[Officium] Tribunus Laticlavius Marcus Aurelius Corvinus

Ich grinste verhalten, als der Tribun zurückechote und mich ebenfalls Tribun nannte. Mitunter gab es sogar in der Legion etwas zu lachen, und das war mir nur zu recht. Auch seine lockeren Worte ließen mich ahnen, dass er nicht offiziell gekommen war. Etwas hielt er hinter seinem Rücken versteckt. Ich versuchte, herumzulinsen, doch da holte er die Karaffe schon hervor und drückte sie mit in die Hand. "Ho ho, schau an, ein Mann mit dem Blick fürs Wesentliche", scherzte ich. Meine Linkte schob einige Pergamente zusammen, dire Rechte stellte den Krug auf den Tisch. Ich erhob mich, um zwei Becher hinter mir aus dem Schrank zu nehmen. Mit je einem in der Hand wandte ich mich wieder um.

"Darfst du. Die Inventur und die damit verbundenen Neuanschaffungen. Der praefectus und ich haben uns die Aufgaben geteilt. Er sucht einen günstigen Anbieter für neue tunicae - an den alten haben sich nämlich die Motten gütlich getan - und ich klappere sämtliche Schuhverkäufer ab, sozusagen. Eigentlich eine Frauenarbeit, ich hatte schon überlegt, meine Verlobte darauf anzusetzen." Ich setzte mich und goss Wein ein. "Aber dann würde ich sie vermutlich eine Woche lang nicht mehr zu Gesicht bekommen, du weißt doch...Frauen und Schuhe...." ich grinste. "Na, also vergleiche ich selbst die Preise, hole Angebote ein, kalkuliere, stelle Tabellen auf...schließlich reden wir nicht nur von zwei Dutzend Paaren, sondern von gut zweihundert Paaren Stiefel. Naja, und das gleiche gilt für sämtliche anderen in Lager I gelagerten Materialien...feminalae, focales, ... Aber genug davon. Wie kommt es denn, dass DU scheinbar spo viel Freizeit hast?" fragte ich und prostete dem Terentier zu.

Ich grinste nur. "Na, dann sei froh. Es ist wahrlich kein Zuckerschlecken, mit diesen Zahlen zu hantieren", entgegnete ich und winkte ab. Der Wein war eben so stark wie er gut war, er umschmeichelte den Gaumen und würde die Sinne rascher betäuben als iberischer Landwein. Prüfend hob ich den Becher und sah hinein. "Ist das germanischer Wein?" fragte ich. Einen weiteren Schluck später musste ich schmunzeln. "Um mich besser kennenzulernen? Eine gute Idee, dich kenne ich schließlich auch nur vom Namen und Rang her, das war auch schon alles. Aber gut, ich will das Verhör nicht umdrehen, also bin ich wohl zuerst dran. Ich bin hier bereits in meiner zweiten Amtszeit als Tibun, bin sozusagen mit Kind und Kegel nach Germanien gekommen. Allerdings werde ich im August wohl abreisen, denn man hat meinem Gesuch stattgegeben, mich bei den nächsten Wahlen aufstellen zu lassen. Vorher war ich duumvir Mantuas... Hm. Am besten du fragst einfach, was dich interessiert, Tribun." Ich genehmigte mir erneut einen Schluck und nickte dem Tribunen zu.

Ah, also doch Importwein. "Ja, das hast du wohl recht. Ich lasse meinen aus Hispanien herschaffen. Nichts geht über einen guten iberischen Tropfen. Da reichen selbst die Erzeugnisse der Weinberge in Italia nicht heran. Hier in Germanien mag der Wein nicht sonderlich gut sein, dafür aber bekommt man gutes Bier", sagte ich und musste lachen, als er mich auf den patrizischen Durchschnitt ansprach. "Das mag auf die breite patrizische Mehrheit zutreffen, aber in meiner Familie ist es einfach üblich, dem Militär zu dienen. Ich wollte ungern brechen mit dieser Tradition, und der Kaiser in seiner Weisheit verlängerte mein Mandat um eine weitere Amtszeit. Tja. Meine Tätigkeit als duumvir kommt mir hier natürlich zugute, das stimmt. Aber die militärischen Erfahrungen, die ich hier sammeln konnte, können mir ebenfalls nützen. Ich bereue daher nicht, mich für ein freiwilliges Tribunat entschieden zu haben. Nicht zuletzt hoffe ich darauf, dass jene, die Patrizier ohnehin mit Skepsis betrachten, sehen, dass auch ein Patrizier durchaus freiwillig etwas leisten kann und auch nicht davor zurückschreckt", erklärte ich und schwenkte den Wein im Becher hin und her. "Darüber hinaus habe ich es nicht eilig, sondern will lieber gewissenhaft agieren."

Ich schenkte uns beiden Wein nach und wiegte den Kopf hin und her. "Oh, es ist durchaus kühler und vor allem anders als in Italien, das stimmt. Dennoch ist es nicht schlechter, sondern nur eine Frage der Eingewöhnung. Ich werde aber sicherlich mit einem guten Gefühl zurückreisen im August. Und ich spreche wohl auch für diejenigen, die mit mir gekommen sind - meine Verlobte, meine Nichte und meine Cousine - wenn ich sage, dass ich mich auf die Heimat freue. Für eine Frau gibt es hier ja kaum Freizeitmöglichkeiten außer den Märkten Mogontiacums. Aber wie steht es mit dir? Stammst du nicht aus Germanien? Mir war so, als lebten hier die meisten Terentier, oder irre ich? Und du beabsichtigst sicher auch, früher oder später das Vigintivirat zu absolvieren?"

Da hatte ich tatsächlich recht? Unwillkürlich grinste ich, versteckte das Grinsen jedoch hinter meinem Weinbecher. Wie auch der legatus zuvor, so drückte auch der tribunus seine Achtung vor meinem Entschluss aus, das Tribunat freiwillig abzuleisten. Ich dachte nach - in der Tat waren es zwei lehrreiche Jahre bei der Truppe gewesen, und auch wenn ich froh war, bald wieder nach Rom zu reisen, so würde mir dennoch das Lagerleben etwas fehlen, zugegebenermaßen. "Ich danke dir", erwiderte ich nur, denn seine Worte waren zwar ein Lob, doch vertrat ich die Ansicht, dass es gar keinen anderen ehrbaren Weg für mich gegeben hätte als den, das Tribunat abzuleisten.

Alienus war also keine Frau. Erneut musste ich grinsen und trank schnell einen Schluck des guten Weines, was gar nicht so leicht war, wenn man lachen musste. Bei der Erwähnung eines Namens horchte ich auf. "Terentius Cyprianus? Der Name sagt mir was, ist er nicht jetzt bei der Prima und leitet sein Tribunat ab? Ja, doch, ich kenne seinen Namen." Bestätigend nickte ich. Schlechtes hatte bisher noch nicht von ihm gehört. "Und selbst willst du nicht in die Politik...hm, nicht eben ungewöhnlich. Man kann sicherlich auch als Soldat karriere machen, dennoch ist das Amt eines tribunus angusticlavius doch eher politischer Natur und ein Amt auf Zeit. Ein Kommando über eine Legion wird man dir nur zuteilen, wenn du deine Fähigkeiten auch im cursus honorum bewiesen hast."

"Dann hoffen wir, dass er nicht nur die Beine erwischt, sondern auch einige Schädel einschlägt und gute Sklaven mit nach Hause bringt", erwiderte ich belustigt und hob den Becher. "Auf den Sieg."

Ich musste über Alienus' Worte lachen, als ein scriba klopfte, unaufgefordert eintrat und einen kleinen Stapel Wachstafeln auf eine Ecke meines Schreibtisches legte. Als ob ich nicht schon ausgelastet wäre... Ich sah mein gegenüber an, zuckte mit den Schultern und wartete, bis der hagere Mann wieder verschwunden war. "Selbst Legat werden... Nun, ich würde ein Kommando nicht ausschlagen, so man mir eines anvertrauen würde. Doch ehe ich die nötigen Qualifikationen vorweisen kann, dauert es sicherlich noch einige Zeit. Ich widme mich der Zukunft ohnehin lieber in kleinen Schritten, denn wer mit allem Tun und Sinnen stets in die ferne Zukunft starrt, wird einerseits die Zukunft nie gewinnen und verliert andererseits die Gegenwart aus den Augen." Dessen war ich überzeugt. "In etwas weniger als zwei Wochen ist es soweit. Meine Kandidatur allerdings ist bereits schriftlich bewilligt worden, doch vor dem Senat muss ich schon selbst sprechen, da hast du recht. Bis dahin wird wohl die Inventur der horrea nicht zur Gänze abgeschlossen werden. Hättest du Zeit und Muße, sie zu vollenden? Ansonsten muss ich den praefectus fragen, welchen Stabsoffizier er entbehren kann."

"Wahre Worte", pflichtete ich bei und schmunzelte. "Deswegen kandidiere ich ja zum vigintivir und hoffe auf viele Stimmen." Ein Wink mit dem Zaunpfahl.
"Na, das trifft sich ja prima. Dann werde ich vor meiner Abreise veranlassen, dass das ganze Zeug hier zu dir gebracht wird. Macht sich auf deinem Schreibtisch sicher auch besser als auf meinem", konterte ich die Inventur betreffend und deutete mit einer allumfassenden Geste auf die Tafeln und Papyri auf meinem Schreibtisch. Gut zwei Drittel waren Dinge, welche die Inventur betrafen...andererseits tat sich in knappen zwei Wochen auch noch so einiges, und der arme Tribun würde nicht mehr die ganze Ladung geballter Listen abbekommen. "Ich werde centurio Petronius Crispus in Kenntnis setzen, dass du meine Arbeit fortführen wirst. Ein guter Mann, dieser Petronier. Ich habe gern mit ihm gearbeitet."

"Och, keine Sorge, du wirst dann froh sein, wenn du irgendwo noch Holz siehst und nicht nur Wachstafeln und Pergamente", entgegnete ich und winkte grinsend ab.
"Vor der Arbeit drücken? Nicht doch. Wir führen hier ein äußerst ernstzunehmendes und fachliches Gespräch über...schauen wir mal...die nächste Weinlieferung an den Stab." Papiere raschelten, als ich eine Auflistung über die Ausgaben der letzten vier Wochen fand, hervorzog und mit dem Zeigefinger auf die Position XXVII zeigte. "Und wir müssen kosten, ehe wir neuen bestellen, so einfach ist das." Ich feixte und ließ den Pergament wieder auf den Haufen fallen. Schade, dass der Terentier nun schon gehen wollte. Aber er hatte ja recht, gab ich innerlich murrend zu, wir hatten beide zu arbeiten.
"Terentius Alienus, es war schön, dass du mich besuchen gekommen bist", sagte ich daher herzlich. "Ich hoffe doch sehr, dass wir uns irgendwann nochmals treffen."

"Ich danke dir, Terentius. Mögen auch dich die Götter stets geleiten", erwiderte ich und verabschiedete somit den tribunus angusticlavius. Anschließend blieb ich allein zurück. Den restlichen Wein leerte ich im Verlauf des Arbeitstages noch allein, ebenso wie ich an den auf diesen folgenden Tagen einen Großteil meines Schreibtisches leerte.

Alles, was ich nicht mehr bearbeiten konnte, wanderte kurz vor meiner Abreise beschriftet und geordnet in eine hölzerne Kiste, auf deren Deckel der Name des Alienus stand. Die wenigen privaten Habseligkeiten ließ ich zur villa schaffen, und als ich ein letztes Mal die Tür dieses officiums hinter mir zuzog, verspürte ich doch etwas wie Bedauern.