Sklavenunterkünfte

  • Es war spät geworden. Die meisten Sklaven waren schon schlafen gegangen. Ich war noch etwas aufgekratzt, da wir ja in meiner germanischen Heimat einige Zeit bleiben würden. Das gute germanische Wetter versprach viel. Draußen duftete es nach Blumen, deren Namen ich nie gelernt hatte und die ich teilweise nie zuvor gesehen hatte. Egal, beflügelt von diesem vielen Gerüchen betrat ich jedenfalls nun die Sklavenunterkünfte. Aber drinnen, roch es nach allem anderen als nach Blumen. Was war das bloß? Ich hielt meinen Zinken in die Luft


    Schnüffel, schnüffel
    Hm. Wo kam das her? Ich hob meine Arme und hielt die Nase unter die Achseln. Nä, die waren es ausnahmsweise nicht, es riecht ja auch nicht nach Katzenpipi. Ich hauchte in meine Hand. Das war es auch nicht. Ich ging weiter in den Raum
    Schnüffel, schnüffel, schnüffel
    Der Geruch wurde intensiver. Was war das bloß? Den Geruch von Tullias Kind kannte wir mittlerweile alle, das war es nicht. Hat hier irgend jemand seinen Göttern eine Ziege geopfert?Das würde auch anders riechen. Da plötzlich. Mein Kopf ging nach links, ich beugte mich runter und ging in die Hocke.
    Schnüffel, schnüffel
    Ich blickte nach oben:


    „Sag mal Samira, sind das deine Füsse?“

  • „Du meinst den Geruch?“, fragte Samira überflüssiger Weise. Ihre Stirn runzelte sich und ihr Mund verzog sich ärgerlich.


    „Ich bin vorhin in irgendeinen Fladen getreten, weiß nicht mal, von was für einem Vieh der stammt. Meine schönen Schuhe!“ Ihre Augen blickten resigniert, denn auch die zweite Reinigung hatte kaum eine Verbesserung gebracht. Dabei verfügte sie nicht über eine stattliche Anzahl an Sandalen, zudem waren diese ihre liebsten.


    „Kann man in diesem Landstrich denn nirgends hinlaufen, ohne den Kopf permanent am Boden haften zu haben?“


    Samira war sauer und wäre am liebsten wieder nach Italia abgereist.

  • Aintzane war schon halb am Schlafen, als der Krawall, den Assindius und Samira schlugen, sie wieder aufwachen ließ.
    Sie machte einen unwilligen Laut und drehte sich dann im Bett zu Assindius und Samira hin, die gegenüber lagen.
    "Man kann schon gehen, ohne dass man auf den Boden schaut... aber dann darf man sich nicht wundern, sollte man braune Füße kriegen." Schon beim Gedanken wurde ihr ganz blümerant.
    "Ich schau' mal, was ich morgen am morgen machen kann... ich komme aus den Pyrenäen, dort tritt man oft in irgendwelche Kuhfladen oder Hasenbollen. Da gibt es so ein paar Techniken, womit man das herauskriegt... ich werde mal schauen.", versicherte sie Samira.

  • Gut gelaunt betrat ich die Sklavenunterkunft und warf meine Stimme in den Raum.


    „Bor Leute, wat is denn da draußen los. Hört ihr auch die Musik? Da bekommt man ja richtig Lust zu singen.“ Ich stimmt an:


    „Wir kennen uns nicht, doch wir sind uns vertraut, irgendwie seelenverwand, auch wenn du’s nicht glaubst, vielleicht stehe ich vor dir und du erkennst mich nicht, spielt das eine Rolle, wir sahen ins gleiche Licht.“


    Irgendwo hörte ich ein Murren, die Auswahl des Liedes war wohl nicht gut und ich sagte leicht tänzelnd.


    „Also für dich jetzt eins mit mehr Pauer, wenn dir das zu lahmarschig ist!


    Wir warten auf den Tod, verschwenden unsre Zeit, tun was man von uns erwartet, zahlen den Preis für unsre Feigheit. Die Tage ziehn vorbei, wir scheißen und fressen unsre Zimmer sind Särge.“


    Wieder ein Murren.


    „Auch nicht besser, dann mach einen Vorschlag!“

  • Wieder ein Murren.


    "Ich habe einen Vorschlag!", machte Aintzane, unausgeschlafen und mit Augenringen. Sie sah aus wie eine Vogelscheuche, ihre Haare standen in alle Himmelsrichtungen. "Wie wäre es mit gar keinem Lied? Oder... wart." Sie hielt inne. Ihr kam etwas... vielleicht war Assindius' Idee doch nicht so schlecht. "Sing mal was Germanisches. Ich singe dir dann auch ein baskisches Lied vor."


    Sim-Off:

    Endlich passiert mal wieder was! :)

  • „Das kannst du haben Baby! ;) Wie siehst du überhaupt aus, hömma?“


    Ich schlug die Rechte in die Luft, scheiß doch drauf. Ich kratzte kurz mit der Stimme und stimmte kratzig an:


    „Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras. vor dem walde in einem tal, tandaradei, schône sanc diu nahtegal.


    Ich kam gegangen zuo der ouwe: dô was mîn friedel komen ê. dâ wart ich empfangen hêre frouwe daz ich bin sælic iemer mê. kust er mich? wol tûsentstunt: tandaradei, seht wie rôt mir ist der munt.


    Dô hete er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. bî den rôsen er wol mac tandaradei, merken wâ mirz houbet lac.


    Daz er bî mir læge, wesse ez iemen (nu enwelle got!), so schamte ich mich. wes er mit mir pflæge, niemer niemen bevinde daz wan er und ich und ein kleinez vogellîn: tandaradei, daz mac wol getriuwe sîn.“


    Sim-Off:

    Ist zwar Mittelhochdeutsch, aber egal

  • Samira bekam einen Lachanfall, als sie Aintzane zu Gesicht bekam. Dieses Bildnis müsste man glatt festhalten, überlegte sie, wusste aber nicht, wie sie es am besten bewerkstelligen sollte.
    Als sie sich beruhigt hatte, begann Assindius mit seiner Darbietung. Aus Selbstschutz fanden die beiden Zeigefinger den Weg in die Ohren, konnten aber nur bedingt den "Hörgenuss" abschwächen. Mit säuerlicher Miene sah sie ihn am Ende an.


    "Großartig! Und was heißt das übersetzt?"


    Samira hoffte, dass sich Assindius an ihre römische Abstammung erinnerte.
    Jäh kamen ihr Aintzanes Worte wieder in den Sinn. Sie drehte sich der Baskin zu.


    "Hast du wenigstens eine liebliche Stimme?", fragte sie skeptisch, wies doch die Gefährtin einen für eine Frau beachtlichen Körperbau auf, der einen ebenso beachtlichen Stimmkörper vermuten ließ.

  • Noch ein murren?


    "Was soll das denn heißen? Wenigsten du, hä? Du willst doch wohl nicht an meiner Gesangenskunst mäkeln. Ich gehe doch davon aus, das du etwas in den Ohren hattest.
    Was das heißt, sag ich gleich, aber erst will ich Aintzane singen hören und dann dich meine Liebe."


    Erwartungsvoll blickte ich Aintzane an und war damit nicht allein.

  • Samiras Augen weiteten sich bis zu einer unnatürlichen Größe. 8o


    "ICH? Nie im Leben!" :D


    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Singen kam für sie überhaupt nicht in Frage, nicht mal für Geld, aber was Aintzane zu bieten hatte, interessierte sie doch. Sie wandte ihr erneut den Blick zu und wartete ab.

  • Aintzane hörte Assindius zu. Es klang schön, was er sang, ein eindrucksvoller Beweis, dass germanisch nicht so schrecklich war, wie die Römer es sagten.
    Sie sah, dass Samira dazugekommen war und sich über ihre ungünstige Erscheinung köstlich amüsierte. Aintzane gab ihr einen vorwurfsvollen Blick, der aber nicht ernst gemeint war. "Sag, singst du uns nichts vor? Ich würde gerne einmal deine Sprache hören."
    "Ich muss jetzt auch was singen... na schön."
    Sie atmete tief ein und fing dann an, in einem durchaus wohlklingenden Alt loszusingen. Sie entschied sich für ein Lied, welches ein Gefühl ausdrückte, dass sie manchmal weit von sich wegschob, sie aber manchmal überwältigte. Das Heimweh.


    "Gazte gaztetandikan
    herritik kanpora,
    estranjeri aldean
    pasa det denbora.
    Herrialde guztietan
    toki onak ba dira,
    baina bihotzak dio:
    zoaz Euskalherrira.


    Agur nere bihotzeko
    amatxo maitea!
    Laster etorriko naiz
    kontsola zaitea.
    Gertabeharrak nahi du
    ni urez joatea;
    ama, zertarako da
    negar egitea?


    Lur maitea hemen uztea
    da negargarria.
    Hemen gelditzen dira
    ama ta herria.
    Urez noa ikustera,
    bai, mundu berria.


    Oraintxe, bai, naizela
    errukigarria."


    Sie machte eine kurze Pause. Ihre Lippen bebten. Dieses Lied hatte sie wieder an ihre Heimat erinnert, an ihre Familie, an ihr Zuhause. Doch Lieder waren das einzige, was die Römer ihr nicht weggenommen hatten.
    Sie übersetzte das Lied.


    "Als ich jung war,
    verließ ich mein Land,
    in anderen Ländereien
    habe ich seither gelebt.
    Alle Länder
    sind gute Länder, um dort zu wohnen,
    doch mein Herz sagt mir:
    Geh zurück ins Baskenland.


    Leb wohl, meine liebe Mutter
    vielleicht komme ich ja bald zurück
    um dein Herz zu erfreuen.
    Das Schicksal wollte,
    dass ich gehe,
    also, Mutter, was nützt es
    zu weinen?


    Mein Land zu verlassen
    ist etwas, das mein Herz bricht.
    Zurück bleiben meine Mutter und mein Land.
    Ich gehe
    lerne Neues kennen.


    Doch dadurch bin ich
    umso weniger beneidenswert."


    Während des Lieds und auch der Übersetzung konnte man deutlich fühlen, welche Emotionen in Aintzane vorgingen. Am Ende musste sich sich konzentrieren, keine Tränen in den Augen zu haben. Sie wollte nicht schwach erscheinen! Also verlegte sie sich darauf, Samira auffordernd anzuschauen. Jetzt war sie am Zug.

  • Schönes Lied, aber das ich eigentlich was versautes gesungen habe, wollte ich nicht zwingend übersetzten, das passte nicht mehr in die Stimmung. Stattdessen entschloss ich mich etwas anders zu singen, etwas das mir grade durch den Kopf schoss. Ich sang leise:


    Unser Glück war immer da Immer da, wo wir nicht waren Holen wir's uns zurück Und mehr davon, Stück für Stück


    Geht dein Traum in Flammen auf Such dir einen neuen aus Der Rest verschwindet von allein Dies ist ein Aufruf zum glücklich sein


    Ich habe alles und doch nichts gesehen Und ich fange an zu verstehen Wer ich bin und was ich war Vielleicht zum allerersten Mal


    Einmal, einmal kommt der Tag, der die Erlösung bringt Unser Glück ist ohnehin immer da, wo wir nicht sind Einmal, einmal kommt der Tag, der mit dem Schicksal winkt Und wir erkennen, wer wir sind Der Tag, an dem alles neu beginnt"


    Ich machte eine Pause und blickte anschließend auffordernd zu Samira


    So Samira, wir warten. Irgendwas

  • Samira klatschte laut Beifall. Um möglichst von sich abzulenken, begann sie zu labern:


    "Toll, dass du die Übersetzung mitgeliefert hast, Aintzane. Und es war ein seht tiefsinniges Lied. Sehr gefühlvoll, sehr zum Nachdenken anregend. Wie geht es dir denn damit? Also ich bin ja schon gerührt, wie muss es dir erst damit gehen?
    Und Assindius, deine Lieder haben einen großen Unterhaltungswert, auch wenn ich kein Wort verstehe. Mich wundert nur - so grob wie du dich manchmal gibst, so leise und gefühlvoll kannst du wiederum singen. Worum ging es denn nun in diesem Lied?"


    Sie dachte ja nicht im Traum daran, etwas zu singen. Stattdessen hatte sie eine Frage gestellt und wartete geduldig auf die Antwort. Die auffordernden Blicke störten sie zwar und sie schaute irritiert von Aintzane zu Assindius und wieder zurück, aber nachgeben? Nö. Auf keinen Fall. Erst mal musste Assindius ohnehin antworten.

  • Sim-Off:

    Fast vergessen, wie peinlich! :(


    Assindius sang noch ein sehr schönes Lied. Sie stimmte in Samiras Beifall ein, wenn auch verhaltener und sie hörte früher auf. Was war denn los? Sie klatschte wie eine Verrückte, als ob sie Mücken töten wollte, und konnte mit der Lobhudelei gar nicht aufhören.
    "Ähm... schön, dass du das sagst. Sehr nett von dir. Und mir geht es wirklich so manchmal mit diesem Lied, es geht mir immer durch den Kopf, wenn mir melancholisch zu Mute ist. Ich finde wirklich, es ist eines der besseren Lieder, die die Traditionen meines Volkes hervorgebracht haben. Und jetzt, bitte, sing du doch was!", drängte sie, scharf vom Thema abschweifend.

  • "Ach Samira, du kennst mich doch. Unter meiner rauhen Schale, steckt ein weiches Herz und manchmal ist sein Klopfen so stark, dass es durch die harte Schale an die Oberfläche dringt. Auch die harten Typen haben ein Herz, auch wenn man es ihnen nicht zutraut. Erzähl es aber keinem!"


    Ein kleines schmunzeln zeigte sich auf meinem Gesicht und ich sagte mit nüchternen Worten:


    „Tja, worum geht es da. Unter den Linden war das Bett von einem Paar. Paar ist jetzt übertrieben. Sie kommt dorthin und ihr Friedel, Geliebter heißt das, ist schon da. Er begrüßt sie und küsst sie so oft, bis ihr Mund schon ganz wund ist. Dann sagte sie, dass niemals jemand wissen darf, was die beiden grade getan haben, weil sie sich sonst schämen würde, weil sie es nämlich getrieben haben, tandaradei.“


    Eine leckere Hirse-Brei wäre jetzt gut. Mein Grinsen wurde größer, weil mir die Situation einfiel, bei der ich diese Lied zuletzt gehört hatte. Ruhe da unten. Na ja, egal. Da sich Samira so zu zieren schien, fiel mir noch etwas anderes ein:


    Auf der Flucht vor Deinen Ängsten Auf der Flucht vor Deinem Ich Auf der Flucht vor Deinem Abgrund Vor dem tiefen Fall in’s Nichts Auf der Flucht vor Emotionen Vor dem Schatten im Verstand Vor vergifteten Gedanken Hast Du noch nicht erkannt


    Es ist die Angst Die Angst, die mit Dir spielt Die Angst, die Dich beherrscht Und Dir befiehlt
    Ich sag’ Dir Angst ist nur ein Gefühl Die Angst erfindet und belügt Verwirrt Dich und betrügt Es ist die Angst Die Angst, die mit Dir spielt Doch Angst ist nur ein Gefühl


    Hast Du Angst vor Deinem Leben Hast Du Angst vor Dunkelheit Fürchtest Du den Morgen Hast Du Angst vor einem Streit Hast Du Angst vor ihrer Liebe Hast Du Angst vor Deinem Herz Dann töte was Du liebst Erlöse Deinen Schmerz


    Schmerz ist nur ein Gefühl Der erfindet und belügt Verwirrt Dich und betrügt Es ist der Schmerz, der Schmerz Der Schmerz, der mit Dir spielt Doch Schmerz ist nur ein Gefühl.


    Wer ist jetzt dran? Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Na komm Samira, schlimmer als ich wirst du dich bestimmt nicht anhören."

  • "Ich möchte nicht singen", sagte Samira mit verzogenem Gesicht. "Irgendwann vor Jahren habe ich keine Freude mehr daran gefunden, anderen etwas vorzusingen. Das ist einfach so. Aber wenn ihr möchtet, werde ich euch ein paar Lebensweisheiten servieren, mal sehen, was ihr dazu sagt."


    Sie schloss für einen Moment die Augen, fühlte in sich hinein und begann schließlich zögerlich, später flüssiger ihren Beitrag für diesen geselligen Abend zu leisten. Die Ansichten konnten vielleicht die anderen anregen, ihre Erfahrungen und Meinungen kundzutun, sie war gespannt auf die Reaktionen.


    "Ich habe gelernt, dass es Jahre braucht, Vertrauen aufzubauen, aber nur Sekunden um es zu zerstören.


    Ich habe gelernt, dass egal wie gut ein Freund ist, er mich von Zeit zu Zeit verletzt und ich ihm verzeihen muss.


    Ich habe gelernt, dass es Übung braucht, Verzeihen zu erlernen.


    Ich habe gelernt, dass ich niemanden dazu bringen kann, mich zu lieben. Alles was ich tun kann ist, jemand zu sein, der liebenswert ist. Der Rest liegt an dem Anderen.


    Ich habe gelernt, dass es Menschen gibt, die mich aufrichtig lieben, aber nicht wissen, wie sie es zeigen sollen.


    Ich habe gelernt, dass, wenn zwei Menschen sich streiten, das nicht bedeutet, dass sie sich nicht lieben. Und nur weil sie sich nicht streiten, bedeutet es nicht, dass sie es tun.


    Ich habe gelernt, dass es viele Wege gibt, sich zu verlieben und verliebt zu bleiben. :)


    Ich habe gelernt, dass Menschen, die mir viel bedeuten, mir oft viel zu früh genommen werden."


    An dieser Stelle stockte der Redefluss für einen Moment. Samira schluckte, fügte aber eine weitere Aussage an, denn sie wollte nicht mit Trauer, sondern mit Hoffnung ihre Beiträge beenden.



    "Ich habe gelernt, dass tiefe Liebe selbst über große Entfernungen hinweg Bestand hat, wenn beide wissen, wie viel man geben muss und nehmen darf."


    Hatte sie bisher mehr in den Raum hineingesprochen, blickte sie nun Assindius und Aintznane an. Ein Lächeln erschien.


    "Und denkt jetzt bloß nicht, dass ich melancholisch bin. Mir geht es gut! Melancholie gehört so wenig zu mir wie ein Tobsuchtanfall. :D Es sind einfach ein paar Gedanken, die mich sicherlich irgendwann einmal beschäftigt haben, aber die deswegen nicht aktuell sein müssen, mehr nicht."

  • Aintzane entgegnete Samiras Blick. "Ich fand es schön. Und man muss nicht singen, um ein Lied vorzutragen. Das war eines der besten Gedichte, dass ich je gehört hatte. Durchaus würdig, ein Lied gennant zu werden. Und es erinnert mich an etwas."


    Sie begann wieder zu singen.


    "Basoilarrak kantatzen dizu:
    Iratiko basuan;
    Ihurk elezakezu: pentsa
    nik zer dudan goguan:
    Gaiak oro iragaiten tut
    maitearean ondoan."


    Sie beeilte sich, das Lied zu übersetzen.


    "Die Auerhähne singen
    im Wald von Irati.
    Niemand kann sich auch nur ansatzweise
    vorstellen, was ich denke,
    die Nächte, die ich mit ihnen verbrachte,
    Seite an Seite mit meiner großen Liebe."

  • Samira atmete erleichtert aus, als sie merkte, dass ihr Beitrag, auch wenn er keinen Gesang darstellte, angenommen wurde.


    "Du hattest auch schon einmal eine große Liebe? Was ist geschehen? Hast du sie verloren, ist sie entzwei gegangen?"
    Ich merkte, dass ich kaum etwas von Aintzane wusste, obwohl sie nun schon einige Monate bei uns lebte.



    "Wenn du möchtest, dann gebe ich noch eine kleine Zugabe. Hm, warte mal ...


    Ich habe gelernt, dass im Leben nicht zählt, was du hast, sondern wen du hast.


    Ich habe gelernt, dass ich mich nicht mit dem Besten, das Andere geben können, vergleichen darf, sondern mit dem Besten, das ich geben kann.


    Ich habe gelernt, dass ungeachtet dessen, wie wundervoll und einzigartig eine Beziehung ist, etwas anderes diesen Platz einnehmen kann, wenn der Andere es zulässt.


    Ich habe gelernt, dass zwei Leute, die genau die gleiche Sache
    betrachten, etwas total Unterschiedliches sehen können.


    Ich habe gelernt, dass, selbst wenn ich denke, ich habe nichts mehr zu
    geben, ich die Kraft finden werde zu helfen, wenn ein Freund nach mir ruft."

  • Na das ist doch mal eine Aussage, warum denn nicht gleich so? War das jetzt so schwer? Das Samira nicht singen würde, war doch klar. Da ist sie kein Typ für! Die Themen, die sie in den Raum stellten, waren mal wieder ein Knaller. Da mir bislang alle am Arsch vorbei gegangen sind, kann ich über Freundschaft und Vertrauen herzlich wenig sagen, aber wenn man sie einmal aufgebaut hat, müsste es ein ziemlich gewaltiger Grund sein, um sie in wenigen Augenblicken zu zerstören, oder? Was weiß ich.
    Was ich von Liebe und Entfernung halte, weiß sie, und dass ich denke, dass jeder selber wissen muss, wie er glücklich wird. Dafür gibt es kein Muster.
    Ja, die verdammt Liebe. Das Schönste, was dir passieren kann, das Schlimmste, was dir passieren kann! Wie war das Leben einfach, als davon nichts wusste und auch nicht wissen wollte. Seit sie mich das erste mal erwischte musste auch ich feststellen, dass ich schwach sein kann, die Gedanken nicht immer sortieren kann und nicht schlafen, essen und denken kann. Das es dir erst dann wieder gut geht, wenn die Liebe zu dem erkorenen Wesen auch dich trifft und man die Liebe teilt oder, dass man verreckt, weil man sie nicht bekommen darf oder kann. Man kann es sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt, es erwischt dich einfach und dann bist du am Arsch, wen sie sich nicht erfüllt, weil du sie nicht einfach abstellen oder beseitigen kannst. Sie kommt aus dem Nichts und geht nicht mehr, wenn du Pech hast. Dann bleibt dir nur hoffen übrig, hoffen das der Tag kommt, an dem sie geht, und dass dieser Tag kommt, bevor du selber gehen musst.
    Denke ich zurück an die Tage, an denen ich dachte, dass Liebe etwas furchtbares ist, stelle ich aber fest, dass das eben zum Kern der Liebe gehört. Dieser Schmerzt ist hart und frisst einen auf, aber nur, weil Liebe etwas schönes ist, genau wie der Schmerzt, weil er mit keinem andern zu vergleichen ist!


    Im vorbeigehen legte ich meine rechte Pranke auf die linke Schulter Samiras und ging zum Feuer. Ich zog die rauchige Luft ein und wurde kurz melancholisch. ‚Nur die Besten sterben jung‘ dachte ich. Aber auch zu diesem Thema fiel mir ein Lied ein, was ich in Gedanken sang.
    ‚Es ist einsam – ohne Dich Ohne Dich mein Freund Ich vermisse Dich


    Du kehrst wieder als mein Traum Nur für die Dauer eines Augenblicks Bist Du real für mich


    Eines Tages folge ich Dir In die Ewigkeit – Gib’ mir Zeit


    Ich pflücke Rosen für Dein Grab Du bist nicht mehr hier Doch Du lebst in mir‘


    Ich schüttete mir einen Schluck Wasser in die Figur, setzte mich auf mein Bett, stützte die Ellbogen auf die Knie und ließ meine Haar in mein Gesicht fallen. Schweigend hörte ich, was die Mädels noch so sangen und sagte.

  • Samira fragte sie nach ihrer großen Liebe. Aintzane zuckte zusammen, und sie merkte, wie weh es immer noch tat.
    "Ja... ich war einmal verliebt... er ist tot.", gab sie sporadisch Auskunft.
    Sie schloss kurz ihre Augen und dachte an Taranis. Daran, wie er, ein gallische Hirte auf dem Gut ihres früheren Herrn Ahala, zu Tode geprügelt worden war... vor ihren Augen...
    Sie atmete aus. Sie wollte und musste stark sein. Nur so konnte man als Sklavin überleben.
    Auch Assindius stimmte nach Samira noch ein Lied an, und Aintzane merkte, dass sie wohl wieder an der Reihe war.
    "Ich singe euch jetzt was lateinisches vor, ja?


    Hoch oben und hoch unten,
    überall hab ich gesucht,
    fragte jeden, den ich gefunden,
    nach dem, was jeder will und auch verflucht:
    Nach Würde.
    So viele Wege, soviel zum finden,
    so viele Sackgassen, ich weiß nicht mehr wohin,
    ich frage mich, wo soll das enden,
    wo führt mich sie den hin,
    die Suche nach Würde."

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