Serenus schrieb seiner Oma in Baiae einen Brief. Im Gegensatz zu seinem Papa war es um seine Rechtschreibung deutlich besser gestellt. Sowohl in Latein, wie auch in Griechisch. Nur seine griechische Aussprache ließ zu wünschen übrig. Aller Bemühungen der Lehrer in Baiae sprach er zwar gut verständlich, aber mit deutlichem Akzent.
Trotz seiner Wünsche hatte Oma sich immer geweigert ihm einen Schreiber zu schenken. „Wehret den Anfängen“ und „im Hinblick auf deinen Vater“ waren dann immer gekommen, was auch immer das bedeuten mochte. Später würde er die Briefe einem Sklaven geben und auf welchem Wege auch immer erreichten die gegenseitigen Schreiben ihren gewünschten Empfänger. Sogar immer schneller als mit dem Cursus Publicus. Post von Serenus und Oma hatte höchste Priorität. Wehe das war hier anders. Dann würde er aber bei Onkel Senator Felix und Onkel Gracchus Randale machen, dass die Villa in den Grundfesten erzittern würde.
Von LFS
An Oma
Liebste Oma!
Endlich komme ich einmal dazu Dir zu schreiben. Ich habe mich hier in der Villa mehr schlecht als recht eingelebt. In Baiae war es viel schöner.
Onkel Gracchus hat mir hier ein Zimmer für mich und meine neue Leibsklavin Dido zugewiesen, das viel, viel, viel kleiner ist als mein Zimmer in Baiae. Doof! Aber er selbst und Tante Antonia bewohnen Räumlichkeiten, die fast die halbe Villa ausmachen. Alle anderen Onkels (Onkel Milo, Onkel Lucullus, Onkel Furianus, Onkel Senator Felix) haben auch größere Zimmer. Onkel Senator Felix bewohnt die andere Hälfte der Villa, obgleich er selten da ist. Ich wohne in einer Sklavenunterkunft und habe das kleinste Zimmer von allen.
Und absolut keinen Krach darf ich in der Villa machen, weil alle entweder hier arbeiten oder bis zum Nachmittag scheinbar schlafen. Doof!
Die Spielmöglichkeiten im Garten sind auch eingeschränkt. Denn die Rosensträucher von Onkel Senator Felix haben denselben göttlichen Stellenwert wie die Juppiterstatue im Tempel für dessen Priester. Zumindest hat sich Onkel Gracchus jetzt dazu durchgerungen mir das Spielen im garten zu erlauben, während Papa auf den Saturnalien das Spielen in Haus gestattet hat.
Keiner kann meinen Hund Nero leiden. Vor allem Tante Leontie scheint ihn zu hassen. Aber deren Katze darf wohl alles. Ohnehin gibt es hier in der Villa ganz viele Katzen und die darf man weder jagen noch scheuchen. Es ist furchtbar langweilig hier, Oma. Die Villa ist wie ein Kerker und ich komme kaum vor die Porta. Meine Wünsche mal in die Stadt zu gehen scheint die Sklaven total zu überfordern. Zuerst gab es keine kleine Sänfte, dann keine Leibwächter und Träger und Sklaven. Angeblich hatten alle zu arbeiten. Dabei stehen die oft nur faul rum. Zuletzt bin ich dann mit der großen Sänfte von Onkel Senator Felix aufgebrochen. Mit absolut unzureichender Begleitung. Aber wir kamen nur 2 Strassen weit, denn alle Klienten schienen mit Bittgesuchen für ihn auf dem Weg uns aufgelauert zu haben. Ein Erreichen des Forums ohne Belästigung war unmöglich.
Die Sklaven sind auch so ein Fall für sich. Letztere sind sehr unzuverlässig. Außer Hannibal kümmert sich keiner um mich und Dido. Und der ist oft auch nicht da. Dido ist meine kleine Leibsklavin, die Papa mir zu den Saturnalien geschenkt hat. Wir kommen gut miteinander aus, sie befolgt artig meine Befehle und widerspricht mir auch nicht. Auch ist sie sehr zuverlässig. Allerdings hat sie noch keine passende Gewandung, die meinem patrizischen Stand als Besitzer Rechnung trägt. Ich muß mich selber darum kümmern. Auch so ein Punkt wo keiner der Erwachsenen mitdenkt.
Die Erwachsenen sind nur mit sich selber beschäftigt. Keiner hat Zeit für mich. Onkel Lucullus ist der Einzige, der eine Entschuldigung dafür hat. Der hat die Masern bekommen.
Onkel Furianus, Onkel Milo und Onkel Senator Felix bekomme ich gar nicht zu Gesicht. Gerüchten zufolge sind Tante Minervina und Tante Leontia auf Männersuche. So hat gerüchteweise Onkel Gracchus ein Essen gegeben um irgendjemand von der Gens Tiberia Tante Minervina zu präsentieren. Ich war leider nicht dazu eingeladen worden.
Arrecina ist zur Zeit nur komisch drauf. Sie scheint nicht mehr ganz in dieser Welt zu verweilen. Zuerst dachte ich es wäre diese Frauenkrankheit, die Frauen ja einmal im Monat befällt und ihrer geistigen Zurechnung berauben soll. Die Strafe der Göttinnen dafür, dass sie den Rest des Monates schlauer sind als die Männer. Aber bei Arrecina ist das ein Dauerzustand. Entweder ist sie in dieser „mysteriösen Puubärtääht“ oder sie ist mal wieder verliebt. Sie schaute bei den Saturnalien die ganze Zeit auch Onkel Furianus immer so komisch an. Dabei sieht der gar nicht so gut aus. Der ist bestimmt adoptiert, denn er hat keine Ähnlichkeit mit Papa oder dem Rest der Familie. Sie hat zu den Saturnalien einen kleinen Hund bekommen, aber das ist nur so eine Stolperfalle zum Kuscheln.
Dann gibt es da noch Tante Antonia. Aus deren Verhältnis bin ich noch nicht so richtig schlau geworden. Die sieht man nie zusammen mit Onkel Gracchus. Auf unsere Saturnalienfeier, wo die ganze Familie hier in Roma da war (außer Onkel Senator Felix und Tante Agrippina, die hatten zu viel Arbeit zu erledigen, für den Kaiser und die Götter), wollte sie nicht kommen. Dabei sieht sie nicht halb so hässlich aus, wie du beschrieben hast. Bis auf die Nase an der man alle Claudier erkennen soll. Damit hast du recht, denn die Tage besuchte und eine Claudia Epicharis oder so. Die hatte auch so eine Claudiernase wie Tante Antonia.
Die Claudier sind übrigens alle doof und auch ganz schlecht über unsere Gens informiert.
Es kamen Einladungen für alle männlichen Flavier hier an. Dido hat das heraus gefunden, denn die kontrolliert jeden Tag direkt ob Post für mich angekommen ist. Die Gens Claudia hat zu einem Gelage nach Mantua eingeladen. Nur ich wurde nicht eingeladen. So kann ich Papa nicht in Mantua besuchen und mir von ihm die Legio I zeigen lassen. Ich hoffe, dass Papa bei denen auf der Feier seinen Unmut äußert, wenn er sieht, dass alle Onkels da sind, aber ich nicht.
Der Informationsfluss hier in der Villa klappt gut. Die Sklaven reden sehr viel über ihre Herren, wenn keiner dabei ist. Und Dido und ich werden oft übersehen, so dass wir vieles mitbekommen, wenn wir hinter den Ecken oder Säulen stehen.
So, ich ende mal für heute, denn Tante Minervina will in die Stadt und ich muß jede Gelegenheit ausnutzen mit einem Erwachsenen mal aus der Villa zu kommen. Die haben viel weniger Probleme Sänften, Sklaven und Träger zusammen zu bekommen als ich. Die sind hier überhaupt nicht auf Kinder vorbereitet, sondern denken alle nur an sich.
Liebe Grüße
Lucius
PS: Ich vermisse dich sehr und will wieder zurück nach Baiae.