Die Megalesia

  • Angenehm warm legten sich die Strahlen der Frühlingssonne über Rom, erwärmten die Pflastersteine der Straßen und Foren und wurden vom weißen Marmor der maiestätischen Gebäude reflektiert. Ein buntes, reges Treiben breitete sich mit jeder Stunde über die Stadt aus, nicht etwa das übliche Durcheinander von Händlern, welche auf die Märkte strebten, von Klienten, welche sich zu ihren Patronen aufmachten, begleitet von ihren eigenen Klienten, nicht etwa von frühen Einkäufern oder Beamten, auch nicht Handwerkern auf ihren Wegen zwischen den Baustellen - es war das feierliche, ausgelassene Treiben nicht nur eines, sondern gleich mehrerer Feiertage. Die Megalesia zu Ehren der Magna Mater, bisweilen auch Kybele genannt, hatten ihren Einzug ins Imperium Romanum gehalten - gefeiert seit über dreihundert Jahren, seit die Sibyllinischen Bücher den Import der Magna Mater ins römische Götterpantheon bestimmt hatten. Die dunkle Göttin hatte dem Römervolk geholfen die punischen Feinde im zweiten punischen Krieg in Schacht zu halten und das Volk hatte ihr dies mit ewig währendem Danke und jenen jährlichen Festtagen der Megalesia vergolten.


    Überall in der Stadt, auf vielen Plätzen und Foren, nutzten die Straßenkünstler die Ruhe und Freizeit der Bürger, um sich ein paar Münzen zu verdienen, spielten ihre, oft satirischen, Theaterstücke auf, boten Darbietungen aus Tanz und Musik, erfreuten die Massen mit ihren Kunstücken und Jonglagen, bisweilen auch wagemutigen Aktionen - einer von ihnen spannte ein Seil zwischen zwei Insulae und vollführte obenauf allerlei Posen während seine Tochter auf der Straße darunter ihn anpries und die Kollekte eintrieb - oder trugen Verse aus Dichtung und Epen vor. Die öffentlichen Darbietungen würden die Nachmittage und Abende füllen, Aufführungen in den Theatern der Stadt, szenische Darbietungen und musische Genüsse, aber auch der ein oder andere Gladiatorenkampf mit bekannten Kämpfern und womöglich ein kleines Wagenrennen zum Abschluss der Feierlichkeiten.


    Der öffentliche Auftakt zu den Ehrentage der Magna Mater begann jedoch am Nachmittag dort, wo sie auch den Rest des Jahres über zum Verweilen eingeladen war, vor dem ihr geweihten Tempel auf dem Mons Palatinus. Dort würde nicht nur das öffentliche Opfer stattfinden, sondern auch das durch den Staat ausgerichtete Fest, an welchem alle Einwohner Roms teilhaben konnten. Auf dem Vorplatz des Gebäudes hatten sich bereits die Tempeldiener der Magna Mager aufgereiht, Eunuchen allesamt, gewandet in lange, bunte Tuniken und farbige Stofftücher, um ihre Hand- und Fußgelenke waren Schellen gebunden, die bei jeder der zahlreichen Bewegungen klirrend erklangen. Unablässig schwankten die Körper der Männer hin und her, ihre Arme schwangen auf und ab und ihre Kehlen formten die rituellen Gesänge, mit welchen sie sich in Trance versetzten.
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!


    Eine kleine Pompa zog um den Tempel herum, angeführt von sechs muskulösen, dunkelhäutigen Nubiern, welche auf ihren Schultern eine Lade mit einer Statuengruppe trugen, welche die Kybele darstellte, die auf einem von Löwen gezogenen Wagen thronte, die hausgemauerte Krone auf ihrem Kopf, in Händen Szepter und Füllhorn schwingend. Nicht nur die Kybele war lebensecht bemalt, mit Edelsteinen und Einlagen aus Elfenbein verziert, auch die Löwen glänzten von Gold überzogen in den Strahlen der Sonne. Dem Göttinnenbild folgte ein in groben blau-schwarzfarbenen Wollstoff gekleideter Priester, sein weißfarbenes Haar wurde ebenfalls bedeckt von einem schwarzfarbenen Tuch und obwohl auch er im Rythmus der Schellen und Trommeschläge leicht schwankte, so war sein Blick doch aufmerksam und konzentriert. Viel zu selten, so befand er persönlich, wurde der großen Muttergöttin die ihr zustehende Aufmerksamkeit zuteil, darum sollte an diesen Tagen alles perfekt ablaufen. Nach dem Priester wurde die schwarze Kuh geführt, die goldfarbenen Hörner hoben sich strahlend vom dunklen Fell ab, die roten Wollbinden um ihren Kopf glänzten beinahe wie Blutfäden. Dahinter folgten Tempeldiener, dann die ausgelassen mit den Händen auf ihre Trommel schlagenden oder die dunkel klingenden Tuben blasenden Musikanten, schließlich noch mehr bunt gewandete Eunuchen - Tempelpersonal aus den anderen Tempeln der Magna Mater - und schließlich der Zug der Bürger, die sich der Prozession für eine mehr oder minder lange Strecke angeschlossen hatten, grob aufgereiht nach ihrer gesellschaftlichen Stellung. Vor dem Opferstein zerstreute sich die Menge, die Priester bezogen dahinter Stellung, die Bürger sammelten sich in einem bunten Mosaik im Halbkreis vor dem Tempel, die sechs Nubier trugen das Bildnis der Göttin die Tempelstufen hinauf und stellten es oben auf dem Podest ab.

  • Nachdem sie am Morgen schon ihr privates Opfer dargebracht hat lässt es sich Lucilla nicht nehmen auch zum offiziellen Opfer für die große Mutter zu gehen. Das hat natürlich rein gar nichts damit zu tun, dass sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf einen Fest in Rom unterwegs war und schon seit Tagen an nichts anderes mehr denken kann, als endlich wieder die Stadt zu genießen. Zwischen den eher einfachen Bürgern begleitet sie die Pompa, denn sie hat keine Lust sich nach vorne durch zu drängeln, obwohl es ihr durchaus zustehen würde. Doch sie spart sich ihre Energie lieber für das eigentliche Opfer und das nachfolgende Fest auf, sich an den Essenständen nach vorne drücken würde noch schwer genug werden. Zwar hat sie Ambrosius dabei, doch obwohl der Sklave kein Schwächling ist versteht er von Ellenbogeneinsatz lange nicht so viel wie die Mercatus-erprobte Lucilla. Erst einmal gibt es allerdings auch keine Veranlassung für Unhöflichkeiten, denn wie das so ist bei Opferzügen, selbst wenn sie nicht zu Ehren der Concorida sind, gibt es kein Gedränge sondern nur friedliches Vorangehen.


    Am Opferplatz angekommen schafft es Lucilla sogar ohne weiteres ein Stück nach vorne, so dass sie einen guten Blick auf die schwarze Kuh und den Priester hat. Sie lässt ihren Blick schweifen und die im Takt der Musik wogenden Männer hinter dem Opferpriester erinnern Lucilla schon wieder an das wogende Meer. Kurz glaubt sie, dass nicht die Männer, sondern dass die Welt um sie herum schwankt, weil die Welt auf Planken liegt, den Planken eines Schiffes auf dem Mare Internum. Sie schließt einen Moment lang die Augen und murmelt den Namen der Magna Mater mit. Als sie die Augen wieder öffnet, hat das Schwanken aufgehört und Lucilla vermeidet es ihren Blick nochmals zu den Eunuchen zu wenden.

  • Ein tief tönender Laut, jene die solch ein merkwürdiges Tier bereits gehört hatten mochten es vielleicht mit dem Trompeten eines Elefanten vergleichen, ertönte aus einer Tuba und gebot Schweigen. Die Musik setzte aus, Trommler und Trompeter hielten inne, die Litanei der Eunuchen verklang in Gemurmel, schließlich in Stille, nur leise klirrten die Schellen, wenn sie sich bewegten.


    "Magna Mater! Megale Meter!", donnerte die Stimme des Priesters über den Platz, musste vom Palatin aus fast über die ganze Stadt hinwegrollen. Noch waren seine Worte im Nachhall inbegriffen, da folgten die Euchnuchen.
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    Synchron folgte der Schlag der Trommeln.
    "Große Göttin Mutter der Welt!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Unser Dank sei dir gewiss!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Unser Dank für Jahrhunderte!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Jahrhunderte der Vergangenheit!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Jahrhunderte der Zukunft!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!


    Das Voropfer wurde zelebriert, Erdfrüchte und dunkler Wein waren der Göttin angedacht, fortwährend begleitet von den Worten der Kultmänner, welch auch nicht verstummten, als der Priester das rituelle Häuten des Opfertieres durchführte.


    "Große Göttin!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Unser Gabe für Dich!
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Deine Gunst für uns!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Große Mutter!"
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!
    Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"


    Ohne, dass von außen sichtbar gewesen wäre, dass das Signal gegeben wurde, schlug ein Helfer die Kuh mit einem Knüppel auf den Hinterkopf, ein anderer ließ das Beil in ihre Kehle hernieder fahren. Blut schoss aus der Wunde, platschte übertönt durch die Worte der Eunuchen auf den Stein und spritzte zu den Seiten. Kaum wuchs die Lache an, erreichte auch der kaum noch lebendige Körper des Tieres mit dumpfem Schlag den Grund und ließ den Boden um sich herum erzittern.


    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"


    Die Eingeweide wurden dem Tier entnommen und durch den Priester betrachtet. Noch eben ward er in das Studium der Vitalia versunken, da riss er die Arme empor, übertönte mit lauter Stimme die Litanei.
    "Die Große Mutter hat unsere Bitte erhört!"


    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!
    Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

  • Eingelullt von dem Singsang der Männer bekommt Lucilla gar nicht richtig mit, was der Sacerdos überhaupt genau sagt. Aber er wird schon wissen, was er tut, weshalb wohl kaum irgendwer darauf achtet, was genau er sagt. Wie bei jedem großen Opfer ist es für Lucilla das Beeindruckendste, als die große, schwere Kuh so einfach umkippt, so als würde sie schlafen und irgendwelche albernen Jungen, wie es in ihrer Familie sicherlich auch ein paar gibt und gegeben hat, schubsen sie um. Mit dem Unterschied, dass diese Kuh nie wieder aufstehen wird. Fasziniert schaut Lucilla der Entnahme der Eingeweide zu und ihre Gedanken treiben mit dem Wogen der Eunuchen und ihrem Gesang wieder davon. Wenn Magna Mater dem römischen Volk ihren Segen beschert, dann wird das auch sie selbst - Lucilla - mit einbeziehen. Der Hauch der Gefahr, die Ahnung der Bedrohung könnte sie dann getrost ignorieren, brauchte sich keine Sorgen zu machen über irgendwelche Flüche. Überhaupt ist er es, der sich vor ihrem Fluch in Acht nehmen sollte, nicht umgekehrt.


    Die Verkündung der litatio reißt Lucilla aus diesen Überlegungen. Das Opfer ist angeommen, das Fest kann beginnen! Sie schaut sich um und bedeutet Ambrosius mit einem Nicken, dass er sich bereit halten soll, ihr durch die Masse zu folgen.

  • Nachdem die Opfergaben an die große Göttin übergebeben worden waren, beschloss der Priester das Opfer, indem er in den Sprechgesang der Eunuchen einstimmte.
    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"

    "Oh-ou, Magna Maaa-ter, Me-gale meeee-ter!
    Oh-ou, Me-gale meee-ter, Magna Maaa-ter!"


    Schließlich wandte der Sacerdos sich ab, hinter ihm folgten die Tempeldiener, und während sie sich in den Tempel hinein zurück zogen, kam in die Menschenmenge auf dem Opferplatz Bewegung. An den Seiten wurden Tücher von Tischen genommen, welche bisher einfache Speisen, Brot, Obst und Eintopf, und Krüge und Becher voll gemischten Weins verborgen hatten. Grillspieße wurden innerhalb weniger Minuten rasch aufgebaut, das Feuer darunter in rußgeschwärzten Schalen geschürt und mehrere Säue herbeigeschafft. Die Trommler und Tubenspieler begannen einen schnellen Rythmus, welcher den Platz in eine volksfestartige Stimmung tauchte und schon waren auch die ersten Straßendarsteller parat und boten Kunststücke und Lieder dar. Obwohl bereits den ganzen Tag über in der Stadt Feststimmung herrschte, so waren die Megalesia nun auch offiziell eröffnet.



    Sim-Off:

    WiSim: Zu den Megalesia (Cultus Deorum).

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