Während Minervina am Schrein stand, pochte ihr Herz noch immer heftig gegen die Rippen, als wollte es zerspringen. Sie hätte sich diesen Ausbruch nicht erlauben dürfen. Gerade diesen nicht. Er konnte verheerende Folgen mit sich ziehen, nie wäre Selbstbeherrschung so wichtig gewesen wie bei diesem Geständnis. Lana brauchte nur ein falsches Wort an eine falsche Person geben und es war aus. Gewissermaßen konnte man sogar sagen, dass Lana sie mit diesem Wissen in der Hand hatte. Nur gut, dass sie eine Sklavin war. Nur wenige würden ihr glauben, was sie sagte. Und dass sie gemeinsam mit Marcus vermutlich auch selbst einen Toten zu verantworten hatte, hatte sie schließlich nicht preis gegeben. Sie schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich zu beruhigen.
Dann öffnete sie sie wieder, ihren Blick gen Himmel richtend. Es wurde Zeit für das Opfer an Minerva Medicae, welches sie zugunsten von Helvetius Marcellus bringen wollte. Hatte sie Lana überhaupt davon erzählt? Sie wusste es nicht mehr. Aufgewühlt holte sie die kleine Tonstatue und den Kuchen heraus und deponierte die Statue schon einmal vorsorglich am Schrein. Den Kuchen brach sie entzwei, um den Duft etwas zu entfachen, ehe sie ihn zu der Statue stellte und ihr Gesicht weiterhin dem Himmel zugewandt ließ. Mit leisen Worten sprach sie: "Minerva Medicae, ich bitte dich um deinen Beistand. Ich bitte dich darum, meine Schutzgottheit, in deiner Form als Minerva Medicae einem schwer verwundeten Soldaten der Cohortes Urbanae beizustehen. Er wurde entführt und gefoltert und ich bitte dich, lass ihn nicht seinen Verletzungen erliegen. Sein Name ist Helvetius Marcellus, Sohn des Helvetius Geminus." Weitere Worte fielen ihr einfach nicht zu. Sie beendete das Gebet und das wirklich bescheidene Opfer korrekt und trat einen Schritt zurück. Sie hoffte wirklich, dass er durchkäme. Für Rache konnte sie bei Minerva kaum beten, das lag dann eher im Metier von Mars. Aber betete sie für einen Soldaten, war Minerva sicher nicht am falschesten Ort, besonders weil sie den Beinamen Medicae trug.
Dann wandte Minervina sich, nach einigen Augenblicken des Ruhens, wieder in Richtung Heimweg, wobei ihr auch sogleich Lana auffiel. Sogleich entsann sie sich wieder der vorhergehenden Ereignisse. Lana sollte es nicht wagen, ihr einmal zu drohen. Immer würde Minervina in der besseren Position sein.Sie setzte sich in Bewegung und versuchte dabei, mehr als sonst, wie eine Dame aus gutem Hause und zugleich auch gebieterisch zu wirken.