Falco war vor dem Haus seines Vaters angekommen, zumindest desjenigen, den er seit vielen Jahren offiziell so nannte. Den Weg dorthin hatte er noch niemals zuvor so bewusst erlebt. Von Ostia ging es über die Via Ostiensis bis endlich Rom in Sicht kam. Durch die Porta Raudusculana, am Aventin vorbei rund um den Circus Maximus, dann am Fuße des Palatin vorbei. Domus Caligulae rechts liegen lassend. Und dann … auf das Forum Romanum. Wieder zurück im Zentrum der Welt. Aber nur kurz. Hinter dem Friedensforum vorbei und zum Esquilin,Via Labicana.
Noch lange stand er vor dem Haus. Atmete bewusst römische Luft ein. Der Nubier schien nicht einmal die Lider zu bewegen. Er würde nützlich sein.
Falco war selten bis nie hier gewesen. Als Soldat bliebt er in der Kaserne. Für einen solch hohen Offizier mehr als unüblich, aber er wollte es so. Doch Miles war er zunächst einmal nicht mehr. Er hatte dieses Haus sogar bewusst gemieden. Er kannte kein Familienleben, er hasste Familienleben. An sich bereits. Und dann noch das Leben einer Familie zu der er eigentlich gar nicht gehörte.
Für Trajan hatte er stets die Drecksarbeit geleistet, war der Böse gewesen, damit der Kaiser im strahlenden Sonnenlicht stehen konnte. Doch war das seine Aufgabe, seine Passion. Als sein Praefectus Praetorio war er mit ihm gen Dacia gezogen, hatte beim Eisernen Tor gekämpft. War nach dem Krieg bei der Fahndung nach Decebalus in Gefangenschaft geraten. Dort hatte er sich verändert, auch körperlich. Später hatte ihn niemand erkannt. Von einem kaisertreuen Senator in der Stunde der Verachtung als Sohn angenommen. Damals, als Kaiser Trajan innenpolitisch schwer angeschlagen in der Klemme steckte. Als sich beinahe jeder gegen ihn wandte, in dunklen Hinterzimmern Komplotte gegen ihn geschmiedet wurden. Damals war er noch bekannt als Germanicus. Verachtet, verleumdet, missverstanden … aber gefürchtet. Doch das prädestinierte ihn zum Sündenbock. In den Kalenden des Martius Entlassung als Praefectus Praetorio, abgeschoben ins Illyricum. Und in Rom überschlugen sich die Ereignisse. Moratus wurde Chef der Garde. Caesar Scandia wurde zum Verräter am Kaiser. All das gipfelte im Selbstmord des Kaisers und dem republikanischen Alptraum. Und er war nicht hier gewesen, in Rom. Hatte nicht helfen können. Die Iulier hatten ihn verstoßen und er wurde zu Falco. Als Julian die Ulpierdynastie erneuerte, da war seine alte Identität trotzdem noch viel zu belastet. Er würde auf ewig Falco bleiben.
Er war seine eigene Familie. So war es schon immer gewesen. Heute mehr denn je.
Es war sehr sehr ruhig. Er klopfte. Der Sklave brauchte sehr lange zum Öffnen. Besuch war ganz offensichtlich mehr als nur selten. Der Janitor starrte Falco nur schweigend an.
„Ich bin Helvetius Falco!“
Weiteres Starren.
„SOHN DES GEMINUS!“
Er lässt den Wächter stehen, murmelt ein „Trottel“ und geht durch den Flur ins Atrium. Niemand war zu entdecken. Misstrauisch durchsucht Falco jeden Raum. Außer einigen gelangweilten Sklaven ist niemand im Haus. Das Haus scheint völlig verwahrlost. Überall Staub. Die Räume sind lange Zeit nicht genutzt worden. Falco macht sich auf in das Arbeitszimmer seines Vaters.