Audienz für den Senator Marcus Vinicius Hungaricus


  • Der Magister Domus Augusti kam in Begleitung des Senators und ehemaligen Praefectus Praetorio in die Aula Regia. Zu einem der Palastdiener sagte er:
    “Teile dem Imperator Caesar Augustus mit, dass Senator Marcus Vinicius Hungaricus hier ist. Der Kaiser hat ihn um eine Stellungnahme zu einem rechtlichen Problem gebeten.“

  • Ah, da war er wieder. Hatte er diesen Saal vermisst? Hmmmnein. Hatte er erwartet, so schnell wieder hier zu sein? Auch nicht. Hungi schaute sich um, doch sah er nur vertrautes, kein noch so kleines Lichterl war umgestellt worden. Beständigkeit... oder der kaiserliche Architekt ist zu faul, sich etwas neues auszudenken. Wie dem auch sei, Hungi wartete geduldig auf den Kaiser.

  • Der Kaiser betritt den Saal und lenkt seine Schritte wie gewohnt auf den Besucher.


    "Sei gegrüßt, Senator Hungaricus. Ich wusste nicht, dass man dir extra einen offiziellen Audienztermin hier in der Aula Regia gibt. Wir hätten meine Anfrage auch in meinem Büro besprechen können. Ich darf doch annehmen, dass du deswegen kommst?"

  • “Wenn du es wünschst, Imperator Caesar Augustus, dann werde ich Senator Vinicius Hungaricus bei seinen künftigen Besuchen auf dem Palatin natürlich gerne in die Domus Augustana führen.“, meldete sich der Magister Domus Augusti mit gedämpftem Tonfall zu Wort.

  • Hungi grüßte den Kaiser mit dem gebotenen Respekt.


    Tatsächlich bin ich deswegen hier. Doch da der vormalige Magister Officiorum in seiner Nachricht an mich entweder um eine schriftliche Antwort bat oder um eine mündliche in Form einer Audienz, erklärt sich daraus wohl mein Hiersein in dieser Halle und nicht in deinem Büro. Jetzt mal abgesehen davon, daß ich solche Dinge lieber persönlich bespreche.

  • "Ja, wenn ich bestimmte Personen um persönliche Stellungnahmen in Einzelfällen bitte, dann kann eine Besprechung in meinem Büro erfolgen."


    Damit wendet sich der Kaiser wieder vom Magister Domus Augusti und endgültig dem ehemaligen Praefecten der Garde zu.


    "Machen wir es uns heute aber dennoch hier bequem. Nimm Platz und erläutere mir deine Meinung in dieser Angelegenheit."

  • Hungi nickte und setzte sich auf einem der bereitgestellten Stühle.


    Tatsächlich habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, denn leider ist die Sache nicht einfach. Sicher weißt du, daß im Senat darüber debattiert wurde und ich habe damals in meiner Funktion als Princeps Senatus den damaligen Quästor Sacrii Palati, Decimus Mattiacus, um ein Gutachten gebeten. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, vertritt er darin die Meinung, daß das Plebiszit formal gültig zustandekam, jedoch hinter dem kaiserlichen Dekret zurücktreten muß gemäß § 2 Absatz 1, also materiell gültig ist. Sollte also dein Dekret eines Tages aufgehoben werden, kann das Plebiszit ohne Probleme angewandt werden.


    Man könnte aber auch die Meinung vertreten, daß das Plebiszit in gar keinem Fall gültig zustandekam, weil eine niedere Rechtsetzungsautorität nur die Kompetenz hat, eine Norm von einer höheren Autorität, die den gleichen Tatbestand zur Grundlage hat, zu präzisieren, niemals jedoch abzuändern. Und daß das Plebiszit das Dekret abändern will, steht für mich außer Frage, Knackpunkte sind dabei die folgenden: Erstens kann eine Spende immer nur freiwilliger Natur sein, niemals erzwungener. Zweitens die Anordnung, daß diese "Spende" in der Höhe der üblichen Steuern angesiedelt ist und drittens die Zahlung an die kaiserliche Finanzabteilung. Es ist daher einleuchtend, daß von einer Spende also keine Rede sein kann, sondern die "Spende" nur ein unsachgemäßer Ersatz für das Wort "Steuer" darstellt.


    Puh, Hungis Mund wurde langsam trocken von dem vielen Reden.


    Es stellt sich daher zunächst die Frage, welche Meinung man vertritt bzw. welche Meinung du vertrittst, mein Kaiser. Von dieser Entscheidung hängt dann die weitere Verfahrensweise ab.

  • Der Kaiser verfolgt die beiden denkbaren Sichtweisen aufmerksam und kann beide nachvollziehen.


    "Ich betrachtete es kürzlich aus einer anderen Richtung: wäre der zeitliche Ablauf ein anderer gewesen, indem das Plebiszit zuerst erlassen worden wäre und danach das Decretum, so hätte letzteres das erste außer Kraft gesetzt und es wäre aus dem Codex gestrichen worden. Zumindest ist dies bisher die Praxis, dass niederrangiges Recht nicht als Vorrat aufgehoben wird, für den Fall, dass höherrangiges Recht wieder aufgehoben wird.


    Bezogen auf die zweite von dir genannte Möglichkeit würde das bedeuten, dass bei der tatsächlichen zeitlichen Abfolge das Plebiszit gar nicht in den Codex hätte eingefügt werden brauchen, nicht wahr?"

  • Das ist richtig, mein Kaiser. Diese Argumentation habe ich aber außer Acht gelassen, da sie bei der Erörterung des Problems nicht zielführend ist und ich deine Zeit nicht mit "Was wäre wenn"-Geschichten verschwenden wollte. Aber sehr gut beobachtet.


    Was die zweite Möglichkeit angeht: das ist fast richtig, das Plebiszit hätte gar nicht eingefügt werden dürfen. Das Problem, das sich jetzt daraus ergibt, ist, daß durch die Aufnahme in den Codex eine Verwirrung entstanden ist, ob dieses Recht nun gültig ist oder nicht. gab Hungi zu bedenken.

  • "Verwirrung ist in der Tat der richtige Ausdruck. Auch ich war mir nicht sicher, welche Sichtweise derzeit von welcher Seite vertreten wird."


    Wäre er sich sicher gewesen, hätte der Kaiser auch keine Besprechung zu diesem Thema angesetzt.


    "Ich habe dich aber richtig verstanden, dass der Senat sich damals nicht bewusst für eine Beibehaltung des Plebsizits ausgesprochen hat, sondern eher aus dieser Verwirrung heraus auf eine weitere Behandlung verzichtet hat, da der Status quo es hinter dem Edict zurück treten lässt?"

  • Ich muß zugeben, daß der Senat verwirrt war. begann Hungi. Allerdings hat der Senat auch nicht die Kompetenz, ein Plebiszit für ungültig erklären zu lassen. Eine hübsche Ausrede für sein Nichtstun, wie Hungi im geheimen selbst zugeben mußte.


    Das kannst nur du, mein Kaiser. fügte er noch hinzu, die politische Problematik desselben nicht erwähnend, da Hungi sich sicher war, daß der Kaiser diese selber nur zu gut wußte.

  • "Nun, dann sind wir uns wohl einig, dass alle Beteiligten zeitweise verwirrt waren. Der Volkstribun beim Schreiben eines Gesetzes, welches gar keine Wirkung hat, der Senat bei der Beratung über dieses Gesetz und in Folge dessen auch ich, weil es ein nicht anwendbares Gesetz in den Codex geschafft hat."


    Es wird nicht ganz deutlich, ob der Kaiser diese Zusammenfassung eher humorvoll oder verärgert meint.


    "Doch ich habe nicht vor, dass wir alle ewig in diesem Zustand verharren. Wir müssen Klarheit schaffen. Das Plebsizit ist nicht anwendbar und war es auch nie, also kann es aus dem Codex entfernt werden.


    Abgesehen davon, dass der damalige Volkstribun sowie alle seine amtierenden oder potenziellen Nachfolger laut aufschreien werden, sollte dies ohne weitere Folgen möglich sein."

  • Hungi ließ sich nicht von der Stimmung des Kaisers irritieren, welche er ohnehin nicht einordnen konnte.


    Das Volk könnte auch aufschreien. bemerkte Hungi trocken, jedoch erfreut darüber, daß der Kaiser sich für die Aufhebung entschieden hatte.


    Wenn ich mir noch eine Bemerkung erlauben darf, mein Kaiser: Ich bin mir nicht sicher, ob die Einrichtung des Plebiszits noch zeitgemäß ist. Sicher wäre es ein Unding, die Möglichkeit rechtlich aufzuheben, aber dennoch schlage ich vor, daß demjenigen Volkstribun, der ein solches in Zukunft veranstalten will, sanft ins Gewissen gesprochen wird.


    Sim-Off:

    Zu unserer Zeit gab es keine Plebiszite mehr, da sie als demokratisches Element mit dem Prinzipat unvereinbar war, bzw anders gesagt kam sie einfach aus der Übung.

  • "Das Volk schreit, wenn ich seine Steuern erhöhe. Nicht, wenn ich anderen eine Spende erlasse, die sie ohnehin nie gezahlt haben. Zumindest erwarte ich eine solche Reaktion von dem Anteil des Volkes, der sich an der Sache des Staats beteiligt und verständig mitreden kann."


    Ob der Kaiser mit seiner vorigen Äußerung genau den verbleibenden Teil als potenzielle Nachfolger des Volkstribunen bezeichnet haben wollte, bleibt ungeklärt.


    "Die Abschaffung dieses konkreten Plebiszits wäre ein deutliches Zeichen, dass das Plebiszit als solches als zweifach unterlegenes Recht wenig Kraft hat. Schon der amtierende Volkstribun wandte sich meines Wissens kürzlich mit einem Ansuchen nach einer Gesetzesänderung an den Senat. Darf ich annehmen, dass dieser ihn drauf hinwies, wie sehr man diesen Weg begrüßt und wie gering die Erfolgsaussichten eines Plebszits wären?"

  • Für einen ganz kurzen Moment legte sich die Stirn des Senators in Falten. Irgendwie hatte Hungi das Gefühl, daß der Kaiser ein wenig viel vom Volk verlangte. Hungi zweifelte ja schon manchmal am Verstand einzelner Senatoren, und die waren immerhin die politische Elite im Imperium Romanum, hochgebildet, kultiviert, weltgewandt... zumindest in seiner Idealvorstellung, die leider nicht immer der Wirklichkeit entsprach. Was konnte man da vom einfachen Volk erwarten? Er entschloß, darauf nicht weiter einzugehen.


    Selbstverständlich. Ich selbst habe ihn darauf hingewiesen, daß ein solches Verfahren oftmals nicht wirklich zielführend sei. Das hatte er wieder nett formuliert, fand er. Im Senat nämlich war er bei weitem nicht so höflich gewesen.

  • "Gut, dann sollte zumindest dieser Volkstribun darüber aufgeklärt sein. Wenn er klug ist, wird er diese Erkenntnis auch an seine Nachfolger weitergeben. Wenn nicht, wird es der Senat tun müssen."


    Damit ist das Thema für den Kaiser zu einem Ende gekommen.


    "Dann danke ich dir für deinen Rat und deine Einschätzung. Das Plebiszit wird aus dem Codex entfernt werden."

  • "Wenn ich alle Angelegenheiten mit einem derartigen Beratergespräch klären könnte, wäre mein Leben wesentlich leichter."


    Der Kaiser verabschiedet sich und entlässt Hungaricus aus der Audienz.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!