Versteckt, verschlossen, geheim ...

  • Das war vielleicht eine Sache: Seit mir die Angelegenheit mit dem Kinderkriegen und dem Drumherum in den Kopf gekommen war, verging kaum eine Minute, in der ich nicht über das nachdachte, was ich nicht im Ansatz einzuschätzen wusste. Klar war, es ging mir nicht um die Praxis, denn die hatte zu warten, bis ich verheiratet war. Aber ich wollte bis dahin so viel wie nur irgend möglich – vor allem über das, was zuvor stattfand – herausfinden. Irgendwelchen Dichter und Philosophen schenkte ich dabei weniger Vertrauen als den Menschen in meinem Umfeld. Sie würden mir sicherlich unverfälschte Antworten geben. Auf die meines Sklaven war ich im Besonderen gespannt. Ich wusste, er würde niemals lügen. Allerdings stellte ich mich darauf ein, dass die Informationen aus seinem Mund durchaus niederschmetternd, am Ende sogar abschreckend sein konnten.


    Assindius war nicht schwatzhaft, er würde meine Neugier niemals jemandem verraten, da war ich sicher. Es war also keineswegs das schlechte Gewissen, was mich von Minute zu Minute nervöser machte, sondern vielmehr die Ungewissheit, was er mir womöglich offenbaren könnte. Zum Glück konnte ich mir im Nachhinein ja noch immer einreden, dass es bei den Germanen eben anders läuft – für den Fall, er schockierte mich gar zu sehr. Ungeduldig wartete ich auf sein Erscheinen.

  • In das abgelegenen Zimmerchen neben dem kleinen Triclinium zu ebener Erde sollte ich kommen und aufpassen das mir keiner folgt. Die Fähigkeiten eines Jägers konnte ich mal wieder gebrauchen. Auf dem Weg dorthin war keiner zu sehen. Irgend etwas furchtbar geheimes schien es zu sein, ein wichtiger Auftrag, also klopfte ich sanft, nur einmal als Ankündigung das ich reinkomme, und trat sofort ein. Die Herrin war schon da und ich sagte:


    „Da bin ich, Herrin“

  • Wie bei etwas Verbotenem ertappt, fuhr ich herum, als es an der Tür klopfte. ‚So etwas Dummes’, schalt ich mich. Es war keineswegs verboten, sich in diesem Raum aufzuhalten und den Sklaven zu sich zu bestellen. Ich strich mir entnervt über die Stirn. Als ich meines Sklaven gewahr wurde, entspannte ich mich vollends – zumindest so weit es die Situation zuließ und die war ja nun etwas unüblich.


    „Prima“, erwiderte ich meinem Sklaven, kam ihm entgegen, schaute noch einmal prüfend in den Gang und schloss die Tür. Einmal tief durchatmen, dann wollte ich sogleich starten, doch zunächst suchte ich nach Worten.


    „Assindius, was wir heute besprechen, muss absolut unter uns bleiben. Niemand würde verstehen, was ich mache und doch treibt mich die Neugier dazu.“


    Setzen oder stehen bleiben? Ich war unschlüssig, deswegen ging ich einmal zur Raummitte und wieder zurück. Letztlich entschloss ich mich für eine Befragung im Stehen, aber Assindius sollte sitzen, weil ich mich so sicherer fühlte.


    „Nimm dir den Stuhl dort hinten und setz dich“, forderte ich ihn auf und wartete bis er saß. Währenddessen knetete ich meine Hände, schaute sie auch ab und zu an und dann wieder abwartend zu meinem Sklaven.


    „Assindius … Bist du noch jungfräulich?“, begann ich zaghaft, denn schließlich hing von der Antwort alles Weitere ab.

  • Au ha, das wird wirklich etwas sehr geheimes, wenn die Herrin auch noch mal in den Gang blickt. Aber was sollte das Geheimes sein, verstehen, Neugier, was sie macht? Hä? Und warum ist sie so nervös? Aber ich sagte nur:


    „Also keinem was sagen, gar keinem. Also wie immer“


    Dann nahm ich mir den Stuhl setzte mich, stützte mich mit den Ellbogen auf den Knien ab und drehte den Hals ein paar mal in den Nacken. Ich wartete auf Anweisung. Aber mit dieser Frage hatte ich dann doch nicht gerechnet. Erstaunt über die Frage beugte ich mich weiter vor, runzelte kräftig die Stirn und überlegte. Wat kommt denn gez. Aber wenn du antwortest kriegst du auch die Antwort. Also sagte ich ziemlich verwundert:


    „Äh, nein Herrin!“


    Wat kommt denn gez

  • „Gut“, sagte ich erleichtert und atmete zunächst hörbar aus. Und wieder hing ich fest. Wie fange ich bloß an? Wenn ich Assindius nicht schon so lange kennen und vertrauen würde, dann wäre ein Abbruch des Gespräches nahe liegend gewesen – derart unwohl fühlte ich mich.


    „Es ist so: Ich werde bald eine Ehe eingehen, weiß aber kaum etwas über …“ Ich betrachtete den Fußboden, so als würde dort der weitere Text stehen. Bevor mich mein Sklave jedoch noch auslachen würde, riss ich mich zusammen und rasselte die Erläuterung zum Problem herunter: „Ich wüsste gerne, was in der Hochzeitsnacht passiert. Bestimmt ist das bei deinem Volk nicht viel anders. Und bitte erkläre es mir so, dass ich als Nichtwissende das auch verstehe.“


    Es schien, als wäre ich dabei außer Atem gekommen, was natürlich an der Aufregung und nicht an der schnellen Wortfolge lag. Nunmehr traute ich mich auch, den Blick zu heben und Assindius anzuschauen.

  • Jetzt mach es mal nicht so spannend hier. Es war deutlich zu spüren, wie die Herrin sich um die richtigen Worte bemühte.
    Ich zog die Brauen hoch. Sie wird heiraten? wieso weiß ich, als ihr Leibsklave, eigentlich nichts davon? Ich sollte vielleicht mal besser hinhören. Ach deshalb auch das mit der Hochzeitsnacht und das ich da nicht aufpassen soll. Aber wie erklärt man was in der Hochzeitsnacht passiert. Ich könnte natürlich sagen, dass ich auch noch nie verheiratet war und deshalb auch keine Ahnung habe, ob es da andere Dinge gibt, die es vorher nicht gab. Aber ich glaube, dass wir hier bei Null anfangen müssen. Na hinreißend. Ich glaube, ich taste mich erst einmal heran.


    „Tja Herrin, was passiert da. Frau und Mann treiben es miteinander.“


    Damit ist ihr bestimmt nicht geholfen. Nervös wie sie ist, traut sie sich bestimmt nicht da nach zu harken, wenn sie das nicht geschnallt hat.


    „Wart Ihr schon einmal dabei, wenn auf einem der Gestüte gedeckt wurde? “


    Spinner, dann würde sie nicht fragen. Außerdem, decken die denn da eigentlich. Borr ey, Römer können ja so kompliziert sein.

  • Ich schaute Assindius verblüfft an.


    „Selten, aber manchmal schon. Ich plane zwar die Verpaarungen, aber für die Durchführung sind die Gestütsleiter zuständig. Willst du damit etwa sagen …“


    Bei der Vorstellung wurden meine Augen groß. So ein Deckakt ging weder besonders gefühlvoll – um nicht zu sagen höchst stürmisch – noch in irgendeiner Form erstrebenswert vor. War die Stute nicht bereit, schlug sie mal eben nach hinten aus, was den Hengst mitunter in erhebliche Gefahr brachte. Der wiederum nahm wenig Rücksicht auf die Wünsche der Stute, sondern handelte zielgerichtet, fast schien es mir gewaltvoll. Und das auch noch ganz abgesehen von dem gigantischen Geschlechtsteil.


    „Bei den Göttern! Warst DU denn schon einmal bei einer solchen Verpaarung dabei?“


    Falls ja, dann musste ich nun annehmen, dass es zwischen Menschen ähnlich kurz, aber vor allem gewaltvoll zuging. Meinen erschreckten Gesichtsausdruck behielt ich daher unbewusst bei.

  • „Türlich, aber das ist auch nur das extremste Beispiel. Menschen sind nun mal keine Tiere. Bei denen nimmt das Männchen nie Rücksicht auf das Weibchen, hab ich zumindest noch nie gesehen. Aber Ehepartner nehmen Rücksicht auf den anderen. Die Tiere machen das nur der Fortpflanzung wegen, die Menschen weil es ihnen Spass macht. Was macht schon Spass, wenn man sich nicht wohl dabei fühlt oder wenn sich etwas schlecht anfühlt. Außerdem sind bei den Tieren die Möglichkeiten eingeschränkt, die können nur in einer Position.“


    Wie komm ich aus der Nummer wieder raus? Wenn ich schon mal was erklären soll, typisch. Warum hab ich nicht irgendwas erfunden was in einer germanischen Hochzeitsnacht passiert, das man sich die Füße massiert oder so was. Mal überlegen, wie würde ich das meiner Schwester erklären? Klar, ich würde sie bitten mir den Kerl zu zeigen und ihm alle Rippen brechen, aber das ist hier nicht gefragt.
    Ich schnaufte.


    „Herrin, das ist schwierig zu erklären. Man versucht sich immer anhand von Beispielen zu helfen etwas zu erklären, wenn man nicht genau weiß, wie man sich am besten ausdrücken soll. Schließlich will man die Frage richtig beantworten, nicht wie ein totaler Idiot da stehen und Rücksicht auf die Fragende nehmen und sie nicht vor den Kopf stoßen. Und warum das alles, nur weil man nicht weiß wie man es sagen soll, dass der Mann sein Glied bei der Frau einführt, wenn sie es will.


    Ich kratzte mir die Stirn.

  • Was Assindius sagte, leuchtete nicht nur ein, es beruhigte mich auch. Nach und nach entspannte ich mich, was an meiner Körperhaltung ersichtlich war. Anfangs hatte ich schon geglaubt, mein Bruder hätte mir aus Rücksicht nur die halbe Wahrheit erzählt. Nun jedoch konnte ich die neuen Auskünfte beinahe in seine integrieren und es ergab sogar ein stimmiges Bild. Ich nickte meinem Sklaven daher erfreut zu. Seine Beschreibungen waren wider Erwarten sehr kultiviert und für mich verdaulich.


    Ich sann der Aussage zu der Einführung nach und versuchte mir das Ganze bildhaft vorzustellen. Da ja aber die benötigte Stelle der Stute für den Hengst gut erreichbar lag, die für den Mann bei der Frau aber nicht, rätselte ich über die praktische Umsetzung annähernd vergeblich nach.


    „Wie soll das gehen? Der Mann kann meiner Meinung nach vergeblich zielen, ohne je einen Treffer zu landen.“


    Beinahe hatte ich sein Satzende überhört, nun aber kam es mir wieder in den Sinn und ich lächelte.


    „Du meinst wirklich, nur dann, wenn sie will? Wie oft will sie denn so im Durchschnitt?“


    Ich glaubte, daran zu erkennen, ob es ihr Spaß machen könnte oder doch eher nicht.
    Begierig darauf, noch mehr zu erfahren, setzte ich mich nun auf einen entfernten Stuhl, denn meine nächsten Fragen würden diesen Abstand benötigen – zumindest nahm ich das an.


    „Und wie ist das? Ich habe gehört, es gibt ein paar Anreize, die dem Mann seine Lust spüren lassen. Wie oft kann so etwas denn vorkommen und was löst es aus?“

  • Tja, das war natürlich nur geschönt mit dem wenn sie will, wenn ich da an die germanischen Raubzüge denke. Was die bei uns gemacht haben und unsere Leute bei denen. Da wollte keine der Frauen; aber warum sollte ich ihr das sagen; das macht sie nur nervös und das völlig unnötig. Aber ich taste mich lieber zaghaft heran.


    „Unter Ehepaaren sollte es so sein, dass es beide wollen. Was ihr wollen angeht, Herrin, ist es für mich als Mann schwer bis gar nicht zu beurteilen, aber ich versuche dennoch etwas dazu zu sagen: Manche wollen es gar nicht, weil es ihnen nicht gefällt, manche wollen nichts anderes, weil es ihnen so gut gefällt, manche wollen unbedingt erst damit anfangen, wenn sie verheiratet sind und manche wollen unbedingt vorher anfangen, um auf das vorbereitet zu sein, was da passiert. Das ist zumindes in meinem Dorf so. Sicherlich hängt auch viel dabei von dem Mann ab, geht er nicht darauf ein was der Frau gefällt, wird sie sicherlich nicht viel Freude daran haben und es auch nicht wirklich wollen.“


    Was will sie denn mit der anderen Frage bloss wissen? Worauf Männer so stehen und was sie scharf macht und wie oft sie es sind?


    „Tja Herrin, wenn Ihr wissen wollt wie oft ein Mann erregt werden kann, kann ich nur sagen: Immer! Was es auslöst: Schöne Frauen oder die Gedanken an sie Wie sie es merken: Wenn auf einmal die Hose enger wird, weil das Glied gewachsen ist“

  • Das Gespräch verlief entgegen meiner Befürchtungen derart gut, dass ich mich entspannt zurücklehnte, befreit lächelte und sehr interessiert den Ausführungen meines Sklaven folgte. Assindius wirkte sehr glaubwürdig: Er sprach ruhig, brachte nachvollziehbare Erklärungen und antwortete im Gegensatz zu meinem Bruder bereitwillig. Nie erschien es mir, als wolle er etwas beschönigen oder gar weglassen.


    „Hm, wie kann es denn sein, dass manche Frauen es gar nicht wollen und andere sehr oft? Hängt es vielleicht damit zusammen, ob sie den Mann aus Liebe geheiratet haben?“ So musste es sein, dachte ich bei mir und lächelte. Dann aber fielen mir diese lockeren Mädchen zu den letzten Ludi ein und mein Lächeln verschwand. Die konnten ja offensichtlich mit jedem abziehen, egal ob er fett oder hässlich war. Gab es demnach Unterschiede im Erleben bei Frauen? Gespannt harrte ich der Antwort, wenngleich meine Gedanken auch sogleich weiterwanderten.


    „Ich zweifle deine Worte nicht an, es klingt alles glaubhaft, aber … Bist du sicher, dass jeder Mann immer will?“ Vielleicht war das ja nur bei den Germanen oder am Ende bei Assindius so.


    „Schöne Frauen sagst du.“ Ich grübelte über diese Aussage nach. Es gab so viele durchschnittliche Frauen in Rom und mitunter sogar hässliche. Fand ich zumindest. Ob die wohl auf ewig Jungfrau blieben? Ich schüttelte den Kopf. „Das mit der schönen Optik kann aber nicht stimmen, Assindius. Auch hässliche Frauen haben Kinder.
    Ach ja, und Römer tragen keine Hosen.“


    Ich schmunzelte bei den Gedanken an einen ernst zu nehmenden Mann in Hosen.
    Und ... Das Schmunzeln ging in ein breites Grinsen über .. Ganz sicher, würde ich fortan bei jedem Mann und vielerlei Gelegenheit auf jene Stelle schauen, wenn Assindius tatsächlich der Meinung war, es geht immer und es reicht der Anblick einer Frau. Warum war mir diese Funktionsweise denn bloß bisher nicht aufgefallen?! :D

  • Bäää, da ist ja dieses widerliche Wort. Ich zog einen Grimasse und lehnte mich kurz zurück. Das Weiber immer davon sprechen müssen.


    „Bei manchen verblasst dieses Gefühl vielleicht auch im Lauf der Zeit oder sie wollte einen anderen Heiraten, musste aber einen heiraten den sie nicht besonders leiden kann. Vielleicht will sie ihre Ruhe haben und läßt es einfach über sich ergehen, wenn er grade will und denkt dabei schon an die nächsten Besorgungen die sie erledigen muss. Außerdem muss das ja nichts mit Gefühlen für einander zu tun haben, das geht auch so.


    Das Männer immer wollen glaube ich nicht, hab ich ja auch nicht gesagt. Aber sie können immer erregt werden. Egal wie schwer er auch grade arbeitet, wenn man ihm das Bild einer schönen Frau vor Augen führt, wird sich von diesem Bild ablenken lassen. Auch wenn er es versucht zu verbergen und einfach weiter arbeitet wird er in Gedanken von diesem Bild schwärmen.“


    Sie hat recht, auch die Häßlichen haben Kinder, vor allem die.


    „Vielleicht haben die Häßlichen darum Kinder, weil sie verheiratet wurden.
    Ich vergass Herrin, Römer tragen Tunika und die sind dann ausgebeult. „


    Was gibt’s denn da jetzt zu grinsen. Die Herrin denkt grade was versautes, dieses Grinsen kenn ich doch.

  • „Hmhm …“ Im Grunde reichten mir diese Auskünfte, weil die weitere Neugier nicht mehr durch Befragungen gestillt werden konnte. Ich überlegte – und die Anstrengung war mir sicherlich anzusehen – wie ich alles weitere bewerkstelligen konnte, um auf meine Kosten zu kommen. Der eine oder andere zusätzliche Weg würde sicherlich anfallen, ebenso manche Geldausgabe. Vielleicht musste ich aber auch gar nicht das Haus verlassen, sondern lud einfach ein.


    Ich erhob mich und schlenderte durch den Raum, Assindius hatte ich vorerst vergessen, weil die Planungen bereits Gestalt annahmen. Auf jeden Fall wollte ich geschickt vorgehen, damit kein schlechtes Licht auf mich oder den Namen der Gens fiel. Sicherlich gab es etliche Klatschweiber, die begierig waren, Neuigkeiten zu verbreiten und am Ende noch falsch auszulegen.


    Hoffentlich würde ich nicht rot werden, wenn ich in öffentlichen Einrichtungen meine Wünsche äußerte. Ich könnte aber auch Assindius schicken. Natürlich! Der Entschluss war gefasst und ich blieb mitten im Zimmer stehen.


    „Wir können gehen“, stellte ich überaus zufrieden fest.

  • Ich stand auf, öffnete die Tür und blickte heraus.


    "Keiner zu sehen, Herrin"


    Und ich dachte schon ich müsste mich ausziehen oder sowas. Da wär ich bestimmt rot geworden; wo ich doch so schüchtern bin.

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