[Grundausbildung] Probatus Quintus Octavius Vocula

  • Frisch ausgeruht und erholt (oder zumindest so ähnlich und sehr optimistisch formuliert) erschien ich wieder auf dem Exerzierplatz. Obwohl immer noch Probatus, schien es mir, als würden die Offiziere und Legionäre uns seit gestern etwas anders behandeln. Irgendwie freundlicher.


    Trotzdem änderte das nichts an der allmorgentlichen Qual. Der Centurio brüllte und wir rannten in Reih und Glied und geordnet los. Der Lauf um den Platz war nicht mehr wirklich ein Problem, nur noch eine Aufwärmübung. Ebenso verhielt es sich mit den Liegestützen.

  • Nach den Übungen, die die Männer zu Crispus' positiver Überraschung immer besser absolvierten, ging es nun zur Vollendung der Kampfeskunst:


    "Milites, heute werdet ihr mit scharfen Waffen trainieren. Das bedeutet, dass ihr diesmal gut auf euch Acht geben solltet, denn es kann durchaus Verletzungen nach sich ziehen!


    Um jedoch die größten Gefahren auszuschalten, bekommt ihr diese Lederkappen oben auf eure Gladii."


    Nun hielt der Centurio einen Beutel in der Hand, aus der er eine Lederkappe, die wohl die obere Hälfte des Gladius bedecken konnte, herausnahm und hoch hielt.


    "Auch könnt ihr diesmal die richtigen, leichteren Scuta verwenden. Also - jeder eine Kappe - Zweiergruppen - Ausführung!"


    Wie leicht mussten die echten Waffen den Probati nach den vorherigen Holzwaffen vorkommen!

  • Ich nahm den Gladius in die Hand und balancierte ihn ein bisschen hin und her. Tatsächlich, das Ding war viel leichter und filigraner als das klobige Holztrumm der letzten Tage. Edel blitzte das Eisen in meiner Hand. Ich nahm das Scutum und auch dieses fühlte sich viel leichter und handlicher an.


    Dann drehte ich mich um. Mal wieder mein Lieblingspartner, mit dem ich mich auch so schon ganz gut angefreundet hatte.


    "Na, dann mal los." meinte ich zu ihm.


    Und schon waren wir mitten im Gefecht: Die neuen, echten Waffen waren ein bisschen anders zu handhaben als die alten, schweren, mit weniger Kraft. Allerdings konnte ich das noch nicht so gut einschätzen und als ich meinen Schuld hoch zog um der Attacke zu entgehen, schleuderte ich den Schild fast weg von mir. Und als ich dann meinen ersten Stich setzte, knickte ich mir ordentlich das Handgelenk nach außen. Scutum und Gladius fielen mir herunter und ich hielt meine Hand - eine Schwäche, die mein Trainingspartner ausnützte um mir mit der flachen Seite seines Gladius auf den Kopf zu schlagen.


    "Was ist los, du Mädchen? Weiter gehts!"

  • Crispus verfolgte die zaghaften Anfänge, die ihn so überhaupt nicht zufrieden stellten. Einer - Octavius, soweit der Centurio sich erinnerte - ließ auch gleich mal seine Waffen fallen, wofür er eine ohrenbetäubende Standpauke erhielt.


    "Probatus, ist das ein Scherz? Ist dein Fingernagel eingerissen oder was?"


    Dann sah er zu dem Kampfpartner, der noch immer grinste.


    "Und du, ist das vielleicht ein Spiel? Greif an, los! Wenn er lieber ohne Waffen kämpft, ist er selbst schuld!"


    Das war ja wohl...dem Centurio fehlten beinahe die Worte!

  • Schamesröte stieg mir ins Gesicht als der Centurio mich anbrüllte. So eine Demütigung, und das an dem Tag, an dem ich endlich mit der Waffe kämpfen durfte. Doch schnell verwandelte sich die Scham in Wut und blitzschnell hatte ich mein Gladius wieder in der Hand, zog es hoch und schlug meinen hilfsbereiten Gegner voll auf die Hand, so dass er, überrascht wie er war, nun seinerseits sein Gladius fallen ließ. Überrascht schaute er auf seine Hand. Sein Fehler, denn ich war wütend und ließ ihn keine Zeit. Mich so vor dem Centurio lächerlich machen! Der hatte eine Abreibung verdient.


    Sofort riss ich auch mein Scutum in die Höhe, zog es in Richtung meines Kampfpartners und donnerte es ihm voll in die Magengrube. Er stürzte und ich war auf ihn. Immer noch konnte ich mich nicht beherrschen. Mit den Füßen trat ich auf den am Boden liegenden ein. Ich trat und trat und trat.


    Aber mein Kamerad hatte sich wieder erholt, packte meinen Fuß und zog mich nach unten, wo ich unsanft auf dem Bauch fiel. Er rollte von mir weg, griff sein Gladius und stürzte auf mich. Ich konnte mich gerade noch umdrehen und entkommen, da stand ich schon wieder.


    Verschwitzt und außer Atem standen wir uns gegenüber, Hass loderte in unser beider Augen und schon stürzten wir erneut aufeinander los.

  • Wieder traute der Centurio seinen Augen kaum. Was taten diese beiden da? Rasch winkte er den Optio herbei und riss den völlig durchdrehenden Vocula von seinem Gegner weg, sodass dieser aufstand - aber nicht etwa schuldbewusst oder zumindest mitleidheischend dastand, sondern seinerseits zur Waffe griff.
    Ehe die beiden wieder aufeinandertreffen konnten, brüllte Crispus erneut, diesmal mit Zornesröte im Gesicht


    "Ihr habt wohl den Verstand verloren! Das ist ein Schwertkampftraining, kein Kampf in der Arena! Dies ist die Legion, nicht das Amphitheater, stolidi!"


    Mit dem vitis zog er zuerst Vocula, dann dem anderen Probatus mit voller Kraft über den Rücken. Am liebsten hätte er sie auf der Stelle totgeschlagen, als er auch noch den Tribun entdeckte, dem all das offensichtlich überhaupt nicht gefiel. Aber Beherrschung ging bekanntlich über alles!

  • Ahh! Mein Rücken brannte ob des brennenden Schmerzes, den der Centurio mir zufügte, aber ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte jedweden Schrei. Wahrscheinlich hatte ich die Abreibung wohl verdient. Wie ein begossener Pudel stand ich nun vor dem Centurio, den Blick voll Demut auf dem Boden gerichtet. Immerhin erging es meinem Kameraden nicht besser.

  • Langsam bemerkte Crispus, dass die übrigen Probati ihr Training unterbrochen hatten und der Szene zusahen - wie auch der Tribun! Einen Moment blickte der Centurio hin und her, dann deutete er auf ein anderes Paar.


    "Probatus Octavius, du kämpfst jetzt gegen ihn, du gegen ihn."


    teilte er zwei neue Kampfpaare zu.


    "Und wir sehen uns nach Dienstschluss bei mir in der Unterkunft."


    fügte er hinzu. Dann sah er zu den anderen.


    "Habt ihr die Medusa gesehen? Los, weitermachen!"


    Dann ging er zu dem Tribun, falls dieser ein paar Worte mit ihm wechseln wollte - die Probati machten sich bereits ans Weitertrainieren und schafften dies für ein paar Momente allein - beziehungsweise unter Aufsicht des Optios.

  • Immer noch innerlich aufgewühlt aber mit einem Anflug von Müdigkeit salutierte ich vor dem Centurio und kämpfte weiter. Lustlos stach ich und wehrte ich ab und hoffte, dass die nächsten Monate schnell vorbei gehen würden- vor allem der Latrinendienst, der mir sicherlich blühte...

  • Da der Tribun vorerst nichts sagte, sah er kurz zu seinen Schützlingen, wo er auch sofort die Lustlosigkeit von Vocula erkannte - er hatte sein Auge jahrelang auf das Auffinden von Faulpelzen geschult!


    "Probatus, ein wenig mehr Engagement, wenn ich bitten darf!"


    Um es unmissverständlich zu machen, wen er meinte, deutete er mit dem vitis auf den Octavier.

  • Oh das war ja wohl klar. Wahrscheinlich würde ich an diesem Tag nichts mehr tun können, ohne mir des scharfen Blickes des Centurio sicher sein zu können. Schlimmer: Ich betete, dass dies nur heute so sein würde. Ich sparte mir also das tief durchatmen und bemühte mich, um Willen zu zeigen und in der Hoffnung, der Centurio würde ein neues Opfer erspähen.

  • Nach einiger Zeit, in der der Tribun offensichtlich nichts zu sagen hatte, hatte Crispus genug gesehen. Trotz einiger Anmerkungen hier und da ging es recht ordentlich vonstatten, sodass er schließlich befahl


    "Milites venite!"


    "State!"


    Dann wartete er wie die Probati gespannt, was der Tribun zu sagen hatte. Genaugenommen wunderte Crispus sich, warum der Tribun überhaupt etwas sagte - immerhin war das seine Ausbildungstruppe!

  • Fast sah es so aus, als wäre die heutige Tortur für mich vorbei, aber weit gefehlt. Ich stellte mich in die Reihe und sah den Tribunen. Hoffte, dass mein Name nicht fiel in seiner Rede, was auch immer der Mann zu sagen hatte...

  • Alienus trat vor die Soldaten.


    Ohne Meldung, rührt euch!
    Es ist zwar ungewöhnlich, aber ich möchte euch ein paar Worte sagen.
    Ich habe euch beobachtet während der letzten Tage und ich muss sagen, ihr seid auf einem ganz guten Weg. Euer Centurio ist ein sehr guter Ausbilder, ihr könnt stolz sein ihn zu haben!
    SOLLTE ich aber nich einmal solche übermotivierten Aktionen wie eben gerade sehen, DANN WERDET IHR EUCH WÜNSCHEN, DASS IHR EUCH HIER NIE HÄTTET BLICKEN LASSEN! Wenn ihr merkt, dass ihr in Rage geratet und eure Disziplin in den Hintergrund tritt, dann MACHT IHR ETWAS FALSCH!
    Ich möchte euch noch etwas mitgeben, für den Weg auf dem ihr euch befindet:
    Rom ist nur groß geworden mit seinen Legionen, die Legionen können dieses nur leisten wenn die Kampfdisziplin gewahrt ist. Denkt daran wenn ihr eure Kampfausbildung durchschreitet!


    Alienus atmete kurz durch.


    Leise zu Centurio Crispu:Ich möchte, dass du heute abend in meine Casa kommst.


    Wieder zu den Probati: Ohne Meldung Weitermachen!


    Dann verließ Alienus den Platz.

  • Crispus hörte schweigend zu. Er konnte alles, was der Tribun sagte, überraschenderweise sofort unterschreiben. Es war eben doch ein alter Haudegen und kein Etappenhase aus Rom. War nur noch die Frage, warum er ihn besuchen sollte...


    Als er verschwand, drehte er sich zu den Soldaten zurück


    "Milites, ihr habt den Tribun gehört! Zurück zur Übung. Wir kommen zu einer weiteren Waffe - dem Bogen! Folgt mir!"


    Gemeinsam mit den Probati überquerte er den Campus. An dessen Rand befanden sich Schießscheiben, sowie Bögen (der Centurio hatte eine andere Ausbildungstruppe angewiesen, diese gleich dort zu lassen).


    Er nahm einen von ihnen und hielt ihn hoch.


    "Das hier ist ein einfacher Bogen, wie ihn germanische Jäger benutzen. Unsere Bogenschützen aus dem Osten verwenden andersartige, aufwändigere Bögen, aber für Legionäre ist die Bogenschießkunst ohnehin eine Periphär-Disziplin. Wie man einen Bogen verwendet, solltet ihr ja wissen. Also jeder schnappt sich einen, dann wird auf die Scheiben geschossen!"


    Zu den Bögen lagen auch ebensoviele Köcher mit Pfeilen, sodass jeder der Probati einen nehmen konnte.

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