Lange betrachtete ich Deandras Antlitz, um feststellen zu können, was hinter ihrer Stirn wohl vorgehen mochte. Ich konnte es weder ablesen noch an ihrem Verhalten feststellen, also hob ich innerlich die Schultern und seufzte langgezogen. Wir befanden uns in einer Situation, die für uns beide nicht einfach war. Ich neigte immer noch dazu, Deandra die Schuld dafür zu geben, versuchte aber, diesen Drang niederzukämpfen, war doch der Grund für das Verlassen ihrer Familie ein für sie wichtiger. Und was für ein Bruder wäre ich gewesen, wenn ich ihre Entscheidung diesbezüglich nicht repektieren würde? Ich tat mich lediglich schwer mit dem akzeptieren, aber auch hier schritt die Logik in mein Denken ein und sagte mir, dass es nicht mehr umzukehren war und ich den Umstand, das wir von nun an getrennt waren, nicht mehr Bruder und Schwester waren, besser akzeptieren sollte. Die Versicherung, auch weiterhin meine Schwester zu bleiben, schien zwar aufrichtig, aber wir beide wussten, dass dem nicht so war. Ich sah Deandra trübselig an und seufzte erneut. Erst, also sie von der neuen Familie sprach, hörte ich sehr genau hin.
"Dann sind es die Claudier, nicht?" hakte ich nach. Eifersucht prägte meine Stimme und ließ sich nicht daraus vertreiben. Ganz gewiss würde sie neue Pflichten in diesem Haushalt haben. Die Besuche würden immer seltener werden, bis sie schließlich ihre alte Familie vergessen haben würde. Griesgrämig runzelte sich meine Stirn, während ich das dachte.
"Du sagst mir doch, wenn sie dich nicht so aufnehmen, wie du es verdient hast, nicht? Ich würde ungemütlich werden", sagte ich. Kurz darauf stellte ich fest, dass ich mich anhörte, wie ein Junge, dem man das liebste Spielzeug fort genommen hatte. Doch ich sagte nichts, denn wie eben dieser kleine Junge fühlte ich mich, doch war es nicht das liebste Spielzeug, sondern der liebste Gefährte, den man mir nahm.
Obwohl die Aufforderung zur Umarmung von ihr kam, wirkte sie irritiert und verwirrt, als ich sie schließlich an mich heranzog und umarmte. Es würde für lange Zeit die letzte Umarmung sein, das spürte ich einfach, auch wenn ich nicht sagen konnte, woher das Gefühl rührte. Meine Hände hielten Deandra, ich strich kurz über ihren Rücken und schloss dann die Augen, um mir ihren Geruch einzuprägen. Ihre Haare dufteten nach Rosen und nach ihrer Selbst, eine betörende Mischung, die jeden Mann um den Verstand bringen würde, wenn sie auch nur einen anderen als jenen Mann in Erwägung ziehen würde, wegen dem sie nun sogar dem Schoße ihrer Familie entfloh.