Es war nun schon eine ganze Woche her, dass Minervina die Reise nach Rom hinter sich gebracht hatte. Eine Woche war es somit auch her, dass sie Helvetius getroffen hatte, mit Lana Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte und auch mit Vitamalacus ein inniges Gespräch über ihr Verhalten führte. Eine Woche hatte gereicht, um sich wieder ein wenig zu besinnen und sich einen genaueren Weg zurechtzulegen. UNd zu diesem genaueren Weg gehörte auch, dass sie sich ihren Gefühlen zu Lana genauer bewusst wurde und sich dazu anhielt, sie wie eh und je zu behandeln: Keinen Deut besser oder schlechter. Lana war nur ihre Sklavin.
Minervina, in der Villa Tiberia auf dem Mons Esquilins zuhause, eine bessere Wohngegend auf einem der sieben Hügel, hatte sich zu einem Spaziergang entschlossen. Und diesen Spaziergang wollte sie mit einem Besuch beim Schrein der Minervina Medicae verknüpfen. Sie hatte in einem größeren Umhängebeutel also eine Tonstatue als Opfergabe und einen kleinen Kuchen. Sie folgten längere Zeit schweigend der Straße in südlicher Richtung, denn dort befanden sich die Horti Maecenatis. Mochte es im Sommer auch - natürlich - entschieden schöner sein, so würden ihr ein paar grüne Flächen gar nicht schlecht bekommen. Als Begleitung hatte Minervina sich Lana erdacht, denn sie wollte sich möglichst unauffällig verhalten und so war es sicher verständlich, dass sie sich für ihre Leibsklavin entschied. Immer noch besser als dieser schreckliche Titus, den Vitamalacus ihr vermutlich aufgedrückt hätte. Nun gab es zwar dieses peinliche Schweigen, denn seit jener Nacht hatten sie nur Formalitäten ausgetauscht, aber irgendwann musste man ja auch wieder auf ein gemeinsames Maß kommen, nicht?
Da rückten langsam auch schon die Bäume der Horti näher, die nun für ein wenig Entspannung sorgen sollten. Den Schrein der Minervina Medicae wollte sie aufsuchen, da diese eben zum einen ihre erwählte Schutzgöttin war, ohnehin Namensverwandte, als auch aus dem Grund, dass sie bei ihr wohl am Besten aufgehoben war, um für die Gesundheit des Miles Marcellus zu beten. Hoffentlich hatte er gute Ärzte und würde über seine Wunden hinwegkommen, denn wenn er auch irgendwie komisch war, so hatte er doch wenigstens gewissermaßen Stil gehabt. Und er hatte auch nicht schlecht ausgesehen, ebenso wie der Plebejer aus Mantua. Sie waren entschieden männlicher als all jene die sich wie ein kleines Kind rasierten und eitler waren als so manche Frau. Nun, ob Helvetius aufgrund von langer Gefangenschaft, die ihn im Übrigen furchtbar riechen ließ, seinen Drei-Tage-Bart hatte, wusste sie nicht zu sagen, aber er hatte nicht verhätschelt gewirkt.
Sie wandte ihr Gesicht zu der nebenhergehenden Lana, die auf sie ein wenig unbeholfen wirkte - so wie sie selbst auch. Rasch suchte sie nach einem Gesprächsthema und kam auf das wohl blödeste, was es unter der Sonne gab. "Hm das Wetter ist recht kühl heute, hm? Die Sonne schafft es einfach nicht durch die Wolken." Gleichzeitig wurde ihr klar, wie lahm sie doch klang. Aber nun war es nicht zu ändern.