Cubiculum | Lucius Flavius Serenus

  • Aus dem Peristylium kommend trug ein Sklave den leichten Körper des schlafenden Serenus in das bereits vorbereitete Zimmer hinein und setzte ihn auf dem Bett ab. Er löste die Sandalen und den Gürtel und zog dem Kind sodann die Tunika über den Kopf. Serenus murmelte undeutliche Worte, wachte jedoch nicht mehr richtig aus seinem Halbschlaf auf. Es war nicht ganz einfach, die Arme des Knaben durch die Ärmel des Nachtgewandes zu schieben, doch der Sklave hatte bereits Erfahrung in solchen Dingen - betrunkene Männer, gleich welchen Alters, waren auch nicht besser als ein schlaftrunkenes Kind. Er deckte den jungen Herrn zu und wäre beinahe über den Hund gestolpert, welcher bereits vor dem Bett lag und seinen Kopf auf seine Vorderpfoten gebettet hatte. Der Sklave zuckte nur mit den Schultern und verließ das Cubiculum.

  • Serenus erwachte wie immer relativ früh und schaute sich um. Aufgrund vieler Kisten und Taschen und Bündel war dies wohl sein neues Zimmer. Er ließ seinen Blick durch den riesigen Raum schweifen. Das Zimmer war nur unwesentlich kleiner als seine Räumlichkeiten in Baiae.


    Nachdem er Nero ausgiebig gestreichelt und gekrault hatte, rief er selbstbewusst nach Sklaven. Zu seiner Zufriedenheit kamen diese auch zugleich angelaufen. Er erlaubte seinem Kampfhund Nero mit einem Sklaven im Garten Gassi zu gehen und ermahnte seinen Hund streng, dass er dem Sklaven nichts antun sollte … zumindest nicht am ersten Tag in der Villa. Während dessen reinigte er sich ausgiebig und säuberte sich vom Staub der Reise.


    Unter seinem wachsamen Blick und seinen befehlsgewohnten Anweisungen begann ein Rudel Sklaven sein Gepäck auszupacken. Die Kiste mit den Utensilien für den Schreibtisch und eine Kiste mit persönlichen Dingen, insbesondere gewisser Literatur bei der selbst seine Oma die Stirn runzelte, packte er selbst aus. Zuletzt positionierte er gewisse Büsten und Statuen auf dem Schreibtisch und im Zimmer. Eine Büste von Oma und der „verhüllte Flavier“ kamen auf den Schreibtisch. Letzterer ordentlich mit einem Tuch abgedeckt. Dann wurde die Mercurius-Spar-Statue und die Kaiser-Ulpius-Spar-Büste platziert. Das erinnerte Serenus daran, dass er ja jetzt von ganz vielen Onkels womöglich Taschengeld bekam.


    Den Abschluss bildete das übliche „spartanische Erstfrühstück“ als Start in den Tag: Wasser, eine Hand voll Trockenobst und Nüsse, 1 Scheibe trockenes Brot und ein hart gekochtes Ei, eine kleinen Schüssel Puls. Damit waren angeblich alle Männer der Gens Flavia groß geworden. Das zweite Frühstück sah meistens deutlich besser aus, aber auf den morgentlichen Rennrunden war ein halbleerer Bauch immer besser als eine voll gefressene Wampe.


    Serenus wandte sich an einen Sklaven.


    „Hol mir den Maior Domus! Alternativ diesen Sciurus von Onkel Gracchus! Sofort!“


    Roma war bereit von ihm entdeckt und erobert zu werden.

  • Kurze Zeit später betrat der Sklave erneut den Raum, den Rücken gekrümmt und den Kopf eingezogen wie eine Schildkröte. Nur sein dürrer Körperbau und die auffällige Hakennase mochten nicht zu dieser Erscheinung passen, zudem war ihm zu seinem eigenen Bedauern ein dicker Panzer verwehrt, welchen er so manches mal nur zu gerne um seinen Körper verspürt hätte. Er räusperte sich leise und hielt den Blick auf die Füße des jungen Serenus gesenkt.
    "Herr, der Maior Domus ist bereits im Auftrag seines Herrn unterwegs, und Sciurus hat die Villa ebenfalls bereits früh am Morgen mit seinem Herrn verlassen." Er unterdrückte den Reiz, mit dem Fuß auf dem Boden zu scharren, und machte sich innerlich schon einmal auf ein paar Peitschenhiebe gefasst. Kind hin oder her, der junge Herr war ein Flavier und würde die Bewältigung der Widrigkeiten des Schicksals wie alle anderen sicherlich ebenfalls auf dem Rücken der Sklavenschaft austragen.

  • Serenus machte ein säuerliches Gesicht.


    „Das ist sehr unbefriedigend. Und lass mich mal raten. Es gibt vermutlich keine Anweisungen, was die Sklaven vorbereiten sollen, wenn ich oder meinen Schwester Arrecina eine Stadterkundung oder einen Einkauf alleine unternehmen wollen?“


    Wobei man seinen Onkels und Tanten keinen direkten Vorwurf machen konnte, denn schließlich ist Oma nicht hier, die solche Sachen immer für uns Kinder organisiert hatte. Erwachsene neigten mitunter dazu alles für selbstverständlich zu halten, wo Kinder dann vor großen Hindernissen standen - überlegte Serenus.


    „Aber gut, Sklave, ich wäre kein Flavier, wenn ich so etwas nicht selbst geregelt bekommen würde. Ich befehle dir hiermit die beste Sänfte für einen Stadtbesuch vorbereiten zu lassen. Es darf gerne auch die Sänfte von Onkel Senator Flavius Felix sein. Ich bin da nicht wählerisch. Desweiteren wünsche ich mindestens 5 Sklaven als Begleiter, die später die Einkäufe tragen. Und suche mir kräftige Träger aus, die unterwegs nicht schlapp machen. Zur Not nehmen wir halt noch ein paar Ersatzträger zum Wechseln mit. Und dann organisiere mir 20 bewaffnete Sklaven als Leibwächter. Groß, muskelbepackt und breitschultrig. Die Plebeier sollen auf den ersten Blick sehen, wer da des Weges kommt und gar nicht erst an Ärger denken. Legionäre oder Stadtwachen tun es als Leibwächter aber auch. Die haben sich in Baiae auch immer als Begleiter für ein Handgeld angeboten.


    Wir treffen uns alle in einer halben Stunde an der Porta. Unser erstes Ziel ist der Tempel der Vesta, wo wir Tante Flavia Agrippina besuchen und zu den Saturnalien einladen. Danach geht es weiter zum Forum. Auf! Auf!“


    Serenus schnippste mit den Fingern und entließ den Sklaven. Er erhob sich vom Schreibtisch und packte Imperator Ulpius am Hals und schüttelte diesen. Die Sesterzen klimperten in der Sparbüste. Dann fiel ihm aber ein, dass Oma ihm ja noch etwas Reisegeld mitgegeben hatte. Er ging zu einer Kiste, entnahm dieser einen großen Beutel und zählte 300 Sesterzen in 3 Beutel zu je 100 Sesterzen ab. Das sollte reichen. Die restlichen 1700 Sesterzen verpackte er wieder ordentlich in die Kiste.


    Dann ging er seine Gardarobe durch, welche sich in 4 Kategorien einteilte.
    I. Der Imperator wird besucht. Diese Kleidung hatte Oma beim gleichen Schneider bezogen, welcher auch den Kaiser belieferte. Dementsprechend exzellent war die Qualität und das Aussehen.


    II. In der Öffentlichkeit unterwegs. Diese war repräsentativ ausgerichtet und sehr hochwertig.


    III. Im Hause unterwegs. Hochwertig und ein Patrizier ist auch zu Hause immer noch ein Patrizier im Aussehen. Aber schon deutlich bequemer geschnitten.


    IV. Spiel- und Rennkleidung für Serenus. Funktional, robust, gehobener Plebeier-Standard. Hier hatte selbst Oma Zugeständnisse gemacht, nachdem sie gesehen hatte wie Serenus und anderen Patrizierkinder nach dem Spielen in den patrizischen Gärten aussahen. Verdreckt und zerzaust wie alle Kinder halt. Da mußte es dann ausnahmsweise nicht das Allerbeste sein, das man danach nur noch wegwerfen konnte.


    Serenus entschied sich für Kategorie II. Dann machte er sich auf zur Porta.

  • Als der junge Herr von 'unbefriedigend' sprach, duckte sich der Sklave instinktiv, denn er erwartete darauf folgend die Anweisung über einige Peitschenhiebe. Doch nichts dergleichen geschah, so richtete er sich wieder ein wenig auf und schüttelte den Kopf. "Nein, Herr, keine Anweisungen. Die Dame Arrecina nimmt für gewöhnlich ihre Leibsklaven mit in die Stadt."


    Erleichtert atmete der Sklave auf, als Serenus bekannt gab, dass auch er sich selbst um alles kümmern konnte. "Die beste Sänfte, Herr. Fünf Sklaven als Begleiter. Kräftige Träger und einige Ersatzträger, Herr. Zwanzig bewaffente Sklaven ..." Entsetzen spiegelte sich auf dem ohnehin schon bleichen Gesicht wieder und der Sklave drückte sich ein wenig herum, während der Junge seine Garderobe prüfte. Doch schließlich musste er sich zu weiteren Worten durchringen.
    "Verzeih, Herr, doch ohne dir zu nahe treten zu wollen, Herr, zwanzig Sklaven werden nicht abkömmlich sein, Herr. Mit den Trägern und Ersatzträgern und Begleitern finden sich bestenfalls weitere fünf Kräftige als Leibwächter, Herr. Nicht allen Sklaven ist es erlaubt, das Haus zu verlassen, Herr, und wenn zu viele fehlen, so werden die Arbeiten in der Villa nicht ordnungsgemäß erledigt werden können, Herr." Dies würde am Ende auf ihn zurückfallen und dazu führen, dass er sicherlich die letzten Augenblicke seines Lebens im Circus von Angesicht zu Angesicht mit einem Löwen verbringen würde.

  • Nach dem Saturnalienessen



    Serenus kam pappsatt und mit vollem Bauch zusammen mit Dido zurück in sein Cubiculum, während Nero schwanzwedelnd um sie herum lief und Dido ausgiebig beschnupperte. Er kraulte kurz seinen Hund.


    "Ich sag es euch. Das war vielleicht ein anstrengendes Essen. Es ist ganz schon schwer die ganze Zeit so erwachsen zu tun und sich wie ein Patrizier zu benehmen."


    Serenus zog die Sandalen aus und ließ sie einfach an Ort und Stelle liegen. Ein Sklave würde sie später wegräumen. Dann ließ er sich erschöpft auf das Bett fallen.

  • Nach dem Saturnalienessen


    Serenus richtete sich auf dem Bett wieder auf und betrachtete die beiden Teller mit Nachtisch und die Kannen mit Honigwasser auf seinem Schreibtisch. Und eine silberne Servierplatte mit einem riesigen, fleischigen Rinderknochen für seinen Hund.


    “Io Saturnalia Nero! Na los, hol dir den Knochen.”


    Nachdem der Hund sich am Schreibtisch bedient hatte und selig mit seinem Knochen beschäftigt war, breitete Serenus in einer theatralischen Geste die Arme weit aus und wandte sich an Dido.


    “Willkommen in meinem Reich. Das ist mein Zimmer. Könnte noch etwas größer sein, aber ich will mal nicht unzufrieden sein. Ist sicher nur vorrübergehend bis ein größeres Zimmer für mich gefunden wurde.”


    Er warf einen Blick auf die wenigen Sachen inmitten des Raumes, die Dido zu gehören schienen. Eigentlich war selbst das Wort “wenig” eine Übertreibung.


    “Die Bediensteten scheinen zu schlampen. Oder sind unglaublich langsam, daß sie seit der Anweisung von Hannibal beim Essen bis jetzt erst das da nur hierher gebracht haben.”

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    Dido- die junge Sklavin von Serenus.


    Neugierigen Blickes folgte Dido ihrem neuen Herren durch die Gänge der Villa Flavia. Einige Teile des Hauses hatte sie in den letzten Tagen schon begutachten können, aber nicht die privaten Bereiche, die ihr als verboten benannt worden waren. Jetzt war sie hier, bei den Cubicula der Herrschaften. Die Zimmer in Baiae schienen ihr zwar etwas größer zu sein, doch war Dido durchaus angetan von dem Zimmer ihres Herren und sah sich schon mal nach dem benannten Nebenraum um, wo sie von nun an nächtigen sollte. Stolz schwelgte in ihrer Brust, sie musste jetzt nicht mehr in der großen Sklavenunterkunft mit all den anderen Sklaven nächtigen und das elende Geschnarche des Stallknechts neben ihr ertragen. Vage zuckte Dido mit der Schulter und sah auf ihre kleinen Bündel herunter. Alles was Du hast, hat irgendwann Dich, das meinte einmal ein Sklave zu ihr. Sie sollte sich nicht an Besitztümer hängen, es gehörte letztendlich eh ihrem Herren. Das hatte Dido immer beherzt.


    Sie brauchte auch nur ihre Schleuder und ihre Kreide, schon war sie für allerlei Spaßiges ausgerüstet. Und was man sonst brauchte, das nahm man sich einfach heimlich. Solange man nicht erwischt wurde, war auch nichts Verbotenes daran, befand sie. „Ich hab nicht mehr, Dominus!“ sprach sie unbekümmert und ging an dem Schreibtisch vorbei und musterte neugierig die Papyri auf der Tischplatte. Ein großes Opfermesser war dort sorgfältig abgebildet worden, es erregte Didos Aufmerksamkeit. „Wirst Du Priester werden, Dominus? Oder doch eher ein Soldat wie Dein Vater?“ Sie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum und betrachtete noch eingehender den gemalten Opferdolch. Der sah ganz schön scharf aus.




    SKLAVE - LUCIUS FLAVIUS SERENUS


  • „Also daran müssen wir etwas ändern. Wir gehen umgehend einkaufen und du bekommst eine Gewandung, die meinem patrizischen Stand Rechnung trägt. Und du brauchst eine Kiste, wo du deine persönlichen Dinge unterbringen kannst.


    Ich werde nach Omas Wünschen Priester werden. Soldat ist nicht mein Wunsch. Ich habe keine Lust in einem Gefecht verkrüppelt zu werden. Aber zuerst werde ich wohl mal Scriba Personalis von Onkel Gracchus. Ich bin noch zu Jung um Discipulus im Cultus Deorum zu werden. Onkel Gracchus und Onkel Lucullus werden mich zu Hause und bei sakralen Anlässen als Minister soweit ausbilden, wie dies im Vorfeld geht.


    Die Scribaaufgaben dienen dazu, dass ich tiefere Einblicke in die Politik erhalte und auch die ein oder andere wichtige Persönlichkeit kennenlerne. Onkel Gracchus scheidet auch wohl aus dem Cultus Deorum aus und wird Senator, wozu er diverse Posten abarbeiten darf. Der Vorteil für uns ist dabei, dass wir öfters aus der Villa rauskommen.


    In Kürze beginnt auch deine Schulausbildung. Ich brauche eine schlaue Sklavin und kein Dummnickel. Du lernst Lesen und Schreiben und Rechnen und Sprachen, während ich meine Kenntnisse im Ringen und im Faustkampf erweitere.


    Das Opfermesser ist aber echt kühl. Das habe ich in Baiae auf dem Markt gesehen und mir aufgemalt, damit ich mir in Roma eines anfertigen kann. Ohnehin muß ich mir auch mal einen richtigen Dolch kaufen, denn ich habe nur ein kleines Messer zum Arbeiten.“

  • Serenus stellte fest, daß ein neuer Monat angebrochen war. Pünktlich kamen 30 Sesterzen Taschengeld von Oma mit einem Boten aus Baiae und 30 Sesterzen von Papa aus Mantua.


    Er grübelte intensiv über diesen Umstand nach. Mit 60 Sesterzen kam er ganz gut im Monat über die Runden. Seine wirklichen Ausgaben hielten sich in Grenzen. Zumal er seitens von Dido mitbekommen hatte, daß man hier seine Wünsche den Leibsklaven äußern konnte und diese trugen dann die Wünsche der Herrschaften auf einer Liste ein, die in den Aufgabenbereich des Verwalters Sica fiel.


    Solange die Wünsche in einem "gewissen Verhältnis" zu sein schienen, klappte das reibungslos mit dem Einkauf und Besorgen durch den Verwalter, ohne daß er selber sich an den Kosten beteiligen mußte oder es große Nachfragen gab.
    Serenus hatte sich von Dido informieren lassen, welche Wünsche der Rest der Familie so alles äußerte. Bislang hatte er von dem Wunsch einen Löwen oder einen Bären zu bestellen Abstand genommen. Sicher würde er dann zu Onkel Senator Felix oder Onkel Gracchus laufen und um Rat fragen.


    Sica war ein Sklave, den man offensichtlich nicht überfordern durfte. Er schien ein Sklave mit extrem wechselnder Tagesform hinsichtlich seiner Intelligenz zu sein. Einerseits war er schlau genug einige "handwerkliche Untensilien und Kleinigkeiten" kommentarlos zu besorgen und es gab keine Debatten warum der junge Dominus Serenus so etwas wie Schmierfett, Kreide, Pinsel, Küchenmesser etc ... brauchte. Andererseits war er nicht in der Lage die neuste Ausgabe der "Thessalischen geschichten" oder "Sklave Gaius ist der Beste" zu organisieren. Dagegen diesen doofen Platon mit irgendeinem ausgefallenen Werk als Studientext auf Empfehlung von Onkel Gracchus besorgte er.


    Da Sica und Hannibal es vorzogen viele nützliche Dinge mit denen nur Kinder wirklich etwas anfangen konnten, weil es den Erwachsenen eindeutig an Kreativität und Phantasie mangelte, kommentarlos (also Diskussionen warum Serenus dies oder jenes brauchte scheinbar mieden) und umsonst zu besorgten, wurde sein Taschengeld geschont.


    Andererseits kamen sicher noch schlechte Zeiten. Daher war es gut durchaus mal bei allen Verwandten hier in der Villa wegen Taschengeld anzuklopfen.


    Serenus schnappte sich die Ulpius-Spar-Büste und machte sich auf den Weg.

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    Dido- die junge Sklavin von Serenus.


    Verstohlen gähnte Dido. Sie war elendsmüde, der ganze Tag war mit der Aufregung gefüllt das Haus zu erkunden, zu versuchen Hannibal auszufragen, sie wusste irgendwie, dass sie verwandt waren, aber nicht genau wie, und herauszufinden, wem sie bald gehören würde. Mittlerweile, sie hatte schon ihr erstes vorsichtiges Urteil gefällt, befand sie: Ihr Herr war gar nicht so übel. Natürlich würde er sich in ihren Augen noch in der nächsten Zeit beweisen müssen, davon machte sie es abhängig, ob sie ihm eine, bis in den Tod, treue Sklavin sein würde, oder versuchen würde wieder von ihm weg zu kommen, wofür sie bestimmt die nötige Fantasie besaß. Langsam drehte sie den Opferdolch zwischen ihren Händen und stellte es sich vor, wie es wohl wäre, es einem Opfertier in den Hals zu stoßen. Sie lächelte leicht und sah von dem faszinierend funkelnden Metall auf. „Ich bin schlau, Dominus. Das werde ich Dir auch noch zeigen. Denn das kommt nicht davon, ob man Platon oder den komischen Hahnenkräher, Cicero, kennt.“


    Sie biss sich schnell auf die Unterlippe und kräuselte ihr Näschen. In Baiae würde sie für solche Worte durchaus eine gescheuert bekommen. Schnell versuchte sie von ihrem Ausrutscher abzulenken. Das mit den neuen Sachen interessierte Dido herzlich wenig, aber wenn ihr junger Herr sie ausstaffieren wollte, dann sollte er ruhig. „Gut, natürlich lerne ich das, was Du willst, Dominus. Wo soll ich denn schlafen? Soll ich sonst noch was tun?“ Doch was auch immer sie tun wollte oder sollte, zu viel an diesem Abend kamen die Beiden dann doch nicht mehr. Denn sobald die junge Dido ein Lager zugewiesen bekam und sie „Probeliegen“ betrieben hatte, war sie schon entschlummert und schlief den ungestörten Schlaf einer Sklavin, die die Sklavenunterkunft mit all ihren Widrigkeiten gewohnt war.



    SKLAVE - LUCIUS FLAVIUS SERENUS

  • Es war einige Zeit später, die Sonne war am Himmel eine Handbreit weiter gewandert, als Hannibal dann doch das Zimmer des jungen Herrn erreichte. Seine Gesichtszügen waren ob der morgendlichen Ereignisse ein wenig verkniffen und seine Laune hatte einen Tiefpunkt erreicht. Trotzdem blieb er vor der Tür des Sohnes seines Herrn stehen und atmete tief ein und aus, glättete seine Miene und betrat nach dem leisen und dezenten Anklopfen das Cubiculum. Seine Augenbrauen hoben sich in stummer Verwunderung, wie schnell ein Junge und seine Sklavin es schafften innerhalb weniger Stunden so viel Chaos in einem Zimmer anzurichten. Ausdruckslos sah Hannibal über das kleine Miniaturmodell (immer noch so groß wie ein ganzer Tisch) von einem Circus mit all den kleinen Rennwägen, Pferden und sogar die Zuschauer mit ihren Factionesfarben waren deutlich hervorgehoben, rot dominierte in diesem kleinen Circus eindeutig. Seine Augen streiften auch die junge Dido, er musterte sie einen Moment länger und prüfend und wandte sich dann Serenus zu, verbeugte sich andeutungsweise vor ihm. „Salve, Dominus. Du hast nach mir gerufen? Was kann ich für Dich tun?“

  • "Salve Hannibal! Ich habe zwei Aufgaben für dich.


    Die erste Aufgabe: In 15 Tagen kommt Cornelius Brutus meinen besten Freund Cornelius Cicero besuchen. Und der ist immer noch böse auf uns, weil wir ihn letzten Sommer mit sechs Kindern gleichzeitig verhaut haben. Jetzt will er uns einzeln verhauen. Er ist groß und schwer und kann gut ringen, aber er ist schlecht im Faustkampf. Ich habe Onkel Senator Felix gefragt, ob er mich im Faust- und Dolchkampf ausbildet, immerhin ist er ein ausgebildeter Soldat in der Classis gewesen, aber er will nicht. Onkel Gracchus will auch nicht mit mir üben, denn er hat Angst daß er ebenfalls ein blaues Auge kassiert.“


    Serenus deutete auf sein blaues Auge.


    „Dido kennt viele gemeinen Tricks und kann gut raufen, aber es fehlen irgendwie die richtigen Grundlagen, so von Anfang an, wie im Ringen. Wie gut bist du im Faustkampf? Kannst du mir das beibringen? Ansonsten will ich, daß du mir einen sehr guten Kampflehrer besorgst. Papa ist ja leider in Mantua und kommt die nächste Zeit nicht mehr zu Besuch."

  • Während noch der junge Herr sprach, Hannibal mit den Händen hinter dem Rücken den Jungen musterte, fiel Hannibal abermals die familiäre Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn auf. Erstaunlich, dachte sich Hannibal und lächelte kurz, während er Dido einen schnellen Seitenblick zuwarf, aber sich anstrengte, sie nicht weiter zu beachten, obwohl er ihren bohrenden Blick sehr deutlich verspürte. Hannibals Augenbrauen zuckten nur schnell nach oben und er nickte langsam. Dabei warf er dann doch Dido einen prüfenden Blick zu, die diesen doch, ohne zu blinzeln und weg zu schauen, erwiderte. Dass sie dem jungen Herren ein blaues Auge geschlagen hatte, missfiel Hannibal gehörig. Zumindest nahm er an, dass dieses von ihr stammte. An Serenus gewandt, meinte Hannibal schließlich: „Nun, Dominus, es kann sicherlich nicht vollends verkehrt sein, wenn Du die Grundlagen der Verteidigung und des Nahkampfes beherrscht. Ich denke, dass Dein Vater nichts dagegen einzuwenden hätte.“ Insbesondere da Hannibal wußte, wie oft sich Aristides in seiner Kindheit geprügelt hatte, Hannibal hatte alle miterlebt. „Und ich bin durchaus in dem Kampf mit der Sica, der Waffe und nicht dem flavischen Sklaven, und dem Caestus geübt. Ebenso im Ringen und Faustkampf.“


    Und da endete auch das Repertoir, was Hannibal beherrschen durfte. Das mit dem Dolch war schon mehr als grenzwertig, schließlich durfte er keine Waffe besitzen als Sklave, aber es war seinem Herrn das ein oder andere Mal durchaus nützlich gewesen. Dass er sich auch rudimentär mit einem Stock verteidigen konnte, ließ Hannibal unerwähnt, denn es war nicht sonderlich berauschend, wie er diesen zu führen vermochte. Auch hatte er mit Aristides früher ab und an mit den Holzschwertern geübt, aber nie so ein Händchen dafür gehabt wie sein Herr.


    „Nun, Dominus, wenn ich euch darin unterrichte, dann kann ich Dir auch schon gleich eröffnen, dass Dein Vater mich dafür auserkoren hat, den Unterricht in den geistigen Künsten zu beginnen, bis Du einen griechischen Hauslehrer hast.“ Hannibal musterte Serenus dabei aufmerksam und hoffte inständig, keinen so rüpelhaften zukünftigen Schüler vor sich zu haben, wie es Aristides als Junge stets gewesen war, vielleicht war dieses Mal der Apfel doch weiter vom Stamm gefallen. Dido derweil setzte sich noch weiter auf und legte das Spielzeug, was sie gerade heimlich in die Einzelteile zerlegen wollte, zur Seite.„Darf ich auch kämpfen lernen? Dann kann ich ja eine Amazone werden...“ Hannibal sah sie nur beiläufig an, schüttelte den Kopf. „Nein, das wäre nicht adäquat!“ gab er brüsk zur Antwort und beachtete das lange Gesicht des jungen Mädchens nicht. „Wenn das die erste Aufgabe ist, Dominus, was wünschst Du noch?“

  • Mit einem Kopf voller Gedanken trat sie an die Tür ihres kleinen Bruders und wartete. Sie hatte schon lange nicht mehr mit ihm gesprochen. Sie hatte sich lange Zeit von allen aus der Familie fern gehalten, aus Angst etwas falsch zu machen oder etwas falsches zu sagen. Lange hatte sie sich an keinen von ihnen erinnert, hatte solche Ängste ausstehen müssen und war lieber alleine gewesen, aber nun brauchte sie Hilfe und wer konnte da nicht besser helfen als der kleine Bruder?
    Arrecina klopfte an. "Serenus? Bist du hier?"

  • "Meine zweite Aufgabe, Hannibal, besteht darin, dass du einen Plan entwickelst, wie wir uns bei Nacht und Nebel in die Subura schleichen. Ich habe Gerüchte gehört, dass es dort Zugänge zu den Katakomben geben soll, wo man zu einem gewissen „Vogelmann“ gelangen kann. Dieser „Vogelmann“ soll der beste Hehler von ganz Roma sein und angeblich kann man bei ihm die Originalausgaben Nummer 38 bis44 vom Jahrgang 87 von „Sklave Gaius ist der Beste“ bekommen. Aber mit einem großen Trupp Bewaffneter kann ich da nicht auftauchen. Die Subura ist kein Ort auf den ich als Patrizier besonders scharf bin. Da soll es Ratten so groß wie Nero geben und ganz viele Bettler, Krüppel und Kranke. Und es soll furchtbar stinken, aber da müssen wir wohl durch. Vielleicht wird es helfen, wenn wir uns Tücher mit Rosenöl unter die Nase binden."

  • Serenus war erst auf den 2. Blick zu entdecken, denn er kniete halb hinter Nero und wurde so von diesem verdeckt. Nero wurde gerade gebürstet, was er artig über sich ergehen ließ, nachdem er Hannibal mit der großen, rauen Bürste unter sich begraben hatte und Dido gerade vorsichtig die Ohren säuberte. Solange Dido die Ohren putzte sah der 80kg schwere Hund aber auch keinen Grund von dem fluchenden und ächzenden Hannibal runter zu gehen.


    „Ich bin hier, Arrecina. Salve! Komm ruhig rein. Willst du mitbürsten? Keine Angst, er genießt es gebürstet zu werden. Na ja, von Hannibals Bürste mal abgesehen.“

  • Mit einem erstaunten Blick kam sie in das Zimmer ihres Bruders und sah den großen Hund. Bis jetzt hatte sie sich einfach noch nicht an ihn gewöhnen können, er war so anders als ihr Hund. Ihrer hatte schon beim Anblick etwas liebliches aber er hier, man konnte sich ab und an schon vor ihm fürchten.
    "Salve Serenus. Ähm eigentlich bin ich nicht hier um mich um deinen Hund zu kümmern. Kann ich dich mal unter vier Augen sprechen?"
    Arrecina hatte Dinge mit ihrem Bruder zu besprechen, die nur ihn und sie etwas angingen und sie hoffte er würde dann auch schweigen und ihr nicht etwas auswichen wollen was sie vielleicht in der Vergangenheit ihm angetan hatte. An alles konnte sie sich ja nicht erinnern, aber Streiche schienen sie ziemlich oft gespielt zu haben und nicht nur sich selber.

  • Serenus war schon etwas verwundert. Sie waren doch unter 4 Augen. Hannibal und Dido waren Sklaven und somit „personae non gratas“, die gab es hier im Raum nicht. Und Nero war sehr verschwiegen, obgleich er mit seinem Wau! Wuff! Wiff! Winsel! Grrrr! und einigen anderen Lauten ein komplexes Gespräch bestreiten konnte, wenn man ihn näher kannte.


    Arrecina wollte offensichtlich „ein große, doofe Schwester und kleiner, schlauer Bruder Gespräch“.


    Serenus ließ die Bürste fallen und zog sich mit Arrecina in eine stille Ecke seines riesigen Zimmers zurück. Er hatte in der Tat das größte Zimmer in der ganzen Villa. Außer Hörweite der Sklaven, wenn auch nicht außer Hörweite des Hundes. Nero hatte riesige Ohren und konnte sicher so gut hören, wie er als Hund riechen konnte.


    „Was liegt an, Schwesterchen? Wir können aber auch in dein Zimmer gehen.“

  • Es passte ihr immer noch nicht, dass die beiden anderen noch im Raum war, denn Hannibal würde das alles ziemlich merkwürdig vorkommen, da war sie sich sicher. Doch es würde noch schlimmer werden wenn sie mit ihrem Bruder einfach weggehen würde.
    "Serenus ich brauche deine Hilfe," begann sie zu flüstern und sah ihrem kleinen Bruder in die Augen. Er war schon jetzt so sehr Patrizier, dass sie Angst hatte in ein Wespennest zu stechen und doch war er ihr Bruder aber sie konnte mit ihrem Anliegen auch etwas ganz schlimmes lostreten, das wusste sie auch.
    "Nein wir bleiben hier alles andere ist zu auffällig. Du kennst die Villa doch in und auswendig oder? Gibt es hier geheime Ein und Ausgänge?" Arrecina bemühte sich so leise wie nur möglich zu sprechen und sie hoffte innständig, dass er eine positive Antwort für sie haben würde, denn diese brauchte sie.

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