Atrium - Quarto, Hungi

  • Der Ianitor ging voraus und führte den Besucher in das Atrium des Hauses. Der milde Winter war auch hier zu spüren, denn der Fußboden war so gut wie gar nicht beheizt, einige Sklaven, die geschäftig herumwuselten, trugen sogar eine Tunika ohne Ärmel. Wenn er daran dachte, wie sehr sie sich auf einen strengen Winter eingestellt hatten... so würden die Holzvorräte bis weit in den nächsten Winter reichen.


    Bitte wartet hier, Herr, ich rufe den Consular sogleich.

  • Aelius Quarto nickte bei den Worten des Ianitors kurz. Während er wartete, sah er sich ein wenig um.
    Kein Kohlebecken glomm und auch das Hypokaustum schien nicht in Betrieb zu sein. Zwar war der Winter bislang ungewöhnlich mild gewesen, dennoch fröstelte es ihm angesichts dieser Sparsamkeit ein wenig.

  • Quarto mag frösteln, doch Hungi war es definitiv zu warm. Ob es daran lag, daß er viel strengere Winter gewohnt war, weil das Klima in Illyricum rauher war als in Italia? Vielleicht. Aber er trug in diesen Tagen nur leichtes Leinen, die er eigentlich auch im Sommer zu tragen pflegte. So wie heute, als er vom Besuch seines Senatskollegen erfuhr. Da er gerade aus einem heißen Bad entstieg, war ihm noch wärmer als gewohnt, dennoch wusste er, was sich gehörte und ließ sich angesichts des Besuches in eine synthesis einkleiden.


    Er wusste zudem nicht, warum Quarto ihn besuchte, aber ihm war die Gelegenheit nur recht, denn er wollte seinerseits dem Consular seine Aufwartung machen.


    Aelius Quarto, welch seltener Besuch in meinem Hause! Nimm Platz, du magst sicher etwas Wein? Ein kleiner Wink ließ einen Sklaven in Bewegung setzen. Wie geht es deiner Frau? 'Meiner Ex?' dachte er sich noch dazu, ließ aber selbstverständlich dieses unausgesprochen und sprach gleich weiter. Glückwunsch zu eurem Sohn, sicher ein Prachtkerl, nicht wahr?


    Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?

  • Aelius Quarto machte es sich bequem.
    “Vielen Dank, zu einem Wein sage ich selten nein.“


    “Ich danke dir ebenso für deine Glückwünsche. Adria geht es sehr gut. Die Götter haben uns mit einem gesunden Kind gesegnet. Es ist eine reine Freude und wir sind allerbester Hoffnung, dass es so bleibt. Ganz recht, ein kleiner Prachtkerl.“, sagte er mit väterlichem Stolz, in dem jedoch die Sorge aller Eltern mitschwang, dass Neugeborene könne das erste, besonders schwierige Jahr nicht überstehen. Die Todesrate bei Kleinkindern war bekanntermaßen sehr hoch.


    Ohne direkt auf Hungaricus’ Frage einzugehen lenkte er dann das Gespräch auf das Thema, wegen dem er gekommen war. Das aber bedächtig, so wie es seiner Art entsprach:
    “Wie geht es deinem Bruder? Ist er mit dem bisherigen Verlauf seines Konsulats zufrieden?“

  • Der Sklave, der sich vorhin in Bewegung setzte, brachte in der Zwischenzeit den verwässerten Wein und reichte die zwei Becher zuerst dem Gast, dann dem Hausherrn. Dann trat er diskret ein paar Schritte zurück.


    Freut mich, freut mich. Es ist doch dein erster, nicht wahr? Hungi überlegte sicherheitshalber noch einmal kurz, aber ihm fiel nicht ein, daß Quarto mal Kinder erwähnt hatte. Allerdings konnte er auch nicht beschwören, daß Quarto schon einmal verheiratet war.


    Daß Quarto Hungis letzte Frage nicht beantwortete, entging ihm, denn er war froh, als sein Gegenüber das Thema auf Lucianus lenkte.


    Och, es geht ihm gut, zumindest klagt er sich nicht bei mir aus. Ich denke schon, daß er zufrieden ist, aber du weißt ja, nicht er muß zufrieden sein, sondern der Senat und der Kaiser.

  • “Nun, natürlich ist es am Besten wenn alle zufrieden sind, er eingeschlossen. Leider weiß ich nur zu gut, dass es immer irgendwen gibt, der klagt und jammert. Aber ich denke, dass die Amtszeit deines Bruders allgemein sehr gut und positiv in Erinnerung bleiben wird und er sich dafür kaum ernsthaft vor Gericht wird verantworten müssen.


    Es ist ja leider eine alte und schlechte Sitte, ehemalige Magistrate nach ihrer Amtszeit wegen Nichtigkeiten vor Gericht zu zerren. Häufig, wir wissen es beide, nur deshalb, damit der Ankläger sich einen Namen machen kann.
    Vor allem für die Familie des Betroffenen ist das vermutlich eine sehr unangenehme Sache. Aber dein Bruder ist ja allein stehend, oder irre ich mich da?“

  • Ich denke auch, daß keiner ihn vor den Prätor zerren wird. Bisher ist er in keine Fettnäpfchen getreten oder hat sich sonstige dumme Fehler erlaubt. Allerdings will ich nichts verschreien, wer weiß, was morgen passiert oder welche Intrigen in Rom gesponnen werden. Wir wissen ja beide, daß Rom diesbezüglich ein hartes Pflaster ist. Aber ich bin durchaus zufrieden mit meinem kleinen Bruder.


    Er nahm einen Schluck. Die Überraschung, die Hungi ergriff, als Quarto nach einer eventuellen Familie seines Bruders fragte, unterdrückte er. Zur gleichen Zeit überkam ihm ein kleiner Verdacht, den er jedoch noch nicht weiter nachzudenken wagte.


    Das ist richtig, mein Bruder ist, leider, noch ledig.

  • “Ja also…“


    Quarto war anzumerken, dass er nicht gewohnt war den Kuppler zu spielen und darum auch nicht so genau wusste, wie man es anstellte.


    “…es ist so, dass… ich könnte mir vorstellen das familiäre Bande zwischen unseren Familien durchaus im beiderseitigem Interesse wären. Vielleicht pflichtest du mir da bei.
    Die Vinicia mag sich von Herkunft und Geschichte von der Aelia sehr unterscheiden, aber uns eint, dass wir treu zum Kaiserhaus stehen und der plebejischen Nobilität angehören. Beide Familien verband schon zu den Tagen der alten Veneta eine enge Freundschaft.“


    Er überlegte nochmals kurz, dann fiel er mit der Tür ins Haus:
    “Glaubst du, dein Bruder könnte sich dazu entschließen zu heiraten. Ein römischer Consular sollte eigentlich ein Eheweib haben, denkst du nicht auch?“

  • Also doch. Konnte es tatsächlich sein, daß sie beide den gleichen Gedanken hatten? Wenn ja, dann war dies ein äußerst faszinierender Zufall. Hungi musste lächeln.


    Du wirst es nicht glauben, aber ich hegte den gleichen Gedanken und wollte dich deswegen auch aufsuchen. Allein du warst schneller.


    Hungi ließ sich Zeit und trank zwei, drei kleine Schlucke bevor er den Becher wieder abstellte. Denn in der Zwischenzeit kam ein anderer Sklave, der ein paar Köstlichkeiten aus der Culina brachte. An sich nichts großartiges, nur ein paar kleine Häppchen: Oliven auf frischem Brot, ein paar Eier und die obligatorischen Weintrauben, Feigen und Datteln. Ursus hatte sich wieder mal ausgetobt, fand Hungi. Der Sklave platzierte das Tablett strategisch geschickt, so daß beide ohne Probleme zugreifen konnten.


    Nimm nur. forderte Hungi seinen Mitsenator auf. Wo waren wir? Ach ja. Natürlich, mein Bruder braucht ein Weib an seiner Seite. Und mittlerweile hat er es auch eingesehen, denn zuerst wollte er nicht wegen einer Jugendliebe, dann konnte er nicht, weil er beim Militär war. Und jetzt würde er wollen, doch... wie soll ich sagen... er tut sich ein wenig schwer mit der Brautsuche. Erst letztens haben wir wieder über diesen unhaltbaren Zustand gesprochen, und auch wir dachten an die Aelia, genauer gesagt, an deine Familie.

  • “Das ehrt mich und meine Familie.“, antwortete Aelius Quarto und bediente sich an den Oliven.


    “Ebenso deine Offenheit. Ich will ebenso freimütig sein: Vor kurzem ist meine Base in Rom eingetroffen. Ihr Name ist Aelia Paulina und sie ist die Tochter meines Onkels Publius Aelius Hadrianus Afer. Ihr Vater ist leider verstorben und so ist es an mir, für ihre Zukunft zu sorgen. Es wird meiner Meinung nach Zeit das sie verheiratet wird, immerhin hat sie das zwanzigste Lebensjahr bereits überschritten. Sie sieht das selbst auch ein ist verständlicherweise aber darauf bedacht standesgemäß zu heiraten. Das wäre bei deinem Bruder natürlich voll und ganz gegeben.“

  • Auch Hungi nahm vom Tablett, orientierte sich aber zuerst an den Eiern. Währenddessen hörte er seinem Gast zu und fragte sich im ersten Moment, was wohl eine Base wäre. Doch schon im nächsten Satz wurde seine Frage beantwortet, er meinte damit anscheinend eine Cousine. Der Name machte ihn aber stutzig. Publius Aelius Hadrianus Afer... bedeutete das, daß der Faßbewohner ihr Bruder war? Naja, das sprach allerdings schon nicht gerade für sie. Und wenn sie schon über 20 Jahre alt war...


    Schon über 20? Dann wird es tatsächlich allerhöchste Zeit. pflichtete Hungi Quarto bei, stellte sich aber insgeheim wiederum eine Frage, nämlich die nach den körperlichen Vorzügen seiner Cousine bzw. ob diese wohl fehlen würden. Um nicht aber allzu nachdenklich auszusehen, griff er zu einer Olive.


    Mittlerweile auch keine Seltenheit mehr, daß Frauen sehr viel reisen. Was hat sie denn davor gemacht?

  • Die Frage schien Aelius Quarto ein wenig ratlos zu machen.


    “Nun ja, was junge Frauen halt so tun. Sie hat bisher auf dem Landsitz meines Onkels gelebt und sich in den schönen Dingen gebildet, die für Frauen ihres Standes angemessen sind. Die schöne Literatur, Musik und die Kenntnisse, die zum führen eines standesgemäßen Haushalts nötig sind.“


    Diese Behauptung war angesichts von Paulinas Charakter ein wenig unverfroren, dass wusste er wohl. Aber was hätte er darauf antworten sollen?

  • Hungi missinterpretierte die Ratlosigkeit seines Gegenübers und dachte, daß Quarto nur nach den richtigen Worten suchte, um die Tätigkeiten seiner Cousine interessanter zu gestalten


    Sehr schön. Eine gebildete Frau ist eine Zier des Hauses. Sie war wohl in Achaia? Seine letzte Bemerkung hatte eigentlich mehr den Charakter einer Feststellung als der einer tatsächlichen Frage.


    In der Zwischenzeit stellten Sklaven eines der Kohlebecken näher zu den Herrschaften. Nicht zu früh, wie Hungi fand, denn trotz des milden Winters war es dennoch ein wenig frisch. Er winkte einen der Sklaven zu sich. Sag Ursus, er soll uns etwas mulsum heiß machen. befahl er dem Sklaven. Du magst doch sicher etwas heißen mulsum? fragte er Quarto. Ich kenne einen Weinhändler, der fantastische Weine verkauft. Da schmeckt der mulsum mindestens doppelt so gut.

  • “Ja, gewiss. Wie viele Mitglieder meiner Gens war sie in Achaia, als dieser Flavier, dessen Namen ich nicht auszusprechen wage, an der Macht war.“, gab Aelius Quarto mit ernstem Gesichtsausdruck zurück. Als die Sprache auf gesüßten Wein kam hob sich seine Laune jedoch sofort wieder: “Gerne nehme ich einen Becher mulsum. Zu einem solch verlockenden Angebot kann ich selbstverständlich nicht nein sagen.“

  • Ausgezeichnet. antwortete Hungi und mit einem Nicken gab er dem Sklaven zu verstehen, daß dieser sich in Bewegung setzen sollte, was dieser auch sogleich tat.


    Der Weinhändler, von dem ich gerade sprach... begann Hungi wieder, ist ein absoluter Glücksfall. Ausgezeichnete Weine zu fast unverschämt niedrigen Preisen. Und bei keiner Lieferung wollte sich bisher der Essig einstellen. Na gut, das konnte auch an dem nicht gerade niedrigen Verbrauch in dieser Casa liegen. Mit angebauter kleiner Taverne... eine wunderbare Art, einen Abend außer Haus zu verbringen. Kann ich dir nur empfehlen. So, bevor Hungi jetzt aber total ins Schwärmen geriet, zügelte er sich selbst und konzentrierte sich wieder auf den Grund des Besuches seines Gegenübers. Er räusperte sich.


    Aber um wieder auf deine Cousine zurück zu kommen... Selbstverständlich müssten wir die betreffende Dame erst einmal kennenlernen und die beiden müssen auch ihr Einverständnis geben.

  • “Gewiss. Da sollte sich etwas arrangieren lassen. Sich füreinander entscheiden… nun ja, dass müssen sie dann natürlich selbst. Aber ich bin mir sicher, Paulina wird meine Erwartungen nicht enttäuschen und die deines Bruders bestimmt auch nicht.“
    Er lächelte viel sagend, vielleicht auch, um die Unsicherheit hinter seinen Worten zu verbergen. Vollständig überzeugt war er von den Tugenden seiner Base nämlich nicht.


    “Ein wirklich angenehmer Tropfen, dass muss ich schon sagen.“, lobte er dann den Wein. “Mulsum ist doch für die kühlen Tage des Winters das einzig Wahre!“

  • 'Und sie sollte auch meine Erwartungen nicht enttäuschen.' fügte Hungi in Gedanken hinzu, wenngleich er auch noch nicht wirklich wusste, welche Erwartungen an die betreffende Dame er hatte. Aber seine Neugierde war genug entfacht, um sie kennenlernen zu wollen.


    In der Tat. pflichtete er Quarto bei. Obwohl der Winter mehr versprach als er im Endeffekt gehalten hat. Da er aber wirklich nicht übers Wetter reden wollte, wechselte Hungi einfach das Thema.


    Was sagst du zu den Neuerungen im Cursus Honorum? fing er daher unvermittelt an.

  • ”In der Tat, dass sind weit reichende Änderungen. Ich denke, es war eine absolut nötige Anpassung an die geänderten Gegebenheiten. Mir scheinen sie sehr gut durchdacht und ausgewogen, auch wenn es sicher seine Zeit dauern wird, bis das Volk, aber auch die Kandidaten sich daran gewöhnt haben. Zumindest bin ich schon sehr gespannt, wie die nächsten Wahlen vonstatten gehen werden.


    Seinen wahren Wert wird der neue Cursus Honorum sicher erst im Laufe der Zeit zeigen.“


    Sehr staatsmännisch gesprochen. Die nächste Frage war hingegen sehr direkt und kaum diplomatisch verbrämt:


    “Beabsichtigst du eigentlich einmal ein zweites Consulat anzustreben?“

  • Ich bin der gleichen Meinung wie du. Zu lange schon mussten wir zusehen, wie der Pöbel aus der Subura sich aufstellen lassen konnte oder gar Soldaten, die aus Pflichtvergessenheit ihre militärische Erfahrung als Qualifikation benannten. Als ob die Kenntnis, wie man mit einem Gladius umgeht, in der tagtäglichen Politik hilfreich sein kann. Verächtlich verzog Hungi das Gesicht.


    Ja, angedacht habe ich es. Aber sicher noch nicht jetzt. Vielleicht nächste Amtsperiode oder übernächste, mal sehen.

  • “Das Wichtigste ist wohl, so lehrt die Geschichte, dass man einen umgänglichen Mit-Consul hat. Dann kann ein Consulat, trotz der vielen Verpflichtungen, eine Zeit großer Befriedigung und Freude sein, auf die man später mit Stolz zurückblicken wird.“

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