Wassermänner im Wasser

  • Mit dieser Freizeitbeschäftigung hatte Macer bei seinem Kollegen nicht unbedingt gerechnet, denn er hatte auf ihn bisher nicht den Eindruck eines gemütlichen Literaturfreundes gemacht.


    "Dichter, Historiker oder Techniker?", fragte er daher weiter. "Ich lese eher seltener als mir lieb ist. Meistens Techniker und natürlich gelegentlich auch Militärhistoriker."

  • "Tatsächlich, griechische Philosophen? Nein, das ist mir für etwas Entspannung zu schwere Kost." Macer schüttelte ein wenig den Kopf, als er an die wenigen Texte dachte, die er dazu mal gelesen hatte. "Solange sie rational und logisch bleiben, komme ich noch mit, aber danach macht es mir dann weniger Spass. Wen hast du zuletzt gelesen?


    Griechische Mathematiker sind ganz spannend, aber die kannt man ja schon aus der Schule." Macers Vater hatte damals keine Lust gehabt, viel Geld für einen einzelnen privaten Hauslehrer auszugeben und hatte zusammen mit den Nachbar einen lehrer für mehrere Kinder organisiert und einen Unterrichtsraum noch dazu.

  • Macer kramte ein wenig in seinem Gedächtnis, ob ihm zum Stichwort Plato und Höhlengleichnis irgendetwas einfiel. "Die Sache mit dem Feuer und den Schatten? Falls es das ist, dann war das eins von den Dingen, mit denen ich nicht so viel anfangen konnte. Das ist zwar schon verständlich, was er damit sagen will, aber letztlich erklärt es auch nur, warum wir angeblich alle dumm sind und warum man Philosophen nicht umbringen sollte.


    Wie gesagt, nicht unbeedingt das, was ich zur Entspannung lese. Bleiben wir hier oder gehen wir ins Warmbad oder Schwitzbad?"

  • "Ich würde sagen du hast das Höhlengleichniss falsch ausgelegt."


    Verus grinste Macer freundlich an ,als er dies sagte und fuhr dann fort:


    "Lass uns in Schwitzbad gehen,das ist eine gute Sache."

  • Es war immerhin einige Jahre her, dass Macer sich mit Platon hatte auseinander setzen müssen und dass ihm es jemand so ungefähr in der Art erklärt hatte, wie er es eben wiedergab. Also zuckte er nur mit den Schultern. "Dann ist es schonmal schlecht, wenn man es falsch auslegen kann."


    Er erhob sich aus dem Wasser, schüttelte kurz die dicksten Tropfen ab und zog sich wieder seine Badesandalen an. "Wenn du einen Geometriker liest, Thales zum Beispiel, dann bekommst du genaue Anweisungen, wie du eine geometrische Konstruktion auszuführen hast. Dabei muss man zwar auch denken und verstehen, aber wenn zwei Leute das machen, kommen sie zu demselben Ergebnis. Bei Philosophen scheint das nicht immer der Fall zu sein."

  • Verus folgte Macer und legte ebenso seine "Badelatschen" an.


    "Das mag sein,die Philosophen wollen auch zum freien Denken anregen,deswegen ist es auch gut zu denken ,auch wenn man etwas falsch auslegt man lernt daraus,jeder Mensch lebt um zu lernen."

  • "Zweifellos, das tun wir alle" erwiederte Macer nur noch, da er das Gespräch über Philosophie nicht unbedingt weiterführen wollte.


    Auch im Sudatorium war es recht voll, obwohl die Thermen über ein recht großes Schwitzbad verfügten, soweit es die baulichen Notwendigkeiten eines Heißraumes eben zuließen. Macer besuchte selten diesen Teil des Bades, denn da er ziemlich mager war, bestand kaum die Notwendigkeit, dass er sich dünn schwitzen musste.


    "Ah, da vorne ist noch was frei. Aber lange bleibe ich nicht hier drin."

  • Macer ließ es etwas langsamer angehen und während sein Kollege seine Schritte beschleunigte, grüßte Macer den einen oder anderen Anwesenden mit einem leichten Kopfnicken, soweit er die Männer durch die Dampfschwaden des Raumes überhaupt erkennen konnte.


    Nachdem er den freigehaltenen Platz erreicht hatte, schweiften seine Gedanken in verschiedene Richtungen, aber keine davon taugte als naheliegendes Gesprächthema.

  • "Ohja, sicher habe ich davon gehört." Im Senat war es definitiv unmöglich, nicht davon gehört zu haben. "Ob es wirklich schrecklich ist, wird sich zeigen, aber empörend ist es in jedem Fall. Immerhin erschien dem Kaiser die Gefahr groß genug, um mehrere Kohorten der Praetorianer dorthin zu entsenden. Die Meinung der Bevölkerung der Provinz erscheint mir recht diffus. Zum einen wenden sie sich nicht gegen den Aufstand, zum anderen scheint er sich aber auch nicht auszubreiten.


    Vielleicht ist er gar nicht schrecklich, sondern der Mehrheit nur schrecklich egal."

  • "Das könnte natürlich sein,nichts desto trotz ist so ein Aufstand gefährlich,ein kleiner Funke kann alles entzünden.So könnte sich diese Idee ,wie ein Lauffeuer durch das Imperium verbreiten.Wir müssen die Idee töten nicht nur ihre Träger,auch wenn nicht jeder sich für diese Idee begeistert,die Idee ist da."


    Verus rannte ein kleiner Schweißtropfen über das Gesicht und purzelte von seiner Nase auf seine Beine.

  • "Das ist zweifellos der richtige Gedanke. Doch was ist eigentlich diese Idee, die sich da verbreiten könnte. Alles in allem sind die Meldungen doch eher lückenhaft und was genau passiert ist und von den Aufständischen geplant war, wissen wir nicht, denke ich. Wenn ich diesen Aufstand einfach so nachmachen würde, wäre das ein ziemliches Desaster."


    Macer grinste angesichts dieser Vorstellung und spürte seinen Schweiß schon am ganzen Körper.


    "Es ging ja wohl um die Wiedererrichtung einer Ordnung, wie wir sie vor über hundert Jahren hatten."

  • "Es gibt immer Leute, die lieber zurück als nach vorne blicken. Oder sie schauen zu sehr auf eigene Vorteile und nicht auf die Allgemeinheit. Wer sich zum Anführer eines Aufstandes macht, holt zweifellos zumindest kurzfristig mehr für sich raus, als er im normalen Alltag erreichen würde. Was natürlich nicht erklärt, warum ihm andere bei dieser Sache folgen."


    Hätte sich der Aufstand gegen etwas gewandt, was auch Macer nicht gut fand, hätte er sicher noch mehr gesagt, aber einem politischen Rückschritt um über 100 Jahre konnte er wirklich nichts positives abgewinnen.

  • "Manche Menschen fürchten sich vor der Zukunft und zerstören sich selber durch diese Angst davor,bloß man darf auch nie seine Ehre und Prinzipien verlieren."


    Verus wischte sich wieder Schweiß ab.


    "Aber trotzdem sollte man darauf achten,dass jeder der diese Idee trägt eliminiert wird.Dieser Gedanke darf nicht überleben."

  • "Manche Leute scheinen es zu ihrem Prinzip zu machen, etwas ändern zu wollen. Sie würden ihre Prinzipien verlieren, wenn sie nichts tun. Solange es nicht - wie gerade in Hispania - um einen Sturz des Kaisers geht, kann man eine solche Haltung durchaus tolerieren. Auch wenn ich sie extrem seltsamen finde und bisher noch niemanden getroffen habe, der daraus nur sinnvolles gemacht hat.


    Aber die Praetorianer werden da jetzt schon für Ordnung sorgen. Dafür scheint mir diese Sache nun wirklich nicht gut genug organisiert, um ihnen etwas entgegens etzen zu können. Sonst hätten die letzten berichte in der Acta Diurna zum Beispiel sicher ganz anders geklungen."

  • "Wohl war ,aber durch Niederschlagung des Aufstandes kann man ihnen doch nur Recht geben,sie werden vielleicht sogar stärker durch die Auslöschung ihrer Kämpfer oder Partisanen.Die Idee lässt sich nicht mit Waffen töten,nur indem man jeden Träger eliminiert oder ihn eines Gegenteiles überzeugt und da man nicht jeden Träger eliminieren kann ,bleibt nur die Macht der Überzeugung."


    Verus wollte das vorhin sowieso hinzufügen,vergaß dies aber unter der Einwirkung der Hitze.

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