Cubiculum der Claudia Aureliana Deandra

  • Ich hatte mich auf allerhand eingestellt, wusste ich doch fast nichts über das Zusammensein mit einem Mann, aber damit hatte ich nicht gerechnet: Marc schritt ein, als die erstrebenswerte Stelle ganz nahe war. Er griff nach meinem Handgelenk und unterband den Kontakt.
    Irritiert – wenn dieses Wort es überhaupt zutreffend beschreiben konnte – registrierte ich seine Reaktion, ließ mich ohne Widerstand festhalten und staunte ihn mit geweiteten Augen an. Dieses Handeln war also falsch gewesen, ich musste schlucken.


    Warum aber konnte ich es nicht unter „falsch“ einordnen und einfach abhaken, mich einfach den weiteren aufregenden Geschehnissen zuwenden? Schließlich wurde ich ja gerade von Marc in Richtung Bett geführt. Nein, der Kopf war vollständig mit jener Szene gefüllt, die mich in gewisser Weise betroffen gemacht hatte, und so grübelte ich über diese Angelegenheit nach, war nicht bei der Sache, ließ alles weitere willenlos geschehen.


    Offensichtlich war es nicht erlaubt, einen Mann dort zu berühren. Ich fragte mich, ob mir die Götter dann zürnen würden. Doch das mangelnde Wissen war mir gerade egal, viel mehr belastete mich die aufkeimende Erkenntnis, wie sehr ich dieses Verbot bedauerte. Die Götter waren allgegenwärtig; ich würde sie niemals abschütteln können, was bedeutete, dauerhaft auf eine Berührung verzichten zu müssen – unvorstellbar im jetzigen Moment. Waren bis dahin die geweiteten Augen noch auf Marc gerichtet, senkte ich nun langsam den Blick.

  • Das Lächeln blieb aus, stattdessen reagierte Deandra gar nicht auf meine Worte, sondern senkte nur den Kopf. Ein Verhalten, das ist nicht recht nachvollziehen konnte, drückte es doch in erster Linie Unterwürfigkeit aus. Dann aber fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Deandra war von Scham behaftet, anders konnte ich ihr Verhalten nicht deuten. Einnehmend lächelte ich sie an, legte Zeige- und Mittelfinger einer Hand unter ihr Kinn und zwang es sanft nach oben, um ihr in die Augen sehen zu können.


    "Du brauchst dich nicht fürchten", versicherte ich ihr leise und drückte sie neuerlich an mich. Die Berührung ihrer nackten Haut, die Hitze ihrer Körpermitte und ihre augenscheinliche Unsicherheit ließen mich nun doch selbst handeln. Ich schob Deandra noch ein Stück rückwärts, bis ihre Kniekehlen das Bett berührten und sie sich unweigerlich setzen musste, dann löste ich das subligaculum, das schließlich mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden fiel. Den fliegenden Händen fielen auch die cabatinae zum Opfer, sodass ich mich innerhalb kürzester Zeit neben Deandra auf das Bett legen konnte.


    Ich lag auf der Seite, wollte den Moment der Vereinigung noch kurz hinauszögern, weil das Unterbewusstsein des ehemaligen Bruders mir verdeutlichte, dass gerade etwas nicht stimmte mit Deandra, und dass diese Sache besser vorher ausgemerzt sein wollte. Ich hob die Hand und streichelte ihre Schulter, ihre Taille, fuhr tiefer und sah sie dabei an, um ihre Reaktion zu betrachten. Alles in mir schrie danach, mir jetzt zu nehmen, wonach ich dürstete, aber das warnende Unterbewusstsein des Corvinus, der Deandra einst zur Schwester gehabt hatte, obsiegte trotz des beträchtlichen Falernerkonsums. Darin sollte auch das Problem liegen, doch noch kam es nicht zum Ausdruck.


    Bebemd griff ich erneut nach Deandras Hand, legte sie auf meine Brust und rückte noch ein Stück näher. Meine lag auf ihrer, als ich sie langsam tiefer führte, ihr zeigte, dass ich in diesem Moment ihr allein gehören wollte. Den Kopf dich an ihrem gebettet, formten meine Lippen erneut schwankende Worte, als ihr Hand mit meiner Hilfe dort anlangte, wo ich sie haben wollte.
    "Ich begehre dich..."

  • Noch immer unter dem Eindruck besagten Ereignisses stehend, lauschte ich seinen Worten, deren Sinn ich zu ergründen versuchte. Fürchtete ich mich vor etwas? Ich sann flüchtig über diese Frage nach, musste sie jedoch verneinen. Vielmehr trug ich gerade an einer Last, sodass ein tiefes Einatmen das angenehm empfundene Umarmen begleitete. Wenigstens war er lieb und ich fragte mich, ob er es wohl auch bedauerlich fand, dass die Götter dergleichen verboten?


    Letztlich verdrängte nackte Haut die trüben Gedanken. Wie angenehm es doch war, sich daran zu schmiegen, seine Wärme und Nähe zu spüren. Aus einem Bedürfnis heraus schlang ich die Arme um ihn und hielt ihn für einen Moment fest, bevor ich zurückgeschoben und zum Niederlassen auf das Bett veranlasst wurde.
    Und wieder stand ich unter einem besonderen Eindruck – diesmal ein angenehmer, als er sich völlig entkleidete. Ich lächelte über mich selbst, weil es mir nicht möglich war, den Blick abzuwenden. Er schien wie festgenagelt zu sein. Aber auch mit gebanntem Blick ist es möglich, die Beine anzuziehen und nach hinten zu rutschen, um ihm die Möglichkeit zu geben, nun seinerseits die Liegefläche aufzusuchen. Ein langer Augenkontakt beendete diese Erkundung, den ein verlegenes Schmunzeln begleitete, das aber bald einer erwartungsvollen Spannung auf meinem Gesicht wich.
    Denn da war seine Hand und sie berührte mich dort, wo mich sonst nur eigene Hände je erkundet hatten. Nur bei ihm fühlte sich alles gänzlich anders an. Allein der Gedanke, das Bewusstsein, es handelte sich um seine Hand, ließ wieder diese Herzklopfen aufkommen, die mächtig genug waren, die vorhin eingenommene Zurückhaltung zu sprengen, ein wiederkehrendes Zittern auszulösen und Luft in tiefen Zügen einzuatmen. Gleichzeitig stellte ich jedoch peinlich berührt fest, wie sich Feuchtigkeit entwickelte, wo sie grade jetzt nach meiner Ansicht nicht hingehörte. Ich bat die Götter in Gedanken darum, ihn das nicht merken zu lassen. Wie konnte ich nur so unangenehm reagieren? Warum und woher kam das bloß?


    Schon atmete ich erleichtert auf, weil er nach meiner Hand griff – den Göttern sei die Situationsentschärfung gedankt, aber Entwarnung war keineswegs angesagt. Beizeiten ahnte ich, wohin er mich führte, verstand nur nicht, warum dies jetzt möglich war, vorhin aber nicht. Oder war es so, dass allein er entschied, wann er berührt werden durfte – niemals ich? Zu einer Antwort kam ich nicht mehr, weil der Verstand den Dienst versagte. Die Eindrücke überschwemmten meine Aufnahmefähigkeit, ich realisierte nicht mehr viel, nur eins: Er fühlte sich wunderschön an – warm, samtig, kräftig. Und da war noch mehr zu entdecken, ich hielt den Atem an.


    Seine Worte, die Eindrücke, das aufkommende Verlangen, entfachten einen Machtkampf zwischen Körper und Verstand. Ich konnte dem eigenen Drängen unmöglich nachgeben und wollte gleichzeitig genau das. Vielleicht würde der Verstand wieder einsetzen, wäre die Hand nicht dort, wo sie gerade war.

  • Deandras Gedanken, ihr Anrufen der Götter und die aus Unerfahrenheit resultierende Scham bezüglich ihrer Körperreaktionen bemerkte ich nicht. Was ich allerdings bemerkte, war, dass ich wohl ihren Forschergeist geweckt haben musste. Ich legte den Kopf in den Nacken und genoss eine Weile lediglich die Erkundungen und Streicheleinheiten ihrerseits, die sie mir verabreichte und die ihre Wirkung ganz sicherlich nicht verfehlten. Darauf verzichtend, ihre Hand zu dirigieren, überließ ich ihr eine Weile die Initiative, verdeutlichte mit der Atmung, wenn mir etwas gefiel und richtete mich dann endlich auf. Einen Kuss raubte ich ihren Lippen noch, dann küsste ich ihren Hals, ihr Schlüsselbein, ihre Brustwarzen. Dort hielt ich mich eine Weile auf, bis ich Deandra schlussendlich sanft in Position schob und meine pochende Leidenschaft nurmehr handbreit davon entfernt war, das zu bekommen, was mich trunken machen würde, mehr noch als der Wein es vermochte, wenngleich es nur einen kurzen Moment anhalten mochte. Schnell atmend betrachtete ich ein letztes Mal Deandras Körper, Verlangen überkam mich wie eine Platzregen eine Waldlichtung - und dann dachte ich daran, dass ich früher mit ihr zusammen Streiche ausgeheckt hatte. Dass sie mich Corvi genannt und mit mir in Germanien gewesen war, als meine Schwester. Ohne, dass ich es verhinden konnte, veränderte sich eine gewisse Konsistenz und machte ein augenblickliches Fortfahren unmöglich. Verwundert darüber, verweilte ich in dieser Position und ärgerte mich ungemein über die Unfähigkeit, selbst in angetrunkenem Zustand und selbst in dieser Situation die Gedanken nicht abschalten zu können und mich damit selbst zu blockieren. Was mochte Deandra nur denken? Heftig atmen sah ich nach, welcher Ausdruck auf ihrem Gesicht stehen mochte.

  • Jede Zurückhaltung, meine gute Erziehung, einfach alles war vergessen, als er sich anschickte, das umzusetzen, weswegen wir uns zurückgezogen hatten. Man musste keine Ausbildung mitgemacht, keine Schulung besucht oder Vorerfahrung vorzuweisen haben, um zu wissen, wann genau dieser Zeitpunkt gegeben war: Nähe war kein Ausdruck mehr, Bestimmtheit wurde greifbar, sämtliche körperlichen Anzeichen standen auf Sturm, der Atem flog, die kleinste Berührung der Haut erzeugte Spannungszustände, die manchen Laut oder auffälligen Atemstoß verursachten.


    Bei all der Aufregung, die mich ergriffen hatte, registrierte ich bei zwar eingeschränktem, aber immerhin noch funktionstüchtigem Bewusstsein, wie er sanft meine Beine öffnete, was soweit für mich keine Überraschung war. Doch was mir bereits ausreichend erschien, stellte ihn keineswegs zufrieden. Hände forderten dazu auf, die Beine aufzustellen. Warum, wurde mir umgehend klar, denn während er für Augenblicke in seiner Position verharrte, ermöglichte er mir die Feststellung, dass ich ihm damit einen deutlich besseren Zugang gewährte. Die Nerven flogen, und doch zögerte er weiter den bewussten Moment hinaus.


    Nach meinem Gefühl mussten Minuten verstrichen sein, ehe ich die Augen öffnete, denn irgendetwas stimmte nicht – das sagte mein Instinkt. Er wirkte wie erstarrt und ich wusste nicht wieso. Sorge stellte sich ein, dass ich ungeschickt gewesen war, mich falsch verhalten oder gar etwas Wichtiges ausgelassen hatte. Unsicher suchten meine Augen in seinen zu lesen, aber weder Vorwurf noch Geringschätzung meiner Unerfahrenheit standen darin. Also entspannte ich mich, löste den Blick und wurde mutig. Ich suchte und fand den Weg zu seinem Unterleib, wollte ihn berühren, es erneut genießen, merkte den Unterschied und verstand. Wieder suchte ich den Blickkontakt.


    Ich hätte nie gedacht, wie viel ein Mensch mit mangelhafter Vorbildung in Sachen Liebeskunst an Einfühlung aufweisen kann, zudem wenn nicht ein Wort der Erklärung fällt. Irgendwas war falsch gelaufen; sein Gesichtsausdruck wies darauf hin, dass er alles andere, aber nicht glücklich über die Situation war. Ich streichelte ihn sanft, spürte etwas wie Bedauern, das aber von einer Welle an Mitgefühl hinweggeschwemmt wurde. Schließlich legte ich meine Arme um ihn und versuchte auch mit den Beinen Halt zu geben. Vielleicht fühlte es sich gut an, aber diese Handlung war vor allem symbolisch zu sehen.


    „Ich möchte dir gerne helfen, auch wenn ich annehme, dass es die Götter waren, die uns soeben vor einer Dummheit bewahrt haben.“


    Liebe ohnehin, aber gleichzeitig die Bereitschaft, ihm jeden Gefallen zu tun, stand in meinem Blick, der nun abwartend auf ihn gerichtet war.

  • Bei venus verlockenden Rundungen und mars mächtiger Männlichkeit! Wie konnte mir nur etwas derartiges widerfahren? Mir, der ich nie eine Gelegenheit ausgelassen hatte, mir in Liebesdingen Ausdauer und Technik anzueignen!


    Deandras Beine umschlossen mich wie eine verlockende Muschel, deren Kostbarstes, die Perle, nur greifbar nahe und nun unendlich fern lag. Ich hatte mir mit meinem fortwährenden Denken selbst die Möglichkeit geraubt, baldestmöglich die Erlösung im Schoße einer Frau - im Schoße Deandras - zu erfahren. Frustriert und ärgerlich auf mich selbst ließ ich den Kopf auf ihre Brust sinken und genoss das tröstliche Streicheln, dass sie mir zuteil werden ließ. Wunderlich, dass sie trotz ihrer Unerfahrenheit erriet, was geschehen war, und dafür größtes Verständnis zeigte. Das Herz klopfte noch immer hinauf bis zum Hals und verursachte zusammen mit der trockenen Kehle ein Halskratzen, das ich nur durch wiederholtes Schlucken weg bekam. Deandras Hand vergewisserte sich nun auch selbst von der peinlichsten Peinlichkeit, der ein Mann wohl jemals in Gesellschaft einer bezaubernden Frau erliegen konnte, und zeigte Einfühlvermögen, wie ich es sicherlich nicht erwartet hatte. Und doch registrierte ich den Umstand nur am Rande, dass sie Verständnis aufbrachte und ihrer Enttäuschung nicht verärgert oder auch nur in einem vorwurfsvollen Blick Luft machte.


    Noch über meine mangelnde Standhaftigkeit erbost und verbittert, wollte ich eben von ihr ablassen, um schweigsam an die Decke über dem Bett zu starren, als ich ihre Worte vernahm. Eine Dummheit, vor der uns die Götter bewahrt hatten? Ich lächelte angesäuert, was sie zum Glück nicht sehen konnte, da ich den Kopf gedreht hatte. Ob die Götter von dem Vergnügen und der Erfüllung der fleischlichen Lust wussten, darüber dachte ich besser nicht nach. Das Ergebnis hätte mich nicht milder mit mir selbst gestimmt. Aber Deandra sagte, sie wollte mir helfen. Ob sie wusste, was sie selbt damit meinte? Wie ich es verstand? Ich seufzte und befreite mich aus ihrer liebevollen Umarmung, nicht weil ich sie nicht genoss, sondern weil es vermutlich besser so war, wenn ich nicht nahe ihres Schoßes verweilte und ihre Unschuld im Fall der Fälle vielleicht doch noch zu rauben im Stande war, auch wenn gerade eben nichts mehr stand.


    Frustriert seufzend bettete ich mich neben ihr, bedeutete Deandra, sich in meinen Arm und an mich zu kuscheln und schloss die Augen, um neben der vielen Gedanken in meinem Kopf nicht auch noch die Reize des Sehens aufnehmen zu müssen. Ihre Bereitschaft hatte ich sehr wohl bemerkt, doch noch war ich unschlüssig, ob ich darauf eingehen oder einfach so verharren sollte. Was mochte sie nun von mir denken? Gab sie sich letzten Endes die Schuld? Der Aurelier, der nicht kann, selbst wenn er will. Ob sie mich einst so nennen würden? Nein! Deandra war verschwiegen, würde verschwiegen sein, das war ihr Wesen und das würde sie auch weiterhin sein. Sie würde sich nicht wegen mir ändern, nicht das Ansehen, was ich vielleicht einst erlangen mochte, im Vorfeld mit solchen Gerüchten zerstören. Wieder seufzte ich und drehte mich auf die Seite, um sie zu streicheln.


    "Denke nicht, es läge an dir", versicherte ich ihr, merkte aber gleich, dass es ein Fehler war, darauf zu sprechen zu kommen. Ich war ein Dummkopf, das nun zu thematisieren. Es musste unweigerlich alles zerstören, jetzt wie auch für die Zukunft, was je körperlich zwischen uns ablaufen sollte. Ich seufzte tief und küsste Deandra auf die Stirn. Die Lust war nicht verraucht, nur zwischengeparkt, wie ich merkte, und doch würde es mir nicht möglich sein, nach ihren Worten noch mit ihr zu schlafen, selbst wenn mir mein Körper nicht doch einen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich griff nach ihrer Hand und legte sie auf meine Brust, schloss die Augen und genoss, was sie tun würde.

  • Es gab tatsächlich Momente, in denen ich trotz mangelnder Erfahrung und Stärke diejenige sein konnte, die Trost spendete, die auffing, womöglich Stabilität gab. Es war aus meiner Sicht legitim, dass auch ein Mann, der sicherlich im öffentlichen Leben Stärke zeigte und Fels in der Brandung war, Momente der Schwäche wie auch Verletzbarkeit erlebte, sie zeigen durfte und ein Anrecht auf Verständnis besaß. Was sich zwischen zwei Menschen abspielte, ging außerdem keinen Dritten etwas an.
    Also legte ich meine Hand auf seinen Kopf, der auf meiner Brust ruhte, drückte einen Kuss in sein Haar und sann darüber nach, was er nicht in Worte kleiden wollte. Vielleicht würde er zu einer anderen Stunde mit mir darüber sprechen, momentan blieb sein Geheimnis unangerührt.


    Sein Seufzen und darauf folgendes Abrücken war nachvollziehbar und doch tat es irgendwie weh. Aber wenigstens gab er Gelegenheit für erneute Nähe an seiner Seite, die ich gern wahrnahm, mich an ihn schmiegte, seine Anwesenheit in meinem Zimmer, in meinem Bett, erstmalig in Ruhe registrierte und die Gelegenheit nutzte, seinen Körper mit etwas mehr Gelassenheit zu erforschen. Ich entdeckte weiche Haut - dabei hatte ich mir Männer immer rau oder wenigstens irgendwie kratzig vorgestellt.


    Ich registrierte Haare und prägte mir ihre Ansiedlung ein. Bei denen auf der Brust hielt ich mich nicht lange auf, denn ich wusste um ihre Anwesenheit. Es waren nicht allzu viele und das war gut so. Interessant wurde es am Bauch, wo ich feststellte, dass ihre Verteilung erheblich von meiner abwich. Vom Bauchnabel an zog sich eine Bahn, einem Pfeil gleich, nach unten. Die Götter hatten sich bei seiner Erschaffung also einen Wegweiser ausgedacht, dem ich nun mit sichtlichem Vergnügen folgte. Die Spur verbreiterte sich alsbald, was offensichtlich das Erreichen des Wanderziels ankündigte: Eine Gegend, die ich bereits vor etlichen Minuten erkundet hatte, die sich nun jedoch anders darbot als zu Beginn.


    Seine Worte kamen grade ungelegen – sowohl die Tatsache, dass er damit den Moment zerschnitt als auch der Inhalt, der bei mir ein Stirnrunzeln verursachte. Ich reckte mich nach oben und drückte in der Hoffnung, er möge nun verstummen, einen Kuss auf seine Lippen. Sodann rutschte ich wieder nach unten, legte dieses Mal meinen Kopf auf seinen Bauch und barg das in der Hand, was sich derzeit weich und angenehm anfühlte. Es besaß kein Eigenleben wie vorhin, sondern ich konnte es annähernd komplett umschließen. Es gab kein vergleichbar schönes Gefühl, nichts bisher Erlebtes kam an diese Eindrücke heran.

  • Der Hand folgte einer unbestimmten Bahn über meine Haut. Was sie denken mochte, erriet ich nicht, denn abgesehen von dem Umstand, dass man anderen schwerlich in den Kopf schauen konnte, gab ich mir auch äußerste Mühe, mich auf ihre Tätigkeit und die Auswirkungen der Berührungen ihrer Hand zu konzentrieren. Zuerst musste ich mich wirklich anstrengen, dann jedoch, indem sie tiefer glitt und neugierig vorwärtsstieß, leiß ich mich gleiten, vergaß die Anspannung und den Ärger über mich selbst und genoss schlichtweg ihre Streicheleinheiten. Die Worte blieben unbeantwortet, zumindest, was Worte anging, denn Deandra siegelte meine Lippen mit einem Kuss und ich verstand. Worte störten, ob es nun jene der Begierde oder der Entschuldigung waren, jene der Selbstzurechtweisung oder welche der Ursachenforschung für diesen wirklich unschönen Zwischenfall.


    Der Hand folgte nun der Kopf, und da ich somit beide Arme frei hatte, hob ich einen und strich Deandra damit durchs Haar, während ich mir diese Innigkeit einprägte und mit jener Deandra verband, die ich begehrte. Ich musste lernen, dass ich Deandra nicht in zwei unterschiedliche Frauen - die begehrenswerte und die Schwester - zerteilte, sondern als ein einziges Geschöpf sah, das sich nicht verändert hatte, sondern schon immer so gewesen war, wie sie nun einmal war. Ich war es, der sie nun anders sah. Das Problem lag also bei mir, nicht bei ihr.


    Mein Gedankenfluss wurde von einer Berührung unterbrochen, die mich jäh daran erinnern ließ, dass sie eine Frau war und nackt neben mir lag. Meine Hand hielt für Sekunden im Streicheln inne, griff dann in ihr Haar und verdeutlichte, dass mir gefiel, was sie tat. Mit geschlossenen Augen entsann ich zu dem Wissen um die reale Anwesenheit Deandras und ihrer Hand die balneum-Fantasie. Und das half augenblicklich, um aus dem kleinen Etwas wieder den Anflug dessen zu machen, das sich so spielverderbend aus der Affäre gezogen hatte. Sie musste es bemerken, es ging gar nicht anders. Meine Atmung beschleunigte sich wieder etwas, die Hand in Deandras Haar suchte Möglichkeiten, ihr zu zeigen, dass es mir sehr gefiel, während die andere noch locker neben dem Oberkörper lag.


    Binnen weniger Augenblicke war ich also wieder da und einsatzfähig, die Gedanken verdrängt. Dennoch hatten ihre Worte der beinahe begangenen Dummheit selbst mir aufleuchten lassen, wie wichtig die Jungfräulichkeit ihr war. Da war es ganz und gar nicht gleich, ob ich sie dessen nun jetzt beraubte oder bis zur Nacht der nuptiae wartete. Laute des Genusses verließen meine Lippen. Ich sehnte mich nach mehr, nach der Freiheit des flüchtigen Augenblicks, und doch dirigierte ich Deandra weder mit Wort noch mit Hand. Sie schien aus so zu wissen, was gut war.

  • Mit wachsender Begeisterung, die sich nicht äußerlich, dafür aber - allein für mich - in einem verstärktem Glücksgefühl spürbar machte, genoss ich seinen entspannten Zustand, so lange er anhielt. Durch die Weichheit drängte sich der Eindruck auf, dass diese Stelle sehr empfindsam, sogar verletzbar sein musste. Kein Wunder also, dass ich sie bedecken und sanft umschließen wollte, was jedoch nicht ohne Auswirkung blieb, wie ich mit einem feinen Lächeln registrierte.
    Wie einfach es doch war, selbst ohne Erfahrung herauszufinden, was bei einem intimen Zusammensein möglich und zudem vom anderen als angenehm empfunden wurde oder eben weniger gut war. Man musste nur in sich hineinhorchen und seinen Wünschen Ausdruck verleihen. Es gab zudem unübersehbare und unüberhörbare Hinweise, die nicht nur lenkten, sondern auch inspirierten. Insgeheim schmunzelte ich über mich, weil ich mir im Vorfeld so große Gedanken darüber gemacht hatte. Vielleicht besaß Corvi aber einfach auch Talent, sehr viel ohne Worte auszudrücken, schon möglich, ich hatte ja keinen Vergleich.


    Immer wieder überrascht registrierte ich auch, wie seine Reaktionen unmittelbaren Einfluss auf meinen Körper, meine Empfindungen hatten – fast so, als gäbe es eine von der Sprache und dem Willen unabhängige Kommunikationsfähigkeit zwischen seinem und meinem Körper. Eine Berührung, ein Laut besaß in diesen Momenten eine unfassbare Macht, Gegenreaktionen auszulösen, die wiederum ein Eigenleben besaßen und damit nicht kontrollierbar waren; die zudem den Verstand beherrschten. Sie schalteten ihn in dem Augenblick aus, als sich in beeindruckender Weise seine Atmung wieder beschleunigte und er seine anschmiegsame Verformbarkeit verlor. Der Raum in meiner Hand wurde knapp.


    Und wieder war es relativ leicht herauszufinden, was ihm gefiel. Schnell war klar, dass er nicht nur körperliche Spannung aufbaute. Mir war klar, er beschritt ein Weg zu einem mir noch unbekanntem Ziel, das ich ihn gerne erreichen lassen wollte, auch miterleben wollte, aber jetzt doch unsicher war, wie. Nein, die Unberührtheit stand nicht (mehr) zur Debatte. Es war die doch aufkommende Unsicherheit, weil mir jene Vorgänge vollkommen fremd waren, weil ich sie erstmalig erlebte und mich nun doch die Sorge vor irgendwelchen Fehlern ergriff.


    Ich zögerte lange, entschloss mich und verwarf dann doch wieder den Gedanken, ihn um Hilfe zu bitten, aber letztlich war die Angst vor einem eigenen Fehlverhalten doch zu groß. Ich hielt in der Bewegung inne und bedeckte das liebevoll, was eben unter meinen Handteller passte. Ein Nachteil, wenn man kleine Hände besaß. Einen Lidschlag später hob ich den Kopf, wandte mich ihm zu und hoffte, nicht allzu hilflos zu klingen.


    „Hilfst du mir? … Bitte!“, wisperte ich.



    edit: Rechtschreibg.

  • Heizten mir gerade noch Berührungen und Bewegungen ein, verhielt sich Deandra plötzlich tatenlos und still. Einzig mein Herzschlag musste laut im Raum zu hören sein, nahm ich an. In der Stille drehte Deandra den Kopf und blickte mich mit ihren warmen Augen an, blinzelte und bat so zuckersüß um Hilfe, dass ich sie ihr kaum verwehren konnte, selbst wenn ich sie nicht hätte gewähren wollen. So aber schenkte ich ihr einen kurzen, verlangenden Blick mit halb geöffneten Lippen und hob die Rechte, um ihr zur Hilfe zu kommen.


    Meine Hand lag nun auf ihrer und fuhr in kräftigen Bewegungen einen Weg, den sie schon unzählige male beschritten hatte. Der Umstand, dass ich sie führte, reizte mich auf mit unerklärliche Weise noch weiter. Der Atem kam stoßweise, das Blut peitschte durch meine Venen und die Anspannung stieg steil an, einer Welle gleich, die alsbald ihren höchsten Punkt erreicht hatte und in einer erlösenden Woge niederprasselte. Mit einem langgezogenen Laut der Erleichterung auf den Lippen wurde auch ich recht zügig von der Anspannung erlöst, die sich stetig aufgebaut hatte. Da war sie, die kleine Freiheit, das Gefühl, unbezwingbar und unantastbar zu sein. In jenem Moment dachte ich nicht. Kein Mann dachte wohl in diesem Moment.


    Was Deandra denken mochte, wusste ich nicht, doch dass sie alles verfolgt hatte, war mir durchaus bewusst. Dem erlösenden Gefühl folgte eine angenehme Mattigkeit, die sich von der Körpermitte in alle Glieder ausdehnte und mich zusammen mit dem Wein in meinem Blut etwas schläfrig, zumindest aber recht träge machte. Ich angelte nach Deandras Kinn, zwang es sanft zu mir herum und küsste sie liebevoll und mit noch rasch klopfendem Herzen. Ein Lächeln folgte.

  • Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als seine Hand meine umschloss. Und ich damit aller Sorgen und Verantwortung ledig war. Auf dem Weg in die ursprüngliche Liegeposition drückte ich vorab noch einen flüchtigen Kuss des Dankes auf jene Stelle, auf die ich wieder den Kopf bettete.


    Vorfreude auf ein einzigartiges Erlebnis ergriff mich, ließ das Lächeln dauerhaft und das Herz weit werden. Erstmalig bedauerte ich massiv das dämmrige Licht, das ich bislang als angenehm empfunden hatte. Bisher zwang es mich, weil der Hauptsinn – das Sehen – erheblich eingeschränkt zur Verfügung stand, alle anderen Sinne, wie das Hören, aber mehr noch das Fühlen, zu schärfen. Nun jedoch wollte ich nicht hauptsächlich hören und spüren, sondern viel lieber sehen und zwar möglichst jede Einzelheit. Zu dumm, dass man nie alles auf einmal haben konnte.


    Ich seufzte lautlos, grübelte aber in der Folge nicht länger über diese Gedanken nach. Das ging auch gar nicht, weil die Hand, die mich führte, ein bedeutend schnelleres Tempo vorlegte, als ich es mir je getraut hätte, und damit meine Aufmerksamkeit band. Einem trockenen Schwamm gleich saugte ich alle Eindrücke auf, derer ich habhaft werden konnte: Seine Atmung, die Form der gewählten Reizung, körperliche Veränderungen.


    Als alle Anzeichen darauf hindeuteten, dass der Endpunkt unmittelbar bevorstand, wuchs meine Anspannung, beschleunigte sich mein ohnehin schneller Herzschlag, musste ich vor Aufregung mehrfach schlucken und hielt immer wieder – sofern das überhaupt bei der hohen Atemfrequenz ging – die Luft an.
    Ein Laut der Lust – vielleicht auch der Erlösung – kündigte erstaunliche Vorgänge an: Unerwartet landete ein Klecks in meinem Haar, ein weiterer unmittelbar vor meinen Augen auf seinem Bauch, weitere Flüssigkeit rann über meine Hand – Momente, die mich stark berührten.


    Bald darauf lockerte sich sein Griff, seine Anspannung ließ nach, der Atem wurde flacher. Noch immer von den Eindrücken gefangen, erhielt ich einen Kuss, wandte aber sogleich wieder den Blick nach unten, bettete erneut den Kopf auf seinem Bauch – diesmal sogar ein Stück weiter unten, berührte flüchtig jenen Klecks, der sich langsam zu einem Rinnsal wandelte und anschickte, seitlich hinabzulaufen.


    Wieder lag ein Dauerlächeln auf meinem Gesicht, als ich ihn mitsamt einem Großteil der Flüssigkeit sanft mit der Hand bedeckte und den erlebten Ereignissen nachsann.
    Es fiel mir schwer, mich loszureißen, aber irgendwann verabschiedete ich mich von dieser lieb gewonnenen Körperregion, rutschte nach oben und kuschelte mich an ihn.

  • Kurzzeitig bedauerte ich, dass ich sie nicht vorgewarnt hatte, damit sie sich rechtzeitig hätte zurückziehen können, doch es schien ihr nicht viel auszumachen. Vielleicht, weil es Neuland für Deandra war, vielleicht, weil es ihr gefallen hatte. Ich wusste es nicht. Ich lag einfach nur da, seufzte zufrieden und war bereit, sie in den Arm zu nehmen. Doch noch zog es sie nicht zu mir. Sie spielte, wie ich mit einem Zipfel meines Verstandes registrierte. Da war der Drang, mich waschen zu müssen, den ich jedoch noch unterdrückte. Ich mochte es nicht, wenn ich so übernachten musste. Dass ein Aufstehen einem Abbruch gleich kam, war mir durchaus bewusst, deswegen hielt ich dieses Gefühl des Unwohlseins noch aus und duldete die Spielereien, die Deandra vollbrachte, bis sie sich schließlich doch nach meinen Armen sehnte und zu mir kam. Ich drehte mich auf die Seite, begleitet von einem Schwappen, als Flüssigkeit sich verlagerte, legte locker einen Arm um Deandra und drückte sie an mich heran. Worte waren unnötig, denn auch so drückte dieser Abend aus, was ich für sie empfand. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich es tat, denn wie viele Patrizier gab es, die nur aus einem bestimmten Nutzen heraus heiraten wollten oder dazu genötigt wurden? Mit geschlossenen Augen und der Nase dicht an Deandras weicher Haut sagte ich schließlich doch etwas, bei dem sich meine Stimme leicht brummig anhörte und unbewusst ausdrückte, dass ich nun schläfrig war.


    "Ich werde morgen Vesuvianus um deine Hand bitten."

  • Noch bevor ich mich ankuscheln konnte, drehte er sich mir entgegen. Seinem Bedürfnis, mich nahe anzudrücken, gab ich nur allzu bereitwillig nach. Zwar kam ich dadurch in Kontakt mit der Feuchtigkeit, die sich zunächst kühl, später aber angenehm temperiert anfühlte, aber ich stellte fest, es machte mir nichts aus – im Gegenteil.


    Was ich an Corvi schätzte, war seine Entschlossenheit, mit der er Pläne schmiedete und schließlich durchsetzte. Bei ihm brauchte man sich um nichts sorgen, um nichts kümmern, um nichts Gedanken machen. Daher erwiderte ich auf seine Bemerkung nicht viel, eigentlich nur ein registrierendes und zustimmendes „Hmhm?“ Das aufgrund der pipsigen Stimme kaum zu hören war.


    Mit Bedauern registrierte ich, dass Corvi schläfrig wirkte, wo ich doch gerade munter ohne Ende war. Vermutlich würde ich noch lange wach liegen, um die Erlebnisse noch einmal zu durchdenken, während ich mit der freien Hand mal auf seinem Rücken verweilte, mal nach unten strich, um für geraume Zeit bei seinem Po innezuhalten und irgendwann den Rückweg anzutreten.

  • Ich dachte noch kurz mit unangenehmem Gefühl daran, dass wir am Morgen klebrig erwachen würden, rümpfte die Nase und sehnte mir ein feuchtes Tuch herbei, aber dann war ich auch schon eingeschlafen, gerade als Deandras streichelnde Hand mein Hinterteil wieder verließ.


    Gut eine Dreiviertelstunde später...
    Vesuvianus' Kopf wuchs zu einer anormalen Größe an, die Gestalt des Corvinus - meine Gestalt! - vor ihm wurde immer winziger, bis der claudische Kopfumfang schließlich rund das Fünffache des Menschen vor sich betrug. Langsam öffnete sich der hämische Mund, entblößtete eine rabenschwarze Zunge und bleckte spitze Haizähne. Die Augen rollten wild in den Höhlen - waren das Ketten an denen die nackte Gestalt vor dem Kopf gebunden wa? - und gierten auf den Mann herunter. Schließlich brach das Vesuvianus-Ding ind schallendes Gelächter aus, spie dabei aus und demütigte die Person in Ketten zutiefst. Irgendwoher erschien ein fortweisender Zeigefiger und der Mann in Ketten ließ enttäuscht den Kopf sinken.....


    Ich erwachte mit heftig pochendem Herzen und einem bitteren Geschmack auf der Zunge. Was hatte das zu bedeuten? War das eine Anspielung auf meine morgige Absicht? Mein Blick irrte zum Fenster, es war immer noch dunkel und von unten erklang Gelächter. Das Bankett war also noch in vollem Gange. Ich blickte zu Deandra, dafiel es mir siedendheiß ein: Ich konnte nicht hier bleiben, nicht in ihrem Zimmer! Man würde meine Abwesenheit bemerken und mir ein schlechtes Benehmen nachsagen, weil ich einfach so gegangen war. Das konnte ich mir nicht leisten. Deandra schien zu schlafen, ob sie es tat, wusste nur sie allein. Vorsichtig wollte ich meinen Arm unter ihrem Kopf herausziehen und mich aufsetzen, später dann meine Sachen vom Boden klauben und den Raum verlassen, mir einen Sklaven suchen und die toga richten lassen....

  • An Schlaf war nicht zu denken, viel zu aufregend waren die letzten Minuten - Oder waren es Stunden? - gewesen. Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren. Ab und an setzte ich erneut mit Streicheln ein, die meiste Zeit lag ich aber ruhig, dachte nach. Irgendwann wurde Marcs Schlaf unruhig und bald darauf erwachte er. Reglos wartete ich ab, wie er sich verhalten würde, wurde aber alsbald von seinem Wunsch überrascht aufzustehen. Ohne es verhindern zu können, machte sich eine gewisse Enttäuschung breit. Natürlich wusste ich, dass man in Rom stets getrennt schlief, aber nicht alles musste sich schön anfühlen, was üblich war. Über die Unmöglichkeit, dass er zum jetzigen Zeitpunkt unserer Beziehung überhaupt in meinem Zimmer blieb, dachte ich gar nicht nach, obwohl es angebracht gewesen wäre.


    Letztlich blieb mir aber nichts anderes übrig, als den Kopf anzuheben, ein trauriges Seufzen dabei nicht unterdrückend.


    „Du möchtest gehen?“, flüsterte ich in die Stille hinein und hatte das Gefühl, als würden diese Worte den gesamten Raum ausfüllen – ihn mit einer Schwere belasten, die sich wie eine derbe Decke nieder senkte, mich einhüllte, obwohl ich frei und unbeschwert bleiben wollte. Ich suchte seinen Blick in dem Dämmerlicht, konnte ihn aber nur erahnen.

  • Natürlich wachte sie auf. Oder war sie erst gar nicht eingeschlafen? Ich setzte sogleich eine ertappte Miene auf und richtete mich auf. Sie war nicht begeistert von meiner Absicht, den Raum zu verlassen und zu verschweigen, was in jenem vorgefallen war, und doch war es nötig. Ich blickte Deandra zerknirscht an und erklärte mich. Die Worte unterstrich ich mit einem liebevollen Streicheln ihrer Wange.


    "Nein. Aber ich muss. Man wird bemerken, dass ich fehle. Vielleicht wird man nach mir suchen, und die Götter allein wissen was passiert, wenn sie mich so an deiner Seite finden. Vermutlich würde Vesuvianus mich vierteilen lassen."


    Ich schauderte bei dem Gedanken daran und blickte Deandra ernst an. Das wenige Licht des Mondes erzeugte geheimnisvolle Lichtreflexe in ihren dunkeln Augen und ließ nun auch mich bedauernd seufzen.


    "Morgen früh werde ich wieder hier sein. Und dann rede ich mit Vesuvianus. Vielleicht ist im Anschluss Zeit für ein Spaziergang, hm? Aber jetzt musst du mich gehen lassen, ehe jemand etwas merkt und man uns ernsthafte Pfeiler in den Weg stellt."


    Ich küsste sie auf die Nasenspitze, lächelte aufmunternd und erhob mich dann, selbst widerwillig, aber mit genügend Nachdruck, da es wichtig war, dass ich nun ging. Mit Missbilligung nahm ich die klebrigen Hautstellen wahr, verzeichtete jedoch darauf, nach einem Tuch zu fragen und legte mir das subligaculum an. Die tunica folgte, und nach einem neuerlichen Abschiedskuss versuchte ich, mir selbst die toga anzulegen. Das Problem war allerdings, dass ich es nicht konnte. Hunderte Male hatte ich zugeschaut, im rechten Moment den Arm gehoben oder mich gedreht, und nun steckte ich in Schwierigkeiten. Schließlich seufzte ich und sah Deandra an.


    "Hm. Das wird so nichts. Du kannst mir nicht zufällig, helfen?"

  • Wenigstens schaute er auch nicht glücklich bei seinem Vorhaben aus. Das tröstete für den Moment. Ich seufzte noch einmal, aber eher ungewollt, und richtete mich schließlich ebenfalls auf. Vom Bett aus verfolgte ich seine Bemühungen, sich einzukleiden. Eine gewisse Freude beim Misslingen konnte ich nicht gänzlich unterdrücken. Jedes Hindernis wäre mir derzeit recht gewesen, das sein Vorhanden vereiteln würde. Wie unglaublich kurzsichtig diese Denkweise war, fiel mir nicht auf. Ich war noch nie ein Musterbeispiel an Vernunft gewesen.


    Auf seine Frage nach Hilfe lächelte ich zunächst, verschränkte demonstrativ die Arme und ließ ein paar Augenblicke abwartend verstreichen. Schließlich verzog ich säuerlich den Mund, rutschte auf die Bettkante und stützte mich mit beiden Händen ab.


    „Wie kommst du zu der Annahme, dass ich dir dabei helfen kann? Ich bin doch keine Sklavin.“


    Mit einem erneuten Seufzer erhob ich mich schließlich, angelte nach meiner Palla, die auf dem Boden lag, und legte sie locker um den Leib. Das Format war natürlich nicht geeignet, alles zu bedecken, aber das war mir egal. In eine Tunika würde ich heute, und noch dazu selbständig, ganz sicher nicht mehr schlüpfen.
    Da ich nicht auf den Gang treten wollte, öffnete ich die Tür einen Spalt, ließ eine kleine Glocke erklingen, die stets für Samira das Zeichen war, in mein Cubiculum zu eilen, schloss selbige wieder und nahm in einem Korbsessel Platz – die Beine angezogen und die Arme darum geschlungen. In dieser Haltung wartete ich auf meine Leibsklavin, die kurz darauf erschien, mit einem Blick von mir eingewiesen wurde und ans Werk ging.

  • Ich sah Deandra hilflos an und zuckte mit den Schultern.


    "Naja, es hätte ja sein können, dass man es als Frau lernt", vermutete ich ins Blaue hinein. Andererseits hatten auch Frauen ihre Sklaven, und wieso sollten sie lernen, wie man eine toga anlegte, wo sie selbst doch lediglich tunicae trugen. Mit den unzähligen wirren Stoffbahnen in den Händen betrachtete ich Deandra, wie sie nach ihrer palla angelte und sich notdürftig damit verdeckte. Erneut spürte ich den Anflug von Lust, denn der Anblick war wahrlich eine Augenweide, doch ich räusperte mich und folgte ihren Schritten mit den Augen zur Tür, wo sie klingelte. Kaum hatte sie sich wieder umgewandt, stand eine recht erschrocken wirkende Samira in der Tür und fragte sich vermutlich, was geschehen war. Sie wurde jedoch von Deandra unverzüglich beauftragt, mir zu helfen, und eben jenes ließ ich mit stoischer Gelassenheit über mich ergehen, bis ich erneut eingekleidet vor der kleinen Sklavin stand und mich knapp bedankte. Samira verließ nach einem fragenden Blick an Deandra und meiner Aufforderung dazu das Zimmer und ließ uns allein zurück. Sie sollte draußen warten und dann Deandra helfen. Ich überwand nun die geringe Distanz zwischen ihr und mir, zupfte an der palla und legte sie auf das Bett. Deandras nackten Körper ein letztes Mal innig umarmend, vergrub ich mein Gesicht in ihrem Haar und sog den Duft ein.


    "Wäre es nur schon Morgen und ich wieder bei dir."
    Ich hob den Kopf und sah sie an, ihren Kopf mit beiden Händen haltend und mit den Daumenkuppen sacht die Wangen streichelnd.
    "Ich wünsche dir angenehme Träume, Sonnenschein."


    Hier folgte nun ein letzter Abschiedskuss in Kombination mit einem liebevollen Lächeln, dann wandte ich mich um und verließ das cubiculum Deandras. Vor der Tür wartete Samira, die ich nun wieder hineinschickte. Ich selbst fand den Weg zurück zum Bankett, verweilte allerdings nicht mehr lang dort und entschuldigte mich recht bald.

  • Es bedurfte nicht großer „Überredungskunst“, mich heranzuziehen. Auch wenn ich dabei gespielt zerknirscht die Brauen runzelte.


    „Das ist nicht gerecht. Du trägst Berge von Stoff auf dem Leib und mich entledigst du selbst dieses dünnen Fähnchens.“


    Dabei traute ich mich kaum, ihn meinerseits zu umarmen. Wer konnte wissen, wie die gerade gerichtete Toga danach aussehen würde? Deswegen nahm ich seine Umarmung umso intensiver auf und suchte wenigstens mit der Wange und der Stirn die erstrebenswerte Nähe. Wieder merkte ich, zu welcher Unvernunft ich fähig war, weil mir eigene Wünsche wichtiger als Konventionen waren. Offensichtlich war er der Vernünftigere von uns, wenn auch seine Worte eigenes Bedauern ausdrückten. ‚Wenigstens das’, dachte ich, seufzte bedauernd und legte die linke Hand schließlich auf seine, während er sprach.


    „Dir auch schöne Träume, wenngleich ich lieber gemeinsam mit dir geträumt hätte.“


    Nach seinem Abschiedskuss schlang ich die Arme um den Körper und verweilte regungslos bis er den Raum verlassen hatte. Dass Samira kurz darauf erschien empfand ich als sinnlos und störend zugleich.


    „Du kannst gleich wieder gehen. Und kein Wort von dem, was du gerade erlebt hast. Verstanden?“


    Irgendwann übermannte mich der Schlaf, nachdem ich ins Bett gefunden hatte.

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