte er der Sklavin die Hand auf die Schulter und sagte erleichtert:


    "Wie gut ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es ist gar nicht so leicht, sich hier zurecht zu finden." Die Sklavin sah ihn, der den warmen Mantel immer noch bis unter die Nase gewickelt hatte, wohl ein wenig verdattert an. Maximian nahm die Hand von ihrer Schulter und machte eine verwirrte Bewegung mit ihr.
    "Ach, ist ja auch nicht so wichtig. Ich bin hier, weil.... weil.... Ich suche Valeria. Man sagte mir, ihr Zimmer befinde sich hier im Capitolinium und aller Wahrscheinlichkeit nach würde ich sie eben dort antreffen können." Kurz sah er sich um und runzelte dann die Stirn. "Kannst du mich zu ihr bringen?"

  • Leah wirkte im ersten Moment verdutzt, dann zwang sie sich zu einem Lächeln und nickte.
    "Naja, Zimmer ist zuviel gesagt. Sie wohnt in einer der Kammern im hinteren Teil des Capitols, seitdem Livianus nach Mantua kommandiert wurde. Da passt nicht mehr rein als ein schmales Bett und ein Nachtspind", sagte Leah und machte dabei ein Gesicht das besagte, was sie von dieser Kammer hielt. Dann schüttelte sie den Kopf.
    "Also, ich weiß nicht, ob das eine so gut Idee ist, ehrlich gesagt. Sie ist ziemlich krank weißt du. Ihr geht es gar nicht gut."

  • Maximian folgte den Ausführungen der Sklavin mit mehr oder weniger schräg gelegtem Kopf. Erst das Kopfschütteln ließ ihn wieder wacher gucken. Und was er hörte, erfreute ihn nicht sonderlich. Sein blasses Gesicht (mal abgesehen von knallroten Ohrläppchen und einer ebenso auffällig verfärbten Nasensptize) runzelte sich.


    Zuerst dachte er, die Sklavin wollte ihn nicht zu ihr lassen, weil sie befürchtete, Maximian könnte sich mit dieser schlimmen Krankheit anstecken. Er woltle gerade drauflos plappern, dass in Mogontiacum eh gerade alle kränkelten und ein neuerlicher Bazillenregen sicher nichts ausmachen würde, als ihm gerade noch mal so die wahrscheinlichere Bedeutung der Worte Leahs bewusst wurde. ^^ Ernst und eindringlich blickte er sie also an.


    "Dann ist es gewiss keine schlechte Idee, wenn ihr jemand ein wenig Gesellschaft leistet. Sie wird sich auch nicht anstrengen oder aufregen müssen." Er schniefte einmal und lächelte gutmütig. "Hm?"

  • Leah musterte ihn mit übertrieben skeptischer Miene, ehe sie schließlich mit schräg gelegtem Kopf nickte.
    "Na gut. Dann komm mal mit."


    Schwupps, weg war sie, schritt durch den Tempel und blieb nach einem Weg, der von Gängen, Ecken, Kanten und Säulen geprägt war, schließlich stehen und deutete auf eine Tür.
    "Bitt' schen. Wenn ihr was braucht, ruft mich. Ich werd mal was zu essen organisieren, vielleicht isst sie ja bei dir, wenn sie bei mir schon nichts isst", murmelte Leah und war schon wieder fort, ließ Maximian allein vor der Tür stehen.



    Valeria indes lag mit glühendem Kopf und glasigen Augen - und zitternd - im Bett. Gerade einmal die Nasenspitze lugte unter der Decke hervor.
    "...zweiundneunzig. Ja, das muss es sein... Halt stehngeblieben oder huuu? Nein, soviel können wir nicht liefern, es sei denn...."

  • Maximian nickte erleichtert, als Leah ihn mitkommen hieß und erneut, als sie nach einem Weg, den er aus eigener Kraft nicht wieder zurückfinden würde, endlich vor der Tür zu Valerias Kammer standen. Er bedankte sich bei der Sklavin und klopfte leise an die Tür. Keine Reaktion. Also klopfte er noch einmal. Da aber auch diesmal nichts zu hören war, öffnete Maximian die Tür so weit, bis er den Kopf durch den Spalt stecken konnte.


    "Valeria? Darf ich..." Da fiel sein Blick auf Valeria, die im Bett lag und bis unter die Nase zugedeckt war. Kein Anzeichen dafür, dass sie sein Klopfen wahrgenommen hatte. Sie murmelte. Maximian runzelte die Stirn und spitzte die Ohren. Sie sprach im Traum wirres Zeug. Er nickte, sein Blick zur Gänze ernst, als er die Tür weiter öffnete, bis sie gegen die Wand stieß und eintrat.


    Ungläubig, ja beinahe entsetzt ließ er die dunkle Kammer auf sich wirken. Dieser Abstellraum hatte Valeria all die Zeit ernsthaft das Zuhause ersetzen müssen? Es war kaum zu glauben.
    Mit einem wenig begeisterten Seufzen fiel sein Blick auf die Gestalt im Bett. Das Entsetzen ließ ihn erstarren. Von den Füßen bis zum Kopf gemustert, wirkte der Frauenkörper selbst noch durch die wärmenden Decken hindurch dürr wie der einer Bettlerin. Das Gesicht oberhalb des Deckensaumes war fahl, glänzte matt und wirkte leblos. Um ihre geschlossenen Augen herum sah er zahlreiche Falten und selbst das blonde Haar Valerias wirkte dünn, ungesund und strahlte nicht mehr.


    Eine Falte stand mit einem mal senkrecht zwischen Maximians Brauen und zeugte von großem Ärger. Gerne hätte er Leah gefragt, was sie geritten hatte, dass sie nicht die Familie von Valerias Zustand in ihrer Behausung hier in Kenntnis gesetzt hatte. Aber die Sklavin war in dem Säulen- und Gängelabyrinth über alle Berge.
    Also schloss Maximiam erstmal die Tür und ging die einzigen Schritte, die er in dieser Kammer tun konnte, zum Kopfende des schmalen Bettes. Dort angekommen betrachtete er sie einen Moment geradezu fassungslos, ehe er einfach die Hand ausstrecke und damit ihr Gesicht betastete. Ihre Wangen waren feucht und kalt, das merkte er trotz seiner vom Ritt nicht gerade glühenden Pfoten. Ohne zu zögern wickelte Maximian sich aus seinem Mantel und legte ihn über Valeria. Sorgfältig drückte er ihn an die Konturen ihres Körpers, weil er bemerkt hatte, dass sie am ganzen Leib zitterte.

  • Valeria war zwar wach, aber als sie ein Geräusch hörte, hatte sie sich schnell schlafend gestellt. Nicht schon wieder wollte sie sich leah gegenüber sehen, die sie mit Essen vollstopfen wollte. Und egal was Leah brachte, nicht schmeckte und Hunger? Den hatte Valeria schon mal gar nicht!


    Die Schritte klangen aber gar nicht nach Leahs, die waren viel, hm, schwerer und irgendwie klobig. Sie spürte, wie eine kalte Hand sie im Gesicht berührte und ihre Temperatur nahm, dann hörte sie ein rascheln und linste gerade noch rechtzeitig mit dem linken Auge um zu sehen, dass etwas Großes, Schweres auf sie gelegt wurde. Dann war es kurz kalt, wurde kurz danach aber erheblich wärmer. Valeria seufzte begeistert und kuschelte sich tiefer in die vielen Decken.


    "Ja, das hätte ich auch so gemacht", sagte sie in ihrer Verwirrung und nickte ganz doll. Dann nahm sie einen Geruch wahr. Einen, den sie kannte. Und der kam von dem Mantel auf ihrer Decke. Sie riss erstaunt die Augen auf und wollte sich hochkämpfen, schaffte es aber nicht und blieb mit einem resignierenden Seufzer liegen.


    "Wer riecht da so? Leah, huh?" murmelte sie.

  • Maximian ordnete den Mantel gerade noch, damit er Valeria bis über die Füße reichte, als die zusätzliche Decke scheinbar bewirkte, dass sie sich schnell ein wenig behaglicher fühlte. Dann sprach sie, dass sie das auch so gemacht hätte, was Maximian mit gerunzelter Stirn zu ihr aufblicken ließ. Blinzelnd fragte er sich, was sie meinte, und ihr Nicken ließ ihn leicht schmunzeln. Träumte sie noch? Oder wie nannte man das, wenn man im Fieber wirre Sachen sprach?


    Er fuhr glatt ein wenig erschrocken zusammen, als die kranke Priesterin sich urplötzlich regte wie eine aufgeschreckte Schlange, sich jedoch nicht aus eigener Kraft aufrichten konnte und notgedrungen liegen blieb, dazu mit weit aufgerissenen Augen durch das Halbdunkel blickend, in dem sie zweifelsohne ihre Sklavin erwartet hatte.


    "Mein Pferd? Ist es das, was da so riecht?" fragte Maximian mit leiser Stimme und gesellte sich neben das Kopfende, wo er in die Knie ging und dreist einen Arm auf die Bettkante legte. Darauf stützte er sein Kinn und musterte Valeria mit einem kleinen Lächeln. Erst jetzt merkte er, wie sehr er sich freute sie wieder zu sehen.

  • Pferd? Valeria blinzelte irritiert und beobachtete dann den menschnähnlichen Schatten, wie er neben dem Bett kleiner wurde (Ein schrumpfender Schatten? Sie müsste wirklich fantasieren...). Und dann hatte sie einen Arm neben dem Kopf. Langsam und schon das Schlimmste ahnend wandte sie den Kopf zur Seite. Selbst diese kleine Bewegung kostete sie große Kraft. Aber was sie sah, war die Mühe wert gewesen. Ein bekanntes Gesicht. Sie kramte kurz nach dem Namen.


    "Maxi...mian?" murmelte sie und starrte ihn ungläubig an. Sie erinnerte sich an bunte Blätter und ferne Lichter. Der Hochzeitszug. Sie erinnerte sich an den flüchtigen Kuss und das Gefühl der Wärme, das sie gespürt hatte. Valeria lächelte mit glasigen Augen.


    "Was machst denn du hier? Bist du alleine? Du willst mich aber nicht mästen oder? Leah versucht das nämlich."

  • Es schien einen Moment zu dauern, bis sie verstand, dass er hier bei ihr war und nicht Leah. Maximian blieb rücksichtsvoll ruhig und lächelte, als Valeria allen ernstes von ihm wissen wollte, ob er gekommen war sie zu mästen. Dabei würde es ihrem Körper gut tun, schoss es ihm durch den Kopf.


    "Hm" brummte er und schaukelte kurz den Kopf. "Ich bin gekommen, weil ich dich sehen wollte. Desweiteren bin ich allein, ja, und ich werde dich auch nicht mästen, weil ich befürchte, dass ich lange nicht mehr aufhören könnte, wenn ich einmal damit beginne."


    Er schmunzelte und berührte Valeria sacht mit dem Zeigefinger. Dann wurde sein Blick ernster.


    "Ich erkenne dich kaum wieder. Du bist nur mehr ein Schatten deinerselbst und es beunruhigt mich, dich so zu sehen. Noch dazu hier... Hast du schon einen Medicus zu dir kommen lassen?"

  • Lange nicht mehr aufhören können? Das war zu kompliziert und Valeria verstand diese Worte in dem Moment auch gar nicht. Dazu war ihr Geist viel zu verworren und ihre Schläfen pochten zu sehr. Also lächelte sie nur brav als Antwort und folgte seinem Finger, der sie zaghaft anstupste und dann wieder in Ruhe ließ.


    Wie der sprach er und wieder verstand sie den Kern der Aussage nicht.
    "Was hast du denn gegen den Tempel?" fragte sie ihn.
    "Einen Medicus? Achwas, geht schon. Außerdem hab ich bei Apollonius gelernt. Und der ist ja jetzt auf...Corsica oder so. Ich muss ihm noch schreiben. Du hast nicht zufällig einen Briefbogen mitgebracht? Mir gehts doch gut..."


    Valeria flüsterte verschwörerisch weiter:
    "Aber unter uns gesagt, die Köche sind miserabel. Nichts schmeckt."

  • Nachdenklich sprach Maximian der seltsamen Valeria abermals nicht dazwischen und nickte scheinbar verschwörerisch mit, nachdem sie den Köchen im Tempel ein Armutszeugnis ausgesprochen hatte.
    "Ehrlich?"


    Dann jedoch atmete er tief ein und stemmte sich wieder in die Höhe, wonach er Valeria herausfordernd ansah, eine kluge Augenbraue leicht nach oben gezogen.


    "Wenn es dir, wie du sagst, gut geht, würde ich es begrüßen, wenn du mich bei einem Spaziergang begleiten könntest. Die Enge dieser Kammer wirkt irgendwie... beklemmend auf mich."
    Beklemmend wirkte wahrscheinlich viel mehr Valerias in groben Zügen falsche Selbsteinschätzung, die vielleicht auch daher rühren mochte, dass es in diesem vermaledeiten Kämmerlein nicht mal einen Spiegel gab, den man der Priesterin hätte vorhalten können.
    Die Falte des Ärgers zeichnete sich schon wieder auf Maxens Stirn ab.

  • Valeria kicherte kurz und sank dann wieder in die Kissen.
    "Ja, ganz wirklich. Leah versucht mich immer, mit dem zeugs vollzustopfen, aber ich mag es nicht."


    Dann stand Maximian auf und sah sie von oben herab und wie ein alter Lehrmeister an. Valeria schwante etwas. Und als Maximian sprach, wurde die Ahnung zur Gewissheit. Ich schlug die Lider nieder und seufzte. Er wollte sie also auf den Prüfstein stellen. Gut! Dem würde sie es zeigen.


    "Gern!" bekräftigte sie daher nickend. Jawohl, sie würde auf der Stelle zur Marathonläuferin avancieren und Maximian im Flug ganz weit abhängen, soviel stand fest. Fakt allerdings war, dass Valeria kaum aus eigener Kraft aufstehen konnte. Sie schob aber trotzdem die Decken fort und schwang die Beine aus dem Bett, mit dem Resultat, dass ihr nicht nur schwindelig, sondern auch speiübel wurde. Sie machte eine entschuldigende Geste und wollte aufstehen, aber da gaben ihre Beine auch schon unter ihr nach und sie klammerte sich an Maximian fest, einfach, weil er gerade in der Nähe stand und eine Festhalte-Gelegenheit bot.

  • "Vollstopfen, meinst du? Naja, ich kann ihre Bemühungen irgendwie... nachvollziehen" murmelte er leise und Valeria dabei nicht ansehend.


    Das wollte er sehen. Maximian stemmte die Arme in die Seite und beobachtete Valerias entschlossenen aber von Anfang an zum Scheitern verurteilten Versuch aufzustehen. Seine Ahnung von vorhin bestätigte sich. Valeria war so dünn geworden, dass er beinahe zwei mal hinsehen musste, um sie überhaupt noch zu sehen. Kein Wunder, dass ihren Beinen die Kraft fehlte und sie zum wiederholten Male direkt in seine Arme sackte. Er fing sie sicher auf und sah sie mit strenger Besorgnis an.


    "Und jetzt sag mir noch einmal, dass es dir doch gut geht" sagte er und erwartete, dass Valeria ihm jetzt nicht über den Mund fuhr. Nun war er sich also sicher, dass er hier gebraucht wurde. Die Umarmung hätte er unter anderen Umständen sicherlich genossen, doch jetzt spürte er umso mehr, dass Valeria unter dem dünnen Nachtgewand aus kaum mehr als Haut und Knochen bestand und sie überall kalt war.
    "Komm, du frierst" murmelte er und ließ Valeria langsam zurück in ihr Bett sinken. Schweigsam ordnete er wieder die Decken über sie und obendrauf seinen Mantel, dann wandte er sich wieder ihr zu und fuhr sich über das Kinn.


    "Ein Medicus." Damit beharrte Maximian auf seine Meinung und zog abermals eine Augenbraue nach oben.

  • "Es geht mir gut!" kam Valeria auch gleich und deutlich gereizt seiner Aufforderung nach, entgegen der Annahme Maximians, dass sie nun schweigen würde. Wenigstens den Dickschädel hatte sie nicht verloren, dafür aber alle Kraft. Sie erwiderte nun nichts mehr und ließ sich wieder auf das Bett sinken. Eine Wohltat. Naja, vielleicht hatte sie wirklich ein bisschen übertrieben was ihren Zustand anging, aber sie war doch kein Kind mehr und außerdem...


    "Ich bin selbst Medica. Und außer Apollonius wirst du hier niemanden finden, den ich an mich lasse."
    So einfach war das. Hätte sie die Kraft gehabt, dann hätte Valeria nun trotzig wie ein kleines Gör die Arme vor der Brust verschränkt. Sie machte es Maximian nicht gerade leicht, aber sie wusste auch kaum, was sie sagte. Ihr Zustand vernebelte nicht nur ihre Sinne und ließ sie agieren und sprechen wie eine Zehnjährige, er ließ sie auch das Essen vergessen und sie Dinge sehen, die nur sie sah und sonst niemand. So zum Beispiel auch das dampfende Fleisch auf einem Teller auf dem Nachtspind.


    "Du kannst Leah sagen, dass sie das Fleisch ruhig wieder wegräumen soll. Ich hab keinen Hunger."

  • Da war sie wieder, die Falte zwischen den Augenbrauen. Während Valeria es nicht schaffte, verschränkte nun Maximian die Arme vor der Brust und geriet ins Grübeln, weil er mit ihrer Art momentan überhaupt nichts anzufangen wusste.


    "Gut, dann eben keinen Medicus" antwortete er etwas vorschnell und brummte leise. Und was nun? Während er noch über die Alternativen nachdachte, und was für Valeria das beste sein würde, ermahnte sie ihn an Leahs statt, dass sie das Essen wieder wegräumen sollte. Maximian folgte Valerias Blick etwas überrascht, weil er gar nicht gesehen hatte, dass hier irgendwo Valerias Essen stand. Sein Blick fing den Spind ein und.... kein Essen. Kein Fleisch. Hä?
    Verdattert ging sein Blick zurück zur im Bett liegenden Valeria.


    "Was für Fleisch?"

  • "Fleisch?" fragte Valeria vollkommen verwirrt und schon wieder etwas schläfrig.
    "Ja, ess ruhig. Aber riech vorher dran. Manchmal ist es schlecht, dann mag ich es nicht."


    Valerias Stimme wurde immer leiser und stockender, dann verstummte sie schließlich ganz und kurz darauf war schon wieder ein gleichmäßiges Atmen zu hören.


    Noch ehe Maximian etwas sagen konnte, öffnete sich leise die Tür und Leah kam herein. Sie balancierte ein Tablett, auf dem sich eine winzige Postion Hirsebrei und ein Becher Saft befand. Ihr kritischer Blick traf Maximian, dann stellte sie das Tablett auf den Tisch und sah nach Valeria. Sie fühlte ihre Stirn und schüttelte dann den Kopf.


    "Und?" fragte sie Maximian leise, nachdem sie sichzu ihm umgewandt hatte.

  • Essen? Daran richen? Schlecht? Maximian blinzelte verwirrt und sah noch einmal zur einigen tischähnlichen Abstellmöglichkeit, wo aber immer noch nichts Essbares erschienen war. Was redete Valeria da nur?


    Da öffnete sich auch schon die Tür für die Sklavin Leah, die auf den Nachtspind ein Tablette stellte, auf dem nun wirklich etwas zu Essen für Valeria drauf war. Immerhin wusste er jetzt, dass er nicht an einer Sehschwäche litt - oder sonst etwas. Was das nun wieder für die junge Priesterin bedeuten mochte?
    Schließlich war Leah es, die ihn aus seinen Unmut schaffenden Gedanken riss. Er sah kurz zu Valeria, die anscheinend wieder eingeschlafen war und dann die Sklavin an.


    "Sie sagt, das Essen schmeckt nicht" sagte er zuerst verdutzt und zuckte mit den Schultern, dann schürzte er die Oberlippe. "Ich denke, ich werde sie mit nach Mogontiacum nehmen. Dort ist erstens ihre Familie, sie sollte nicht allein sein, und zweitens hat mein Vater gute Ärzte, die sich um sie kümmern können. Was denkst du?"

  • Leah nickte grimmig.
    "Ja, das sagt sie ständig, und zwar bei allem, was wir ihr vorsetzen. Ich weiß nicht, was das noch werden soll. Und wenn sie dann mal isst, dann behält sie es kaum lang genug bei sich, dass es sie stärken könnte. Ich hatte schon überlegt, ob ich nicht einfach nach Mogontiacum schreibe und euch davon berichte. Sie selbst hat mir eingeschärft, ja niemandem Bescheid zu sagen, aber schau sie dir nur mal an. Ich glaube nicht, dass sie in diesem Zustand noch für sich selbst bestimmen kann, Herr, mit Verlaub. Ich kann allerdings nicht einschätzen, wie sie darauf reagieren wird, wenn du sie mitnimmst. Und wie stellst du dir das vor? Reiten kann sie nicht, das muss mit Sänfte gehen. Ist sicher besser, wenn man ihr nicht sagt, wohin die Reise geht."


    Die Sklavin seufzte und musterte die leise schnarchende Valeria mit einem kurzen Blick.
    "Sie tut mir leid."

  • Maximian seufzte tiieeeeef, während Leah ihm berichtete, wie das so mit Valeria war. Sein Blick ruhte dabei auf ihr, wie sie dort schlief. Aber sie sah nicht friedlich aus; nicht mal wirklich nach Valeria.


    "Tja, wem würde sie so nicht leid tun... Danke, Leah. Ich kann mir vorstellen, dass du es zuletzt nicht gerade einfach mit ihr hattest." Maximian atmete tief durch, ehe er weitersprach. "Und was Valeria und Mogontiacum betrifft... Darum musst du dich jetzt nicht auch noch sorgen. Es ist das Beste für sie, wenn ich sie dorthin bringe, das wird sie wenn nicht jetzt eben später einsehen. Aber hier bleiben wird sie auf keinen Fall. Kein Decima sollte in so einer Kammer leben müssen, auch wenn es nur zum Schlafen ist."


    Er fand es jetzt schon zum wiederholten Male unfassbar, dass Livianus sie scheinbar einfach so zurückgelassen hatte, ohne sie irgendwo untergebracht zu haben, wo sie alles hatte, was sie brauchte. Aber darum ging es hier ja gerade nicht. Maximian fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen.


    "Emmm... du weißt nicht zufällig jemanden, der uns eine Sänfte zur Verfügung stellen könnte? Sagen wir... allerspätestens morgen?"

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