Vom Säulengang über diverse Lagerstraßen zurück zur Principia

  • Vesuvianus schlenderte an der Seite seines Legaten, die Arme hielt er hinter dem Rücken verschränkt. Er ließ einige der neuen Informationen Revue passieren, entschied sich jedoch dazu, nicht alles anzusprechen. Manches jedoch war unumgänglich und so hob er den Kopf.


    "Legatus, zu meinem Verständnis benötige ich Auskünfte von deiner Seite. Die Kommandeure der Prima mögen sich ändern, doch manche Gepflogenheiten - so dachte ich - tun es im Militärwesen nicht. Vielleicht muss ich meine Meinung revidieren, vielleicht gibt es aber auch Abläufe in diesem Castellum, die sich deiner Kenntnis entziehen.


    Wie du weißt, habe ich seit Anbeginn in der Prima gedient, habe hier den akkuraten Ablauf einer Legionsführung kennen gelernt. Mit diesem Wissen im Hintergrund sehe ich seit längerem erhebliche Dinge am Boden schleifen, die sich nachhaltig auf die Disziplin der Truppe auswirken können. Kurz gefragt:


    Findet es deine Zustimmung, dass zu Stabsbesprechungen, die als solche deklariert sind, eine Vielzahl von einfachen Offizieren - angefangen bei Duplicarii und Optiones, sowie Centurionen und Decurionen - geladen werden, sodass jene Offiziere die absolute Mehrheit stellen?"



    Claudius hob abwehrend die Hände.


    "Du musst wissen, ich habe es damals als unerhörte Auszeichnung betrachtet, als persönlicher Adjutant des Caesars und zu der Zeit noch im Dienstgrad eines Centurios, an jenen Besprechungen teilnehmen zu dürfen, die bisher - ohne Ausnahme - nur Stabsoffizieren zugänglich waren."




    Wenige Schritte legte Claudius schweigend zurück.


    "Das ist nur einer der Punkte, die ich ansprechen wollte", fügte er erklärend an.

  • Livianus sah den Tribunen verwundert an.


    „Natürlich findet dies nicht meine Zustimmung Tribunus. Eine Stabsbesprechung ist wie der Name schon sagt, den Offiziere einer Legion vorbehalten. Natürlich kann der Kommandierende vereinzelt Außenstehende dazu einlanden, wenn sie etwas Wichtiges dazu beitragen können, oder er bestimmte Berichte und dergleichen von ihnen erwartet.


    Ich muss aber gestehen, dass ich dir hierbei nicht ganz folgen kann. Gab es während meiner Abwesenheit Probleme diesbezüglich? Das kann ich mir eigentlich kaum vorstellen. Der Stab setzt sich aus den 9 Offizieren der Legion zusammen, der erweiterte Stab schließt noch zusätzlich die Centurionen der ersten Kohorte mit ein. Ich kann mir also kaum vorstellen, dass diese Anzahl mit zusätzlich geladenen Unteroffizieren überboten werden kann.“

  • "Gegen vereinzelte Außenstehende bei der Teilnahme an Stabsbesprechungen gibt es nichts zu sagen, ich wurde ja - wie gesagt - selbst als damaliger Centurio geladen. Zu jener Stabsbesprechung, die während meiner und deiner Abwesenheit durchgeführt wurde, gab es allerdings eine explizite Ladung des Praefectus an den Tribunus Octavius, als einzigen Stabsoffizier. Sämtliche anderen Teilnehmer waren Offiziere und Unteroffiziere der ersten und zweiten Cohorte sowie der Legionsreiterei. In Anbetracht der Tatsache, dass ich - wie andere Stabsoffiziere - noch zu keiner Stabsbesprechung geladen wurde, muss ich davon ausgehen, dass dies normale Handhabe der neuen Offiziere aus Germania ist."


    Claudius lief die nächsten Schritte wieder schweigend, seine Augen waren auf den Boden gerichtet, denn ihn beschäftigte diese Angelegenheit.


    "Natürlich gäbe es noch eine andere Erklärung, die sich jedoch noch weniger schön anhört", begann der Tribun und blickte auf. "Der Praefectus kann genauso gut mit der Legionsführung während deiner Abwesenheit überfordert gewesen sein. Was mich im Übrigen nicht wundern würde, da er nach nur wenigen Monaten als Primus und noch geringerer Zeit als Praefectus sogleich die Vertretung aufgetragen bekommen hat.


    Unter Umständen weiß er mangels Erfahrung nicht einmal, wie eine Legion mittels Stab zu führen ist. Ich bin in diese Verantwortung nach der letzten Kommandoübergabe an den Caesar auch nur langsam hineingewachsen. Für diese Annahme spräche dann auch die Tatsache, dass legionsinterne Versetzungen offenbar vom Praefectus mündlich delegiert und dann von einem Centurio ausgestellt werden, der natürlich noch viel weniger Kenntnis von derartigen Dingen hat. Der mir zur Gesicht gekommene Versetzungsbefehl enthielt nicht einmal ein Datum, um im Nachhinein feststellen zu können, ab wann er Wirkung hatte."


    Vesuvianus atmete einmal durch, bevor er fortfuhr.


    "Fehler dieser Art bleiben den Untergeordneten nicht verborgen und dort, wo der Stab - und besonders wenn er vertretungsweise das Kommando übernimmt - schlampt, können die Folgen erhebliche sein. Die Disziplin der Truppe bis zu den Mannschaftsdienstgraden ist in Gefahr und erste Anzeichen dafür sind mir bereits begegnet. Ich habe während meines Romaufenthalts mehrfach einen Soldaten getroffen, der meines Wissens nicht beurlaubt wurde, sondern seinen Ausgang auf ROM ausgedehnt hat. Offenbar stört das noch nicht einmal seinen bisherigen Vorgesetzten Centurio Artorius.


    Aber das ist noch immer nicht das gesamte Chaos, denn besagter Soldat hat sich erst kürzlich mit oben erwähntem mangelhaften Versetzungsbefehl bei der Legionsreiterei gemeldet, obwohl er laut Dienstplan in meiner Cohorte ist. Bevor ich den Mann gehen lasse, wird er auf jeden Fall einer Disziplinarmaßnahme zugeführt werden. In meiner Einheit dulde ich solche Schlampigkeit nicht."


    Claudius’ Blick streifte flüchtig das Gesicht des Legaten.


    "Ich musste das mal loswerden, auch wenn ich dich vermutlich mit Informationen erschlagen habe. Das ist keine Legion mehr, sondern ein wilder Hühnerhaufen."

  • Livianus blieb trotz der indirekten Vorwürfe ungewöhnlich ruhig.


    „Nun Tribun. Du unterstellst auch mir damit, dass ich einen unfähigen Mann auf diesen wichtigen Kommadoposten gesetzt habe.“


    Er sprach einen kurzen Moment lang nicht weiter und blieb dann stehen.


    „Ich kann dir versichern, dass Matinius Plautius mein uneingeschränktes Vertrauen genießt und ich ihn nicht grundlos auf diesen Posten gesetzt habe. Er ist ein hervorragender Offizier, aber auch er muss sich erst in die neu übertragene Aufgabe einarbeiten. Es ist, und da wirst du mir sicher zustimmen, ein großer Unterschied, ob man das Kommando über eine einzelne Kohorte oder eine ganze Legio führen muss. Auch ich bin nicht als Legatus Legionis auf die Welt gekommen und lerne nach wie vor laufend etwas dazu.


    Ich denke es wäre also angebrachter dem Praefectus, deinem Vorgesetzten, mit deinem Rat zur Seite zu stehen und ihn in seiner Aufgabe zu unterstützen, als derartige Unterstellungen aufzustellen. Was diese Stabsbesprechung betrifft, kann ich nicht wirklich viel dazu sagen, außer das Plautius schon seine Gründe gehabt haben muss. Dennoch denke ich, du solltest in solchen Fällen direkt zu Plautius gehen und ihn einfach darauf ansprechen.“

  • Claudius blieb stehen und drehte sich seinem Vorgesetzten zu.


    "Dann bleibt mir nichts weiter übrig, als anzunehmen, dass diese …" Er suchte nach einem unverfänglichem Wort. "…Vorgänge, deine Akzeptanz finden. Ich bitte darum, wegtreten zu dürfen."

  • Livianus seufzte Tief und suchte sichtlich nach Worten.


    “Vesuvianus…..Seit ich mit einigen Offizieren aus Germania gekommen bin, um das Kommando über die Legio I zu übernehmen ist nun einige Zeit vergangen. Ich dachte eigentlich, dass wir die anfänglichen Probleme und die Eingewöhnungszeit überstanden hätten. Ich weiß, dass es keine einfache Situation für die Soldaten und die Offiziere der Legio war, binnen kürzester Zeit zwei Kommandowechsel mitzuerleben, aber ich denke, dass es endlich angebraucht ist dieses kleinkarierte und engstirnige Denken abzulegen…. von beiden Seiten. Auch wenn ich nicht immer mitten im Geschehen bin, so weiß ich sehr wohl, was rund um mich vorgeht und was meine Männer denken.


    Wie schon gesagt… wenn du siehst, dass Plautius oder jemand anderer Fehler macht, dann erwarte ich mir von einem guten Offizier, dass er seine Hilfe anbietet und versucht seinem Kameraden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich weiß dass du sowohl mit meiner Art der Kommandoführung als auch mit allen anderen Offizieren die ich aus Germanien mitgenommen habe seit Anfang an große Probleme hast und um ehrlich zu sein bereitet mir das große Sorgen. Ich muss mich darauf verlassen können, dass meine Untergebenen zu hundert Prozent hinter mir stehen…. Sowohl im Krieg, als auch in Friedenszeiten. Auch Unruhestifter oder Aufwiegler werde ich keines falls dulden. Du wirst dich also entscheiden müssen. Entweder du machst eine Kehrtwendung um hundertachtzig Grad und versuchst dich aktiv in die Kommandostruktur und in den Offizierskader einzugliedern, oder du musst darüber nachdenken, ob die Legio I noch das Richtige für dich ist. Sollte Zweiteres zutreffen, so kann ich dir versichern, dass ich darum bemüht sein werde, dir einen Tribunenposten in jeder anderen Einheit zu beschaffen, die du für deine weiteren Weg als förderlich erachtest.“

  • "Bei allem Respekt, aber das ist längst nicht mehr die aktuelle Situation. Ich habe seit vielen Wochen kaum noch Kontaktpunkte zu deinen Offizieren - wenn ich mal von einer angenehmen Unterhaltung mit dem Kommandeur der Reiterei absehe, sodass es gar keine Reibereien geben konnte. Eine Kehrtwendung um einhundertachtzig Grad würde wieder den kalten Krieg zutage fördern. Sagen wir so: Ich habe mich irgendwie in die Situation gefügt.
    Wenn allerdings mein an Disziplin und militärische Korrektheit orientiertes Denken als klein kariert empfunden wird, dann tut es mir aufrichtig leid, aber das kann und will ich nicht ändern. Diese Einstellung zur Disziplin zeichnet in meinen Augen einen Offizier, wie auch einen jeden Soldaten aus. Auch mit der Hilfsbereitschaft wird es noch hapern, denn … Kameraden? Nein, Kameraden habe ich nur verloren, aber nicht gefunden. Ich mache meinen Dienst, so wie es meine Pflicht ist. Das kann ich dir zusichern, aber verlange kein Zusammengehörigkeitsgefühl, dort, wo es nicht da ist, zumindest zur Zeit nicht da ist. Mein Wort und Schwur gilt dem Kaiser und Reich, meine Verbundenheit der Prima, meine Zuverlässigkeit und Befehlstreue dir."

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