Diejenigen, die die Reise ausspielen möchten, sind eingeladen, hier zu schreiben. Alle anderen können von mir aus schon in der Villa ihr Unwesen treiben.
Die Alpen zu überqueren war zu dieser Jahreszeit keine sonderlich schöne angelegenheit, aber irgendwie schafften sie es doch unbeschadet. Bald fanden sie sich in der regio Raetia wieder, in Germanien, wo der Frühling gänzlich anders aussah als im italischen Mantua. Das fing schon beim Geruch an. Statt nach Blumen duftete es nach den Kräutern, die langsam begannen, am Wegrand zu wachsen. Krähen und Kolkraben krächzten ihr melodramatisches Lied und die Wolken zogen schneller über den Himmel. Camryn fühlte sich ihrer Heimat ein Stück näher, wenngleich sie auch die typisch keltischen Dinge vermisste. Langgezogene, grasbewachsene Hügel beispielsweise, die den kelten eigene Art, ihre Häuser zu bauen, die vielen Seen, das Essen, die Freude eines Festes am Lagerfeuer... Camryn senkte den Kopf und ließ sich eiter durchrütteln. Steine gab es ja hier genug. Es grenzte ohnehin ain ein Wunder, dass noch kein Rad gesplittert oder eine Achse gebrochen war.
Trautwini bemerkte Camryns Laune und legte ihr tröstlich eine Hand auf den Unterarm. "Mach dir keine Sorgen. Irgendwann bist du frei und dann kannst du nach Hause zurückkehren", vesuchte er sie mit seiner germanischen Art und dem schroffen Akzent aufzumuntern. Camryn hob den Kopf und zuckte nur mit den Schultern. "Aber was soll ich zu Hause, wenn ich alt und kränklich bin? Mir wäre jetzt lieber als in zwanzig oder mehr Jahren", entgegnete sie müde. Trautwini zuckte nur unbeholfen mit den Schultern.
Lautes, gepresstes Atmen allerdings lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den hinteren Bereich des Wagens, gerade, als sie erneut über einen Stein gehoppelt waren. Dort saß Tullia, atmete stoßweise und hielt sich den runden Babybauch. Sie saß in einer grünlichen Lake und wirkte hilflos. Mit einem Ruck richtete sich Camryn auf die Knie auf. "Scheiße!" fluchte sie ziemlich undamenhaft, befreite sich von der Decke und sprang vom Wagen, um nach vorn zur Kutsche zu rennen. Sie hatte es ja gesagt. Nein, aber niemand wollte hören. Es war nun einmal eine Schnapsidee, eine hochschwangere Frau mit nach Germanien zu schleppen. Mit weit ausgreifenden Laufschritten lief Camryn durch den Matsch. "ASSINDIUS! Halt an! Wir haben ein Problem!" rief sie schon von weitem. Aintzane kümmerte sich gerade um die Haare Deandras und der aurelischen Dame, der Herr döste zusammengesunken auf seinem Sitz in der Kutsche. "Assindius, halt an!"
Hinter ihr auf dem Sklavenwagen hörte man einen unterdrückten Schmerzenslaut.