Atrium | Das vorletzte Geleit

  • Stesichoros
    ---------------------------------------------


    Er führte den Zug persönlich ins Attrium. Sicher, er ahnte schon, das dies viel Arbeit bedeuten würde, denn die Sklaven würden das attrium bald darauff so gründlich putzen müssen, wie schon lange nicht mehr.


    Domina Claudia war tot, wie konnte das nur passieren ? fragte er sich, auch wenn die Domina kaum gekannt hatte.


    "Ich werde werde die Herrschaften sogleich informieren," sagte er, dabei leicht fahrig wirkend. Todesnachrichten überbringen gehörte nicht zu seinen routine Aufgaben. Die Götter seien dank, das ihr Bruider nicht im Haus war.


    So eilte er davon, die Mitglieder der Familie suchend.

  • Durus wurde zuerst informiert und eilte in das Atrium, wo er bereits den abgedeckten Leichnam erblickte. Seine Schritte verlangsamten sich.
    Zumindest hatte man sie würdevoll hier her gebracht. Einen Moment ruhte sein Blick auf dem Tuch, das sie verdeckte - gerade hatte er sie erst kennen gelernt - sie hatte gerade noch ihr Testament aufgesetzt!
    Dann erblickte er die Bestatter und einen Scriba, der ihm sicher helfen konnte.


    "Du hast sie hergebracht? Was ist passiert?"


    fragte er in strengem Ton.

  • Die Totenträger bleiben mit steinernen Mienen im Atrium stehen. Sie sind es gewöhnt, ihre Last längere Zeit zu tragen, denn bis das Totenbett im Atrium bereitet ist, dauert es meist eine Weile. Mercurinus steht mit unbehaglichem Gefühl daneben und betrachtet die edlen Wandmalereien ohne sie wirklich zu sehen.


    "Salve, Tiberius." grüßt er das erste Familienmitglied, das sich im Atrium einfindet. Natürlich ist der Name unschwer zu erraten, doch Mercurinus kennt sogar den zugehörigen Prae- und Cognomen, immerhin war der Mann in der Politik und wer so nah am Forum arbeitet wie Mercurinus, der kennt sie alle. "Mein Beileid zu diesem schrecklichen Verlust. Mein Name ist Valerius Mercurinus, ich bin Scriba des Rex Sacrorum. Einer meiner Kollegen fand deine Verwandte, sie hat sich selbst das Leben genommen. Ich habe sie gleich herbringen lassen, nachdem der Priester der Libitina die Reinigung beendet hat." Aus einer Tasche aus grobem Wollstoff die über seine Schulter hängt zieht Mercurinus die Briefe und eine Wachstafel raus. "Diese Schriftstücke lagen neben ihrem toten Körper."


    Quintus Tiberius Vitamalacus


    Geliebter Bruder,


    ich weiss, dass du mich für das, was ich getan habe verurteilen wirst, doch war es notwendig. Halte mich nicht für feige, denn ich tat es auch zum Wohle der Familie. Ich werde Nova einen Gruss von dir überbringen.


    Verzeih mir.


    Claudia

    Rediviva Minervina


    Meine kleine Minervina,


    bitte verzeih deiner alten Tante, dass sie dich verlässt, doch war es notwendig, um das Unglück, dass die Götter für mich und unsere Familie bereithalten abzuwenden. Als Trost bleibt mir nur zu sagen, dass ich so zumindest die Möglichkeit haben werde deinen Vater wiederzusehen.


    Claudia

    "Dies sind die Worte der Sibylle:


    Dunkel wirds, der Mond scheint helle,
    Laufe Biest, verlier dich in der Schnelle!
    Denn nur das vorwärts wird dich retten,
    Verharren musst du längst in Ketten.
    Der Morgen verhangen, von Nebel schwarz,
    Wie Blut erscheint das Abendrot.
    Warte, nur warte,
    Und der Tag ist tot.
    Die Furien mit dir auf dem gleichen Schiff,
    Es steuert beharrlich auf das verborgene Riff.
    Haltlos entfesselt, voll rasender Gier,
    Wo ist das dort und wo ist das hier?
    Den Löffel hältst du fest in der Hand,
    Gräbst dir dein eigenes goldenes Grab,
    Warte, nur, warte,
    Und der Tag senkt sich herab.
    Nach vorn, zurück, im Kreis herum,
    Weise sind die Weisen, doch wer ist dumm?
    Schau in dich hinein, sieh dein wahres Gesicht,
    Wer ist schön, wer ist es nicht?
    Der Höllenhund ist nah und gierig,
    Der Odem des Hades ein kalter Hauch,
    Warte nur, warte,
    Dann spürst du es auch."

  • Durus war noch erschütterter. Claudia hatte sich...umgebracht? Warum? Vielleicht gaben die Briefe antwort. Rasch überflog er sie. Quintus würde es missbilligen, Minervina trauern...ein sehr rätselhafter Orakelspruch...nichts wirklich Verständliches...wusste Furianus schon bescheid?


    Nach einem tiefen Atemzug, und einem hörbaren Schlucken fragte er weiter


    "Wo hat man sie gefunden? Und ist sonst irgendetwas bekannt?"


    Man konnte ihm die Erschütterung nun förmlich ansehen.

  • Unbehaglich knetet Mercurinus seine Finger ineinander. In Anbetracht der scheinbaren Tatsache ist diese Nervosität natürlich nicht verwunderlich. Dazu noch die Lüge auszusprechen, auch wenn sie zum Wohl der Tiberia Claudia ist, fällt ihm doch schwer. "Vor dem Tempel der Minerva. Sie muss schon länger da gelegen haben, bis der Scriba sie fand. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass sie es nicht selbst war."

  • "Nun, gut...dann...wartet einen Moment!"


    Er drehte sich um und stellte fest, dass der Maiordomus bereits erschienen war und die Sklaven dirigierte. Eine Kline wurde gerade aus einem Zimmer getragen - was ein wenig problematisch war, da die Tür etwas schmal für das pompöse Einrichtungsstück war.
    Durus war erleichtert, die Sklaven nicht erst jetzt losschicken zu müssen.


    "Gut, dann übergebt den Leichnam meinen Sklaven - sie werden sie richten."


    Der Maiordomus scheuchte ein paar kräftige Haussklaven auf die ein wenig furchteinflößenden Libitinarii zu und nahmen ihnen die Totenbahre ab. Auch die Ornatrix trat. Der Maiordomus selbst sprach bereits mit einem der Bestatter - er würde einen oder mehrere Pollinctores engagieren, die das beste aus Claudias Leiche herausholen würden.
    Noch einmal schluckte Durus und betrachtete das Totenbett kurz.


    "Wurde sie schon angerufen?"


    Quintus war nicht hier, also war es kaum möglich, dass er die Invocatio übernahm.

  • Der Fußboden der Villa Tiberia ist auch sehr fein gearbeitet. Mercurinus stellt dies bei seiner ausgiebigen Betrachtung während des Wartens fest, nimmt es aber wieder nicht wirklich wahr. Endlich ist das Totenbett bereitet, so dass es nicht mehr lange dauern kann, bis er wieder zurück zur Regia kann. Hoffentlich sind dort schon alle Spuren beseitigt bevor die ersten Pontifices auftauchen würden. Wie Durus betrachtet er das Totenbett und denkt sich, dass die Wunde in Claudias Körper sicherlich leicht überdeckt werden kann. Wer dann nicht weiß, wie sie ihren Tod gefunden hat, wird es nicht erahnen können. Es liegt also nun in der Hand der Tiberia, welche Informationen sie weitergeben.


    Mercurinus blickt blinzelnd auf, aus seinen Gedanken gerissen. Ohne groß darüber nachzudenken, was der Tiberier gesagt hat, schüttelt er den Kopf. "Nein, noch nicht."

  • Durus nickte geistesabwesend. War das also seine Aufgabe. Mit einer Geste hielt er die Sklaven, die Claudia gerade übernahmen, an und trat an die Trage heran, das Tuch herunterziehend. Ihr Gesicht war kalt und ernst - nur die Blässe und ein seltsames Gefühl, das von ihr ausging, zeigte, dass kein Leben mehr in ihr steckte.


    "Have, Tiberia Claudia!"


    rief er. Das letzte Mal hatte er die Invocatio bei seiner Mutter vollzogen, als diese im fernen Alexandria verstorben war. Allerdings nicht erst so spät, sondern noch in der Stunde ihres Todes...
    Noch einmal betrachtete er sie, dann wandte er seinen Blick wieder ab und dem Scriba zu.


    "Ich danke Dir. Du kannst Dich zurückziehen."


    Er wollte nun erst einmal allein sein - und an Quintus schreiben, was noch viel wichtiger war. Der Maiordomus würde die restlichen Aufgaben übernehmen, dessen war er sich sicher.

  • Mit einem stummen Nicken nimmt Mercurinus seine Entlassung zur Kenntnis und schaut sich suchend nach der Tür zum Ausgang um. Ein hilfsbereiter Sklave weist ihm den Weg und außer ein fast unhörbaren "Vale, Tiberius!" ist von dem Scriba des Rex Sacrorum nichts mehr zu vernehmen bis er die Villa verlassen hat.


    Draußen sucht er erst einmal einen öffentlichen Brunnen. Er nimmt eine Hand voll kaltes Wasser und lässt es sich über das Gesicht laufen. Der Tag hat grauenhaft begonnen, schlimmer kann es nicht mehr werden. Trotzdem hat er ein schlechtes Gefühl im Bauch als er zur Regia zurück geht, doch vermutlich ist es nur sein Gewissen.


  • Man hatte Tiberia Claudia auf einer pompösen, rot bezogenen Kline direkt vor dem Lararium der Familie aufgebahrt. Die angeheuerten Pollinctores hatten die Tote geschminkt und in eine teures Gewand, das mit Goldfäden durchwirkt war. So konnte auch niemand den Stich erkennen und es wirkte fast so, als schliefe sie einen tiefen Schlaf.
    Die Füße Claudias steckten in Calcei patricii, deren Sichelmondanhänger sorgfältig poliert worden waren. So lag sie - die Füße zur Tür gerichtet und wurde von zwei Sklavinnen in dunklen Schleiern bewacht.


    Durus trat aus dem Tablinium ins Atrium. Er hatte Sklaven losgeschickt, um die gesamte Belegschaft des Hauses (inklusive der Verwandtschaft, die in Rom weilte) zusammenkommen zu lassen, denn es gab Anweisungen.


    Sim-Off:

    d.h.: Alle Tiberier - adeste!

  • Auch Iuvenalis kam. Seid er seine Frau hatte zu Grabe tragen müssen und sein Kind hatte er wenn es sich vermeiden ließ alle Bestattungen gemieden. Anfangs wußte er gar nichts davon, hatte er erst von einem Sklaven gehört was geschehen war.
    Leider kannte er sie nicht gut genug um sich von ihr eine Meinung bilden zu können aber immer hin war sie eine Tiberia.


    So stand er nun da und nahm von ihr Abschied.

  • Nach und nach erschienen die Sklaven des Hauses: Nicht nur die bekannten Diener, der Maiordomus und die Verwalter, sondern auch Stallknechte, der Heizer und junge Frauen und Männer, die Durus in seinem Leben noch nicht gesehen hatte.
    Neben den Sklaven hatten sich auch viele Freigelassene eingefunden, die im Haushalt verschiedene Aufgaben versahen und der Gens als Klienten verbunden waren.
    Schließlich war auch Iuvenalis anwesend und nur Flaccus fehlte noch - vermutlich war er in einem Tempel und betete für seine Cousine.


    Nun trat Durus an das Lararium und verhüllte sein Haupt mit der Trauertoga. Daraufhin murmelte er leise ein Gebet für die Totengeister, die Manes und Lares, aufdass sie Tiberia Claudia aufnahmen und die Familie weiterhin schützten.


    Als er schließlich die Toga vom Kopf nahm, drehte er sich um und begann eine kurze Ansprache:


    "Liebe familia,


    Lange habe ich Euch nicht mehr so versammelt gesehen, doch der traurige Anlass eint uns in der Stunde der Trauer. Tiberia Claudia, Eure Herrin und Verwandte, hat sich den Tod gegeben."


    Ein leises Flüstern ging durch die Menge, aber Durus ließ sich nicht beirren. Auch wenn manche es vielleicht noch nicht gehört hatten - früher oder später hätten es die Sklaven, die Claudia entgegengenommen und hergerichtet hatten, weitererzählt.


    "Voller Trauer müssen wir sie nun dem Fährmann anvertrauen. Und doch gibt es etwas zu tun:
    Viele Probleme könnten aufkommen, wenn sich die Gerüchte über den Selbstmord verbreiten, möglicherweise könnte es unserer Familie zum Ärger gereichen. Deshalb bitte und ermahne ich Euch alle, die Ihr hier versammelt seid: Sprecht zu niemandem über die Ursache des Todes von Tiberia Claudia. Zu gegebenerzeit werden die Umstände dieses schlimmsten Ereignisses offenbar werden, doch können und werden wilde Spekulationen weder der Toten, noch uns Lebenden von Nutzen sein."


    Wieder machte er eine Pause und ließ seinen Blick über die Sklaven und die Familienmitglieder schweifen.


    "Dies ist mir ein großes Anliegen und ich erwarte von Euch, dass Ihr dieses Anliegen respektiert. Sollte ich erfahren müssen, dass Ihr das Ehre und das Ansehen der Gens Tiberia in den Dreck zieht, werde ich nicht nur bitter enttäuscht, sondern auch voller gerechten Zornes sein."


    Sein Blick traf nun die Sklaven. Er würde keine Strafe aussetzen müssen, denn es war bekannt, dass Durus nicht scherzte, wenn er derartiges sagte.


    "Nun geht zurück an Eure Arbeit und gedenkt der Toten, die unserer Familia viel Ehre und Freude gebracht hat."


    endete er. Erst in einigen Tagen, wenn Claudia das Haus wieder verlassen würde, würde eine solche Menschenmenge um den Leichnam versammelt sein.


    Mit langsamen Schritten trat er auf Iuvenalis zu.


    "Appius, gut, dass Du gekommen bist. Es ist wichtig, dass die Gens bei solchen Anlässen Geschlossenheit zeigt."

  • Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus


    Mit langsamen Schritten trat er auf Iuvenalis zu.


    "Appius, gut, dass Du gekommen bist. Es ist wichtig, dass die Gens bei solchen Anlässen Geschlossenheit zeigt."


    Der Alte nickte Durus zu.


    Ich mag solche Anlässe nicht und wenn machbar halte ich mich auch davon fern. Doch sie war eine Tiberia und von daher ist für mich eine Selbstverständlichkeit das ich hier erschienen bin um mich von Ihr zu verabschieden.


    Nach einer kurzen Pause fragte er dann.


    Was hat sie dazu nur veranlasst?


    Mehr zu sich selbst als an Durus gewandt.

  • Titus
    --------------------------------


    Der Hüne hatte im Hintergrund gestanden, etwa da, wo er gestanden hatte, als ihm der Tribun den Befehl gegeben hatte, der zu Verres Tod führte. Und er hatte die Sklaven gut im Auge behalten, er wusste genau, um wen er sich intensiver kümmern musste. Und es gab auich welche, um die er sich schon intensiver gekümmert hatte, auch wenn nur dem aufmerksamen und geschulten Auge dies an den schwerfälligen, von schmerzen gezeichneten Bewegungen einiger Sklaven bemerkt hätte.


    Und er hielt sich weiter im Hintergrund, den sein Befehl erstreckte sich nicht nur auf die Sklaven....


  • "Sie hatte einen Orakelspruch bei sich. Aber der war mehr als rätselhaft. Vielleicht gab es Probleme mit Furianus - ich werde mit ihm sprechen. Nunja, sie hat auch einmal erwähnt, dass sie Probleme mit dem Imperator hätte - aber das wäre eigentlich auch kein wirklicher Grund..."


    Durus rieb sich das Kinn und fixierte einen imaginären Punkt in der Ferne, wobei sein Blick Titus, den groben Klotz, streifte. Dann sah er wieder Appius an.


    "Nein, ich habe keine Ahnung - aber wir müssen damit leben."

  • Der Alte rieb nachdenklich sein Kinn. Orakel waren immer so eine Sache, von der er nie wirklich sehr viel gehalten hatte.


    Probleme mit dem Imperator? Wie das denn?


    Fragte er überrascht. Ein Grund mag es vielleicht keiner gewesen sein aber vielleicht waren es ja mehrere Gründe die ineinander verkettet waren. Quasi von einem Dilemma ins nächste.


    Ja das ist wohl so. Zurückholen können wir sich nicht.

  • Durus zuckte mit den Schultern.


    "Er hat von ihr verlangt, sich von ihrem ehemaligen Schüler prüfen zu lassen. Darum hat sie ihr Amt als Pontifex niedergelegt. Sie war recht eigensinnig, denke ich, auch wenn ich sie nicht besonders gut kannte.


    Aber nun ist es, wie es ist. Sorgen wir dafür, dass sie ein ehrenhaftes Begräbnis bekommt."

  • Hm. Kann ich irgendwie gut nachvollziehen. Ich würde mich von einem Schüler von mir wenn ich denn einen hätte auch nicht prüfen lassen wollen. Ich hätte wohl so gehandelt wie sie.


    Meinte der Alte trocken.


    So ist es Durus. Ja machen wir das, schließlich war sie eine Tiberia.

  • "Ich hoffe, Quintus kommt bald. Wir können die Bestattung nicht allzu lange aufschieben, sonst müssen wir sie einbalsamieren."


    bemerkte er mit einem Blick auf den toten Körper, der friedlich auf seiner Kline schlummerte.

  • Du hast ihm geschrieben? Er scheint wohl viel beschäftigt als Tribunus in der Legion wie mir scheint. Oder die Post ist wieder mal zu langsam. 8)


    Da er ja permanent damit zu tun hatte wußte Iuvenalis nur zu gut darüber bescheid. :]

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!