Anmutig und mit filigranen Flügeln schwebte ein fahlgelber Zitronenschmetterling über die ersten blühenden Knospen der leuchtend weißen Anemonen. Ein milder Wind strich liebkosend durch die Zweige einer Platane, deren borkige Rinde in allen braunen Farben erstrahlte, von hell bis dunkel. Ihre Wurzeln ragten tief in das Erdreich neben dem kleinen Weingut außerhalb von Rom und in den Sabatiner Bergen gelegen. Idyllische und atemberaubende Talschluchten umgaben die noch kargen Weinberge, deren Weintriebe erst in naher Zukunft ausschlagen würden. Zartrosa fiel die Abendsonne auf das ländliche Gut, tauchte alle harten Konturen in einen weichen Schleier und ließ die sonst strahlend weiße gekalkten Fassade in blassen Pastelltönen erstrahlen.
Doch fiel tiefer, weit unter dem Erdreich, weit unter Sols Scheibe, lag ein hoher Kellerraum, mit einem geziegelten Gewölbedach. Nur durch ein einzelnes vergittertes Kellerfenster fielen die grellen Strahlen der Sonne.
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Auf dem rauen Boden wurde Gracchus unsanft von einem grobschlächtigen Mann heruntergelassen. Seiner Toga war Gracchus schon vor einigen Stunden beraubt, ebenso seiner edlen Calcei Patricii, stattdessen war ihm ein grober Mantel übergeworfen und ein altes paar Caligae angezogen worden, doch der Sack war immer noch über ihn gestülpt, die Fesseln schnürten an seinen Handgelenken ein. Einige Atemzüge war es vollkommen still im Gewölbe, dann näherten sich Gracchus Schritte. Der Sack wurde gelöst und Dardarshi zog den groben Stoff von Gracchus Haupt herunter. „Verzeih, werter Flavius, das alles so gekommen ist.“ Der Parther hatte fast eine ganze Stunde auf seinen Freund eingeredet, doch es hatte nicht viel ausgerichtet. Geschickt, trotz des klobigen Erscheinen seiner Hände, löste Darshi die Fesseln und trat von Gracchus ein Schritt zurück, verschwand schließlich in der Dunkelheit.
Ein großer Kellerraum, eine Lagerstätte, ein Tisch und zwei Stühle beherbergten diese Räumlichkeiten, ebenso einige Öllampen aus Ton, gebrannt in den Gestalten einiger einfacher Tiere, Katzen, Pferde oder Vögel. Aus ihren Mäulern züngelten die Flammen des brennenden Öls.
„Bruder, auch ich muss mich entschuldigen. Leider werde ich Dir in den nächsten Tagen nicht den Komfort bieten können, der Dir angemessen wäre.“
Mit einem sadonischen Lächeln auf den Lippen und einem panurgischen Funkeln in den Augen trat Tullius um Gracchus herum. Doch man hätte ihn nicht mehr für Tullius halten können, es war mehr als ob Gracchus nun wahrlich in das Spiegelbild sehen würde, das ihm noch sein Barbier am selbigen Morgen, ehe die ersten Sonnenstrahlen sich über die Stadt gelegt hatten, vorgehalten hatte. Penibel rasiert, die Haare geschnitten und in einer weißen Tunica, mit Gracchus Toga darüber, gekleidet, war kaum mehr etwas von dem schlichten Mann aus der Subura übrig. Aufrecht, stolz und durchaus erhaben sah Tullius auf seinen Bruder hinab, schien schlechterdings in der Lage zu sein die Toga würdevoll zu tragen.
„Ich bin Dir zu Tiefst verbunden. Du hast mir wahrlich einen famosen Einfall geschenkt. Ahnst Du es schon, Manius?“
Tullius trat an Gracchus heran und half ihm auf, sah ihm dabei einlässlich in dessen Augen und Tullius Lippen kräuselten sich zu einem erwartungsvollen Lächeln.