Cubiculum | Claudia Epicharis

  • Epicharis lag bereits einen Moment wach und betrachtete die golden wirkenden Streifen der Morgensonne, die durch die dicken Vorhänge ins Zimmer drangen und ein Zebratreifenmuster auf Decke und Wand zeichneten. Nachdem sich ihre Augen an das schummrige Dämmerlicht gewöhnt hatten, setzte sich die Claudierin auf und rieb sich kurz verschlafen die Augen. Anschließend ließ sie ihren Blick über die freundliche Einrichtung ihres Zimmer gleiten. Hinter der Tür und an einer Wand entlang befanden sich zahlreiche Kleidertruhen und eine Kommode mit Spiegel, vor der ein bequemer Stuhl stand, in dem Epicharis am Morgen wohl die meiste Zeit verbrachte, um gesellschaftsfähig zu sein. Schräg vor dem Fenster sah sie auf die kleine Sitzgruppe mit drei Korbsesseln und einem Tischchen, auf welchem eine Amphore frisches Wasser und eine kleine Schale mit Obst standen. Auf einem Regal unweit hiervon entfernt befanden sich drei dicke Stumpenkerzen und eine Handvoll Becher, darunter war ein hübsch verziertes Schreibpult aus Akazienholz angesiedelt. Und in der linken Ecke neben der Tür befand sich ihr geräumiges Bett samt kleinem Tischchen, auf dem derzeit eine nicht brennende Kerze in einem Halter steckte, die ihr abends noch Licht spendete, wenn sie den Weg zum Bett suchte. Epicharis gähnte ungeniert und streckte sich verschlafen. Draußen sangen die Vögel, und bald würde vermutlich auch ihre neue Leibsklavin, Dhara, eintreffen, sofern sie sich von jemandem die Information eingeholt hatte, dass Epicharis weder richtig früh noch wirklich spät aufstand, sondern die goldene Mitte bevorzugte. In Gedanken schon bei der Kleiderwahl für den heutigen Tag, fiel ihr Blick auf den gesiegelten Brief, der auf dem Pult lag und an einen Flavier adressiert war, der sich gegenwärtig in Mantua aufhielt. Epicharis lächelte und schwang dann die Beine aus dem Bett.

  • Natürlich holte Dhara die Informationen, doch hilfsreich waren sie nciht besonders. Es gab keine festen Zeiten...Man solle nach GEFÜHL gehen! Dhara konnte nur müde lächeln. Gefühl! Nun gut. Das wird sie schon irgendwie kriegen. Das Waschen und sanfte Maske aus der Hälfte des Pfirsichs, welche sie zuerst von allen Fusseln gereinigt, das Fruchtfleisch ausgepresst und auf ihr Gesicht gelegt hat. Sie wird Honig und Mandelöl brauchen. Nun, es scheint so, dass die Köchin so eine Creme dringend braucht, also wird Dhara an Zutaten nicht fehlen. Dhara stand seit bestimmt zwei Stunden vor den geschlossenen Türen... hat sie eine Bewegung gehört? Sie klopfte an die Tür.

  • Zuerst wandte Epicharis den Kopf, dann strich sie ihr Haar zurück und bat den Klopfenden herein. Wenn es Dhara war, so war sie wirklich gut. Nachdem die Sklavin eingetreten war, bestätigte sich Epicharis' Vermutung, es sei Dhara gewesen, und die Claudierin lächelte erfreut.
    "Guten Morgen, Dhara. Du kommst gerade richtig."


    Epicharis fuhr mit den Fingern über das weiße Nachthemd, das sie zum Schlafen trug, und sah der Sklavin entgegen.
    "Hat man dir gezeigt, wo sich alles befindet, und konntest du dich frischmachen?"


    Vermutlich hatte sie auch schon die anderen kennengelernt, dachte Epicharis bei sich. Bei Assindius war sie vermutlich erschrocken einen Schritt rückwärts gegangen, und Aintzane hatte sie ja in ihrem Beisein schon gesehen. Jetzt war Epicharis gespannt, was Dhara als nächstes tun würde, und ob sie wirklich Erfahrung darin hatte, eine Patrizierin gesellschaftsfähig zu machen, wie sie gesagt hatte. Interessehalber fragte sie nach:
    "Bei wie vielen Herren warst du vor mir, und wie waren sie so?"

  • Herrin, Dhara grüßt dich. Es wird heute ein wunderschöner, aber auch windiger Tag sein, so hörte ich Bedienstete reden.


    Dhara machte die Tür zu und trat zum Bett. Sie war die Ruhe selbst, sogar ein wenig unheimlich. Doch die erste Frage galt schon deswegen als beantwortet, weil man sah, dass Dharas Gesicht sauber und leicht nach Pfirsich roch, ihre Zähne, die nur beim Sprechen gezeigt wurden, waren schneeweiß und gerade. Sie trug zwar eine abscheuliche Tunika, die zu groß für sie war und ihre Figur noch kleiner und zierlicher machte. Sie saß sackartig und man sah Dhara an, dass sie unglücklich mit dieser Tatsache war, weil das war das erste Mal, dass Dhara verlegen blickte, als sie den Blick von ihrer Herrin bemerkte.


    Meine Herrin, du wirst Dhara am Anfang helfen müssen. Ich kenne deine Gewohnheiten und deinen Geschmack nicht. Man sagte mir, du magst helle Farben...aber ich möchte es aus deinem Munde hören. Den Krug mit frischem Wasser habe ich vor der Tür stehen gelassen. Wenn du dich waschen willst, so befehle mir und ich hole es.


    Interessanterweise ging Dhara auf diese Frage, wieviel Herren oder Herinnen sie hatte, überhaupt nicht ein, als ob diese Frage nicht existierte und in den Raum gestellt wurde.


    Euer Haar ist wunderschön, meine Herrin. Dhara wird es ein Vergnügen, dein Haar zu bürsten.


    Dann schwieg sie und wartete auf die Befehle. Eigentlich wußte sie nicht so recht, was und wie sie bei Epicharis vorgehen sollte. Also wartete sie auch auf die kleine Hilfe in Form von Anweisungen. Ihre Lippen lächeln höflich, wie immer.

  • Epicharis lächelte. Das war ja ein schöner Einstieg in den Tag, gleich mit dem Wetter informiert zu werden, das sich hinter den dichten Vorhängen vor dem Fenster verschanzt hatte. Die Claudiern merkte, während sie gut gelaunt mit den Füßen wippte, dass Dhara beinahe strahlte, also erübrigte sich ihre Frage nach deren Befinden wohl oder übel. Einzig die Tunika passte keinesfalls ins Gesamtbild, aber daran würde Epicharis gleich heute etwas ändern, denn Dhara sollte schon angemessen gekleidet sein. Dieser Beschluss konnte der orientalischen Sklavin auch nur recht sein, denn sie wirkte ohnehin leicht schamerfüllt, als sie Epicharis' prüfenden Blick auf die Tunika bemerkte. Sicherlich hatte sie sich bereits mit den anderen kurzgeschlossen, was ihre Worte bestätigten.


    "Ja, das stimmt. Helle, zarte Farben wirken luftig und sind darüberhinaus gerade modisch. Die verschiedenen Grüntöne sind meine Lieblingsfarben, aber Elfenbein und Bordeaux mag ich auch. Sicherlich wierden wir uns zu Anfang arrangieren müssen, das soll aber nicht das Problem sein", sagte Epicharis.
    "Ich stehe morgens meist um diese Zeit auf. Du wirst mir dann beim Waschen, Einkleiden und Schminken helfen, was in der Regel zwei Stunden und bei einer gesellschaftlichen Verpflichtung meist etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt."


    Epicharis erhob sich und tappte baren Fußes durch den Raum, das Kompliment bezüglich der Haare mit einem freudigen Lächeln entgegen nehmend.
    "Ich danke dir, allerdings wurden sie schon lang nicht mehr mit Stutenmilch gepflegt. Du kommst doch aus Babylon, Dhara, was machen die Frauen dort, damit ihre Haare geschmeidig sind und glänzen? Du kannst dann auch das Wasser holen. Ah, und meine Frage bezüglich deiner vorigen Herren hast du noch nicht beantwortet."


    Die Claudierin schmunzelte, ihr war es keineswegs entgangen, dass Dhara augenscheinlich nicht darüber sprechen wollte. Sie setzte sich vor die Kommoda und wartete darauf, dass Dhara die Sonne und frische Luft hereinlassen würde und damit begann, sie zu waschen. Zuerst Gesicht, dann den nackten Körper, wie Epicharis es jeden Morgen über sich ergehen ließ.

  • Die neue Tunika war Dhara mehr als genehm. Sie schämte sich tatsächlich und würde besser nackt laufen. Zuerst packte sie aber mit beiden Händen die schweren Vorhänge und ließ die Sonne rein. Wie sie es gewöhnlich machte, verneigte sie sich der Sonne und ihre tausenden kleinen Zöpfe fallen über den Rücken wie die Schlangen.


    Möge die Sonne die Erde erwärmen, unsere Herzen und unsere Seelen


    flüsterte Dhara voller Ehrfurcht.


    Grün wird mir gut stehen, rot aber auch - dachte sie und nickte nur der Herrin, in ihre eigenen Gedanken vertieft, doch nicht unaufmerksam.


    Stutenmilch sit sehr gut für das Haar, besonders gemischt mit den frischen Eiern und Pfirsichkernöl. Ich kann so eine Haarkur für dich vorbereiten. Es macht nicht so viel Arbeit. Ich brauche nur die richtigen Zutaten und die Zeit. Auch eine Creme aus Honig, Mandelöl und ...


    Dhara lächelte und dachte, dass die Herrin nicht alle Zutaten wissen soll.

    Deine Haut wird strahlen. Frisieren kann ich, Herrin. Magst du eher mit großen Locken oder doch strenger und nur ein paar Strähnen frei?


    Dhara schweigt immer noch zu dieser Frage nach ihren ehemaligen Herren. Stattdessen bringt sie ein großesTuch zum Abtrocknen und wickelt Epicharis darein.

  • Verwundert betrachtete Epicharis das seltsame Ritual, das die Sklavin auszuführen schien. Es kam ihr fremdartig vor, sich ehrfürchtig vor der Sonne zu verbeugen und damit der Himmelsscheibe zu huldigen. Vielleicht waren die babylonischen Gottheiten Gestirne? Das wiederum fand Epicharis interessant, wenngleich es auch niemand mit den wahren römischen Göttern aufnehmen konnte, nicht einmal diese Sekte, die sich in Ostia niedergelassen und dort sogar einen Tempel gebaut hatte.


    "Dhara, warum verneugst du dich vor der Sonne?" fragte Epicharis daher interessiert und mit schräg gelegtem Kopf, während sie gewaschen wurde. Auch faszinierte sie Dharas Wissen über die verschiedenen kosmetischen Dinge. Sie schien ein wahrer Glücksgriff gewesen zu sein, was die Claudierin natürlich freute.


    "Du wirst die Zeit dafür bekommen, Dhara. Du weißt recht viel über Kosmetik, nicht? Man sieht es deiner Haut an, sie wirkt samtig", lobte sie und berührte Dhara kurz am Arm, um ihren Eindruck bestätigen zu können. Die Haut der Sklavin war tatsächlich samtweich und rosig-frisch, und Epicharis lächelte ob der Aussicht, dass sie auch bald so weich sein würde. Während Dhara sie einwickelte, und abtrocknete, sagte Epicharis: "Ich überlasse dir heute meine Frisur. Tu mit den Haaren, was dir gefällt. Ich bin mir sicher, es wird hübsch aussehen. Ach und Dhara: Ich wiederhole meine Fragen nicht gern. Ehe du nun wieder ablenkst, möchte ich etwas über deine vorigen Herren wissen", fügte sie leicht tadelnd hinzu. Ihr rutschte zwar nur selten die Hand aus, und sicherlich nicht bei dieser Banalität, aber Fragen wiederholen zu müssen, missbilligte Epicharis durchaus.

  • Dhara lächelte, als sie diese Frage über die Sonne hörte.


    Herrin, es ist..einfach so, weil ich mich über die Wärme, über die Liebe und über das Leben, was Sonne uns schenkt, einfach freue. Es ist weder ein Kult noch üblich...Als ich ungefähr neun war...


    Dhara stellt sich hinter ihrer Herrin und beginnt sie zu frisieren, der Kamm nach links, dann nach rechts, dann mitte frisieren....die Bewegungen sind monoton, der Kamm gleitet von einer Seite zur anderen, das Haar wird geluftet. Dhara hebt ihre Hand hoch und läßt das Haar vom Kamm fallen.


    ..war ich einer Priesterin gegenüber ungehorsam, also wurde ich zur Strafe für 5 Tage in einen Keller gesperrt. Als ich dann wieder die Sonne sah, war das für mich ein Wunder. Es war alles verändert um mich. Die Erde bekam eine andere Farbe, das Wasser war nicht mehr blau sondern blau mit goldenen Streifen. Seit der Zeit ist die Sonne für mich... ALLES! Ich versuche so lange wach bleiben, um der Sonne "Vale" zu sagen. Und ich stehe früh, um sie zu begrüßen. Manchmal...


    Dhara legte ihre Hand auf Epicharis Kopf und teilte das Haar


    ... denke ich, wenn ich es nicht tue, so wird die Sonne nicht aufgehen!


    Nun lachte sie dazu und teilte eine Hälfte wieder in zwei Teile. Dann kamen verschiedene Nadeln und Hilfsgegenstände, um das Haar verkreutzt festzumachen. Ein paar Strähnen ließ Dhara frei die Schläfen hinunter kräuseln. Der Nacken blieb frei, die verkreuzten Haarteile hielten die Frisur und zogen das Haar streng und glatt, um dann in eine lockige Pracht zu enden. Das hat ziemlich lange gedauert. Und während dieser Prozedur erzählte Dhara weiter.


    Im Tempel haben wir fast alles selbst gemacht. Die Haut ist der Spiegel. Also lernte ich auch die Haut zu pflegen. Besonders gut ist für die Pflege Mandel oder TRaubenkernöl. Das ist die Basis für fast alle Cremes. Herrin, wenn ...wenn du es willst, wird Dhara ein paar Töpchen zusammenstellen, aber dafür brauche ich Ruhe und Platz. In den Sklavenquartieren ist es kaum möglich. Manche Cremes brauchen das ständige Rühren.


    Alles, was Dhara wollte, war ihr eigenes Zimmer, also verband sie da gute mit dem Nützlichen und nutzte die Gerlegenheit der Stunde.


    Und die Herren... meine Herrin, es gab nur zwei Herrinnen über Dhara. Amessis und Du.


    Sie legte den letzten Schliff auf die Frisur und wartete auf das Urteil.

  • Während Epicharis sich herrichten ließ, lauschte sie aufmerksam den Worten ihrer Sklavin, blickte sie ab und an durch den Spiegel an und bewunderte die Leichtigkeit, mit der sie Epicharis' Haare bändigte und zu einer hübschen Frisur zusammensteckte. Sie verstand nicht recht, dass eine Priesterin das Recht hatte, eine fremde Sklavin tagelang in einen finsteren Keller zu sperren. Andererseits war sie über die Gepflogenheiten im Orient nicht sonderlich gut informiert, und vielleicht war das, was hier nicht gegeben war, dort erlaubt? Dennoch konnte die Claudierin der Beschreibung Dharas mühelos folgen und verstand sie sogar in ihren Beweggründen.


    "Du hast recht. Die Sonne ist wunderbar. Allein das Gefühl, wenn du im Garten sitzt und sie dir warm dein Gesicht umschmeichelt... das tut unbeschreiblich gut. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Götter selbst ihr befehligen, den Menschen Gutes zu tun. Immer dann, wenn sie unbehelligt scheint und nicht von Wolken verdeckt wird", bestätigte Epicharis und folgte Dharas Kämmbewegungen mit den Augen. Sie selbst hätte mindestens drei weitere Hände gebraucht, um dieserart geschickt zu hantieren und dabei noch lässig auszusehen. Nicht ein einziges Mal tat das Lösen eines Haarknotens weh. Dhara war entweder sehr geübt oder ein Naturtalent, beschloss Epicharis im Stillen. Die Bestätigung folgte auf dem Fuße.


    "Oh, erzähl mir doch bitte mehr über diesen Tempel. War deine vorige Herrin Priesterin? Du wirst genügend Zeit und Raum für das Mischen der Cremes und Tinkturen bekommen, Dhara. Es klingt ganz so, als würde dir das Spaß machen, und warum nicht einmal das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden? Ich möchte allerdings bezweifeln, dass wir alle nötigen Zutaten im Hause haben. Was hältst du davon, wenn wir die Sachen gleich einkaufen, wenn wir dir etwas Ordentliches zum Anziehen besorgen? In dieser Tunika kannst du dich unmöglich wohlfühlen, und sie ist auch ganz und gar nicht angemessen für meine Leibsklavin. ich habe heute Vormittag noch nichts vor, also würde ich die Einkäufe gern gleich heute erledigen. Nach dem Frühstück, versteht sich, und wenn ich fertig bin."


    Wenige Augenblicke später betrachtete Epicharis ihre Haarpracht im Spiegel. Anerkennend nickte sie. Nun fehlte noch die Schminke, und auch da war sie gespannt, was Dhara auf Lager hatte.


    "Sehr schön, Dhara. Das hast du gut gemacht. Ich würde heute gern eine luftige Tunika tragen, lindgrün mit goldenen Stickereien und einer weißen Palla. Berücksichtige dies doch bitte beim Einschminken", bat sie.

  • Dhara lächelte milde, als dieser Schwall von Fragen sie übermannte.


    Herrin, bitte, nicht so schnell. Du hast Dhara gekauft und die Zeit spielt keine Rolle. Erlaube mir, dich um Geduld zu bitten. Tempel... das ist die ganze Stadt in der Stadt. Riesengroß! und jeder ist willkommen. Als ich 7 war, nahm mich die Hohenpriesterin zur Ausbildung zu sich und seit dieser Zeit diente ich ihr und lernte von ihr.


    Ihre Hände massierten leicht den Nacken und die Schulter von Epicharis.


    Es ist unmöglich, die Schönheit und die Erhabenheit des Tempels in der Hauptstadt mit den Worten zu beschreiben. Man muß es sehen. Sie hohen Mauer, das große Tor, die Fresken.. die prächtigen Prozessionen... Bald werden die Ziegen gemolken, die Jungen gebahren, die Kessel werden auf das Feuer gestellt und die Milch gekocht und dann abgekühlt... die kleinen Zieglein werden dort gebadet und dann... die Bäume mit diesem Milch bestrichen... Alle singen und tanzen... der Frühling ist da...


    Dharas Stimme offenbarte ihre Sehnsucht, ihre sanfte Liebe zu ihrer Heimat.


    Herrin, verzeih, aber ich kann es nicht... dir zu erzählen. Es tut zu sehr weh. vielleicht später, wenn dieser Schmerz verblaßt und ich hier neben deinen Füssen meine Heimat finde.


    Dharas Tränen fielen auf ihre Unterarme, benetzen ihre Händerücken, bis sie mit der rechten Hand die Augen leicht rieb und leicht schniefte.


    Verzeih nochmals, Dhara wollte dein Gemüt nicht erschweren.


    Plötzlich änderte ihre Stimmlage und lecht neckisch kamen die ironischen Töne heraus.


    Und die Herrin hat völlig Recht. Diese Tunika ist unmöglich, es sei denn, dass die Herrin neben sich eine hässliche Sklavin dulden will.


    Insgeheim freute sie über ein kleines Zimmerchen, welches ihr versprochen wurde.

  • Epicharis lächelte nur milde ob der Bitte ihrer Sklavin. Geduld hatte sie wohl, doch nicht übermäßig und auch nicht sehr viel gegenüber einer Sklavin, die noch dazu neu war. Doch vorerst wollte die Claudierin sich anhören, was Dhara sonst zu berichten hatte. Sie konnte sich nicht recht vorstellen, was Dhara mit 'Stadt in der Stadt' meinte. Vielleicht etwas wie die Suburba? Noch während die Sklavin sprach und vieles versuchte, anschaulich darzustellen, schloss Epicharis träge die Augen und genoss die ungewohnte Massage von weichen Händen am Morgen. Insgeheim neidete sie Dhara die Pfirsichhaut. Sie würde unbedingt dafür sorgen müssen, dass die Sklavin ihr diese Tinkturen, Salben und Cremes mischte.


    Die Hohen Mauern, die verzierten Tore und die prächtigen Fresken, von denen Dhara schwärmte, erschienen hinter Epicharis' Stirn. Alles ward beschienen von der Sonne und erfüllt von regem Treiben, sie sah auch die Zicklien und wie man sie wusch und in der Milch badete. Bunte Bänder flatterten in sanfter Frühlingsbrise und die kraftspendende Sonne beschien alles mit ihren wonnigen Strahlen. Dhara hielt plötzlich inne, und Epicharis öffnete einen Moment später die Augen und sah ihr Spiegelbild an. Fort waren fremdartige Gebäude und die orientalischen Klänge, die sie gemeint hatte zu hören. Epicharis blinzelte einige Male und betrachtete dann mit einem Stirnrunzeln Dharas Gesicht im Spiegel. Sie wirkte schmerzerfüllt und unglücklich.


    "Warum bestreicht man die Bäume mit der Milch?" stellte sie die Frage geradeheraus und betrachtete Dhara wartend. Es kam zwar oft vor, dass Epicharis Mitleid irgendwem oder irgendwas gegenüber zeigte, doch waren es äußerst selten Sklaven, zumal die claudischen Sklaven allesamt gut behandelt und nur dann bestraft wurden, wenn sie etwas wirklich schlimmes ausgefressen hatten. Dass Dhara nun weinte, rief irgendwo tief in Epicharis' Innerem jedenfalls das Gefühl von Mitleid wach, und die Claudierin seufzte kurz und runzelte die Stirn. Sie verharrte noch einen winzigen Moment, dann rutschte sie auf ihrem Stuhl herum, sodass sie Dhara selbst ansehen konnte und dafür nicht den Spiegel nutzen musste.


    "Dhara, höre mir einmal zu. Du bist meine Leibsklavin, auch wenn man es dir noch nicht ansehen mag, was ich gewiss heute zu ändern gedenke. Dennoch bist du die Sklavin, die jeden Tag aufs neue an meiner Seite sein wird. Du wirst bald Dinge über mich wissen, die nicht einmal mein Vater weiß, du wirst besser über meine Lebensart Bescheid wissen als es mein zukünftiger Ehemann tun wird - weil du meine Leibsklavin sein wirst. Mit dir werde ich Freude teilen, wenn ich glücklich bin, und Trauer, wenn mich etwas bedrückt. Du wirst Sklavin und auch Freundin zugleich sein, wirst später meine Kinder betreuen, als wären es die deinen und nicht leiden müssen, weil du meine Leibsklavin bist und nicht die einer anderen Frau."


    Epicharis hielt inne und sah Dhara eindringlich an. Ein kurzes Lächeln umspielte ihre Lippen.


    "Ich verstehe, dass dich die Erinnerung an Vergangenes bedrückt. Auch mich bedrückt der Gedanke an jene Tage, da ich jung war und oft bei meiner Tante in Hispania sein konnte. Doch diese Zeiten sind vorbei und ich weine ihnen nicht nach, sondern versuche, sie in meiner Erinnerung zu wahren und niemals zu vergessen. Es begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben, weil der vorige mit dem Tod dieser Tante endete. Ich muss es respektieren, und so musst du respektieren, dass du nun eine claudische Sklavin bist, der einst die Freiheit offenstehen wird. Und wenn du dich dann noch an deine Heimat erinnerst, so hält dich nichts mehr hier in Rom außer vielleicht deiner Loyalität, Dhara."


    Draußen sang ein Vogel sein einsames Lied, als Epicharis kurz pausierte. Die Sklavin befand sich nicht einmal vierundzwanzig Stunden im Haus, deswegen konnte sich die Claudierin auch nicht sicher sein, dass Dhara nicht etwas Dummes unternehmen würde. Dies war auch der Grund, aus dem sie der Sklavin noch nichts davon erzählt hatte, dass diese wie jeder Leibsklave ihre eigene Kammer erhalten würde, sobald Epicharis sich Dharas Loyalität sicher war. Die Kammer befand sich nur wenige Schritte von Epicharis' Schlafgemacht entfernt direkt daneben, damit die Sklavin zu jeder Tages- und Nachtzeit würde bereit sein können, wenn Epicharis sie brauchte. Doch vorerst schwieg sich Epicharis noch darüber aus, sie wollte noch einige Zeit ins Land streichen lassen, ehe sie davon erzählte und sie Dhara gestattete, so nah bei ihr zu sein, wenn sie arglos schlief. Epicharis seufzte tief und setzte ein fröhliches Gesicht auf.


    "So! Und nun werde ich frühstücken und dann können wir los. Die Frühjahrsmode besteht dieses Jahr aus hellen und luftigen Farben, da finden wir sicherlich etwas, das dich kleidet. Während ich frühstücke, könntest du schon eine kleine Liste erstellen, was du für Zutaten für diese Tinkturen und so weiter brauchst. In Ordnung?"

  • In Ordnung, Herrin. Ich danke dir für deine Worte und du wirst mit deiner Sklavin zufrieden sein.


    Das Bild der geröteten Augen versetzte sie ins Entsetzen und Epicharis sah diese Eitelkeit in Dhara, diesen Wunsch gut aussehen, würdig. Egal aus welchem Grund, aber das war nützlich und vor allem ein Druckmittel.


    Die Milch ist das Symbol der Wiederkehr. Ein Zyklus. Geburt und Natur. Mann weckt damit die Kräfte, die Ishtar, die in der Unterwelt darauf wartet, freigelassen zu werden. Mehr weiß ich davon nicht.


    Und die Zutaten sind schnell aufgelistet, meine Herrin. Es sind meistens Säfte und Fruchtfleisch von Obst, Honig... ich mache die Liste, meine Herrin.


    Dhara verstummte unter dem Blick von Epicharis.


    Erlaube bitte mir zu sagen, dass ich nie dein Vertrauen verletzen werde.


    Ihre Gedanken verbarg sie hinter den dichten Wimpern. Sie wußte sehr wohl, was das heißt, eine Sklavin zu sein. Diese Epicharis.. sie muß versuchen, das beste aus dieser Situation zu machen. Also lächeln...lächeln und mehr Geheimnisse kennen, als lieb ist. Dhara blickte in den Spiegel und war mit ihrem demütigen Gesichtsausdruck sichtlich zufrieden. Dass Dhara die Geheimnisse für sich behält, hat sie schon bewiesen...

  • Zurieden schürzte Epicharis die Lippen und nickte unmerklich. Dhara schien nicht mehr so traurig zu sein, von einem auf den anderen Moment, also waren hier keine einfühlsamen Worte mehr vonnöten. So hatte sie Zeit, einen Moment über die Worte der Sklavin bezüglich der Milch nachzudenken. In Ägypten badete man in Eselsmilch, vielleicht glaubten die Ägypter auch, dass Milch ein Symbol der Geburt und Erneuerung war? Das wrde auch erklären, warum sie dir Haut weich und zart machte. Epicharis fragte sich, ob die borkige Rinde eines alten Baumes auch ihre Runzeln verlor, wenn man sie mit geweihter Milch bestrich. Doch Dharas Bekenntnis lenkte sie von diesem Gedanken fort und ließ sie die orientalische Sklaven verwundert anschauen. Hatte sie Gedanken gelesen?


    "Das freut mich, Dhara. Wirklich", entgegnete Epicharis und lächelte kurz, dann erhob sie sich.
    "Dann stelle du doch bitte eine Liste zusammen, während ich frühstücke. Ich werde nach dir schicken lassen und dann können wir zum Markt."


    Epicharis ging davon aus, dass die Sklavin selbst schon etwas gegegssen hatte. Und so verließ sie das Cubiculum und suchte das Triclinium auf, wo für gewohnlich das Frühstück aufgetragen wurde. Später würden sie dann auf die Märkte gehen, um Dhara einzurichten.

  • Wie ihr befohlen war, eilte Kassandra auf dem Weg den ihr ein Sklave gezeigt hatte zu dem Cubiculum ihrer neuen Herrin. Der Regen war zwar nur ein unzureichender Ersatz für ein richtiges Bad gewesen, aber zumindest trug Kassandra nun ein frisches Kleid und sah nicht mehr so schmutzig und heruntergekommen aus.


    Sie fühlte sich jedenfalls ein wenig besser, als sie durch die noch unbekannte Villa ging und sich dabei ein wenig umsah. Schließlich erreichte sie die Tür, die ihr genannt worden war und klopfte leise an.
    Nichts geschah ... Kassandra horchte an der Tür ... vielleicht hatte sie auch nur zu zaghhaft geklopft. Wieder versuchte sie es und pochte ein weiteres Mal an die Tür.


    Herrin ? ... ich bin es, Kassandra ... Rief sie dabei und wartete, bis ihr die Erlaubnis einzutreten erteilt wurde.

  • Direkt nachdem sie hier angekommen waren, hatte Epicharis sich zurückgezogen, um einen Brief zu verfassen. Sie hatte eine halbe Ewigkeit nichts mehr von Helena gehört, wusste nur, dass sie inzwischen mit Deandra und Corvinus in Germanien war. Doch ehe sie einen Bogen Pergament hervorziehen und loslegen konnte, fiel ihr ein, dass sie auch noch ihren Vater vom Besuch des Decimers benachrichtigen sollte, ehe ihnen die Wasserzufuhr abgedreht werden würde. So beschloss sie, zuerst einen Brief an ihren Vater zu senden.


    Sie schrieb gerade die Grußformel, als es das erste Mal klopfte. Epicharis hörte es, antwortete allerdings erst, als sie ihren Namen unter den Text gesetzt hatte. Derweil hatte es bereits ein zweites Mal geklopft. Nun rief sie "Komm nur heiren!" während sie über die Tinte blies und darauf wartete, dass sie trocknete, um das Pergament zusammenrollen und siegeln zu können.


    "Das ging aber schnell. Setz dich bitte", sagte Epicharis und deutete auf einen der noch freien zwei Stühle im Raum. "Ich möchte mit dir über deine Aufgaben hier im Hause sprechen, aber damit ich mir zuerst einmal ein Bild von dir machen kann, wüsste ich gern etwas von deiner Vergangenheit. Bei wie vielen Herren hast du zuvor gedient und wie wurdest du behandelt?"

  • Beim Eintreten sah Kassandra, wie Epicharis gerade einen Brief versiegelte und ging daher leise und stumm zu dem ihr zugewiesenen Stuhl. Ihre innere Anspannung und Nervosität war deutlich zu erkennen, denn sie setzte sich steif und aufrecht auf die vordere Kante das Stuhles. Beide Hände ruhten gefaltet in ihrem Schoß und die Finger zitterten leicht. Es war eben alles noch völlig neu und ungewohnt für Kassandra und sie hatte große Angst Fehler zu machen und dafür bestraft zu werden.


    Bei wievielen Herren ich gedient habe ...? wiederholte sie die Frage leise. Anscheinend war Epicharis davon ausgegangen, dass sie eine erfahrene Dienerin gekauft hatte. Kassandras Angst, dass sie nun die Erwartungen nicht erfüllen könnte wuchs noch mehr. Trotzdem würde sie es nie wagen zu lügen. Sie holte tief Luft, schaute dabei auf ihre Hände und begann von ihrer Vergangenheit zu erzählen.


    Ich ... ich ... habe noch keiner Herrschaft gedient, bis heute. die ersten Worte kamen sehr zögerlich und kurz blickte sie zu ihrer Herrin auf. ... aber ich kann viel ! Meine Eltern haben mir alles beigebracht. fügte sie schnell hinzu, um dann eine kurze Pause zu machen. Doch Epicharis schien ihr weiter zu zu hören und so sprach sie weiter.


    Ich bin die Tochter einfacher Bauern aus Zypern. Meine Eltern haben ein wenig Land in der Nähe von Paphos, das sie bestellen. Bis vor wenigen Wochen lebte ich noch dort zusammen mit meinen vier Brüdern. wieder waren die Erinnerungen an das Erlebte da als wäre es gestern gewesen. Die Ernte war dieses Jahr nicht besonders gut und so konnte mein Vater nicht die geforderten Abgaben bezahlen. Da haben mich die römischen Steuereintreiber einfach mitgenommen. Sie hatten mir nur gesagt, dass ich von nun an dem römischen Staat gehöre und ich als Sklavin in Rom verkauft werde.
    Wieder machte Kassandra eine Pause. Sie hatte versucht nur das Nötigste zu erzählen. Erstaunlicherweise war sie dabei nicht in Tränen ausgebrochen. Und das war gut so, denn sie wollte keinesfalls, dass es so aussehe als würde sie Mitleid erregen wollen.


    Alles was ich kann, haben mir meine Eltern beigebracht. nun klingt ihre Stimme sogar ein bischen stolz. Ich kann nähen, kochen, alles das was in einem Haushalt anfällt. Auch weiss ich von meinem Vater, wie man das Land bestellt und Tiere hütet. nun werden ihre Augen doch etwas feucht, als sie die Gesichter ihrer Eltern und Geschwister im Geiste vor sich sieht. Und ich kann lesen, schreiben und rechnen ... auch in Latein. Meine Eltern wollten immer, dass ich einmal einen besonders guten Ehemann bekomme. Dafür schickten sie mich zur Schule und liesen mich auch all die Dinge lernen, die sonst nur Töchtern reicher Gutsherren vorbehalten war.


    Wieder blickte sie zu Epicharis auf und um ihr zu zeigen, dass sie nicht mit ihrem Schickssal hadern sondern sich Mühe geben wollte, endete sie mit den Worten. Herrin ! ... meine Eltern lehrten mir aber auch Demut und Gehorsam. Ich lerne schnell und will Euch eine folgsame und treue Dienerin sein.

  • Das hätte Epicharis widerum nicht vermutet, denn Kassandra schien eigentlich sehr routiniert zu sein, was das Sklavendasein anbelangte. Während die blonde Sklavin erzählte, betrachtete Epicharis sie sehr aufmerksam und studierte ihre Körperhaltung. Was die Geschichte anging, der sie lauschte, so war Epicharis zum größten Teil eines: Froh, dass ihr nie, niemals so etwas passieren konnte. Dennoch unterbrach sie die junge Frau kein einziges Mal, sondern ließ sie alles in einem fort erzählen. Als Kassandra wieder aufsah und er Claudierin versichterte, dass sie eine gute Sklavin sein würde, konnte Epicharis nicht anders und musste lächeln.


    "Das ist ein ungewöhnlicher Werdegang, Kassandra. Ich nehme an, es wird kaum Wert für dich haben, wenn ich dir sage, dass mir die Umstände leid tun, die zu deiner Gefangennahme führten. Immerhin bin ich diejenige, die dich erworben und damit auch eine Teilschuld daran hat, dass du deine Heimat eine lange Zeit nicht mehr wiedersehen wirst."


    Epicharis schwieg einen Moment, um Kassandra eingehend zu mustern und ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Nach wenigen Augenblicken sprach sie weiter.


    "Ich will dir nun sagen, was ich für Erwartungen habe. Ich verlange Gehorsam, aber keine Akrobatik, mit der du dich derart verrenkst, dass du nicht mehr du selbst bist. Wenn ich dich um Rat frage, möchte ich auch eben jenen hören und möchte nicht, dass du das sagst, was ich gern hätte. Dhara ist meine Leibsklavin. Als neue Sklavin wirst du ihr vorerst zur Hand gehen, wann immer es möglich ist, und die Dinge lernen, die sie beherrscht und welche ihre Aufgaben sind, sofern du sie noch nicht kannst. Ich sagte es ihr und ich sage es nun auch dir, Kassandra, als Leibsklaven genießt ihr beiden einen besonderen Status innerhalb der Sklavenschaft. Ihr beide bekommt besseres Essen, werdet bevorzugt behandelt und mir früher oder später vielleicht sogar Freundinnen sein. Dennoch gibt es auch Strafen. Berichtet man mir, dass du fliehst oder meine Ehre oder die meiner Familie in den Schmutz ziehen, wirst du bestraft werden. Ich erwarte außerdem, dass du anderen gegenüber freundlich bist, solange es keine direkte Anweisung von mir gibt, es nicht zu sein. Da du meine Sklavin bist, wirst du auch von mir geschützt werden, sollte es nötig sein. Meine Sklaven beispielsweise werden von niemand anderem außer mir bestraft, sollte es nötig sein."


    Epicharis hielt kurz inne und lächelte dann erneut. "Das war nun viel auf einmal und nicht alles war angenehm. Hast du denn Fragen, Kassandra? Du sollst wissen, dass ich mich gern unterhalte. Und Fragen sind niemals schlecht, nur die Antworten können mangelhaft ausfallen, also geniere dich nicht."

  • Als sie geendet hatte, hielt sie unwillkürlich die Luft an um die Reaktion und die Antwort ihrer Herrin ab zu warten. Als Epicharis sie schließlich aufmunternd anlächelte und ihr ihre Anteilnahme zusprach war es doch so, als fiele eine schwere Last von ihrem Herzen. Ihr erster Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Epicharis war eine bestimmende, aber gerechte Herrin. Ungewollt lief nun doch eine Träne über ihre Wange, die sie jedoch schnell beiseite wischte. Herrin, Eure lieben Worte haben mehr Wert für mich, als Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt. Sie fühlte einfach, dass die Worte nicht einfach nur so daher gesagt, sondern wirklich aufrichtig gemeint waren. Ja es stimmt, ich werde vielleicht meine Heimat nie wieder sehen, aber dafür trifft Euch am wenigsten Schuld. Im Gegenteil ... nun weiss ich, dass mein Leben, welches die Götter mir vorher bestimmt haben, nicht völlig umsonst sein wird. Egal ob nun in meiner Heimat als freie Frau, oder hier als Eure Sklavin.


    Sie entspannte sich zusehends, atmete nun ruhiger und blickte Epicharis dabei dankbar an. Im Geiste prägte sie sich die Worte und Anweisungen ihrer Herrin genau ein und sie würde ihre Pflichten ohne Widerrede erfüllen, da war sie sich sicher. Dass sie darüber hinaus wie Dhara auch besondere Vorzüge geniessen sollte, hatte sie nie zu hoffen gewagt. Einzig der Gedanke an Dhara verunsicherte sie dabei ein wenig. Zu undurchschaubar waren deren Blicke gewesen um sicher sein zu können, dass Dhara sie als Freundin akzeptieren würde. Doch darüber wollte sie jetzt noch nicht weiter nachdenken.
    Nun lächelte sie zum ersten Mal seit langem wieder als sie weiter sprach. Ich werde bestimmt oft und viel fragen müssen, Herrin. gab sie etwas verlegen zu. aber ich werde alles tun, damit ihr stolz auf mich sein werdet. Am liebsten würde sie ihrer Herrin im Moment gar nicht mehr von der Seite weichen, fasste sie doch gerade so etwas wie Vertrauen zu ihr. Doch die einfachste Frage lag auf der Hand. Was soll ich nun tun Herrin ? ... soll ich gehen und Dhara helfen ... oder habt Ihr einen Wunsch, den ich erfüllen kann ?. Erwartungsvoll blickte sie ihre Herrin dabei an und hoffte, dass sie vielleicht hier noch gebraucht werde. Und während sie noch auf eine Antwort wartete, fiel ihr Blick wieder auf den Brief, den Epicharis immer noch in ihren Händen hielt. Plötzlich wusste sie, was sie so gerne noch gefragt hätte. Sie traute sich aber nicht diese Frage zu äußern und so verriet sie sich nur durch ihren Gesichtsausdruck, woran sie in diesem Moment voll Sehnsucht dachte .

  • Kassandra wirkte erleichtert, und Epicharis bemerkte dies gefällig. Es war stets leichter, wenn man Sklaven hatte, die sich mit ihgrem Los zufrieden gaben und versuchten, das beste aus der Situation zu machen. Kassandra schien sowohl auf den ersten als auch auf den zweiten Blick eine solche Sklavin zu sein. Und Epicharis wäre die letzte, die einer Sklavin die wohlverdiente Freiheit nicht gewähren würde, doch dessen schien sich Kassandra noch nicht klar zu sein, weswegen Epicharis sie aufklärte.
    "Kassandra, irgendwann wirst du mit meinem Segen heimkehren können. Dienst du gut, wird die Belohnung die Freiheit sein", sagte sie. Insgeheim dachte Epicharis noch an eine andere Art der Belohnung, die bei guter Führung sehr viel schneller kommen würde, doch soll diese Belohnung für gute Sklavendienste hier vorerst unerwähnt bleiben. Immerhin sollte sie eine Überraschung sein, die hoffentlich dazu führen würde, dass Kassandra es leichter hatte in der Villa. Wieder kam Epicharis in den Sinn, dass es keinesfalls selbstverständlich war, dass sie sich jedes Mal aufs Neue solche Mühe mit den Sklaven gab. Dennoch tat sie es, teils aus Mitleid, teils aus Eigennutz, denn zufriedene Sklaven waren besser als verängstigte.


    "Das macht rein gar nichts, wirklich. Du kennst dich hier in der Villa noch nicht aus und kennst auch meine Gepflogenheiten und Vorzüge noch nicht, aber das wirst du mit der Zeit schon lernen, da bin ich unbesorgt und du solltest es auch sein." Epicharis schmunzelte, als sie den erwartungsvollen Blick ihrer Sklavin sah und deren Tatendrang vernahm. Sie glaubte, dass Kassandra sich schnell einleben und mit den anderen Sklaven anfreunden würde. "Dhara dürfte gerade auf Nordwin warten und anschließend schönheitsfördernde Salben und Tinkturen mischen. Darin ist sie gut, das ist ihr Spezialgebiet, habe ich mir sagen lassen", erzählte Epicharis und zwinkerte Kassandra grinsend zu. "Bleib doch ruhig noch etwas bei mir. Sag, beherrscht du vielleicht ein Instrument? ich singe gern und würde mich freuen, wenn man mich begleitet. Nordwin ist bedauerlicherweise sehr unmusikalisch, Margarete hat es aufgegeben, ihm das Spielen der Fistula Obliqua (Querflöte) beibringen zu wollen. Vielleicht hättest du Gefallen daran, oder beherrscht du ein anderes Instrument?"

  • In dem Moment als Kassandra ihren Wunsch äußern wollte hörte sie, dass Epicharis ihr die Hoffnung auf Freiheit gab. Was ? ... aber die Männer, die mich holten..hatten doch gesagt, dass ich nie ... nie. .. wieder .... halb als Frage, halb als Feststellung stammelte sie fast unhörbar die Worte, weiter kam sie aber nicht. Epicharis würde sie nicht belügen, nein da war sie sich sicher. Sie drückte beide Hände auf ihr Gesicht, um ein Schluchzen zu unterdrücken. ich werde heimkehren können, irgendwann ... schoß es ihr nur durch den Kopf.


    Eigentlich wollte sie gerade darum bitten einen Brief schreiben zu dürfen. Einen einzigen Brief an ihre Eltern um Abschied zu nehmen, aber auch um ihrer Familie mitzuteilen, dass es ihr hier gut ergehen würde... und nun gab es doch die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Hastig wischte sie sich die Tränen weg. Entschuldigt Herrin, ich will nicht weinen. Sie schüttelte den Kopf um sich schnell wieder zu fangen.


    Sie war froh als ihre Herrin weiter sprach und mit jedem Wort das sie hörte trockneten ihre Tränen schneller. So wie Epicharis sich mit ihr unterhielt, schwanden ihre Ängste vor der Sklaverei, den Demütigungen und den Strafen zusehends. Vielleicht hatten sie die Soldaten absichtlich belogen, um sich über ihre Unwissenheit lustig zu machen. Vielleicht stimmte es aber auch und sie hatte nur das Gück, einer ganz besonderen Herrin zu gehören.


    Jedenfalls konnte sie wieder Kraft und Mut schöpfen. Und sie wollte Epicharis dafür ihre Treue und ihr Vertrauen schenken. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre Augen leuchten, als sie von der Vorliebe ihrer Herrin für Musik hörte. Bei uns zu Hause vertreiben wir uns die langen eintönigen Abende gerne mit Musik. viel Abwechslung gab es schließlich nicht auf einem Bauernhof und so saß man gern beisammen und musizierte miteinander. Ich spielte immer die Kithara, oder Lyra, während meine Mutter dazu sang ... und naja mein Vater und meine Brüder.... nun musste sie lachen ...versuchten eben so gut es ging, mit zu summen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!