Sella Curulis des Praetor Urbanus

  • Während ich den Text auf der Wachstafel las, bereitete sich ein Grinsen über meinem Gesicht aus.
    Da ist ja wirklich einer verliebt in seine Arbeit oder sollte ich sagen in seine Rachepläne. Für mich sieht es mittlerweile so aus, es geht nicht um diesen Verstoß gegen die Lex Mercatus sondern um den Ädil Flavius Scato. Wäre diese Dummheit sagen wir,
    jetzt überlegte ich kurz, denn so viele Senatoren oder sonstige hochrangige Bürger Roms kannte ich noch nicht, doch diesen Namen hatte ich in den Gerichtsakten gelesen und behalten,
    einem Marcus Iulius Dives passiert, würden die beiden keinen solchen Aufstand veranstalten. Sind wir doch mal ehrlich wer ist zu Schaden gekommen? Der Ädil Flavius Scato, er gab sein Geld für die Spenden aus. Gut er war für die Ordnungsgemäße Durchführung verantwortlich, aber ehrlich gesagt, wäre bei mir viel von den Nahrungsmittelspenden übrig geblieben, ich hätte es auch den Menschen gegeben die es dringend brauchten.
    Kann ich als Bürger Roms nicht mit meinem Vermögen machen was ich möchte. Wenn ich jetzt reich wäre und kein Amt inne hätte und anstreben würde und auf die Idee käme jeden Tag sagen wir für 100 Sesterzen Nahrungsmittel verteilen ließe, was würden geschehen? Die Menschen würden reden. Das Gerede gingen von, der ist verrückt geworden bis zu, was für ein großzügiger Mann. Würde ich mich deshalb strafbar machen?

    Ich hob die Wachstafel, die ich noch immer in meiner Hand hielt hoch und überflog sie kurz da war mir noch etwas beim Lesen in den Sinn gekommen. Aja da war es.
    Ich frage dich, warst du jemals, wenn nicht durch reinem Zufall, auf dem Forum und hast dort dem Orator Publicus gelauscht um Neuigkeiten oder wie es hier heißt News zu erfahren? Eher nicht oder? Wichtige Neuigkeiten erfährst du bestimmt, wie auch der Aedil, auf anderem Wege. Also warum muss man sich dort aufhalten und wenn nicht, wieso wird einem das als Vorwurf oder gar als fast strafbares Fehlverhalten ausgelegt?
    Abermals schaute ich auf die Tafel,
    dann hier dieser Satz, 'Zum Vorteil vom Spender C. Flavius Scato. Der damit über illegal lange Zeit sich vor dem Volk als Wohltäter präsentieren konnte.' Was für ein Vorteil konnte er sich jetzt noch verschaffen? Er war doch schon gewählt.
    Diese Anzeige von dem Freigelassenen Gaius Axianus Naso Hast du sie gesehen, wer hat sie gesehen, bei wem ist sie eingegangen?

    Langsam legte ich die Tafel zurück.
    Bleibt jetzt nur noch zu klären wie du ohne dass dein Ruf beschadet wird reagieren kannst?
    Fragen über Fragen dabei, fiel mir ein, ich war noch gar nicht dazu gekommen dem Praetor andere Beobachtungen mit zuteilen. Eine die vielleicht dieses Problem hier betraf und eine andere, die ganz Rom betraf.

  • "Zu Schaden ist keiner gekommen", bestätigte Menecrates. "Das ist ja das Unnütze an dieser Anzeige." Der Praetor hörte seinem Sekretär weiter zu und es belustigte ihn, was der sagte. Ein Grinsen entstand in seinem Gesicht, das nicht mehr verschwinden wollte. Menecrates lächelte selten und belustigt grinsen sahen ihn nur die Wenigsten. Diese Unterhaltung bot ihm aber den besten Ausgleich zu der soeben abgebrochenen Verhandlung. Sein Sekretär war nicht mit Gold zu bezahlen.


    "Sehr erfrischend, dir zuzuhören", gab Menecrates anschließend zu. "Tatsächlich sollte jeder mit seinem Vermögen machen können, was er will. Die einen sparen, die anderen wirtschaften, die nächsten verprassen und einzelne spenden. Ich bin mir nicht sicher, wohin die Senatsdebatten diesbezüglich führen, aber bisher darf jeder spenden, so oft er will und so viel er will. Unerklärlicherweise aber nicht, so lange er will. Das ist schon reichlich absurd."


    Warum auch immer Einschränkungen diesbezüglich gefordert wurden, Menecrates konnte den Sinn nicht erkennen.


    "Tja, wie kann ich reagieren?", wiederholte Menecrates die letzte Frage seines Sekretärs. Erst die für ihn nicht nachvollziehbaren Wünsche seiner Senatskollegen, dann die vorhin abgebrochene Verhandlung und jetzt noch die schriftliche Version einer Anzeige, die er bereits in dreimaliger Form mündlich vorgetragen bekommen hatte. Menecrates strich sich über die Stirn, aber er musste kopfschüttelnd schmunzeln. "Manchmal komme ich mir vor wie in einem Irrenhaus. Und weißt du, was ich mache?" Er grinste Faustus an, dann klärte er auf. "Ich geb dir den Auftrag, diese Tafel auf den Erledigt-Stapel zu legen."

  • Als ich meinen Prätor, gut es war nicht meiner aber im gewissen Sinne doch, schließlich war er mein Arbeitgeber. Also als ich ihn so grinsen sah, wusste ich nicht so genau was ich davon halten sollte. War das jetzt eher ein auslachen oder ein bemitleidendes Lachen, wegen meiner Einfältigkeit. Ich meinte aber nichts dergleichen zu erkennen, er schien mein Gerede als erfreuliche Abwechslung zu betrachten, was mich dann auch widrum erfreute. Seine Arbeit hier war schließlich anstrengend genug, wenn man so gewissenhaft arbeitete wie er.
    Der nächsten Ausführung von Claudius Menecrates hörte ich aufmerksam zu und murmelte vor mir her,
    so ein Blödsinn, ich darf nicht Spenden so lange ich will. Es ist aber doch mein Eigentum.
    Lauter meinte ich dann,
    wenn ich als mein ganzes Vermögen gleich verschenke stört es keinen? Wenn ich es aber aufsplitten und über einen gewissen Zeitraum hinaus verschenke stört es aber?
    Fremde Völker werden sagen wenn sie dies hören, „die spinnen die Römer“


    Sim-Off:

    sorry diese Anleihe von meinen Freunden, Asterix & Obelix, musste ich wenigstens einmal machen


    Den nächsten Auftrag, "Ich geb dir den Auftrag, diese Tafel auf den Erledigt-Stapel zu legen." führte ich mit einem zufriedenem Lächeln zu gerne aus.


    Ich müsste dir aber noch von einer Beobachtung berichten, die ich in den letzten Tagen machte. An den Wänden las ich seltsame Aufrufe. Ich glaube es braut sich etwas in der Stadt zusammen. Da stand geschrieben, moment ich schreibe es so wie ich es sah, damit du dir ein besseres Bild machen kannst. Entschuldige bitte ich brauche einen größeren Bogen Papyrus.
    So schrieb ich denn was ich gesehen hatte auf



    Wacht auf, Verdammte dieser Erde,
    die stets man noch zum Hungern zwingt!
    Das Recht wie Glut im Kraterherde
    nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
    Reinen Tisch macht mit dem Bedränger!
    Heer der Sklaven, wache auf!
    Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger
    Alles zu werden, strömt zuhauf!
    Es rettet uns kein höh'res Wesen,
    kein Gott, kein Kaiser noch Tribun

    Uns aus dem Elend zu erlösen
    können wir nur selber tun!
    Leeres Wort: des Armen Rechte,
    Leeres Wort: des Reichen Pflicht!
    Unmündig nennt man uns und Knechte,
    duldet die Schmach nun länger nicht!*



    [SIZE=4]*Die Internationaledeutschsprachige Nachdichtung Emil Luckhardt Jahr 1910.[/SIZE]


    Was hältst du davon?

  • Menecrates musste zugeben, die Spendensache noch nicht von Faustus‘ Seite aus betrachtet zu haben. Sein Sekretär hatte Recht: Sein Vermögen zu verschenken, ginge auf einmal, aber nicht, wenn es über einen vorgegebenen Zeitraum hinaus geschah. Sehr absurd, so wie es jetzt war und fraglich, ob eine Neuregelung besser sein würde.
    Er hakte das Thema ab und griff nach dem Papier, das Faustus nebenbei gefertigt hatte. Der Hinweis, etwas würde sich zusammenbrauen, machte ihn neugierig. Während er las, zogen sich seine Brauen zusammen. Schließlich senkte er das Papier.


    "Sehr schön, dass du so aufmerksam durch die Straßen gehst." Tja, was sollte er davon halten? Irgendwelche Möchtegernhelden wollten sich wichtigmachen. Hatten diese Sklaven nichts zu tun?
    "Ich weiß nicht. Ernst nehme ich diesen Aufruf nicht. Es geht über meine Vorstellung, dass claudische Sklaven solchen Aufrufen Beachtung schenken könnten. Sicherlich wird das anderen Sklaven in anderen Häusern ähnlich gehen. Ich weiß nicht, wer diese Wändezeichner sind, auch nicht wie viele. Ich denke, das sind nur einzelne Aufrührer."
    Er sah Faustus an, überlegte kurz, dann fragte er nach: "Weißt du mehr darüber?"


    Letztlich ging das gewohnte Leben als Amtsträger weiter und Menecrates musste planen.
    "Faustus, wir müssen noch die Planung für ein anstehendes Opfer besprechen. Am 12. August, dem Festtag des Hercules Invictus, muss ich als Praetor Urbanus das Herkulesopfer an der Ara Maxima zelebrieren. Ich würde dieses Mal gern einen Opferschlächter in Anspruch nehmen. Bislang habe ich die Opferungen immer selbst durchgeführt. Als Patrizier und während der Militärzeit lernt man zwangsläufig solche Handlungen auszuführen, aber wir sprechen dieses Mal von einem Stier und als Magistrat in weißer Toga hätte ich schon gerne entsprechende Unterstützung. Um das Opfertier und die Gaben kümmern sich andere. Übernimmst du bitte die Absprachen und sorgst dafür, dass sowohl ein Opferstecher als auch Helfer bereitstehen für die Betäubung oder den Sehnenschnitt, je nachdem."

  • „Weißt du mehr darüber?" Diese Frage hatte der Prätor mir gestellt.
    Nein darüber nicht, doch mir kam ein Gerücht in meinem Wohnviertel zu Ohren, vielleicht hängt es ja damit zusammen. Es soll schon einige morde in Rom gegeben haben, Das seltsame ist allen Toten hatte man ihre Siegelringe in den Mund gestopft. Die Cu ermittelt, leider noch immer an dem ersten Fall. Sie scheint nicht weiter zu kommen.
    Damit war das Thema abgehakt und Claudius Menecrates kam zu der nächsten anstehenden Aufgabe. Eine anstehende Opferung wie interessant, dass wäre meine erste große Opferung, an der ich in Rom teilnahm, aber nicht die erste. Ich hatte auch schon als Opferstecher fungiert.
    Gut ich werde mir den Ort anschauen und die nötigen Helfer besorgen,
    war meine kurze Antwort. In mir war sofort ein Plan entstanden. Ich gab dann doch noch eine Erklärung ab.
    Wie du weißt, ich wurde auf einem Gut groß. Ich lernte auch wie man Kühe und Stiere schlachtet. Mehr noch ich war auch schon Opferstecher.
    Jetzt benötige ich nur noch die Helfer.

  • Bei dem Wort 'Gerücht', schaltete Menecrates ab. Er hielt nichts von Tratsch, er wollte Tatsachen hören. Als dann jedoch die Sprache auf Siegelringe kam, horchte er wieder auf. Dieses Vorgehen besaß Symbolcharakter. Ein Gerücht wäre schwammiger gewesen.


    "Alle sagst du", erwiderte er nachdenklich. "DAS zeigt eine Handschrift und beinhaltet eine Aussage. Es gibt demnach eine Zielgruppe, was die Mörder kenntlich machen wollen." Wer zur Zielgruppe gehörte, musste er nicht erklären. Die Ringe legten es offen. "Dann muss ich mich wohl vorsehen", fügte er schelmisch an. Er besaß genug Liktoren, um sich sicher zu fühlen und an Sklaven als Kopf der Aktionen konnte er nicht recht glauben.


    "Lass uns lieber über die Opferung sprechen. Eine Opferung ist natürlich keine Schlachtung. Es gibt Regeln, alles muss ruhig verlaufen, damit das Opfer auch angenommen wird. Ich denke aber, das weißt du, wenn du schon einmal Opferstecher gewesen bist. Such dir kundige Helfer, solche die auch schon einmal Blut aufgefangen haben. Wobei...", ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf, "Pitholaus Plato besitzt einige Erfahrung. Ich kann ihn empfehlen. Sein Bruder vielleicht zum Halten des Stieres? Würde gehen.
    Ich nehme an, du kennst den Wortlaut bei der Opferung? Also, wer was zu sagen hat?"

  • Ein Bote vom Palatin brachte einen Brief der kaiserlichen Kanzlei vorbei:

    Ad
    Praetor Urbanus
    Herius Claudius Menecrates
    Basilica Ulpia, Roma


    Servius Duilius Quirinalis Praetori Urbano Claudio s. d.


    Auf deine Bitte um Benennung eines Iudex Prior für die Verhandlung Caius Flavius Scato vs. Nero Germanicus Peticus müssen wir leider feststellen, dass aus deinen zugesandten Unterlagen nicht klar hervorgeht, worum es bei diesem Verfahren geht. Da der ordentliche Iudex Prior, dein Amtskollege, der Praetor Peregrinus Numerius Bacillus Icilianus derzeit leider mit eigenen Fällen befasst ist, schlägt der Imperator Caesar Augustus als Iudex Prior den Senator Gaius Octavius Victor je nach Sachlage für das erforderliche Iudicium Publicum oder Privatum ein. Sollte ein Iudicium Publicum notwendig sein, hat Octavius Victor nach Übernahme seines Amtes gem. § 9 (4) CodIur zwei weitere Iudices zu benennen. Sollte, wie der Advocatus der Seite Germanicus nahelegt, ein Iudicium Privatum erforderlich sein, hat er die erste Anhörung in der Basilica Ulpia anzuberaumen.


    Im Namen des Kaisers


    Servius Duilius Quirinalis
    ~~Procurator a cognitionibus - Administratio Imperatoris~~


  • Zitat

    Original von Herius Claudius Menecrates


    Ja mit dem Wortlaut bin ich vertraut.
    Da sah ich im Augenblick kein Problem, mir machte eher Sorge ob einer der Gehilfen oder ich selber sogar einen Fehler macht.
    Bitte Prätor, wo finde ich jenen Pitholaus Plato oder seinen Bruder?
    Dann werde ich mich schnellstens auf den Weg zu ihnen machen.

  • "Beide stehen in meinen Diensten", antwortete Menecrates. "Tachos ist mein Verwalter und hält sich, wenn er nicht gerade einen Außentermin wahrnimmt, immer in der Villa Claudia auf. Plato ist ein Multitalent. Er führt Betriebe, verwaltet in Teilen mein Vermögen und fungiert bei Bedarf auch als Kapitän. Plato hält sich nur zeitweise in der Villa Claudia auf. Ihn schätze ich eher rustikal ein. Er braucht genaue Anweisungen, sollte aber nicht mit sensiblen Vorgängen betraut werden. Für die Vorbereitungen, die Planung und Kontrolle der abgegebenen Vorarbeiten ist er ein äußerst zuverlässiger Mann.
    Tachos halte ich für einen ungewöhnlich feinfühligen Mann. Ich habe ihn schon im claudischen Gestüt mit den Tieren umgehen sehen und da kam mir der Gedanke, ihn zum Opfertier zu stellen. Ich hätte da gerne jemand, den ich einschätzen kann und dem ich vertraue, der weiß, was er tut und was er tunlichst im Umgang mit Tieren vermeiden sollte."


    Einen Stab an eigenen verlässlichen Personen hielt Menecrates für unabdingbar. Er wollte sich nicht ganz den ihm unbekannten Tempeldienern ausliefern.


    "Davon abgesehen können wir ja auch auf die Hilfe der Popae und Victimarii zurückgreifen. Kümmerst du dich um die Koordination aller Helfer?" Der letzte Satz stellte weniger Frage als vielmehr Bitte und Abschluss der Vorbesprechung dar.

  • Einige Zeit nachdem in der Casa Octavia ein Brief des Praetors für ihn eingegangen war, brachte ein Bote des Octavius Victor die Antwort zum Amtssitz ebenjenens.



    Ad
    Herius Claudius Menecrates
    Praetor Urbanus
    Basilica Ulpia


    Salve Praetor Claudius Menecrates,


    bezugnehmend auf deinen Brief vom PRIDIE ID AUG DCCCLXVII A.U.C. (12.8.2017/114 n.Chr.) muss ich doch gestehen, dass ich ein wenig überrascht bin von der administratio imperatoris als iudex prior bestimmt worden zu sein. Davon hatte ich noch gar nichts mitbekommen.
    Überrascht bin ich nun zwar, aber auch neugierig. Deshalb werde ich natürlich dafür zur Verfügung stehen und danke für deine Einladung zu dem Informationsgespräch. Da du aber sicherlich ein vielbeschäftigter Magistrat bist, lasse mir doch bitte einen Terminvorschlag deinerseits schicken, auf dass ich zu einem dir gelegenen Zeitpunkt in der Basilica Ulpia eintreffe.


    Vale,
    G. Octavius Victor

  • Die Lage in Rom in den vergangenen Tagen hatte doch für reichlich Unruhe nicht nur auf den Straßen sondern auch in den Zeitplänen (wenn auch die Auswirkungen in ersteren deutlich dramatischer waren, als für die letzteren... zumindest waren sie deutlich blutiger). So war auch Octavius Victor ein wenig verhindert worden, denn auch wenn er in seiner offiziellen Funktion als curator viarum nur peripher durch den Sklavenaufstand betroffen war, so traf das nicht auf die Mitarbeiter und viel mehr noch die Lieferanten der cura viarum zu. Trotzdem traf der Octavier jetzt nun endlich in der basilica ulpia ein und ließ sich von einem seiner Sklaven beim praetor urbanus anmelden.

  • Der Praetor ordnete gerade die zutreffenden Paragraphen einer schriftlichen Anzeige zu, als ihm der Besucher gemeldet wurde. Zunächst beendete er den angefangenen Vorgang, dann wandte er sich an den Gerichtsdiener.

    "Schick Senator Octavius herein und informiere die angemeldeten Bürger, wenn sie eintreffen, dass ihr Anliegen ein wenig später als vorgesehen von mir gehört werden wird." Die Übergabe dieser Verhandlungssache wollte Menecrates erledigt wissen, je schneller umso besser.

  • Ein paar Augenblicke musste Victor warten, bevor er eintreten konnte und so nutzte er die Wartezeit, um sich von etwas Straßenstaub zu befreien (zu lassen) und sich dabei noch ein wenig an alter (sehr alter) Wirkungsstätte umzusehen. Im Grunde immernoch genau der gleiche Ort, wie vor Jahren, weshalb es nur im Detail etwas neues zu sehen gab.


    Dann war es endlich soweit und der Senator konnte vor den Claudier treten. Beim Eintreten in dessen Räumlichkeiten hob Victor die Hand zum Gruß. "Salve, Praetor! Ich freue mich, dass ihr so kurzfristig Zeit für meinen Besuch finden konntet, auch wenn ich mich wohl etwas für meine Verspätung entschuldigen muss."

  • Der Praetor erwiderte den Handgruß und antwortete: „Salve Senator, wir können alle nicht bis ins letzte Detail planen." Damit gab er zum Ausdruck, sich nicht übermäßig an der Unpünktlichkeit zu stören. Natürlich war gerade er als Praetor an einem möglichst reibungslosen Ablauf interessiert, aber Unvorhergesehenes passierte, ob er es wollte oder nicht.
    Flüchtig ging ihm durch den Kopf, dass sich im Augenblick zwei Urgesteine des Reiches begegneten, was auch nicht aller Tage geschah, dann winkte er Faustus.

    "Ich benötige die Akte zur Verhandlung IUD PRI VII/DCCCLXVII."


    Er erhob sich. Zum einen wollte er nicht ganztägig sitzen, das widerstrebte seinem Rücken. Zum anderen standen sich hier alter und neuer Iudex Prior gegenüber und nicht ein Kläger vor dem Praetor. Menecrates nahm die Akte entgegen und trat zu Octavius, bevor er sie aufschlug.

    "Es gibt Besonderheiten bei diesem Fall. Punkt eins der Besonderheiten stellt deine Berufung dar. Ich habe beim Kaiser darum ersucht, einen anderen Iudex Prior als mich zu berufen. Am ersten Verhandlungstag wurde dem Gericht ein Schreiben vorgelegt, wonach mir und dem Klägeranwalt Befangenheit unterstellt wird. Die Unterstellung - ich zitiere: versucht das Haus Flavius hier im Bunde mit dem Haus Claudius, dem ehrenwerten Haus Germanicus zu schaden - ist natürlich haltlos, zumal der Beklagte bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Außerdem: Ich bin für Schiebereien nicht zu haben! Aber nachdem dieser Fall nicht der einzige während meiner Amtszeit ist, wo ein Flavius involviert ist, möchte ich dieses Mal meinen Namen heraushalten, um der Beklagtenseite keinerlei Grundlage zu bieten, das Urteil später anfechten zu können."

    Dass dieser Schritt auch dem Schutz seiner Familie galt, erwähnte er nicht. Er würde sich nie und nimmer in Korruptionsaffären hineinziehen lassen, nicht einmal wenn sie nur aus leeren Worthülsen bestanden.


    "Punkt zwei der Besonderheiten betrifft die erste Anhörung. Ich habe sie übersprungen. Sie scheiterte daran, dass die Kläger kein Interesse an einer gütlichen Einigung zeigen. Ich habe die Sach- und Rechtslage in einem Vorgespräch erörtert, eine gütliche Einigung war aber ausgeschlossen und ohne Bereitschaft zu einer gütlichen Einigung entbehrt eine Anhörung zu einer gütlichen Einigung jeder Grundlage." Dahinter stand Menecrates nach wie vor. Ein Ausgleich, eine Einigung zwischen Täter und Opfer, machte nur dann Sinn, wenn beide Bereitschaft zeigten und nicht nur eine Seite.

    "Nun zum Fall: Der Beschuldigte Nero Germanicus Peticus wurde bereits strafrechtlich vom Praefectus Urbi für schuldig befunden. Die Unterlagen dazu kann ich dir zur Verfügung stellen. Es sei denn, du möchtest das Abholen der Akten in der Castra mit einem Informationsgespräch verbinden." Er blickte hoch, um eine Reaktion zu erhaschen, dann las er weiter vor, denn die Namen aller Beteiligten sämtlicher Prozesse merkte er sich nicht.
    "Die Kläger, Tiberius Aquilianus Privatus und Numerius Apustius Carbonius streben nun noch eine privatrechtliche Verurteilung an. Im Einzelnen lautet die Anklage auf: §76 Körperverletzung §81 Nötigung und Bedrohung §83 Beleidigung §84 Üble Nachrede §85 Sachbeschädigung §114 Amtsanmaßung.
    Der Beklagte wird von Aemilius Sabinus Varus vertreten, die Kläger von Caius Flavius Scato."


    Wieder schaute Menecrates auf, dann fuhr er fort.

    "Die Akte zu dieser Hauptverhandlung ist nunmehr geschlossen. Ein neuer Monat verändert das Aktenzeichen, aber wem erkläre ich das? Du weißt ja bestens Bescheid. Hast du noch Fragen?
    Eine Frage habe ich meinerseits noch an dich."

  • Da der Claudier seine Entschuldigung für die Verspätung ohne jedes Problem annahm, blickte Victor dem Verlauf des weiteren Gespräches recht zuversichtlich entgegen. Und im Grunde verlief es auch recht positiv, denn der Praetor war äußerst kommunikativ und nachdem seine geforderte Akte gekommen war auch sehr informativ.


    Trotzdem bildete sich schon nach sehr kurzer Zeit eine sehr steile Falte auf der Stirn des Octaviers. Schon beim ersten Blick in das Gesicht von Victor musste aber auch jedermann klar sein, dass dies keine Falte des Zorns, sondern eine der zunehmenden Verwirrung war. Wann immer also Menecrates von seinen Unterlagen aufsah, blickte er in das Gesicht eines Mannes, der versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen, aber daran gerade scheiterte. Geradezu scheitern musste... denn ein wichtiges Detail hatte der Claudier leider vergessen zu erwähnen, wohl eigentlich auch berechtigterweise davon ausgehend, dass Victor darüber längst bescheid wusste.


    "Äh..." Victor räusperte sich schlussendlich, nachdem Menecrates ihn nach Fragen seinerseits fragte. "Es tut mir leid, Praetor, aber eines ist mir trotz deiner umfangreichen, informativen und sicherlich für meine Arbeit sehr hilfreichen Ausführungen doch immer noch unklar: Worum geht es bei diesem Fall eigentlich? Was werfen die Kläger dem Angeklagten konkret vor? Und wessen wurde er vom Praefectus Urbi - , mit dem ich vermutlich in der Tat ein Gespräch suchen werde, um auf deinen Einwurf einzugehen - schon schuldig gesprochen?" Mit einer leicht schiefen Grimasse hob Victor beide Hände zum Zeichen, dass er wirklich keine Ahnung hatte, um was es hier eigentlich ging. "Alles was ich über diese Angelegenheit weiß, ist dass ich als Iudex Prior vorsitzen soll und auch das weiß ich nur durch deinen ersten Brief."


    Victor ließ die Hände wieder sinken und zuckte dann leicht mit den Schultern und lächelte dem Claudier zu. "Du siehst also, ich habe in der Tat einige Fragen, aber sofern ich kann will ich natürlich sehr gerne die deinige beantworten."

  • Aufmerksam hatte ich das Gespäch zwischen dem Prätor und seinem Gast, dem Senator Gaius Octavius Victor verfolgt.
    Schnell ergriff ich eine Wachstafel und schrieb aus dem Gedächtnis heraus die Anklagepunkte und alles relefante zu dem Fall auf.


    "Die Verhandlung Tiberius Aquilianus Privatus u. Numerius Apustius Carbonius vs. Nero Germanicus Peticus ist hiermit eröffnet.
    Gegenwärtig: Iudex Prior: Herius Claudius Menecrates.
    Die Anklage lautet auf:
    §76 Körperverletzung
    §81 Nötigung und Bedrohung
    §83 Beleidigung
    §84 Üble Nachrede
    §85 Sachbeschädigung
    §114 Amtsanmaßung.


    Erschienen:
    Die Kläger, vertreten durch Advocatus Caius Flavius Scato,


    Nicht erschienen und durch niemand vertreten: Der Beklagte."
    "Dem Gericht liegt ein Brief des Beklagten vor, gezeichnet von seinem Advocatus."


    Abwartend mit der Tabula in der Hand schaute ich den Prätor an.

  • "Die Protokolle der Vernehmung und der Verhandlung, die du besorgt hast, auch noch, Faustus", raunte Menecrates seinem Sekretär zu, während er die Wachstafel entgegennahm.


    Anschließend wandte er sich wieder dem Senator zu. Die Falte auf Octavius' Stirn war Menecrates nicht verborgen geblieben und sie irritierte ihn auch. Er beschloss trotzdem, sie zu ignorieren, zumal er sie sich nicht erklären konnte. Die Erklärung dazu folgte prompt.
    Als die Nachfrage kam, worum es bei diesem Fall ging, fing Menecrates an zu schmunzeln. Den Hauptteil hatte er berichtet. Alles andere stand in den angebotenen Protokollen, die bei der Vernehmung und dem Prozess angefertigt wurden.
    "So läuft das hier, Senator." Er hob die freie Hand und ließ die leere Handfläche erkennen. Die Vorbereitungen auf Verhandlungen stellten seine gesamte Amtszeit über kein Zuckerschlecken dar.
    "Ich weiß nicht, ob das zu deiner Zeit anders war, aber heutzutage bekommt man eine Klageschrift auf den Tisch oder ein Klageersuchen vorgetragen. Das Zusammensuchen von Informationen, Daten, Fakten und deren Zusammenstellung zu einem Tatbild und Hergang bleibt einem selbst überlassen. Ich kann dir gern ein paar in meinem Kopf verbliebene Eckpunkte erzählen, aber du wirst vielleicht verstehen, dass meine damalige Vorbereitung auf den Prozess schon längst von weiteren Vorbereitungen nachfolgender Verhandlungen überlagert ist. Hier jagt ein Fall den anderen. Es wird dir nicht erspart bleiben, wie ich, diese Protokolle zu studieren. Aber sieh es positiv: Dieser Fall weist den entscheidenden Vorteil auf, dass der Tathergang bereits umfänglich erörtert und festgestellt wurde."
    Ob diese Tatsache Octavius erleichtern würde, wusste nur er selbst.


    "Die ganze Angelegenheit erschien mir beim Durcharbeiten etwas wirr, weswegen es gut ist, sich einen eigenen Durchblick zu verschaffen. Es ist mir kaum möglich, das Ganze vernünftig zusammenzufassen. Wenn ich mich recht erinnere, dann hat der Beschuldigte Eigentum der Kläger beschädigt und sich unflätig benommen - gelinde ausgedrückt - als er den damaligen Magistrat Flavius Gracchus Minor auf einem Inspektionsgang zu einem Steinbruch begleitete. Der Praefectus Urbi befand den Miles Germanicus der Insubordination für schuldig. Meines Wissens ist er unehrenhaft entlassen worden. Weitere Anklagepunkte wie Meuterei und Verrat wurden fallen gelassen. Letztlich betrachtete dieser Militärprozess den Tathergang aber aus einem anderen Licht, weswegen die Kläger nunmehr privat auf Schadenersatz klagen und sich davon Genugtuung erhoffen. Die Zahl der Klagepunkte ist nicht gering."

    Er hob die Brauen, als er Octavius anblickte. "War es das, was du wissen wolltest?" Sicher war er sich dessen nicht. Er wartete ab, bevor er mit seiner Frage ein neues Thema anschnitt. Zuerst sollte das Hauptsächliche geklärt sein.

  • Nun, natürlich würde Victor die Akten zu dem Fall lesen. "Nun, natürlich werde ich die Akten zu dem Fall lesen." Wobei es schon ein wenig seltsam war, dass sich Menecrates nur grob an die Einzelheiten des Falles erinnern konnte. Immerhin musste der Claudier diesen abgeben weil er berechtigt oder wahrscheinlich eher unberechtigt der Befangenheit bezichtigt wurde. An so eine Sache würde er sich Victor wohl noch nach Jahren erinnern (allerdings die Namen der Anwälte schon nach zwei Tagen vergessen haben).


    Nichtsdestotrotz hörte er jetzt natürlich dem Praetor aufmerksam bei dessen kurzer Zusammenfassung zu und nickte dann dem Mann zu, der die Akten brachte, bevor er sich wieder an den Claudier wandte.


    "Ich danke dir für diese Kurzfassung der Ereignisse, Praetor. Das war genau das, was ich brauchte, um deine vorangehenden Bemerkungen zu dem Fall in den richtigen Kontext stellen zu können." Um die Details würde sich Victor in der Tat dann selber kümmern, aber jetzt machte es auch endlich Sinn, was Menecrates alles als Besonderheiten angeführt hatte. "Aber du wolltest vorhin auch noch eine Frage an mich stellen?"

  • Ein selbst erlebter Prozess, selbst wenn er in den Anfangsschuhen steckengeblieben war, noch bevor er richtig begann, würde sicherlich jedem im Gedächtnis bleiben, so auch Menecrates. Da er aber dem Militärprozess nicht beiwohnte, fehlte eine tragfähige Erinnerung. Das Lesen der Protokolle empfand er als anstrengend, was nicht zuletzt an dem ausgefallenen Charakter und den oft nicht nachvollziehbaren Gedankengängen des Beschuldigten lag.


    Er nickte, als sich Octavius bedankte. Dort, wo er helfen konnte, half er gern. "Ich weiß nicht, ob dir die Mitschriften mehr liegen als mir. Alles, was der Zeuge Flavius Gracchus sagte, ist mir gut in Erinnerung geblieben, weil es schlüssig war. Die relevanten Aussagen des Beschuldigten hingegen..." Menecrates zog die Stirn in Falten und atmete einmal tief durch. "Es sieht allerdings ganz danach aus, als würde sich der Beschuldigte im anstehenden privatrechtlichen Prozess vertreten lassen, was auf eine bessere Kommunikation hoffen lässt. Wenn du jemand zum späteren Reflektieren brauchst, ich wäre da."


    Im Augenblick konnte Menecrates nicht mehr helfen. Dieser Teil der Unterredung war abgeschlossen, was Octavius dadurch signalisierte, dass er auf Menecrates' eingangs angekündigte Frage zurückkam.

    "Ja, ich möchte dich als Außenstehenden um deine persönliche Meinung bitten. Ich erwähnte ja eingangs, dass der Anwalt des Beschuldigten mir das Bestreben unterstellt, in gemeinsamer Sache mit dem Haus Flavius dem Hause Germanicus schaden zu wollen. Genaugenommen stellt diese Behauptung einen Straftatbestand dar, der nach §84 Abs. 2 mit einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden kann. Ich habe noch nicht den Entschluss gefasst, Klage zu erheben, denke aber darüber nach. Einerseits möchte ich nicht kleinlich sein, aber das Hinnehmen, wenn meine Ehre auf dem Spiel steht, kann mir ebenso als Schwäche ausgelegt werden, denn offensichtlich zielen dubiose Personen während dieser Legislaturperiode gezielt auf die Schädigung von Amtsinhabern ab.
    Du bist nicht involviert, was würdest du mir anraten?"

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