[Forum Boarium] Auf dem Weg in die Unterwelt

Es war spät am Morgen, vielleicht auch schon früh am Vormittag, als sich auf dem Forum Boarium am Tiber mehrere Männer trafen. Einige von ihnen sah man sonst meistens in der Toga oder zumindest gepflegter, heller Kleidung, aber diesmal trugen sie eher dunkle und gebraucht aussehende Stücke. Auch Macer gehörte zu dieser Gruppe, genauer gesagt war er der Urheber dieses Zusammentreffens. Die Männer wollten nämlich die lange geplante Kanalinspektion durchführen und warteten jetzt noch auf das Eintreffen der letzten Beteiligten.

Macer drehte sich um und erblickte seinen neuen Aquarius. "Salve Verus, guten Morgen. Gut, dann werde die Soldaten sicher bald eintreffen."

Lächelnd blickt er auf die Menge von Wachstafeln, die der Aquarius dabei hat. "Sieht gut ausgerüstet aus. Aber zwischendruch wirst du auch eine Hand für eine Fackel frei haben müssen."

Er deutete auf zwei Männer, die mit einem Bündel Fackeln bereit standen, mit denen später die Dunkelheit der Kanäle erhellt werden sollte.

"Auch das wird sich einrichten lassen, dafür sind wir ja zu mehreren unterwegs", antwortete Macer und stellte die anderen kurz vor. Einer der Männer war Aquarius und die beiden Männer mit den Fackeln waren Techniker. Außerdem hatte sich Macer Unterstützung von einem der amtierenden Aedile und einem Vigintivir geholt, der für die Straßenreinigung zuständig war. Letzterer würde zwar kaum eine fachliche Hilfe sein, aber immerhin lernte er so was für die Zukunft, falls er sich auch später noch um das Wohl der Stadt kümmern wollte.

Macer hatte sich schon erwartungsvoll in die richtige Richtung gedreht, als er das Klappern der benagelten Caligae der Stadtsoldaten vernommen hatte.

"Salvete", grüßte er zurück, stellte sich kurz als Curator Aquarum und Leiter des Vorhabens vor und nahm die Meldung des Princeps Prior entgegen. "Sehr schön, dass die Bereitstellung einiger Soldaten so reibungslos geklappt hat. Habt ihr auch noch Fackeln mitgebracht, damit wir unten genug Licht haben? Sonst bekommt ihr welche von unseren, wir haben gut vorgesorgt."

Er nahm an, dass die Männer zumindest in ganz groben Zügen darüber informiert waren, was sie erwartete. Zumindest sollten sie wohl schon wissen, dass es in die Kanäle geht, dachte sich Macer.

Zitat

Original von Quintus Caecilius Metellus
"Gibt es spezifische Anweisungen an uns, Curator?"

Soviel er wußte, sollten sie die Kanalinspektion begleiten - vermutlich für den Fall, daß sie auf größere Kanalbewohner als auf Ratten trafen.

Macer nickte zufrieden, als er die Fackern erblickte und setzte sich dann langsam in Bewegung, während er die Frage beantwortete.

"Wie du wahrscheinlich weißt, geht es um eine Kanalinspektion. Der Praefectus Urbi hatte mir geraten, ein paar Soldaten mitzunehmen, falls wir da unten auf andere Personen treffen, die nicht gerade mit der Inspektion der Abwasserleitungen befasst sind."

Er warf kurz über die Schulter einen Blick auf die Gruppe, von denen einige begonnen, ihre Fackeln anzuzüden.

"Wir nehmen vor allem die Seitenkanäle, die sind recht schmal. Ich weiß nicht recht, ob es Sinn macht, wenn ihr alle mit runter kommt. Wir laufen als erstes den zweiten Südkanal ab, der hat am Circus Maximus an der Nordostseite zwei Revisionsschächte. Wenn ihr nicht alle mit runter wollt, könnten dort ein paar von euch auf uns warten."

"Ja, ganz genau", bestätigte Macer. "Von der Cloaca Maxima zweigen einige Seitenkanäle ab, die wir aufsuchen werden. Einige verzweigen sich weiter, andere sind stellenweise so eng, dass wir sie nicht durchqueren können. Bei den wenigsten macht es Sinn, sie doppelt abzulaufen, also fangen wir sie am einen Ende an und klettern am anderen über den nächstbesten Revisionsschacht heraus."

Den ganzen Tag unter der Erdoberfläche zu verbringen hätte Macer auch keinen Spass gemacht, zumal der Geruch dort unten alles andere als gut sein würde.

"Bei der Gelegenheit könntet ihr dann die Begleiter wechseln. Und wenn wir unten auf ungebetene Besucher stoßen, dann stehen vielleicht mit etwas Glück die übrigen Soldaten genau am richtigen Ausgang."

Immerhin hätten irgendwelche zwielichtigen Gestalten auch nicht viel mehr Möglichkeiten, als die diversen Zugänge zu nutzen, durch die die Soldaten ebenfalls klettern konnten. Von halboffiziellen Zugängen in den Hinterhöfen oder Fundamenten mancher Mietshäuser mal abgesehen.

"Ja, das klingt beides sinnvoll", antwortete Macer, auch wenn er nicht unbedingt davon ausging, dass sie in jedem Kanal gleich eine komplette Räuberbande aufscheuchen würden. Zumindest wenn er Räuber und nicht Senator wäre, könnte er sich angenehmere Plätze als die stinkenden Kanäle vorstellen.

Sie erreichten den Rand des Forum Boariums und damit das Ufer des Tiber. Eine kleine Treppe führte hinunter zum Fluß und zu einer kleinen Anlegestelle. Wenn der Tiber wenig Wasser hatte, konnte man zu Fuß über eine gemauerten Vorsprung an der Böschung bis in die Cloaca Maxima hinein laufen. Aber jetzt im Frühjahr war der Fluss gut gefüllt und ein kleines Boot würde die Männer in den Kanal bringen.

"Wie gesagt, nehmen wir uns als erstes den zweiten Südkanals vor. Der hat zwei Ausstiege am Circus Maximus, an der Seite zum Palatin hin. Ich nehme mal an, ihr kennt die." Wer wie die Cohortes Urbanae ständig in der Stadt patrouillierte, kannte früher oder später wohl jeden Winkel, nahm Macer an.

Die ersten Arbeiter der Cura Aquarum hatten das kleine Boot bereits bestiegen, als die Soldaten ihre Verteilung bekannt gegeben hatten.

"Vier von euch kommen mit? Gut, das sollte passen. Dann kommen wir auch alle im Boot mit."

Ein wenig eng wurde es dann doch, aber das Boot reichte tatsächlich für die gesamte Gruppe. Mit zwei langen Stangen stießen sich die Männer ab und manövrierten das Boot in die große Öffnung der Cloaca maxima. Beim derzeitgen Wasserstand hatten sie hier eine Breite von über 10 Fuß, auf der sie das Boot bewegen konnten und kamen problemlos vorwärts. Die Fackeln erhellten die Dunkelheit der Unterwelt und problemlos fanden sie die passende Abzweigung zum Seitenkanal.

"Macht das Boot hier fest", gab Macer als Anweisung und nahm an, dass es irgendwo etwas passendes geben würde, um das Boot fest zu machen. Dann suchte er sich eine halbwegs geeignete Stelle zum Aussteigen, um nicht gleich knietief im Wasser zu stehen.