Nächtliche Flucht

  • Es waren nun schon einige Tage vergangen, seitdem der großgewachsene Tribun mich hierher gebracht hatte und in denen es mir besser gegangen war, als all die Jahre zuvor. Ich war kaum mehr beachtet worden, der Valerier hatte recht behalten, die Casa war fast ausgestorben, von den alten Männern, die hier wohnten, hatte ich nicht viel mitbekommen und mich einfach fern gehalten von diesen Beiden. Nur zwei- vielleicht drei Male, hatte der verschwiegene, recht eigenwillige Sklave, der die Statur eines darkischen Ahnensteines besaß, Hulc, mir einen Besen oder einen Lappen in die Hand gedrückt um eine Ecke des Hauses sauberzumachen, doch dabei war es geblieben.
    Schwer hatte ich die Zähne zusammengebissen, mein Stolz verbotet es mir bei weitem etwas für einen RÖMER zu putzen, doch ich war nicht so dumm wegen diesen Einzelfällen, meine heutige Flucht aufs Spiel zu setzen. Bald schon würde kein Römer, keiner dieser heuchelnden Tyrannen mehr die Hand gegen mich erheben und ich würde mich niemals dieser Arroganz beugen müssen. Ich konnte nur allen Gottheiten dankbar sein, dass sie mich hierher gebracht hatten, es war ein Kinderspiel gewesen, mich nachts aus der Sklavenunterkunft zu stehlen und wahrscheinlich hätte ich auch einiges des Hausstandes mit mir nehmen können, doch würde ich niemals von römischen Besitz leben, etwas davon besitzen wollen. Schon am ersten Tag hatte ich nachgesehen, wo die beiden Hunde, von denen Vic mir erzählt hatte (und was dumm genug war) untergebracht waren. Sie besaßen einen Zwinger in der Nähe der Casa und waren aufmerksam und sorgsam abgerichtet, so dass kein Einbrecher ihnen entgehen konnte und sie sofort alarmierendes Geheul nachts hätten hören lassen, wenn jemand unbefugt das Grundstück betreten hätte.
    Doch dank Hulc, dessen Verstand nicht ein Zehntel so groß, wie seine Muskeln waren, kannten mich die Hunde schon und würden nicht anschlagen.


    Ich spürte mein Selbstgefühl und meine Würde zusammen mit etwas Nervosität langsam wieder in mir aufflammen, als ich durch den Flur schlich. Nichts hatte ich bei mir und genauso viel Ahnung, wie es weitergehen würde, sobald ich hier heraus war, doch würde ich lieber in einer Seitengasse verhungern, als weiterhin einem dieses verhassten Volkes zu dienen. Ein entschlossener Blick war es also, der unruhig aber sehr genau über die ins Dunkle getauchten Silouetten fuhr. Nur einige Schritte noch und ich hatte eine der marmornen Säulen in meinem Rücken, die mich näher an die verrammelte Eingangstüre brachten, nur wenige mehr um am Fenster zu sein, durch dass ich mich nun langsam hinabließ. Meine Finger fuhren etwas über den rauen Stein, der mir die Haut zerkratzte, nur um kein Geräusch von mir zu geben. Ein langgezogenes, reißendes Geräusch verkündete, dass ich mir mein Gewand zerrissen hatte. Doch schließlich stand ich -Gras unter meinen zitternden Beinen- draußen und hier konnte ich mich nicht mehr zügeln, sondern rannte von dem Grundstück.
    Tief ins Dunkel, ins Nirgendwo, in eine ungewisse Zukunft.

  • Vereint liegen, sitzen und stehen die Männer des valerischen Haushalts im Atrium herum. Vic flätzt auf einer Kline und trinkt Wein, die Oppas sitzen auf Korbstühlen am Rand des Raumes und tun was auch immer, Hulc staubt die wenigen Dekorationsgegenstände ab und die beiden Tölen Razor und Blade liegen faul in der Sonne.


    Vic schaut träge auf. "Sach ma Hulc, wie machtn sich die Neue? Wie is noch ihr Name? Myra?"
    "Myriel"
    "Joah, sach ich doch. Bekommste sie beschäftigt?"
    "Hm."
    "Wat hm? Ja? Nein? Vielleicht?"
    "Ich hab sie seit ein paar Tagen nicht gesehen."
    "Wat? Wie nicht gesehen? So groß is dat Haus nu auch wieder nich."
    "Hm."
    "Wat hm? Wo isse?"
    "Vielleicht weg?"
    "Wie weg? Scheiße, Hulc, wo is sie?"
    "Hmh."
    "Junge, willste paar aufs Maul, oder wat? Wo is sie?"
    "Weg."
    "Haste se verkauft?"
    "Ne."
    "Is sie abgehauen?"
    "Hm-mh."
    "Boah ne! Sicher, Mann?"
    "Hm-mh."
    "Ou Mann, ne, Junge, dat gibts doch nicht. Die Oppas ham sie nicht vielleicht... ich mein... du weißt schon?"
    "Wat ham wir? Wir ham gar nix!"
    "Ruhe da hinten auf den billigen Plätzen!"
    "Die wärn nich so billig, wenn du ma endlich neue Stühle anschaffen tätst!"
    "Mann, Oppa, hockt euch halt auf Klinen, wie echte Kerle!"
    "Auf Klinen? Junge, wie solln wir da wieder hochkommmen? Haste nen Legionärskram hier oder wat? Reichts nich schon, dass wir jeden Tach unsere alten Knochen ausm Bett hieven müssen?"
    "Stellt euch nich so an... Außerdem könntet ihr gleich liegen bleiben, dann hätt ich meine Ruhe."
    "Komm du erst einmal in unser Alter, mein Junge!"
    "Jo, dat will ich gar nich erleben. Also, habt ihr die Myra gesehen?"
    "Myriel."
    "Wen ham wir nich gesehn?"
    "Ich glaube, sie haben nicht mal bemerkt, dass die Sklavin im Haus war."
    "Um so besser."
    Vic schaut zu Razor und Blade, die hundefaul auf dem Boden des Atrium liegen, genau da, wo die Sonne durch das Compluvium rein scheint. Die beiden würden vielleicht anschlagen, wenn jemand von draußen versucht in die Casa einzudringen, aber wenn jemand von drinnen nach draußen geht bewegt sie das noch nicht mal zu einem Schwanzwackeln. "Scheiße, elende. Vielleicht is sie zum Terentier zurück gelaufen?" Seine Augen weiten sich. "Boah! Der Terentius! Dat hat der doch von Anfang an gewusst! Nen Kuckuck hat er mir ins Nest gesetzt, dieser elende, verlogene Bastard! Bei Mars Caligulae, dat wird er noch bereuen! Dat wird er bereuen!" Wütend schüttet sich Vic einen halben Becher Wein die Kehle runter, motzt leise vor sich hin und braucht erstmal, bis er wieder runter kommt. "Biste sicher, dass sie abgehauen is? Vielleicht is ihr wat passiert? Vielleicht isse aufm Weg vom Markt überfallen worden?"
    "Mh-mh."
    "Wat mhhm? Ja? Nein? Vielleicht?"
    "Abends war sie immer da und ich hab sie nicht in die Nacht raus geschickt."
    "Verdammte Scheiße! Dat hat mir echt noch gefehlt! Mann, als ging mir dat ganze Zeuch nich sowieso schon genug aufn Sack, nu kann ich mich auch noch daheim mit so ner Scheiße rumärgern!"
    "Hast du einen Sklaven verloren, Victor?"
    "Schnauze Flaccus!"
    Er schüttet den Rest Wein die Kehle runter und knallt den Becher auf den Tisch. "Ich hab die Schnauze voll, gestrichen voll! Nichma ne Sklavin kannste dir hier halten, ohne dass es Ärger gibt! Scheiße, irgendwer muss zu den Urbanern gehn..."
    Hulc beschäftigt sich intensiv mit einem Fleck an einer Säule und versucht energisch ihn mit dem Ärmel seiner Tunika wegzureiben. Die Oppas stecken die Köpfe zusammen und schauen betont intensiv auf den Fußboden. Selbst Razor und Blade wenden ihre Nasen zur Sonne, von Vic ab.
    "Wat frag ich überhaupt ...?" Wütend schmeißt Vic den leeren Becher an die Wand, wo er in einem Klirren auseinander bricht und sich in vielen Splittern über den Boden verteilt. Wenigstens das funktioniert noch.

  • Zitat

    Original von Vibius Valerius Victor
    "Bei Mars Caligulae, dat wird er noch bereuen! Dat wird er bereuen!"


    Caligulae?!?


    *nachuntenguck*


    Äh... bei der Schuhgröße redest du noch von Stiefelchen?

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