[Forum Boarium] Auf dem Weg in die Unterwelt

  • Minor war in Gedanken gerade schon bei einem erholsamen Besuch in den Thermen angelangt. Als sein Fuß seitlich etwas wegglitt und dann im Wasser an irgendetwas hängen blieb. Sein erster Gedanke war, daß es sich dabei um eine tote Ratte handeln musste. Aber die weiche Masse trieb nicht einfach weg, was er bei der Strömung erwartet hätte. So senkte er denn nun seine Fackel und bemerkte, daß dieses weiche etwas sehr viel größer als eine Ratte sein musste. Er rief der übrigen Gruppe zu:


    "Moment, ich bin hier auf irgendetwas gestoßen! Etwas großes!"


    Er fühlte etwas mit dem Fuß, mußte dann aber seinen Unwillen überwinden und fasste mit einer Hand in das Wasser. Seine Hand ertastete viele kleine Fäden, die wiederum an etwas zu hängen schienen. Seine Hand erreichte dieses etwas, das sich fatal nach einem Kopf anfühlte. Das flackernde Licht der Fackel bestätigte den grausigen Fund.


    "Curator, das scheint eine Leiche zu sein. Viel mehr als den Kopf kann ich noch nicht erkennen, aber es ist unverkennbar ein Mensch."


    edit: Tippfehler

  • Macer blieb abrupt stehen. "Eine Leiche? Lass' mal sehen." Er ließ den Fund mit einer weiteren Fackel beleuchten und es bestand tatsächlich kein Zweifel.


    "Na, herzlichen Glückwunsch. Eben haben wir Mittagspause gemacht und jetzt gibt es zum Dessert eine Leiche."


    Macer verspürte keine große Lust, im trüben Wasser zu fischen, auch wenn er in seiner Militärzeit schon häufiger Leichen verschiedenster Art gesehen hatte. Andererseits war er schon neugierig, was er mit dieser Leiche auf sich hatte, die offenbar durch irgendetwas am Boden befestigt war. Die Soldaten der Cohortes Urbanae mussten sich jedoch wohl schon von ihrem Beruf her darum kümmern, so dass er ihn gerne den Vortritt ließ. "Schaut mal, dass wir die etwas genauer untersucht bekommen. Und ob wir sie da weg bekommen, um sie mitzunehmen."

  • Mit einem Messer oder Schwert war es ein leichtes, die Seile des Netzes zu durchtrennen, so dass es nicht einmal der Anstrengung bedurfte, die Steine aus dem Wasser zu ziehen und das Netz dadurch zu lösen. Der nackte Körper, der schließlich zum Vorschein kommen würde, hatte einst einer Frau gehört, unmöglich zu erkennen, welchen Alters genau sie gewesen war, doch unzweifelhaft war sie kein Kind mehr gewesen und auch noch kein altes Weib. An den Händen des Leichnahms fehlten bereits einige Finger und auch die Zehen gaben den Anschein, als hätte die ein oder andere Ratte versucht, ihren Hunger daran zu stillen. Andere Wunden, Stiche gar oder starke Verletzungen, waren äußerlich nicht zu sehen, die Augen der Frau waren geschlossen, ihre Haut aufgedunsen, schwammig. Womöglich lag sie bereits zwei oder drei Tage in der Cloaca, womöglich ein paar Tage länger. Der üble Geruch, welcher von dem langsam vor sich hin verwesenden Körper ausging, war in der Cloaca kaum zu vernehmen, denn er passte sich nahtlos in den Odeur des Abwassers sein, wenn er auch sicherlich zu erahnen war.

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    "Schaut mal, dass wir die etwas genauer untersucht bekommen. Und ob wir sie da weg bekommen, um sie mitzunehmen."


    Minor hatte in der Zwischenzeit einem Techniker seine Fackel in die Hand gedrückt und zwei der Soldaten taten es ihm gleich. Mit einem Pugio durchschnitten sie nun das offensichtlich beschwerte Netz und ein schon etwas aufgedunsener Frauenkörper wurde sichtbar. Mit aller Selbstbeherrschung die er bei dem furchtbaren Anblick aufbringen konnte, atmete er tief durch und sah sich die Leiche näher an.


    "Die Leiche liegt hier nicht erst seit heute. An jedem anderen Ort, wäre uns der Verwesungsgeruch wohl nicht entgangen. Mehr lässt sich hier unten nicht erkennen."


    Er wandte sich an Macer:


    "Wie weit ist es von hier aus noch zu dem Boot, Curator?"


    Der Transport würde nicht nur unangenehm, sondern bei den rutschigen Verhältnissen auch schwierig. Sie bräuchten am besten irgendeine Plane.

  • Macer blickte sich auf die Frage hin erst um und dann zu einem Techniker. Bevor er selber antworten konnte ergriff dieser das Wort und erläuterte den Weg bis zum Boot, der noch etliche Schritte weit war. "Mit dem Boot kommen wir hier nicht in den Seitenkanal", ergänzte Macer dann noch und verwies damit letztlich auf das entscheidende Problem.


    "Andererseits muss die Leiche ja irgendwie hier hin gekommen sein und es wird sich wohl kaum jemand die Mühe gemacht haben, das Gewicht allzu weit zu schleppen." Er ließ die Fackeln etwas umher schwenken, um einen großen Zufluss oder sogar einen versteckten Schacht zu entdecken, durch den die Leiche in den kanal gekommen sein müsste. "Das Gewicht müssen wir auch wegräumen," sagte er nebenbei zu einem Techniker, "sonst verfängt sich da demnächst Treibgut dran."


    Tatsächlich entdeckten sie nur wenige Schritte von ihrem Standort entfernt einen Seitengang, den sie vorher kaum beachtet hatten und in diesem wiederum einen Einstieg in einen Schacht. "Ziemlich eng", stellte Macer fest. Aber falls das der Weg war, auf dem die Leiche hinein gekommen war, würde man sie auf diesem Weg auch wieder hinaus bekommen. Falls nicht, wäre es ein blöder Irrweg. "Wir müssen schauen, wohin dieser Schacht führt. Vielleicht hilft er uns", erklärte Macer und schickte zwei Soldaten vor.

  • Die beiden Soldaten zwängten sich in den Schacht und stießen dabei auf Löcher oder auch griffige Vorsprünge, die als eine Art Steinleiter dienten. Der Schacht war allerdings eng genug um sich notfalls an der gegenüberliegenden Wand abstützen zu können.
    Einer von ihnen grummelte leise.
    "Wie sollen wir denn hier die Leiche bitte hochkriegen?
    Etwas gereizt klang die Antwort des anderen. Der war in Gedanken schon in den Thermen gewesen und nun stieß der princeps einfach so auf eine Leiche.
    "He, pass lieber auf, daß du mich nicht abfackelst!"
    "Dann mußt du eben etwas schneller klettern."
    Der zweite Miles beließ es bei einem unverständlichen Grummeln und stieß auf eine Art Nische in der Wand - oder war es doch der Eingang zu einem Gang? Nein, sah er wie eine Art 'Rastplatz' aus in der ein Mann sich wohl reinkauern konnte. Und weiter kletterten sie bis ein Ende in Sicht kam.
    "Vorsicht jetzt, wir haben es gleich geschafft."
    Er versuchte die Falltür aufzustoßen, schaffte es aber nicht.
    "Mist, da ist was drauf oder die ist von außen verriegelt!"
    Mit einer Hand wollte es ihm einfach nicht gelingen die Fallür zu öffnen. Er löschte also seine Fackel und reichte sie nach unten weiter. Mit seinen Füßen stand er nun in Einkerbungen, sein Rücken an die Rückwand des Schachts gestemmt, so daß er nun beide Hände gegen die Tür stemmen konnte. Schließlich gab sie nach und der Soldat fand sich in einem Raum wieder, mehr konnte er aufgrund der Dunkelheit nicht erkennen.
    "He, komm mal hoch. Hier ist es ganz dunkel."
    Im Schein der nun wieder zwei brennenden Fackeln erkannten die beiden, daß der Raum wohl als Lager genutzt wurde. Die Tür führte in einen Hinterhof und der Raum entpuppte sich als eine zusammengezimmerte Holzhütte.
    "Dann mal wieder runter."
    Mit wenig Begeisterung kletterten die beiden den Weg runter, den sie gekommen waren.


    Der ältere von ihnen meldete dem curator und dem princeps:
    "Der Schacht endet in einer Holzhütte in einem Hinterhof. Ist allerdings ziemlich eng."

  • Macer hatte mit den übrigen Männer derweil im Licht der Fackeln erfolglos versucht, die Leiche genauer zu untersuchen.


    "Ah, sehr gut", antwortete er auf die Meldung über den Schacht und den Ausstieg. "Ihr seid auf die Straße rausgegangen und habt euren Kollegen Bescheid gegeben?" Er zögerte einen Moment, denn so schnell wie die Männer wieder zurück waren, hatten sie das sicher nicht getan.


    "Von oben können wir ein Seil hinunterlassen und vielleicht auch einen Leinensack, in den wir die Leiche legen. Dann ziehen wir sie einfach rauf. Auf dieselbe Art wird sie wohl auch hinter gekommen sein. Zumindest sieht sie nicht so aus, als hätte sie jemand durch den Schacht einfach nach unten geworfen."

  • Ein wenig perplex schaute der Soldat ihn an, sie hatten doch nur den Befehl erhalten den Schacht zu erkunden, von den Kameraden war gar nicht die Rede gewesen.


    Minor war sehr nach Augen verdrehen zumute. Die beiden führten jeden Befehl zuverlässig aus, aber selbständiges Denken gehörte sicher nicht zu ihren Fähigkeiten. So ergriff er das Wort.


    "Wenn du erlaubst, curator, werde ich selbst hinaufsteigen, die übrigen Männer herbeiholen und Ausschau halten nach einem Seil und einem Leinensack."

  • Macer hätte sich dem Augenrollen ebenfalls anschließen können, unterließ es aber dann. Er war wohl schon zu lange aus der Armee weg und hatte das Geben von präzisen Befehlen verlernt. Er müsste sich irgendwen suchen, an dem er es wieder üben konnte. Zur Not den Schreiber in der Academia. Aber jetzt war er erst einmal einverstanden, dass wieder jemand nach oben klettern wollte.


    "Ja, mache das. Und merkt euch gleich schonmal vor, die Umgebung später etwas genauer zu untersuchen. Wohlgemerkt, später."


    Im Licht der Fackeln schaute sich macer dann um, ob es sich lohnte, unten im Kanal die Umgebung ebenfalls etwas genauer zu untersuchen. Er hatte nämlich keine große Lust, selber den Schacht hinauf zu steigen.


    "Ziemlich eng hier alles. Ob es sich lohnt, hier weiter zu gehen?" Fragend blickte er seinen leitenden Techniker an, damit dieser ihm sagte, wohin der Seitenkanals überhaupt führte und warum in ihm nur recht wenig Wasser lief. Aber dreckig war Macers Kleidung jetzt sowieso schon, da kam es auf noch mehr auch nicht mehr an.


    "Wir schauen uns das mal an. Zwei Mann bleiben bei der Leiche. Nein, besser drei, man weiß ja nie. Die anderen beiden kommen mit mir." Für mehr als drei Leute wäre es in dem Seitengang wohl auch viel zu eng geworden.

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    "Ja, mache das. Und merkt euch gleich schonmal vor, die Umgebung später etwas genauer zu untersuchen. Wohlgemerkt, später."



    "Jawohl, curator!"
    Minor machte sich unverzüglich auf den Weg durch den engen Schacht. An das Klettern mit Fackel hatte er sich soweit gewöhnt und erreichte die Falltür ohne Zwischenfälle. Er warf nur einen kurzen Blick auf den ihn umgebenden Schuppen, aber ein kurzer Blick nach oben offenbarte ihm schon einen Dachbalken in günstiger Position, der ihnen beim Hochziehen der Leiche behilflich sein würde.


    Er trat auf den Hinterhof und mußte sich erst wieder an das Sonnenlicht gewöhnen. Eilige überquerte er den Hof und betrat die Straße. Sofort fand er sich im geschäftigen Treiben Roms wieder und brauchte einige Zeit bis er die Soldaten ausmachen konnte. Die schienen mehr mit Tagträumen als mit Wache halten beschäftigt und setzten auch dem entsprechend schuldbewußte Mienen auf als sie den princeps plötzlich auftauchen sahen.
    "Darüber reden wir noch!" war alles, was der für den Moment dazu sagte, da keine Zeit zu verlieren war. Er führte die Männer in den Hinterhof und in den Schuppen.
    "Wir haben eine Leiche im Kanal gefunden und müssen sie nun durch diesen Schacht hochholen. Seht euch mal hier im Schuppen um, ob ihr nicht ein Seil und irgendeinen Sack oder eine große Plane findet, die uns dabei behilflich sein können. Möglicherweise haben die Täter sogar etwas zurückgelassen."


    Auch Minor sah sich genauer im Schuppen um; er vermutete, daß dieser ohne Erlaubnis in dem Innenhof errichtet worden war. Was ihn ein wenig wunderte, war die Tatsache daß ein Schuppen gar nicht verriegelt war. Der Grund mochte allerdings darin begründet liegen, daß sein Inhalt nicht sehr wertvoll wahr und man die Aufmerksamkeit der Gesetzeshüter nicht unnötig darauf lenken wollte. Er machte sich eine geistige Notiz die Aufmerksamkeit der Vigilen auch auf diesen Schuppen zu lenken.
    Mittlerweile hatten die Soldaten Plane und Seil aufgetrieben und warfen letzteres auf seine Anweisung hin über den Balken. Die Soldaten erhielten zudem den Befehl hier oben zu warten, um später die Leiche hochzuziehen. Eine größere Holzlatte wurde probeweise in die Plane verpackt und Minor begleitete beides langsam den Schacht hinunter. Das Seil erwies sich als lang genug und wieder unten angekommen ging er zu Macer um den Stand der Vorbereitungen zu melden.

  • In dem Seitengang, den Macer mit seinen beiden Begleitern untersuchte, fanden sie recht eindeutige Spuren davon, dass sie hier unten tatsächlich nicht alleine waren. Macer war ganz froh, dass ihm der Praefectus Urbi geraten hatte, einige Soldaten der Cohortes Urbanae mitzunehmen, denn hier unten schien reger Betrieb zu herrschen. Natürlich sahen sie niemanden, aber sie entdeckten einige Bearbeitungen und Löcher in der Wand, die eindeutig nicht zum Zweck der Wasserableitung angelegt wurden.


    Nach einiger Zeit erschien Macer eine weitere Untersuchung sinnlos. Man müsste wohl eine ganze Kohorte in die Unterwelt schicken, um zu Ergebnissen über die bewohner dieser Gegend zu kommen. Aber dafür war er nicht primär zuständig und mit den bisher entdeckten Mängeln hatten sie auch schon eine Menge zu tun. Also kehrten sie zum Fundort der Leiche zurück und Macer nahm die meldung der Soldaten entgegen.


    "Sehr gut, das klappt ja hervorragend. Dann schafft die Leiche jetzt nach oben. Nehmt ihr sie zur Untersuchung in die Castra mit? Oder was macht ihr normalerweise mit Leichen, die ihr irgendwo findet?"

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    "Sehr gut, das klappt ja hervorragend. Dann schafft die Leiche jetzt nach oben. Nehmt ihr sie zur Untersuchung in die Castra mit? Oder was macht ihr normalerweise mit Leichen, die ihr irgendwo findet?"


    "Genau, wir werden die Leiche mit in die Castra nehmen und untersuchen. Ziel wäre neben der Todesart auch noch ihre Identität festzustellen, aber da keine persönlichen Gegenstände vorhanden sind, stehen die Chancen da schlecht."


    Eine nicht identifizierbare Leiche war natürlich nichts ungewöhnliches für sie, aber dennoch war es ein wenig frustrierend, die Toten nicht einmal ihren Familien übergeben zu können soweit die vorhanden waren.


    "Darf ich fragen, ob ihr hier unten noch etwas gefunden habt?"


    Sein Bericht über diesen Einsatz sollte ja möglichst vollständig sein, auch wenn er bezweifelte, daß sie in Zukünft auch in den Kanälen patroullieren würden. ;) Aber vielleicht konnte diese kleinen Einblicke über die Vorgänge hier unten eines Tages gebrauchen.

  • "Nicht Konkretes aber allerlei Beunruhigendes", beantwortete Macer die Frage erst einmal knapp.


    "Dieser Seitengang hier führt recht wenig Wasser und scheint dafür umso reger als unterirdische Transportstrecke genutzt worden zu sein. Er ist nicht allzu steil und daher trotz seiner Enge vergleichsweise bequem zu gehen. An vier Stellen sind Abzweigungen, die entweder stark umgebaute Zuflüsse oder gänzlich neu von außen angelegte Zugänge sind und von denen ich vermute, dass sie in irgendwelche Keller und ähnliches führen."


    Die Vorstellung, dass diese Gänge genutzt wurden, damit Menschen ungesehen von einem Ort zum anderen gelangen konnten, war schon seltsam. Zumal man ja im Kanal zumindest nasse Füße bekam auf dem Weg. Andererseits hatte in gewissen Stadtvierteln sowieso fast jedes Haus irgendwelche nachträglich eingebauten Hintertüren, die den Cohortes Urbanae das Leben schwer machten. Zum Glück brauchte sich Macer darüber nur begrenzt Sorgen machen, denn als Curator Aquarum hatte sein Hauptaugenmerk auf dem Kanal zu liegen.


    "Die Funktionsfähigkeit des Kanals ist dadurch nicht beeinträchtigt", függte er daher noch hin. "Ein Zeichen dafür, dass es nicht um die Störung des Kanalsystems ging, sondern ledoglich um eine gewisser Erweiterung seines Nutzens." Diese Umschreibung gefiel Macer und er musste sie sich umbedingt für seinen Bericht merken.

  • In der Dunkelheit der Kanäle war längst Hektik ausgebrochen. Der Weg der Inspektoren war nicht zu ändern gewesen, sie hatten zwangsläufig auf den Leichnam stoßen müssen, doch obgleich die wenigsten der stillen Beobachter etwas damit zu tun hatten, wollte niemand in diesem Augenblick in der Nähe sein, ungeachtet der Tatsache, dass jene Inspektoren ohnehin kaum auf die Idee kommen würden, zu diesem Zeitpunkt und an diesem Ort nach dem Mörder Ausschau zu halten. Schneller, als an der Oberfläche der Stadt eine Botschaft von einem zum anderen Ort hätte gelangen können war die Nachricht über den Fund in den Eingeweiden Roms schon durch allerlei Ohren hinein und Münder wieder hinaus und längst hatte der Mann mit der Maske entschieden, dass die Augen der Dunkelheit sich nicht schließen, doch ein wenig zurückziehen sollten. Die Tote war nur ein unbedeutender Auftrag gewesen, eine Bewohnerin der Gegend des Velabrum, die zu viel gesehen, zu viel gewusst hatte und darüber übermütig geworden war und daher ohne großes Aufhebens schnell hatte verschwinden müssen. Inmitten der Stadt, so nahe am Forum Romanum, war dies immer ein wenig aufwändiger, denn eine Leiche durch die Stadt zu tragen, selbst nur bis zum Tiber, war immer ein Risiko. Ein Gift hatte für Stille gesorgt, verabreicht durch die einzige Sklavin, welchen die Frau besessen hatte, eine Sklavin, die ohnehin bereits im Netz der Macht gefangen und mittlerweile im Haushalt des Auftraggebers beschäftigt war, ein Fehler, wie der Vogelmann glaubte, denn wer einmal seinen Herrn ermordert hatte, der scheute dies auch nicht ein zweites Mal. Doch im Grunde stand sie letztlich unter seiner eigenen Hand was den Fehler weniger bedauerlich machte, zumindest für ihn. Die Tote hatte nur durch eine Seitentüre, über den Hinterhof und durch den Schacht in den Kanal befördert werden müssen. Dort war sie im Wasser verschwunden, um ihre unauffällige Verwesung zu begünstigen. Dass sie mehr oder weniger unter ihrer eigenen Wohnung bestattet worden war, was bei ihrem Auftauchen durchaus ein Risiko darstellte, da jedermann den Leichnam würde identifizieren können, dies war zum Zeitpunkt ihres Todes kein Hinderungsgrund, geschweige denn eine Überlegung gewesen, denn niemand hatte damit rechnen können, dass die überirdischen Stadtbewohner gerade in dieser Zeit ihre Nase in Angelegenheiten und Gewässer stecken würden, welche sie im Grunde nichts angingen. Dennoch änderte es kaum etwas. Selbst wenn ihre Person festzustellen war, ihre Mörder weilten außerhalb der Reichweite der Stadtwachen, so dass letztlich aus dem unerklärten Verschwinden einer Römerin nur ein unerklärter Mord würde werden.

  • Zitat

    Original von Spurius Purgitius Macer
    "Dieser Seitengang hier führt recht wenig Wasser und scheint dafür umso reger als unterirdische Transportstrecke genutzt worden zu sein. Er ist nicht allzu steil und daher trotz seiner Enge vergleichsweise bequem zu gehen. An vier Stellen sind Abzweigungen, die entweder stark umgebaute Zuflüsse oder gänzlich neu von außen angelegte Zugänge sind und von denen ich vermute, dass sie in irgendwelche Keller und ähnliches führen."


    Im Stillen verwünschte Minor diese Entdeckung, denn sie bedeutete möglicherweise weitere Ausflüge in die Kanäle. Aber das war die Entscheidung seiner Vorgesetzten sobald sie seinen Bericht gelesen hatten.


    "Wenn du keine anderweitigen Pläne hast, würde ich mich nun mit den Männern an der Oberfläche um den Transport der Leiche kümmern und mich in der Nachbarschaft umhören. Die übrigen würden dich weiterbegleiten. Selbst in Rom kann man eine Leiche nicht unbemerkt über längere Strecken transportieren - oder würde die schnellst möglichste Art bevorzugen."


    Die milites hatten sich auf einen Wink hin mittlerweile daran gemacht die Leiche einzuwickeln und zum Schacht zu schleppen.

  • Macer war einverstanden mit diesem Vorschlag. "Ja, ist in Ordnung. Schafft die Leiche rauf und kümmert euch um den Abtransport. Wenn ihr in der Gegend bleibt,d ann treffen wir uns nachher oben."


    Er sammelte die Techniker wieder um sich, um mit ihnen und den verbleibenden Soldaten den letzten Abschnitt bis zum Boot zu durchwandern. "Ich hoffe, dass wir nicht auf noch mehr Leichen stoßen."


    Bevor sie losgingen, ließ er noch eine Marke in die Wand schlagen, die den Fundort des Leiche markierte. Anhand des Seitenganges und des Schachtes hätte man die Stelle zwar auch so recht schnell wieder finden können, aber mit Markierung sollte es noch leichter gehen. Erst jetzt, als er so kurz vor der Wand stand und die Fackel die neue Markierung erhellte, bemerkte er, dass die Steine anscheinend auch schon von anderen Personen markiert wurden. Dasziniert betrachtete er die vereinzelten eingeschlagenen Zeichen, die ihm nicht wie die Schlagmarken der Handwerker erschienen, die den Kanal gebaut hatten. Diese Kanäle schienen wirklich sehr belebt zu sein.


    Bis zu ihrem Boot begegneten den Männer aber keinerlei weiteren ungeladenen Begleiter oder Leichen und nur auf wenige bemerkenswerte Schäden am Kanal. Auch weitere geheime Schächte schien es hier nicht zu geben, aber in diesem stark wasserführenden Stück der Leitung wunderte Macer das nicht. Die Röhre war doch ziemlich unbequem zu benutzen.


    Schließlich ruderten sie alle in dem kleinen Boot wieder aus der Cloaka Maxima hinaus, legten auf dem Tiber unterhalb des Forum Boarium an, wo sie ihre Inspektion begonnen hatten und stiegen mit stinkenden nassen Tuniken, mehreren beschrifteten Wachstafeln und einigen spannenden Erfahrungen wieder aus der Unterwelt hinauf. Die techniker schickte Macer in ihre Unterkünfte, während er sich mit den Soldaten auf den Weg zu dem Häuserblock machte, aus dem die Leiche inzwischen abtransportiert sein müsste.

  • Minor folgte den Soldaten zum Schacht und befahl ihnen dann wieder zu Macer zurückzukehren. Er überprüfte, ob die die Leiche auch gut verschnürt war; dann rief der den Männern am oberen Ende zu, langsam zu ziehen und hiefte die Leiche in eine aufrechte Position. Unendlich langsam wurde die Leiche nun nach oben gezogen, Minor kletterte direkt hinterher und dirigirte wenn nötig. Endlich war es geschafft und die Leiche wieder an der Oberfläche. Hier machte sich der Verwesungsgeruch um einiges stärker bemerkbar und die Soldaten traten unwillkürlich einen Schritt zurück.


    "Ihr beiden, beschafft jetzt irgendwoher einen Karren, auf dem ihr die Leiche in die Castra transportieren könnt! Und ihr beiden helft mir sie schon mal in den Hof zu tragen. Wer weiß, ob nicht irgendwer hier sie kennt. Sobald der Transport erfolgt, werden wir uns mal die Nachbarn näher ansehen!"


    Mit vereinten Kräften trugen sie die Leiche auf den Hof, allerdings immer noch in die Plane eingewickelt. Minor rechnete allerdings recht schnell mit Schaulustigen, bei denen er sein Glück mit der Identifizierung versuchen wollte.

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