Durus glaubte, er verhörte sich. Jetzt wollte dieser Legat ihn verklagen? Als der Kaiser dies ablehnte, lehnte er sich zurück. Wenn dieser Decimer glaubte, er konnte ihm den Mund verbieten, dann würde er sich umsehen!
Nun sah er sich um. Es konnte doch wohl nicht sein, dass diese Spitze des Imperiums sich nicht für Wahlreden von Kandidaten interessierte!
Conventus - November DCCCLVI A.U.C.
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- Consilium Principis
- Lucius Aelius Quarto
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Fieberhaft kramte Macer in seinem Gedächtnis, sobald die Wahlrede von Artoria Medeia erwähnt wurde. Sicher hatte er die gehört, ganz bestimmt. Wie er eigentlich immer alle Kandidaturreden zum Aedil gehört hatte, seit er selber dieses Amt bekleidet hatte. Langsam tauchten einige Erinnerungen bei ihm auf. Er hatte selber Fragen gestellt bei dieser Rede. Und da war etwas mit einem Edikt gegen die Kandidaten, wegen Verstoßes gegen die Marktordnung. Aber Diskussionen über Sitten?
"Tiberius Durus, von welcher ihrer Wahlreden sprichst du genau? Ein Kandidaturrede? Mir ist jene zum Aedilat einigermaßen präsent und dort könnte ich mich nicht daran erinnern, dass du dort mit ihr über Traditionen debattiertest. Oder meinst du einen Abschlußbericht?"
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"Ich meine ihre Rede zu Quaestur. Also zur Kandidatur. Ihr Wahlkampfthema waren wohl die Traditionen."
Er hoffte, dass Macer sich erinnerte - sonst bekam dieser verrückte Legat, der es sich leistete, vor den Augen des Kaisers die Fassung zu verlieren, am Ende noch Recht!
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"Die Kandidaturrede zur Quaestur?" murmelte Macer und grübelte. Dann blickte er überrascht und fragend auf. "War das nicht jene, bei der sich das Attentat auf sie ereignete? Es war doch damals zuerst gar nicht klar, ob ihre Gesundheit es überhaupt zulassen würde, das Amt anzutreten, wenn ich mich richtig erinnere."
An ein Ermittlungsergebnis in dem Fall und eine Anklage konnte er sich auch nicht erinnern, aber das gehörte nicht hierher.
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Livianus schüttelte nur noch den Kopf und überlies das reden nun anderen. Das konnte doch alles nicht war sein. Zuerst war es die Kandidaturrede zum Aedilis, die Durus beanstandete und nun sollte es die Kandidaturrede zum Quaestor gewesen sein, die im Übrigen mindestens zwei Jahre zurück lag. Entweder der Mann hatte ein hervorragendes Gedächtnis oder aber er war ein Lügner, der sich nun allen Anschein nach selbst in seine widersprüchlichen Aussagen verstrickte. Wie dem auch war, die anderen mussten nun doch endlich erkennen, was an diesen Aussagen dran war. Selbst wenn diese Kandidaturrede so stattgefunden hatte, wie Durus den Anwesenden weiß machen wollte – sie waren über zwei Jahre her! Zwei Jahre, in denen man seine Meinung zigmal ändern konnte. Seufzend und fast resignierend sackte Livianus in sich zusammen und versuchte sich ab sofort aus dieser Diskussion heraus zu halten, bevor er noch jemanden an die Gurgel sprang.
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"Ja, das ist richtig. Allerdings hat sie es dann doch getan..."
'...trotz der Rede' fügte er in Gedanken an."Werden denn die Kandidaturreden nicht mitgeschrieben?"
fragte er in die Runde. Schließlich ließen sich viele wichtige Männer, die keine Zeit dazu hatten, die Reden mitzuverfolgen, von einem Sklaven Notizen machen. -
"Ah, gut, dann war das die Rede, die ich damals nicht gehört hatte", konnte Macer daraufhin Tiberius Durus nur mit einem entschuldigenden Blick antworten.
"Ich pflege mir auch zuweilen Reden mitschreiben zu lassen, allerdings sind die Wachstafeln dann, nachdem ich sie gelesen haben, wenig später für andere Dinge im Einsatz. Aber vielleicht könnte man in der zeitlich nächstliegenden Ausgabe der Acta Diurna nachschlagen lassen."
Der Eifer, mit dem Durus für den Beweis seiner Einschätzung kämpfte, fand Macer beachtlich und etwas Unterstützung wert. Auch wenn er noch keinen Grund sah, seine bisherige Meinung grundlegend zu ändern, so war zumindest seine Neugierde in dieser Angelegenheit geweckt. Gespannt wartete er, ob sich ein anderer vielleicht an die Rede erinnerte und ob der Kaiser tatsächlich eine Kopie der Acta Diurna holen lassen würde.
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Hungi selber zuckte nur mit den Achseln. Er wusste zuerst gar nicht, ob er die Rede selber mit eigenen Ohren verfolgt hatte, dann, als die Rede auf den Attentat kam, erinnerte er sich, daß er sicher nicht mit dabei war. Sicher ließ er sich Notizen von den Reden anfertigen, allerdings konnte er sich nun wirklich nicht an alle Reden aller Kandidaten zum Cursus Honorum erinnern, er hatte damals beileibe wichtigeres zu tun.
Nachschauen in der Acta... wirklich eine sehr gute Idee. Er schaute zum Kaiser, interessiert, was dieser nun machen würde.
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Der Kaiser atmet hörbar angesichts der interessanten Diskussionsrichtung und gibt einem Diener einen Wink. Dieser verlässt den Raum.
"Wir warten."
Der Kaiser nutzt die Pause, um mit dem einen oder anderen Anwesenden schnell einige Worte zu weniger wichtigen Themen zu wechseln.
Dann betritt der Diener wieder den Raum und legt dem Kaiser eine Abschrift der Acta Diurna vor. Der Kaiser wirft einen blick darauf und nickt. Der Diener trägt vor.
"Artoria Medeia, Praeposita Sacri Cubiculi vom Hof des Kaisers, verkündete zuletzt ihre Kandidatur zur Quaestur, mit jedoch überraschendem Ausgang. Sie berichtete von ihren vielseitigen Tätigkeiten und nannte umfangreiche Referenzen. Ihr Engagement im Amte solle der Toleranz und Vereinbarkeit zwischen der sogenannten traditionellen Lebensweise und den neuen Wegen gewidmet sein. Sie betonte dabei die Notwendigkeit zum Differenzieren zwischen den einzelnen Traditionen. Die Diskussionen nahmen ein jähes und überraschendes Ende, als ein Unbekannter ein Attentat auf die Kandidatin verübte, indem er plötzlich mit einem Dolch auf sie einstach. Er entkam jedoch in der Menschenmenge und wird nun von den städtischen Einheiten gesucht. Über den gesundheitlichen Zustand der Artoria Medeia ist uns bislang nichts Genaueres bekannt. Von einer ernsthaften Verletzung ist jedoch laut Augenzeugen durchaus auszugehen."
Der Kaiser lässt sich die Tafel reichen und legt die vor sich auf den Tisch.
"Betrachten wir dies also als objektive Beurteilung der Wahlrede."
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Durus hustete leise. Das war doch nicht objektiv! Das war bestenfalls eine vorsichtige Andeutung der Wirklichkeit! Aber er wollte nicht dem Imperator widersprechen.
"Ich hatte zugegebenermaßen einen anderen Eindruck als die Acta. Aber ich denke, dass die 'Notwendigkeit zum Differenzieren zwischen Traditionen' eine sehr große Spannweite hat."
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... die aber nicht näher definiert ist und somit keine eindeutige Aussage zulässt.
fügte Crassus noch an die Aussage des Tiberiers an:
Hätte sich die Kandidaten so abwertend oder frevelhaft, oder was auch immer, gegenüber unseren Traditionen geäußert, so wäre das sicher erwähnt worden.
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"Ich denke, wenn man so etwas sagt, muss man konkret werden, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Die mos maiorum als Herz unserer res publica darf nur mit äußerster Vorsicht derartig kommentiert werden - glaube ich."
erklärte er. Gerade dieses im Ungewissen lassen störte ihn ja!
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"Nun, aber auch du differenzierst dann doch gerade bereits", wandte sich Macer an Durus. "Du sprichst vom mos maiorum als Herz der res publica und unterscheidest es damit von anderen, weniger tragenden Traditionen. Das erscheint mir vernünftig. Ich kann mir kaum vorstellen, das Artoria Medeia ebenso differenziert hat, allerdings mit dem Ziel, sich gegen das mos maiorum zu wenden, während weniger zentrale Sitten von ihr unangetastet blieben."
Vielleicht hatte sie ja etwas gesagt, was gegen Patrizier gerichtet war, grübelte Macer vor sich hin, während er auf die Antwort wartete.
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"Aber man darf sich niemals so allgemein halten. Hätte sie gesagt: 'Es ist überholt, dass Frauen sich an der Politik beteiligen!', aber keinen Zweifel gelassen, dass die übrigen Sitten unumstößlich sind, hätte ich dies nicht kritisiert.
So können wir nur mutmaßen und das ist das Problem, denn wir wissen es nicht und würde so jemand in den Senat aufgenommen werden, könnte das Volk in seiner einfachen Denkweise glauben: Aha, man muss nicht an der Väter Sitte festhalten - man kann sogar ohne sie in den Senat gelangen!
So können wir - wie Du bereits sagtest - uns lediglich vorstellen, was ihre Haltung ist und ich bin der Meinung, dass nur Menschen in den Senat sollten, die klare und vor allem die richtigen politischen Richtlinien haben."Er nahm sich eine Olive nach dieser langen Erklärung.
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Macer überzeugte diese Erklärung nicht. "Zweifellos würden wir uns leichter tun, wenn sie klarer Position bezogen hätte. Aber diese Wahlrede ist nun auch schon eine ganze Zeit her, in dieser Zeit hat Artoria Medeia Ämter ausgeübt und ist aktiv gewesen. Soweit ich sie dort beobachten konnte, wandte sie sich nicht offen und konkret gegen das Mos mairoum. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Volk in ihr eine Speerspitze für den Sittenverfall sieht."
Was natürlich auch daran liegen konnte, dass Macer für derartige Dingen nicht unbedingt die besten Fühler hatte.
"Ich jedenfalls kann auch nach dieser Diskussion nichts erkennen, was grundsätzlich gegen ihre Aufnahme in den Senat spricht."
Er lehnte sich zurück, griff nach einigen Oliven und nahm sich vor, jetzt erstmal auf andere Beiträge zu hören.
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Durus hätte beinahe "Ich schon" gesagt, hielt sich dann jedoch zurück. Er hatte seinen Standpunkt erläutert und das war das wichtigste. Wenn er sich zu sehr verrannte, würde er am Ende tatsächlich Nachteile davon haben. Und wenn er nicht in den Senat kam, konnte er den Staat auch nicht verändern.
So lehnte er sich zurück, nahm einen Schluck Wein und sah zum Imperator, was dieser wohl zu dem Thema sagen würde, beziehungsweise ob er überhaupt etwas sagen würde. Dieser Purgitius war schließlich nur ein Senator, nicht einmal Konsular! -
Livianus schüttelte nur wieder den Kopf und seufzte, als er mitbekam, dass sich diese Diskussion wohl dem Ende näherte. Also Durus sich zurücklehnte, wandte sich Livianus erneut an den Kaiser.
„Mein Kaiser! Ich würde gerne vorschlagen, dass du Artoria Medeia zu einer Audienz lädst und dich persönlich von ihren Absichten und ihrer Einstellung überzeugst. Auch wenn ich überzeugt bin, dass die Aussagen von Durus nicht der Wahrheit entsprechen, so würde es mich freuen, wenn du dich selbst davon überzeugen kannst und erst dann deine Entscheidung über Aufnahme oder Nichtaufnahme triffst.“
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"Ich stelle fest, das Consilium kann sich auf keine einhellige Meinung einigen. Aber das ist ja auch nicht nötig, die Vielfalt der Meinungen ist der Grund, warum ich sie mir anhöre.
Die mögliche Ernennung von Artoria Medeia zur Senatorin wird nicht sofort erfolgen. Der Fall bedarf offenbar einer noch eingehenderen Prüfung."
Er blickt den Praefectus Urbi an, dessen interessanten Vorschlag er nicht vergessen hat.
"Octavius Victor, du schlugst eben vor, Artoria Medeia in der Zwischenzeit das Amt des Architectus Urbi anzubieten. Wie konkret ist diese Idee? Und für eine wie lange Übergangszeit wäre sie sinnvoll?"
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Irgendwo war es ja auch amüsant gewesen, zuzusehen, wie sich gestandene Mänbner, wegen einer Aussage einer Frau in die Haare bekamen, die eigentlich keiner mehr wortgenau nachvollziehen konnte. Weniger amüsant waren natürlich die Vorwürfe und Drohungen gewesen, die hier ausgetauscht worden waren, aber als Patron sollte man wohl ein bisschen Einsatz zeigen, wenn die Klienten angegriffen wurden.
Innerlich schüttelte Victor aber nur kurz den Kopf, dann antwortete er auf die Frage des Imperators. Langsam zuerst, weil ihm die Idee auch erst spontan gekommen war und er sie noch nicht ganz zu ende gedacht hatte, aber zum Ende hin sprach der Praefectus Urbi ganz normal.
"Nun,wie gesagt, der Posten des Architectus Urbi ist vakant und sollte besetzt werden", nachdem du, oh Imperator, in deiner Weisheit den letzten Amtsinhaber weggestrichen hast. "Des Weiteren halte ich Artoria Medeia durchaus für fähig, sich die hierfür nötigen Detailkenntnisse schnell anzueignen.
Was die Dauer der Tätigkeit angeht, sollte man bedenken, dass man ihre Leistung und gesammelte Erfahrung erst nach einer gewissen Einarbeitungszeit einschätzen kann, weswegen ich schon einen längere Übergangszeit vorschlage."(eine Amtszeit, 3 Monate, usw.)
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"Dann wäre es wohl das Beste, wenn du in Erfahrung brinst, ob sie an diesem Amt Interesse hat. Ich erwarte dann diesbezüglich deine Mitteilung bevor ich entscheide, ob ich sie zu einer Audienz laden lasse."
Der Kaiser macht sich eine Notiz.
"Damit hätten wir diesen Teil abgeschlossen. Gibt es, da wir gerade bei dem Thema sind, derzeit andere Empfehlungen für Neubesetzungen auf vakanten Posten? Möchte mir zufällig jemand einen Magister Officiorum anbieten?"
Der Kaiser blickt erwartungsvoll, aber nicht völlig ernst in die Runde.
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