Auf dem Weg nach Mantua

  • Es war eine kleine Prozession, die sich auf der staubigen, von der Frühsommersonne erhitzten Straße entlang schlängelte, und allzu schnell ging die Reise nicht voran, musste doch Rücksicht auf die immernoch schwache Konstitution jener Frau genommen werden, die in der von bewaffneten Sklaven begleiteten Sänfte lag und bisweilen mit der Hand die Vorhänge anhb, um die Landschaft zu betrachten. So schlecht und matt hatte sich die Iulierin lange nicht gefühlt, doch das Fieber, welches sie so lange auf das Lager geworfen hatte, wollte noch immer nicht schwinden. Dass ihr der Medicus schließlich eine Luftveränderung verschrieben hatte, war nicht nur eine Entscheidung aus reiner Vernunft gewesen, hatte jener doch auch vernommen, dass die Iulierin mit ihrem wohl zukünftigen Gemahl mehr verband als eine wohlwollende Freundschaft. Vielleicht würde die Nähe zu jenem Tiberier mehr bewirken können als alle Kräutertränke oder Mixturen, die er ihr zur Fiebersenkung geben konnte. Und ein wenig Abwechslung schadete gerade bei den Patienten nie, die schon lange das Bett gehütet hatten, damit sie nicht trübsinnig wurden.


    Eigentlich war da Wetter für eine Reise über Land ideal - es herrschte heller Sonnenschein, es war nicht zu heiß, aber auch nicht kühl, eigentlich genau die Art Wetter, die jeden normalen Menschen aus der stickigen Wohnung in den hellen Sonnenschein hinaus treiben dürfte, um ein wenig der Wärme zu genießen - die Sklaven jedenfalls schienen die Abwechslung zu ihrem üblichen Wachdienst in Rom zu genießen, auch die Bewegung als Kontrast zum sonstigen Patroullieren und Stehen schien ihnen nicht unwillkommen zu sein.
    Bald sehe ich ihn wieder, dachte Iulia Helena und blieb zurückgelehnt und zugedeckt in der Sänfte liegen, während die Gedanken schon vorauseilten, zu ihrem Ziel. Gesellschaftlich wäre eine Verbindung mit der gens Tiberia der große Wurf für die Iulier, aber darauf kam es ihr nicht einmal wirklich an, nicht, seitdem sie Quintus besser kannte, seit sie erkannt hatte, dass hinter dem Soldaten ein einfühlsamer und kluger Mann steckte. Seine Antwort hatte sie die Abreise mit besonderem Eifer vorantreiben lassen, und nun waren sie endlich unterwegs. Ich komme, Quintus, bald bin ich bei Dir. Und die Landstraße zog sich weiter, unendlich weit, bis nach Mantua ...

  • Staub und Sonne waren die stetigen Begleiter einer Reise, die langsam geführt werden musste, um die angeschlagene Gesundheit der Reisenden nicht zu beeinträchtigen. Aber die Iulierin fühlte auch, dass es ihr guttat, sich nicht mehr auf die immer gleichen Geräusche der casa Iulia konzentrieren zu müssen, nicht mehr von den Lauten der Sklaven und Bewohner in einen unruhigen Dämmerschlaf gewiegt zu werden. Untätigkeit war ihr immer verhasst gewesen, und nichts tun zu dürfen, hatte sie die letzten Wochen und Monate mehr gedauert, als sie es sagen konnte. Vielleicht war es ganz gut so, wie es nun war, die Reise belebte sie, auch wenn sie sich noch immer schwach fühlte - inzwischen verbrachte sie einige Stunden des Tages damit, hinauszublicken, die Landschaft Italias auf sich wirken lassend, während ihre Gedanken schweiften.


    Zu ihrem Vater, ihrem Bruder, und natürlich Quintus, jenen Erlebnissen, die sie miteinander bisher geteilt hatten, jenen Erlebnissen, die sie vielleicht noch miteinander teilen würden, wenn die Götter ihnen gnädig waren. Und natürlich der Zukunft. Seit das Gesetz des Kaisers offiziell geworden war, dass Frauen keine Berufslaufbahn im cursus honorum anstreben durften, war ihr ein wesentliches Ziel genommen worden, und sie wusste noch immer nicht, wohin sie sich wenden sollte. Nur Hausfrau und Mutter zu sein, das konnte und wollte sie sich nicht vorstellen, auch wenn das Leben an Quintus' Seite sicherlich vieles bieten würde. Aber sie wusste auch, dass er es verstehen würde, wenn sie ihm sagen würde, dass ihr die bloße Herrschaft über einen Haushalt nicht ausreichte. Er verstand so vieles ... und er würde niemals erfahren dürfen, was im Haus der Valerier geschehen war. Eine Erinnerung, die auf subtile Weise schmerzte, denn nun waren die Würfen gefallen, sie hatte sich entschieden, seine Frage war zu spät gekommen ... Iulia Helena seufzte, und im gleichen Augenblick meldete einer der begleitenden Sklaven, er könne eine Stadt am Horizont erkennen.
    Mantua.

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