• Irgendwo krähte ein Hahn und Caius Fulvius - ein junger Legionarius aus der zweiten Centurie der Ersten Kohorte - gähnte und versuchte, sich mit dem Umhang warm zu halten. Es war ein ekelhaft kalter, nebliger Morgen und er hatte die Aufgabe erhalten, die für die erste Kohorte ankommenden Vorräte, die von den umliegenden Gutshöfen geliefert wurden, aufzuschreiben. Wer lieferte was und wann und in welchen Mengen.


    Caius war noch jung, hatte aber recht einflußreiche Freunde, zu denen über die eine oder andere Ecke auch ein Tribun der Prima gehörte. Dieser kam eines Tages auf den Centurio der sechsten Centurie der siebten Kohorte und auf Avitus zu und 'ersuchte' diese um eine Versetzung des jungen Mannes in die erste Kohorte. Obwohl anfangs unwillig, wurde Avitus letztendlich durch den höheren Rang und den klang der Münze umgestimmt, hatte sich aber vorgenommen, den Mann im Auge zu behalten. Wenn er sich als nicht gut genug für die Erste Kohorte erwies, würde er ihn zurück in die Siebte abschieben. Scheiß auf die Moneten...


    Das alles war dem jungen Legionarius natürlich unbekannt und so fragte er sich, warum ausgerechnet er öfter als die anderen zu solchen Arbeiten eingeteilt wurde wie Latrinendienst, Nachtwachen oder eben Erfassung der ankommenden Vorräte in aller Frühe. Das Wetter war beschissen. Man könnte meinen, man wäre auf der britannischen Insel stationiert. Blieb nur zu hoffen, dass es im Laufe des Tages aufklarte.


    Avitus kam hinzu. Er war in seinen Umhang gehüllt und wirkte schrecklich. So wie ein Mann eben wirkt, der am Abend zuvor zu tief in den Becher schaut. Überhaupt stand es in letzter Zeit nicht gut um den Artorier. Es war nicht das erste Mal, dass er von seinem Sklaven und dem Scriba betrunken in der Unterkunft aufgefunden wurde. Doch Avitus redete ungern über persönliches. Mit wem auch. Sollte er sich seinen Untergebenen anvertrauen... Ein unsinniger Gedanke. Andere Centurionen hatten, bei aller Freundschaft, genug zu tun. Auch die kürzlichen zahlreichen Besuche der Freudenhäuser waren nicht das Gelbe vo Ei.


    Entsprechend mürrisch näherte sich Avitus dem Tor.
    "Was ist los, Miles. Hast du verlernt zu salutieren?"
    fuhr er Caius an. Das war nicht ganz fair von Avitus dem jungen Mann gegenüber, hatte er dem Soldaten ja noch nicht einmal die Gelegenheit gegeben, ihn zu begrüßen. Aber Avitus hatte Caius sowieso aufm Kicker, darum scherte es ihn nicht.


    "Salve Centurio"
    entgegnete Caius und salutierte. Er ahnte, dass der Centurio ihn nicht leiden konnte. Vermutlich wegen seiner Versetzung in die Erste. Andere warteten Jahre, bis sie in die Erste kamen, er wurde nach einigen Tagen versetzt, frisch aus der Grundausbildung. Aber niemand hatte gesagt, dass es einfach sein würde oder das das Leben fair war. Also bis er die Zähne zusammen.
    "Zwei Wagenliefrungen mit mit gepöckeltem Fleisch, Oliven und getrockneten Trauben sind bereits angekommen. Ansonsten keine besonderen Vorkommnisse, Centurio"


    Ein mit zwei Ochsen bespannter Wagen kam zum Tor.
    "Weizen für die Erste"
    sagte der Mann auf dem Wagen. Er sprang ab und zog einen Teil der Bespannung zurück, die die Fracht verdeckte. Weizen kam zum Vorschein. Caius nickte.
    "Von wo kommst du?"
    fragte ihn Caius zurück, nachdem die Wachen am Tor den Wagen haben passieren lassen. Er schaute in sein Buch. In Frage kamen nur noch zwei Höfe, deren Lieferung an Weizen bislang ausblieb. Einer davon gehörte einem stinkreichen Senator aus Rom, der von einem ehemaligen Centurionen der Prima verwaltet wurde. Aber der lag gut zwanzig Meilen weit weg und Caius bezweifelte, dass der Verwalter sich die Mühe gemacht hätte, den Wagen nachts loszuschicken.
    "Dies ist die Lieferung von Lucius Novus"
    antwortete der Mann. Caius nickte und hackte in seinem Buch den Eintrag ab.
    "Ihr kommt aber reichlich spät. Es wurde schon vor Wochen bezahlt"
    gab Avitus von sich. Das Getreide war seit Wochen bezahlt, wenn auch nur teilweise, aber die Lieferung blieb bis dato aus. Das restliche Geld würde erst fließen, wenn die Lieferung angekommen und in den Horrea verstaut wurde. Licius Novus war ein korrupter und hinterhältiger, fettgefressener Nichtrömer, der aber dank seines enormen Reichtums bei der 'Society' recht angesehen war. Unter anderem unterhielt er einen bescheidenen Hof hier draußen, getragen von seinem irrwitzigen Wunsch, es den Senatoren und Patriziern Roms gleich zu machen. Avitus kannte ihn zwar kaum, empfand für ihn aber nur tiefste Abscheu.
    "Wie viel ist drauf?"
    fragte er und trat näher an den Wagen, um nachzuschauen.
    "Die Hälfte der Bestellung"
    antwortete der Mann.
    ""Die Hälfte der Bestellun, Herr," heißt es für dich"
    gab Avitus sichtlich genervt zurück.
    "Und wieso nur die Hälfte, verdammt nochmal. Seit Wochen haltet ihr Dreckssäcke mich nun mit eurem Getreide schon hin"
    begann Avitus, aber der Fahrer hob beschwichtigend die Hände.
    "Die andere kommt im Laufe des Tages... Herr"
    "Wollen wir hoffen. Miles Fulvius, alles notiert?"
    fragte Avitus den Soldaten.
    "Jawohl, Centurio"
    sagte Caius.
    "Alles notiert"
    Falls die Lieferung bis morgen ausblieb, nahm sich Avitus vor, einige Pferde in den Stallungen für einen Tag zu borgen und einige seiner Leute aufsatteln zu lassen. Laut Numerianuns gab es derzeit mehr Pferde als Reiter, so dass er sicher war, welche zu bekommen und mal auf dem Hof des verdammten Lucius Novus vorbeizuschauen.
    "Gut. Dann weitermachen"
    sagte Avitus, wartete nicht ab, bis Caius salutiert hatte und machte sich davon in Richtung der Latrinen. Caius blieb zurück, um die noch ausstehenden Lieferungen abzuwarten, die nach Angaben der Händler an diesem Morgen ankommen sollten.

  • Im Laufe des Tages fand Avitus eine freie Minute und begab sich wieder zum Tor, an dem Caius immer noch einsam und verlassen stand und auf die ankommenden Lieferungen für die Erste Kohorte. Er sah sich um, musterte Caius einige Augenblicke lang mit zusammengezogenen Augenbrauen. Der Mann hatte seine Arbeit eigentlich gut gemacht. Doch genau das mißfiel dem Artorier, suchte er doch nach irgendetwas, um diesen Miles anzuschnauzen. Avitus konnte nicht unbedingt behaupten, den Miles persönlich nicht zu mögen. Es interessierte ihn nicht. Aber als Soldat war er der Meinung, dass dieser Grünschnabel, der durch Beziehungen, denn durch seine Leistung die Versetzung in die Erste Kohorte erreicht hatte, dort eben nicht hingehörte. Und so sank seine Stimmung tiefer, als der Miles Caius Fulvius ordentlich salutierte, als Avitus erschien. Verdammt, selbst die Kleidung und die Rüstung saßen einwandfrei.


    "Bericht"
    sagte Avitus dem Legionär schroff und warf gleichzeitig einen Blick auf die Einträge, die der Mann vorgenommen hatte.
    "Die Fleischlieferung vom Hofe der Helvidia Talna ist eingetroffen, Centurio. Zwölf voll bepackte Wagen. Sonst nichts"
    "Aha, endlich"
    entgegnete Avitus. Talna war eine verwitwete, etwas in die Jahre gekommene, aber dennoch durchaus attracktive Frau, die sich hier aufs Land aus Rom zurückgezogen hatte. Sie unterhielt ein riesiges Anwesen in etwa fünfzig Meilen Entfernung. Mehr, als dass sie eine Witwe und trotz ihres Alters immer noch attracktiv war, wusste Avitus auch nicht von ihr. Geta hatte ihn während des letzten Übungsmarsches auf sie aufmerksam gemacht und Avitus schickte ihn bald daraufhin zu ihr, um einen Handel zu vereinbaren. Da Geta als sein Signifer ohnehin die Kasse verwaltete, war er eindeutig der bessere Mann dafür gewesen. Avitus mit seinen miserablen Rechentalenten war sich sicher, dass er von dem Gutsverwalter der Talna übers Ohr gehauen würde. Und in der Tat hatte Geta ein gutes Geschäft abgeschlossen. Mit den zwölf Wagenlieferungen, jede davon zwei Stieren entsprechend, an diesem Tag und je zwei weiteren in jedem Wintermonat konnte sich die Kohorte ab und zu mit Fleischgrüchten verwöhnen lassen. Avitus musste sogar befürchten, dass die Männer über den Winter nicht fett und faul werden würden und hatte sich vorgenommen, diesem umstand durch entsprechende Maßnahmen auf dem Campus entgegenzuwirken.


    "Wenn der Wein ankommt, schickst du zwei Amphoren in meine Unterkunft"
    sagte er. Sie erwarteten noch eine satte Weinlieferung aus zwölf Amphoren. Wenn Avitus sich zwei davon ... abzweigen würde, würde es schon keiner merken, zumal er er letzlich damit erklären konnte, den Wein nur bei offiziellen Anlässen verwenden zu wollen.
    "Jawohl, Centurio"
    sagte Caius und salutierte, doch Avitus winkte ab.
    "Ja ja, schon gut. Weitermachen"
    sagte er und verschränkte die Arme auf dem Rücken, als er sich entfernte.

  • Plautius beobachtete die Warenanlieferung und stimmte sich mit einigen Leuten direkt hinsichtlich der Menge und des vorgesehenen Einlagerungsplatzes ab. Hoffentlich floss der Strom der Anlieferungen bald besser. Er hatte Gerüchte aus Roma gehört, daß dort Getreidelieferungen ausgeblieben waren. So etwas konnte schnell zu Unruhen führen und 6000 Legionäre waren es gewohnt, daß es immer gut und reichlich zu essen gab. Und kein Imperator wollte eine unzufriedene Legion haben.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

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