Ein Treffen nach Dienstschluss

  • Obwohl dem Tribun seit seiner Ernennung eine Casa innerhalb des Lagers zur Verfügung stand, hatte er sich um einer Villa in Mantua bemüht und vor kurzem ein stattliches Anwesen erwerben können. Hier wollte er in Zukunft häufiger seine dienstfreien Stunden verbringen, sich mit vielerlei Dingen beschäftigen, die mit der Legion wenig zu tun hatten, oder schlichtweg dort nicht möglich waren.


    Am heutigen Abend kehrte er nicht allein zu seinem Anwesen zurück - er war in Begleitung eines nahen Verwandten. Cunctator hatte sich zum Dienst in der Legio I gemeldet, musste aber wegen Abwesenheit des Legaten auf seine Ernennung noch warten. Vesuvianus lag daran, den Legaten persönlich zu sprechen und verzichtete auf die mögliche Vorsprache beim Praefectus. Wäre sein alter Freund Aurelius noch Präfekt gewesen, sähe die Sache anders aus.


    Somit lag es nahe, dass Cunctator zwischenzeitlich in der claudischen Villa wohnte. Beide betraten den Eingangsbereich, Claudius übergab seinen Mantel einem Sklaven und bestellte auch gleich ein Abendessen. In der Zwischenzeit wollte er Cunctator die Möglichkeit geben, sich über seine erste Eindrücke zu äußern.


    "Lass uns ins Atrium gehen. Der Abend ist mild und läd zum Verweilen an luftiger Stelle ein."

  • Wie riesige Wogen brachen die Eindrücke der letzten Stunden über Cunctator herein. Er konnte nicht begreifen, daß sich sein Verwandter, mit dem er bis vor kurzem sehr wenig Kontakt hatte, in einer Art und Weise um ihn kümmerte, die er zuhause so nötig gehabt hätte.


    Daß ihn Vesuvius nun noch mit in die Villa Claudia nahm ...


    Obwohl Cunctator nicht gerade auf dem Mund gefallen war --- aber jetzt verschlug es ihm ganz einfach die Sprache. Daß er auch noch zum Abendessen eingeladen wurde ... er schluckte ein paar Mal ... das war für ihn zuviel!


    Schnell hatte er sich wieder gefaßt. Er wollte auf alle Fälle vermeiden, daß der tribunus seine Gefühle bemerkte; er wollte Soldat werden und nicht als Memme dastehen.


    Cunctator sog die milde Abendluft des Südens in sich ein und sah seinen Verwandten an.


    Vesuvius, es war alles ein bißchen viel. Ich weiß nicht, wie ich Dir für Deine herzliche Aufnahme und Deine Unterstützung danken kann. Ich weiß nur eines: So es die ewigen Götter wollen, irgendwann werde ich mich für alles revanchieren!

  • "Es ist meine Auffassung von Familienzusammenhalt, nichts weiter", gab Claudius zur Antwort. Kurz überlegte er, warum er so geworden war, dann äußerte er die Gedanken.


    "Mich hat die Soldatenzeit geprägt. Hier habe ich Kameradschaft kennen und schätzen gelernt. Es gab Personen, denen ich blind mein Leben anvertraut hätte und für die ich gestorben wäre."
    Vesuvinaus senkte den Kopf, noch immer machte ihm der Verlust seiner Kameraden schwer zu schaffen. Er blies zur Entlastung Luft durch die Lippen und blickte wieder auf.


    "Eine Familie ist wie eine Truppe - ihr Erfolg steht und fällt mit dem Zusammenhalt. Das sind übrigens die ersten Lektionen, die ein Rekrut bei mir erhält."


    Claudius lächelte, er hatte sich wieder im Griff.


    "Gibst du jungen Soldaten Vertrauen und Verlässlichkeit, geben sie dir es automatisch zurück. Bestimmt gibt es irgendwann die Möglichkeit, in der du mir hilfreich zur Seite stehen kannst. Jetzt aber setz dich erst einmal an meine Seite. Das Essen kommt und ich zumindest habe großen Hunger."


    Mit einer Geste wies Claudius auf die Liegen und machte es sich bequem.


    "Welche Ziele strebst du innerhalb der Legion an?"

  • Cunctator hatte sein Gegenüber genau beobachtet. Der bittere Gesichtsausdruck des Tribunen war ihm nicht entgangen. Irgendetwas belastete ih. Vielleicht konnte er ihm helfen. Er wollte es auf alle Fälle versuchen.


    Cunctator setzte sich auf die angebotene Liege und sah seinen Verwandten an.


    Über meine Ziele bei der Legion bitte ich Dich anschließend unterrichten zu dürfen. Verzeih`, Vesuvianus, wenn ich Dir jetzt unbotmäßig erscheinen mag. Aber das mit Deiner Auffassung von Familienzusammenhalt nehme ich Dir nur bedingt ab.


    Ich fühle mich hier bei Dir und in dieser Umgebung nicht wie in einem Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, sondern in einem verwandtschaftlichen Verhältnis. Ich will damit sagen, daß ich Dir voll vertraue und ich bin mir sicher, daß das, was ich mit Dir besprechen will, unter dem Siegel des gegenseitigen Vertrauens steht.


    Ich habe in der letzten Zeit sehr viel schlucken müssen, das meiste davon unverschuldet und manches, das mir fast das Herz aus dem Leibe riß.


    Ich sehe es Dir an, Du schleppst irgentetwas mit Dir herum, das Du zwar in den Hintergrund drängst, das aber von Zeit zu Zeit und immer wieder herauskommt.


    Spucke es aus, Vesuvianus, sc hreie es aus Dir heraus! Ich höre Dir zu, aber ich habe nichts gehört. Glaube mir, das erleichtert! Die Zeit heilt Wunden und hilft Ruhe vor sich selbst zu finden.


    Könnte ich Dir mit meinem Vorschlag - zumindest ein wenig - helfen?


    Cunctator wartete. Vielleicht wertete Vesuvianus die angebotene Hilfe als pure Neugier. Wie dem auch sei! Cunctator wollte seinem Verwandten helfen --- und das war für ihn ausschlaggebend.

  • Mit einer solchen Antwort hatte Vesuvianus nicht gerechnet. Er stellte den bereits erhobenen Weinbecher wieder ab und schwieg noch lange, nachdem Cunctator geendet hatte.


    "Es gibt zwei Gründe, weswegen ich dich höchstens bedingt einweihen will", begann er schließlich zögerlich und nach einigem Nachdenken. "Zum einen gehen mir die Geschehnisse noch immer an die Substanz und zum anderen weiß ich in kluger Voraussicht, dass es besser ist, wenn du unvoreingenommen deinen Dienst antrittst."


    Claudius blickte zu seinem Verwandten.


    "Verstehe es nicht als mangelndes Vertrauen, sieh es als Schutz für dich an. Ich möchte niemanden mit meiner Verbitterung anstecken."


    Vesuvianus nickte bedächtig.


    "Nur so viel: Ich habe zwei Kameraden, zwei Freunde, zwei Vertraute durch ungewollte Versetzung verloren. Seither habe ich mich abgekapselt, selbst das Verhältnis zu meinem langjährigen Optio ist in Teilen getrübt. Nun, er hat andere Lebensauffassungen, so ist das eben. Das Rundumverstehen habe ich allein mit diesen beiden versetzten Kameraden erlebt, aber vielleicht senden dich ja die Götter, denn vor deiner Ankunft habe ich ernsthaft mit dem Gedanken an den Austritt aus der Legion gespielt. Vielleicht, ja vielleicht ist es dir möglich, eine Lücke zu schließen, die weit aufgerissen ist."


    Er schmunzelte, als er weiter sprach: "Siehst du, so schnell kann es manchmal mit der Möglichkeit gehen, sich revanchieren zu können."


    Nun aber erhob Vesuvianus seinen Becher.


    "Trinken wir auf dich."

  • Na also! Hatte Cunctator seinen tribunus nicht doch ein wenig aus der Reserve geholt? Ihm war es, als sei die seinem Verwandten entgegengebrachte Sympathie übergesprungen. Wem nützt es denn, wenn er innerlich sich selbst einen Schutzwall errichtet?


    Cunctator hatte sich allen ernstes vorgenommen, nur noch nach vorne zu blicken und vielleicht schaffte er es, auch seinen Verwandten dazu zu bewegen.


    Er nahm nun auf seiner Liege eine bequeme Haltung ein, ergriff seinen Becher, dankte für den auf ihn ausgesprochenen Toast und strahlte seinen Verwandten an.


    Ich danke Dir Vesuvianus und trinke darauf, daß wir beide unsere trübe Gedanken erzeugenden Geschehnisse im Laufe unseres Zusammenseins hinterspülen. Es müßte mit der gesamten Unterwelt zugehen, wenn wir es nicht fertigbrächten, uns einmal hier in der villa zu treffen, um das schöne Leben - und das ist es zweifelsohne - zu genießen und vor allem daran teilzuhaben.


    Gaudeamus igitur iuvenes dum sumus (laßt uns also fröhlich sein, solange wir noch jung sind)!


    Wir sollten über alles reden, Angenehmes und Unangenehmes, Reden erleichtert und ein guter Zuhörer spendet mitunter Trost.


    In diesem Sinne, Vesuvianus, vivas (Du mögest leben!) Du hast mein Vertrauen erwidert und ich werde Dich nicht enttäuschen!


    Cunctator leerte den Becher auf einen Zug und genoß den köstlichen Wein, der ihm kredenzt worden war.


    ... Cunctator hatte sich seit langem nicht mehr so wohl gefühlt. In der Nähe seines Verwandten fühlte er sich geborgen. Und er wußte eines:
    Diesen Zustand würde er bis zum letzten verteidigen.

  • Vesuvianus nickte zu den weiteren Tosts seines Verwandten und trank ebenfalls. Eine unmittelbar einsetzende Lockerheit konnte er aber noch nicht vorweisen, alles brauchte seine Zeit.


    "Vertrauen ist die erste Basis für eine Kameradschaft und Freundschaft. Ich will dir im Voraus mein Vertrauen schenken, weil wir verwandt sind und ich hege keine Zweifel, sodass ich es bereuen werde. Aber so wertvolle Dinge wie Kameradschaft und Freundschaft brauchen Zeit zum wachsen und Möglichkeiten der Bewährung. Warten wir also geduldig ab und sehen der Zukunft gelassen entgegen."


    Bei der Bemerkung über die Jugend und die Fröhlichkeit musste Vesuvianus schmunzeln. So ganz jung war er ja nun auch nicht mehr. Wie alt jedoch sein Gegenüber war, konnte er nicht so recht einschätzen.


    "Wie viele Winter hast du schon gesehen, Cunctator?"

  • Die Ereignisse der vergangenen Monate mußten Cunctators Gesicht gezeichnet haben. Auf dem Herritt war er unterwegs des öfteren nach seinem Alter gefragt worden. Meistens erhielt er zur Antwort, daß es das nicht gebe ... so wie er aussehe!


    Cunctator war froh, daß der tribunus das Thema wechselte. Nun wollte auch er dazu beitragen, die etwas ernste Stimmung des sich anbahnenden gemütlichen Abends zu lockern.


    Er wußte, daß es unhöflich war, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten --- da er aber gespannt war, wie alt ihn sein Verwandter schätzte, stellte er seine gute Erziehung hinten an und meinte:


    Nun, Vesuvius, Dir ist der Umgang mit Menschen vertraut und für Dich ist es bestimmt ein Leichtes, mein Alter zu schätzen. Was meinst Du, sieh` mich genau an, wie alt kann ich sein?


    Cunctator nahm einen Schluck aus dem inzwischen wieder gefüllten Becher und sah sein Gegenüber fragend an.

  • Cunctator lächelte.


    War er schon unterwegs für älter gehalten worden, der tribunus tat es ebenfalls!


    Er sah zu seinem Verwandten.


    Ich bin 26 Jahre, Vesuvius.


    Allzu gerne hätte Cunctator nach dem Alter seines Cousins gefragt. Aber da kam der Block ... der Block in Form seiner guten Erziehung: Er war nicht mehr fähig, weitere diesbezügliche Fragen zu stellen.


    Statt dessen fuhr er fort:


    Du hast mich nach meinen Zielen innerhalb der Legion gefragt. Ich benötige zum einen eine fundierte Ausbildung, die so gründlich ist, daß es mir nicht schwer fallen wird, die Offizierslaufbahn einzuschlagen und zum anderen den besten Lehrmeister, den ich mir vorstellen kann, der mir den richtigen Weg weist und allen Fragen offen gegenübersteht. Daß ich letzteren gefunden habe und dieser auch noch mit mir verwandt ist ... das kann nur eine Fügung der Götter sein!


    Bevor ich hier noch weitere Reden schwinge, edler Vesuvianus, ich möchte so werden wie Du!


    Erwartungsvoll blickte Cunctator zu seinem Cousin.

  • Vesuvianus konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so oft in Folge geschmunzelt hatte.


    "Du meinst nicht etwa, du möchtest so viel erreichen wie ich? Du meinst allen Ernstes, du möchtest so werden wie ich? Das ist schmeichelhaft."


    Erneut prostete er seinem Verwandten zu und setzte den Becher an die Lippen, die noch immer zu einem Lächeln geformt waren. So etwas war ihm lange nicht passiert. Klar, die jungen Rekruten guckten sich öfters einen Vorgesetzten aus, dem sie nacheifern wollten, und der Tribun hatte in alle den Jahren schon manches Lob zu hören bekommen - vornehmlich, wenn seine Schüler sich von ihm verabschieden kamen, weil sie die Einheit wechseln wollten.
    Claudius trank und stellte den Becher ab.


    "Du erinnerst mich an meine eigene Grundausbildung. Ich hatte mir damals auch einen Offizier ausgeguckt, dem ich nacheifern wollte und, bei den Göttern, ich habe allen Ehrgeiz daran gesetzt, so sattelfest zu werden wie er es in meinen Augen war. Daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt, die bis heute anhält. Jenen Offizier habe ich erst kürzlich durch eine Zwangsversetzung verloren."


    Hatte Claudius zu Beginn der Darlegung noch - durch die Erinnerungen bedingt, lächelnd und locker gesprochen, war er bei den letzten Worten leiser geworden. Seine Miene war wieder ernst. Dann mahnte er sich selbst zu einem Themenwechsel.


    "Jeder Mensch hat Schwächen, so auch ich. Zum Beispiel neige ich zu Übertreibungen, verteidige mir wichtige Dinge durchaus emotional. Ich bin sehr strebsam und meistens verlange ich von mir und auch von anderen zu viel. Aber wenn du hohe Ansprüche an deine Ausbildung stellst, dann bist du bei mir an der richtigen Adresse. Ich setze dich in den Sattel, auf dem du später selbständig reiten wirst. Das war im übertragenen Sinne gemeint."


    Mit einem Wink wies Claudius die Sklaven an, diverse Happen und etwas Brot aufzutragen.

  • Cunctator setzte den Becher, den er zum Munde führen wollte, wieder ab. Er wollte an diesem ersten Abend mit seinem Verwandten nicht noch einmal an den vergangenen Geschehnissen rühren; der Abend sollte in Harmonie verlaufen.


    Aber eines zu sagen war er sich und seinem Cousin schuldig.


    Weißt Du, Vesuvius, auch ich versuche mit ganzer Kraft, die Vergangenheit zu vergessen. Bis jetzt ist es mir nur gelungen, sie zu verdrängen --- sie zu vergessen, schaffe ich auch noch. Das braucht seine Zeit, aber ich schaffe es!


    Du hast einen Freund durch eine Zwangsversetzung verloren. Glaubst Du nicht, daß es - wann auch immer - eine Gelegenheit geben könnte, ihn wiederzusehen?


    Ich erinnere mich noch genau an die letzten Worte meines Vaters, die sich wie Feuer in mein Herz brannten: "Du bist nicht mehr mein Sohn! Ich habe nie einen Sohn und noch dazu einen Versager, gehabt! Sei verdammt für alle Zeit!" Dann wies er mir Tür.


    Was meinst Du, Vesuvius, in welchem der beiden Schicksale mag wohl der Wein der beste Tröster sein? Vielleicht haben uns sogar die ewigen Götter zusammengeführt, um uns gegenseitig zu helfen und dadurch aneinander zu binden ... Dich, den tribunus, und mich, den Versager!


    Nachdenklich sah Cunctator seinen Cousin an.

  • Claudius strich sich mehrfach mit der Hand über das Kinn. Für ihn war es schwierig, die Handlungsweise von Cunctators Vater wie auch dessen bittere Selbstmissachtung zu begreifen.
    Er hatte nicht vor, die vergangenen Ereignisse zu vergessen. Für Cunctator wäre es womöglich die einzige Variante, Ruhe und Zufriedenheit zu finden. Doch bevor er darauf einging, wollte er die Frage nach einem möglichen Wiedersehen beantworten.


    "Sicher gibt es - wenn auch durch die räumliche Trennung bedingt, sehr sporadisch - die Möglichkeit, den Freund wiederzusehen, aber der fehlende gemeinsame Dienst, die nunmehr getrennten Ziele, die verlorene gegenseitige Unterstützung sind damit nicht auszugleichen. Nun ja, dein Schicksal ist mit meinem natürlich nicht zu vergleichen."


    Claudius schwieg, weil er versuchte, sich an den Vater seines Cousins zu erinnern. Schließlich schüttelte er den Kopf.


    "Mir fehlt jede Erinnerung an deinen Vater. Es würde meinem Verständnis helfen, wenn du mir mehr erzählen könntest. Aber selbst wenn dein Vater berechtigte Kritik an dir üben durfte, ist es trotz allem sehr schwer zu verstehen, warum du dieses wenig erstrebenswerte Selbstbild von dir pflegst. Wie also kommst du zu diesem Schluss?"


    Es war eine Sache, wenn der Vater enttäuscht war, aber eine andere, wenn man den Glauben an sich selbst verliert.

  • Bitter wie Galle kam die Erinnerung in Cunctator hoch. Er wollte nicht zurückdenken, schon gar nicht an diesem Abend. Doch nun blieb ihm nichts anderes übrig.


    Unwillkürlich verdüsterte sich seine Miene als er sich an seinen Cousin wndte.


    Ich will es kurz machen, Vesuvius. Mein Vater ist medicus in der LEGIO III ITALICA CONCORS in Castra Regina. Er wollte und hoffte, daß ich einmal in seine Fußstapfen treten werde. Ich hatte nicht die geringsten Ambitionen für den Beruf eines medicus, ich wollte Soldat werden wie mein Onkel. Das ist eigentlich nicht viel und doch alles! Somit war ich in seinen Augen ein Versager.


    Cunctator nahm seinen Becher mit Wein wieder zur Hand und leerte ihn auf einen Zug und fuhr fort:


    Jetzt gibt es für mich zwei Möglichkeiten, entweder als mehr oder weniger Ausgestoßener weiterzuleben oder durch eine militärische Karriere zu beweisen, daß ich nicht versagt habe.


    Und darum, edler Vesuvius, bin ich den Göttern dankbar, daß sie mich zu Dir geschickt haben, denn ich bin überzeugt, daß nur Du mir auf diesem schwierigen Weg helfen kannst!


    Cunctator drehte den geleerten Becher in seinen Händen ...

  • "Eine merkwürdige Auffassung von Versagen", kommentierte Vesuvianus die Ansichten von Cunctators Vater. "Wichtig ist doch, wie weit man es bringt und nicht wo."
    Er schüttelte den Kopf. "Und selbst wenn ein Sohn weniger erfolgreich als sein Vater ist, gibt es keinen vernünftigen Grund, ihn deswegen als einen Versager zu bezeichnen."


    Vesuvianus rieb sich die Stirn. Er fand durchaus, dass es den einen oder anderen merkwürdigen Gesellen innerhalb der engen und weitläufigen Verwandtschaft gab.


    "Ich schlage vor, du lebst weder als "Ausgestoßener" noch musst du jemandem beweisen, dass du kein Versager bist. Du bestreitest ab morgen deinen Dienst, ich werde dich unterstützen, wo ich kann, du wirst es ordentlich machen, da bin ich sicher und das alles, um es dir zu beweisen und keinem anderem sonst. Etwas anderes will ich nicht mehr hören."


    Mit einer energischen Handgeste wischte der Tribun jede andere Einstellung einfach fort, schien sie aus seinem und dem Kopf seines Verwandten regelrecht zu streichen.


    "Und damit auch etwas ordentliches aus deinem Dienstantritt wird, werden wir nun den Abend beenden", entschied Vesuvianus schmunzelnd. "Es gibt noch genügend Abende, an denen wir eine private Unterhaltung führen können. Morgen kommst du zunächst in mein Officium, damit ich dich in die Truppe einführen kann."

  • Der gute Wein war Cunctator etwas zu Kopf gestiegen. Doch die letzten Worte seines Cousins rissen ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und ließen keinen Zweifel offen, daß nur sein Verwandter in der Lage war, aus ihm das zu machen, wofür er sich berufen fühlte.


    Du hast recht, Vesuvius. Irgendwann ist es an der Zeit, Ballast abzuwerfen. Ich hätte nie geglaubt, daß eine Unterhaltung, wie ich sie mit Dir führen durfte, so kostbar sein würde.


    Wenn ich noch einen Becher Wasser haben könnte...


    Dir einen angenehmen Schlaf und Dank für alles. Ich werde mich morgen pünktlich in Deinem officium zum Dienstantritt melden.

  • Claudius winkte einem Sklaven, dem Wunsch seines Verwandten zu entsprechen und Wasser einzuschenken. Er selbst erhob sich schon jetzt.


    "Du entschuldigst mich hoffentlich, ich muss noch die Post durchsehen, bevor ich an Schlaf denken kann."


    Auf die Bemerkung hin, Cunctator wolle morgen pünktlich im Officium sein, nickte Claudius. Mit nicht mehr ganz so frischem Gang machte sich der Tribun auf den Weg, in sein Arbeitszimmer.

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