• Sie waren tatsächlich Nachfahren des Catilina! Das hätte Valerian nun nicht gedacht. "Nun, dann sollte man sie wirklich im Auge behalten. Vielleicht sollte ich für meine Schwester doch eine andere Unterkunft suchen. Schade, es schien so ideal zu sein." Und Severa war so nett gewesen, Valerian träumte sogar hin und wieder von ihr, solchen Eindruck hatte sie auf ihn gemacht.


    "Bei welchen Familien sollte ich noch vorsichtig sein?" Besser, er fragte vorher, bevor er wieder mit schlafwandlerischer Sicherheit bei der falschen landete.

  • "Du kannst deine Schwester natürlich trotzdem dort unterbringen, eigentlich spricht nicht allzuviel dagegen, sofern du vorsichtig bist und sie gegebenenfalls schnell genug dort hinaus bekommst." sagte er.


    Dann überlegte er einen Moment, denn die Frage war natürlich nicht ohne.


    "Generell solltest du dich natürlich vor allen Patriziern in Acht nehmen. Natürlich mit Ausnahme der kaiserlichen Familie. Aber wenn du es mit Claudiern, Flaviern, Aureliern oder Tiberiern zu tun bekommst, dann solltest du vorsichtig sein. Man weiss bei ihnen nie."


    Er trank einen Schluck.

  • Das beruhigte Valerian, denn er fand eigentlich, daß Valentina dort sehr gut untergebracht war. Vor allem lag die Qualität weit über dem Preis. Es war wirklich perfekt. Da mußte sie nicht allein sein. Also nickte er einfach. "Zur Not gäbe es noch ein altes Haus, das unsere Familie einst bewohnte. Doch dort wäre sie allein und es müßte einiges am Haus gemacht werden, wofür mir die Mittel fehlen." Und sonst war ja niemand mehr da.


    "Na, mit den Tiberiern habe ich ja schon meine Erfahrungen gemacht." Er dachte an seinen ersten Tag am Palasttor, als der Senator sich weigerte, sich durchsuchen zu lassen. Einfach nur albern, sowas. "Also die Patrizier. Gibt es vielleicht Rivalitäten, die nützlich sein könnten, um sie im Auge zu behalten?" Er nahm sich ein paar Trauben und grübelte nach, während er sie genüßlich zerkaute. "Sehr viel Macht haben die patrizischen Familien zur Zeit aber nicht, wenn ich das recht überblicke. Nur einzelne in jeder Familie sind im Senat und haben höhere Ämter inne. Wirklich gefährlich können sie doch nur werden, wenn sie zusammenhalten, oder? Halten sie denn zusammen?" Er war zu lange von Rom fort gewesen und hatte sich früher auch zuwenig mit diesen Kreisen befaßt, um das wirklich durchschauen zu können.

  • "Falls du den Wunsch hegst, das Haus deiner Familie wieder bewohnbar zu machen, gib mir Bescheid, da lässt sich sicherlich etwas machen." sagte er.


    "Prinzipiell hast du natürlich Recht, dass die Patrizier keine wirkliche Macht haben, wenn man von einzelnen absieht, aber dennoch sollte man sie nicht unterschätzen. Manche von ihnen scheinen vergessen zu haben, dass sie keine tatsächliche Macht haben und geben sich auch weiterhin als die grossen Staatsmänner die ihre Vorfahren waren. Vor allem legen sie eine entsprechende Arroganz an den Tag, die sich auch schon mal in mehr als üblen Verhaltensmustern gegenüber Plebejern ausdrückt."


    Er dachte kurz an jene Patrizier mit denen er in seinem Leben schon zwangsweise zusammengetroffen war.


    "Sie halten zusammen, wenn es für sie von Vorteil ist. Wenn es ihnen mehr einbringt sich gegenseitig zu bekämpfen, dann tun sie auch das."

  • Bei diesem Angebot wurde Valerian direkt ein wenig verlegen. Er hatte es doch nicht erwähnt, damit sein Patron ihm so etwas anbot. "Hab Dank für Dein großzügiges Angebot. Im Moment sehe ich die Notwendigkeit noch nicht. Ich kann das Haus nicht nutzen und es wäre zu groß für Valentina allein."


    Zu den Worten über die Patrizier nickte Valerian. "Ja, die Arroganz kann ich nur bestätigen. Gerade als einfacher Miles bekommt man die ganz gut zu spüren." Trotzdem konnte er sich nicht vorstellen, daß es unter den Patriziern nicht die eine oder andere Ausnahme gab. Auch wenn die vermutlich extrem selten waren.


    "Also immer auf ihren Vorteil bedacht und hängen ihr Fähnchen nach dem Wind. - Mein Vater sagte immer: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, verlassen kann man sich da auf nichts. Nur daß er damit die Straßenjungen meinte. Es scheint aber wohl auch auf Patrizier zuzutreffen."

  • "Die meisten Patrizier sind nicht besser als Straßenjungs oder Straßenräuber, abgesehen davon, dass sie aus noblen Familien stammen." sagte er.


    "Mir wäre die Gesellschaft von Straßenschlägern an manchen Tagen sogar lieber als die von Patriziern, denn bei einem Straßenschläger weiss man wenigstens vorher worauf man sich einlässt, ein Patrizier zeigt sein wahres Gesicht meist erst wenn es zu spät ist."

  • Valerian nickte. "Ja, auf der Straße weiß man, wo man dran ist. Diese Falschheit ist eben das Problem. Wenn Patrizier freundlich zu Dir sind, weißt Du nie, was sie damit bezwecken, denn ehrlich gemeint kann es eigentlich nicht sein. Aber sind nicht andere hohe Politiker auch so? Daß sie ihr wahres Gesicht erst zeigen, wenn es zu spät ist?" Klar, Patrizier wurden nun mal Politiker, was blieb ihnen schon anderes zu tun? Für das meiste waren sie ja viel zu vornehm. Sogar normalen Handel empfanden sie als anstößig. Merkwürdige Bande. "Hast Du oft mit Patriziern zu tun? Direkten, näheren Kontakt hatte ich bisher nur zu einem: Zu Tiberius Durus. Aber das hat mir eigentlich schon gereicht." Dem war es doch völlig egal gewesen, ob Valerian Ärger bekam. Ganz im Gegenteil, der hatte es doch noch darauf angelegt. Dabei war es nicht Valerian gewesen, der sich falsch verhalten hatte.

  • "Natürlich sind andere Politiker auch so. Es scheint so, als ob dieses Verhalten von den Patriziern auf andere abfärbt, sobald sie in der Politik mit Patriziern in engeren Kontakt kommen." sagte er. Auch wenn er selbst vermutlich irgendwann selbst ein Politiker werden würde, hatte er bisher nie viel für diese Menschengruppe übrig gehabt.


    "Ich habe öfters mit ihnen zu tun. Auch früher schon, bedingt durch die Verbindungen meines Vaters zu einigen von ihnen. Tiberius Durus kenne ich ebenfalls. Er war einer der Männer, die die Bahre meines Vaters vor die Stadt getragen haben."

  • Valerian nickte. Ja, das war vermutlich so. Der Hochmut und die Arroganz der Patrizier wurde von den anderen Senatoren nachgeahmt, um ebenso vornehm zu wirken. Dabei war es doch im Grunde nur albern.


    Die letzte Bemerkung war aber nun wieder ein wenig zweischneidig. Balbus hatte in keinster Weise geäußert, was er von Tiberius Durus nun eigentlich hielt. Einerseits hatte er pauschal alle Patrizier verurteilt. Doch andererseits war es natürlich eine Ehrung des Toten, wenn der Tiberier einer der Träger der Bahre gewesen war. Es war nun natürlich schwer, etwas dazu zu sagen, ohne in ein Fettnäpfchen zu treten. "Gibt es Ausnahmen? Ich meine, unter den Senatoren, wenn schon nicht unter den Patriziern?" Er mußte unwillkürlich an Aelius Quarto denken, der bisher stets freundlich gewesen war, obwohl er es wirklich nicht gemußt hätte. War er solch eine Ausnahme? Oder hatte er mit seiner Freundlichkeit irgendetwas bezweckt? Valerian fand ihn eigentlich sehr sympathisch.

  • Er musste etwas lachen, sah er doch ein wenig Unsicherheit im Gesicht seines Gegenübers.


    "Natürlich gibt es Ausnahmen. Ich würde auch den bereits benannten Tiberius Durus als eine Ausnahme bezeichnen, zumindest wenn man bei ihm einen guten Tag erwischt. An schlechten Tagen ist auch er nicht besser als der übrige patrizische Mob."


    "Ansonsten halte dich an Senatoren wie Aelius Quarto oder Purgitius Macer, sie sind noch immer von grosser Integrität und bereits mein Vater schätzte sie sehr."


    Er überlegte einen Moment.
    "Wenn sich demnächst eine entsprechende Gelegenheit ergibt, werden wir dafür sorgen, dass du einige Kontakte zur römischen Oberschicht schmieden kannst. Denn so korrupt die hohen Herren sind, so wichtig kann es dennoch sein einige von ihnen zu kennen."

  • Das hatte er schon geahnt. Valerian seufzte und blickte ein wenig verlegen auf seine Hände, die noch immer den Weinbecher hielten. "Nun, dann hatte er wohl einen seiner schlechten Tage, als ich ihn kennenlernte. Es war an meinem ersten Tag als Wache am Palasttor. Er weigerte sich, sich auf Waffen untersuchen zu lassen und so mußte ich ihn zum Centurio führen. Der bestand natürlich auch darauf und da hat sich der Senator ganz theatralisch die Toga heruntergerissen, um zu zeigen, daß er keine Waffe dabei hatte. Natürlich mußte ich dann noch einen Palastdiener suchen, damit der die Toga wieder ordentlich anlegen konnte." Ob sich der Tiberier überhaupt an ihn erinnern würde? Umgekehrt würde Valerian diesen Zusammenstoß wohl nicht so bald vergessen.


    "Aelius Quarto habe ich auch schon kennengelernt. Ich hatte Wache, als er nach Rom zurückkehrte. Er war sehr freundlich. Und ich glaube, er hält fest zu seinem Bruder." Natürlich kannte Valerian auch Senator Purgitius, doch der hatte noch nicht wirklich das Wort an ihn gerichtet, deshalb wagte er nicht, auch nur das geringste Urteil über ihn abzugeben. "Sie kommen am Palasttor alle an mir vorbei", grinste er ein wenig schief. Denn das hieß noch lange nicht, daß sie ihn als Person wahrnahmen. Er war ein Praetorianer, einer von vielen. Sie sahen die Uniform, nicht den Mann.

  • Balbus musste unweigerlich lachen. "Ja, das klingt sehr nach Durus." sagte er. Natürlich kannte er den Bericht, doch war es immer was anderes, wenn ein Betroffener sich selbst äusserte.


    "Täusche dich da nicht. Vielleicht scheint es auf dich, als ob dich niemand von ihnen wirklich wahrnimmt, doch jene auf die es ankommt, sehen mehr als nur den Praetorianer."

  • Na, wenigstens hatte er seinen Patron zum lachen gebracht. Auch Valerian hatte bisher über diesen Vorfall gelacht, doch nun war er sich nicht mehr so sicher, ob es nicht besser wäre, sich mit dem Tiberier besser zu stellen. Wenn sein Patron so große Stücke auf ihn hielt? Ach, diese verdammten Politiker!


    "Nun, ich würde mich im Zweifelsfall nie darauf verlassen, daß sie mich nicht wiedererkennen. Doch bei den meisten bin ich mir ziemlich sicher, daß sie sich nicht erinnern würden, wenn ich in Tunika und Toga vor ihnen stehen würde. Also, bei den hohen Herrschaften bin ich mir da ziemlich sicher. Die Bürger, die nur selten einen Grund haben, in den Palast zu kommen, ja, die merken sich das Gesicht, die blicken mich richtig an und schauen nicht nur durch mich hindurch. Es ist manchmal wirklich eigenartig, dort Wache zu schieben. Einerseits kommt keiner durch, den wir nicht durchlassen, andererseits werden wir von einigen kaum wahrgenommen. Aber ich muß zugeben, daß ich es eigentlich gerne mache. Es gibt keine Schicht, in der nicht etwas interessantes geschieht." Damit unterschied er sich von den meisten seiner Kameraden. Die meisten haßten den Tordienst am Palast.

  • "Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit bei der Palastwache. Ich hatte zwar das Glück nicht selbst am Tor stehen zu müssen, aber auch in der Kommandantur erlebt man viele interessante Dinge." sagte er leicht lächelnd.


    Ein Sklave kam in den Raum und brachte eine neue Kanne mit Wein, die er bereit stellte.


    "An manchen Tagen sehne ich mich sogar ein wenig danach, wieder bei der Palastwache zu sein, denn auf meinem jetzigen Posten besteht der größte Teil der Aufgaben aus dem Wälzen von Papyri."

  • Auch Valerian lächelte. Vor allem, als der neue Wein gebracht wurde. So oft bekam er solch edle Tropfen schließlich nicht zu trinken. Wobei er natürlich nicht vorhatte, sich zu betrinken. "Die Flucht vor dem Papyruskrieg trieb mich zur Legion. Mein Vater wollte mich in der Verwaltung sehen, wollte, daß ich es mal weit bringe. Ich habe ihn bitter enttäuscht, denn ich bin wahrhaftig unbegabt im Umgang mit Listen und Karteien. Das Soldatenleben liegt mir weit mehr, sogar besser, als ich zu hoffen gewagt hatte als ich mich meldete. Ich hoffe, ich kann ihm hier Ehre machen. Mich bei den Praetorianern zu sehen, hätte ihn gewiß stolz gemacht." Zumindest hoffte Valerian das. Fragen konnte er seinen Vater nicht mehr. Er war tot.


    "Dann bist Du an Deiner Stelle nicht so recht glücklich? Hast Du nicht sogar gute Chancen, eines Tages einen der Praefectenposten zu erhalten?" Oder wollte er diesen Posten vielleicht gar nicht?

  • Balbus schüttelte leicht den Kopf. "Ich bin nicht unglücklich mit meinem Posten, aber es ist für mich nur eine vorrübergehende Sache. Sobald Valerian fest auf dem Thron sitzt, werde ich mich darum kümmern versetzt zu werden. Immerhin hatte ich zuvor ein eigenes Kommando und von diesem Standpunkt gesehen ist mein jetziger Posten ein Rückschritt in meiner Karriere."


    Er trank noch einem Schluck.


    "Was den Posten eines Praefecten angeht, so befürchte ich, dass mir der Weg dorthin verwehrt bleiben wird, denn ein so grosses Vertrauen des Kaisers aufzubauen braucht sicherlich länger als mein Leben noch dauern wird."

  • Valerian fragte sich unwillkürlich, ob Crassus wohl das volle Vertrauen des Kaisers besaß. Nicht, da er es nicht verdient hätte, doch Valerianus war lange nicht in Rom gewesen, wie gut kannte er die Männer, die an den hohen Positionen saßen? Er mußte sich einfach darauf verlassen, daß sie ihm genauso treu waren wie seinem Vater. Doch wenn er diesen Männern vertraute, warum dann nicht auch Balbus?


    "Und an was für einen Posten hast Du gedacht?", fragte Valerian, nun doch richtig neugierig geworden. Irgendwie hörte sich das so an, als hätte Balbus schon mehr oder weniger konkrete Pläne für seine Zukunft. Er trank noch etwas Wein und nahm sich dann ein Stückchen Käse.

  • "An einen zivilen. Oder zumindest einen, der weniger gefährlich ist als der als Praefect einer Reitereinheit an der Germanischen Grenze." sagte er. "Aber was genau es wird, das werden andere entscheiden müssen. Und wenn gar nichts für mich verfügbar ist, dann werde ich in die Fussstapfen meines Vaters treten."

  • "Und die politische Laufbahn einschlagen?", staunte Valerian. Er dachte an das, was sie vorhin erst über Politiker festgestellt hatten. "Ob dieses Haifischbecken von Senat wirklich ungefährlicher ist als die Grenze Germaniens, wage ich noch zu bezweifeln." Das war auch nur ein halber Scherz. Politiker waren eben hinterhältig. Und Morde geschahen in solchen Kreisen oft genug, da brauchte man nur an Balbus' Vater denken. "Nicht für alles Geld der Welt würde ich Politiker werden wollen. Aber für Rom ist es gut, wenn Männer wie Du im Senat sitzen." Nur war es bis dahin sicher noch ein langer Weg. Soweit Valerian wußte, mußte Balbus dann ganz unten anfangen mit der Ämterlaufbahn. Sofern er nicht schon irgendwelche Ämter innegehabt hatte, wovon Valerian dann nichts wußte.

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