• Der Tonfall des Legionärs gefiel dem Optio in diesem Augenblick gar nicht, aber er hatte keine Lust, sich darüber aufzuregen. Der Centurio hatte darum gebeten, die Aktion möglichst leise durchzuzführen, da wäre eine Zurechtweisung nur störend.


    Als das Vieh endlich wieder den Kopf weit genug hob, schwenkte Priscus schnell seinen Arm und bekam die Schlinge damit sogar ziemlich problemlos über den Kopf und eines der Hörner. Das andere stellte sich quer, aber mit einem verwirrten und überraschten Kopfschütteln leistete das Vieh selber unfreiwillig Hilfe. Schnell zog Priscus an dem Seil, um die Schlinge enger zu ziehen und wartet dann darauf, was der Centurio als nächstes vor hatte. Vermutlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Vieh wieder zurück in den Stall zu ziehen. Freiwillig mitkommen würde es sicher kaum.

  • Etwas von einem dreisten Ton oder den sonstigen Flüstereien der beiden Soldaten bekam Marcus nicht mit. Denn er hatte sich tatsächlich Cunctators Anweisung zu Herzen genommen und taxierte den Stier mit einem grimmigen Blick. Dummerweise war der Ochse jedoch eher mit dem Mampfen köstlicher Küchenkräuter beschäftigt, eigentlich für den Tisch von den Tiberiern bestimmt, und einem dezenten Ausweichen des Seils. Mal schwenkte er mit den Hörnern nach rechts oder nach links. Es war wahrlich nicht einfach das Vieh an diesen zu packen, doch dann wandte das Tier Priscus den Kopf zu und starrte ihn schmatzend an, einige Halme ragten noch aus seinem Maul. Als das Seil sich um seinen Hals schloss machte das Tier einen Schritt auf Priscus zu und schleckte ihm mit seiner rauhen, von Kräutern bedeckten, Zunge über den Unterarm. Marcus atmete erleichtert auf, so konnte das Opfer also doch noch stattfinden.


    “Sehr gut, Tallius, Claudius. Dann führen wir ihn mal zurück. Mir scheint, Tallius, der Ochse scheint Dich zu mögen…“


    Und tatsächlich, von Priscus ließ sich der Ochse plötzlich lammfromm in den Stall zurückführen. Und somit konnten sich die Männer um das Vorbereiten des Opfers kümmern - Marcus war nicht von seinem Vorhaben abzuwenden und kam mit guten Omen, die er gesehen hatte- wie weiße Tauben, einen rötlichen Falken, der einen Hasen angeblich geschlagen hat und ähnlichem. Als der Ochse endlich mal wie ein anständiges Opfertier aussah, wandte sich Marcus an Priscus und Cunctator.


    Optio Tallius, rufe doch gleich die Männer für das Opfer zusammen. Es findet am Marsschrein statt in der principia. Und die, die Flöten spielen können, solllen ihre Instrumente mitbringen. Wer von euch möchte den Part des cultrarius und wer den des popa übernehmen?“

  • Cunctator war heilfroh, daß sich die Bestie - ob Stier oder Ochse - so nachgiebig zeigte, um an der Opferung sowohl aktiv als auch passiv teilzunehmen.


    Er wandte sich an den centurio.


    Centurio, wenn du nichts dagegen hast: obwohl ich keinen popa habe und ich noch nie ein popa war, würde ich gern diesen Part übernehmen. Mir fehlt zwar die nötige Voraussetzung, aber mit deiner Unterstützung dürfte der würdigen Opferung nichts im Wege stehen.


    Sim-Off:

    popa ist auch ein fetter Wanst

  • Dass das Vieh anscheinend eine gewisse Zuneigung für ihn empfand, ihm den Arm abschleckte und sich von ihm führen ließ, machte Priscus nicht unbedingt glücklick. Er konnte sich bessere Freunde vorstellen als ein störrisches Vieh, was ohnehin geopfert werden sollte.


    "Dann bleibt für mich wohl die Rolle des Cultarius", stellte er nach der Rollenvergabe fest. Während er die Kameraden zusammen rief, war er froh, das Vieh eine Zeit lang los zu sein und war schon gespannt, ob es auf dem Weg zur Principia wieder zu irgendwelchen unvorhergesehenen Zwischenfällen kam.

  • Ein breites Grinsen huschte über Marcus Gesicht bei Cunctators Worten. Nun, Männer mit Humor fand er meist auf Anhieb sympathisch, bei dem Claudier war das sowieso schon der Fall gewesen. Zufrieden nickte Marcus und sah in Richtung des Stalles, wo das Rindvieh auf seinen letzten Gang wartete und derweil schon sein Futter mit den Kräutern mampfte, die es noch ein wenig ruhiger stellen sollten, damit es nicht während des Opfers dumm zuckte.


    “Gut, dann in einer halben hora in der principia und am Altar des Mars. Die Männer sollen sich zu dem Zeitpunkt dort einfinden.“


    Marcus reichte jedem der Beiden sein Bündel, mit der jeweiligen Ausstattung, die sie für das Opfer noch brauchen würden, für Cunctator das Beil und für Priscus die Opferaxt, neben den aufwendig verzierten Schürzen, die die beiden Männer dazu erhielten- sie stammten ebenfalls aus den flavischen Heim- und Hofpriesterbeständen und da in der Familie fast nur Priester oder Politiker waren, was fast dasselbe war, hatte die villa einen guten Bestand an solchen Dingen. Marcus wandte sich um und verschwand noch mal im Stall, um sich abermals das Tier- das Respektlose- genauer anzuschauen.


    Eine halbe hora später…


    Schräg fielen die Sonnestrahlen auf das Bildnis des Mavors, des Gottes des Krieges und Stammvater der Römer. War doch Mars ein bedeutender Gott für die Soldaten, auch der legio prima, so hatte er durchaus einen prachtvollen Altar in der principia, der sorgfältig gepflegt und gehütet wurde. Vor dem Beginn der ganzen Zeremonie wurde Mars sorgfältig mit Zedernöl abgerieben, so dass die Oberfläche frisch glänzte. Einige Schritte vor dem Altarplatz standen zwei Tonbecken an denen sich die Soldaten waschen konnten- und dazu auch angehalten wurden- ehe sie vor die Statue des Mars traten. Aus einem Kohlebecken glühte es heraus und von dort stieg der duft nach harzig und würzig duftenden Hölzern hervor, die langsam zwischen der dunklen Kohle verbrannten und den Platz mit ihrem Odeur erfüllten. Als die Soldaten angetreten waren, ein wenig von einem Bein auf das Andere traten, manche ihre Musikinstrumente hervor holten und auf den Altar sahen, der mit einigen Schalen und Blumen geschmückt war, war ein leises Muhen zu vernehmen von der Seite, wo der jetzt lammfromme, geschmückte Ochse mit glasigen Blick- die Kräuter hatten ihre Wirkung voll entfaltet- auf seinen großen Augeblick wartete. Marcus trat von dort heran, er trug eine toga über seiner roten Militärtunika, und stellte sich vor den foculus.


    Mit einem marginalen Kopfnicken deutete Marcus Cunctator ebenso nach vorne zu schreiten, um sich um das Anzünden des Weihrauches und den unblutigen Teil zu kümmern. Denn zuerst sollten die Soldaten die kleinen Opfergaben ins Feuer werfen können, die ihnen zum Teil gegeben wurden- so was wie Dinkelkekse, Gerste und Weizen, dazu noch die persönlich mitgebrachten Dinge der Soldaten. Erst als alle Männer verstummten und bereit schienen, wandte Marcus ihnen den Rücken zu und sah zu der Statue des Mars hinaus.


    “Mars Pater, wir, Deine Söhne und Soldaten Roms, rufen Dich an und bitten Dich um die Gunst Deiner Aufmerksamkeit. Wir sind gekommen, um Dir, Mamerce, Gaben zu vollbringen, auf daß Du unsere Bitten und unsere Wünsche erhören magst und uns die Gunst deines Segens gewährst.“


    Erneut ein Neigen des Kopfes, damit Cunctator verstand, daß es nun Zeit für die Weihräucherung war. Marcus ergriff einige Dinkelkekse und legte sie auf der mensa ab, goss dazu etwas vom Wein, damit vielleicht schon mal ein wenig der Aufmerksamkeit von Mars für die Zeremonie herbei gelockt wurde. Dann hob er die Arme, die Handflächen nach oben.


    „Mögen die Geschenke der Soldaten an Dich, oh Marmarce, Dein Wohlwollen für sie erringen. Auf daß Deinen Söhnen in der Schlacht und im Kampf der Mut und die Tapferkeit gegeben wird, damit sie wie aufrechte Römer kämpfen und siegen vermögen. Diese Gaben für Dich, Mars Pater.“


    Erneut nickte Marcus Cunctator zu, damit er den Soldaten deutete, nach vorne zu treten und ihre Gaben in den Kohlebecken zu werfen, dabei unterdrückte er das heftige Verlangen zu Niesen wegen dem Weihrauch.




    SimOff: Es sind auch Soldaten aus anderen centuriae eingeladen.

  • Als Priscus kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt an der Principia ankam, hatte er eine beachtliche Anzahl von Soldaten mitgebracht. Nicht alle Mitglieder der Centurie waren verfügbar gewesen, da einige von ihnen festen Aufgaben im Lager nachgingen, aber fast alle anderen hatte Priscus auftreiben können. Tatsächlich hatten einige auch Musikinstrumente dabei, meistens Flöten. Der Cornicen war auch mitgekommen, auch wenn sein Instrument für die leise Hintergrundmusik eines Opfers denkbar ungeeignet war.


    Die reich verzierte Schürze, die er sich für das Opfer umbinden musste, fand Priscus albern. Ein einfaches Leinentuch hätte es seiner Meinung nach auch getan, zumal ein paar Spritzer Blut auf einer Soldatentunika noch nie geschadet hatten. Aber sein Centurio war eben von noblerer Herkunft, irgendwo musste sich das ja bemerkbar machen. Als Opfergaben hatte er nur etwas Getreide aus seiner Tagesration dabei, da er vergessen hatte am Vortag aus dem Getreidebrei noch rasch einige Kekse zu backen. Aber er nahm an, dass es trotzdem reichen würde, immerhin sollte Mars ja noch ein ganzes Tier bekommen.

  • Cunctator blickte nach oben: die schwarzen Wolken waren verschwunden. Und auch die anfangs wilde Bestie erfreute, wenn auch durch Bestechung, durch beispielhafte Friedfertigkeit. Mars würde die Opferung wohlwollend entgegennehmen!


    Der Empfang des Beils und das Umbinden der Schürze: fertig war der popa!


    Cunctator streute die Weihrauchkörner in das glühende Kohlebecken. Seine eigene Opfergabe, etwas Weihrauch, das er für derartige Zwecke immer in seinem Handgepäck bereithielt, fügte er hinzu.


    Auf das Zeichen des centurios hin gab er den Soldaten zu verstehen, ihre Opfergaben in das Becken zu werfen.


    Er bemerkte, daß der Weihrauch dem centurio in die Nase stieg und dieser in seiner eleganten Art den Drang nach einem Niesen unterdrückte. Cunctator stellte sich, ohne daß es bemerkt wurde, ein wenig zur Seite, damit der Rauch den centurio nicht einmal mehr streifen und die Opferung ihren weiteren würdigen Verlauf nehmen konnte.

  • Einer trägen Schlange gleichend zog der Rauch der kleinen Opfer der Soldaten gen Himmel. Die Beutel und Gaben wurden von der rot glühenden Kohle umschlungen, flammten auf und entließen ihre Gaben in Form des Rauches, um damit den göttlichen Willen von Mars als erstes zu besänftigen. Do ut des! Auch Marcus warf ein kleines Bündel zu den Opfern, was genauso von den gierigen Flammen der Feuerschale ergriffen wurde und nur noch als schwarzes Rest übrig blieb. Der Niesreiz war wieder hinfort, der Weihrauch schien in eine andere Richtung zu wehen. Marcus sah einen Herzschlag zu Cunctator und nickte. Dann drehte er sich um und deutete Priscus, der Einzige wohl, der mit dem störrischen Ochsen umzugehen vermochte, heran. Dieser rieb seinen Kopf mit den weißen und scharlachroten Wollbinden an Priscus Oberarm und mampfte wiederkäuend zufrieden das Mahl des Vormittages, war gänzlich friedlich geworden, immer noch Dank der Kräuter, und schien seinem Einsatz entgegen zu harren. Während Marcus darauf wartete, ob das Vieh tatsächlich sich an seine Aufgabe hielt und Priscus ihn zum Altar führte, sammelte er seine Gedanken und versuchte sich noch mehr auf das Opfer einzustimmen. Es bedeutete ihm doch recht viel, schließlich war es ein altes Versprechen an Mars gewesen, als dieser ihm im fernen Germania im Wald der Chatten das Leben gerettet und ihm eine Rückkehr zur Legion ermöglicht hatte. Während einer der Soldaten auf das Zeichen von Marcus hin kräftig: Favete linguis!“ rief, die soldatischen Musikanten kräftig und mit Herzenlust in die Flöten und das Horn bliesen, ergriff Marcus einen Pinsel, tauchte ihn in das Wasser und spritzte es über die Soldaten, um sie wenigstens rituell noch mal zu reinigen.


    Darauf vertrauend, dass Priscus sich um das Heranführen des Ochsen kümmert und ihn vor dem Altar zu halten vermochte, griff Marcus nach der mola salsa und streute, nachdem er sich zu dem Tier umgesehen hatte, das Schrott auf den Kopf des Tieres und zog dabei die Binden herunter. Mit dem Opfermesser strich Marcus dem Tier am Wrist entlang und über den Rücken. Dann legte er das Messer zur Seite, denn Priscus hatte eine kleine Axt und Cunctator das Beil. Das Messer war nur für den Ritus notwendig gewesen.


    „Mars Pater, Deine Söhne rufen Dich an und erbitten Deine Gunst in künftigen Schlachten und im Krieg, den wir gegen die Feinde Roms und Deiner Kinder ausfechten werden. Gewähre den Männern den Mut und die Kraft stets standhaft zu bleiben und Dir mit dem Schwert und ihrem Leben dienen zu können. Stehe ihnen bei, wenn sie das Gladius ziehen und sich mit Leib und Seele in den Kampf stürzen, um die Heimat zu verteidigen. Und gewähre ihnen in Deiner Gnade den Sieg, für den Kaiser und das römische Volk.“


    Mit dem Blick auf die eingeölte Statue fügte Marcus noch leise hinzu.

    “Zu dem danke ich Dir für Deinen Schutz in der Vergangenheit, Deinen Segen, dem ich mein Leben verdanke und entbiete Dir das Opfer als altes Versprechen, Mamerce.“


    Mit beiden Händen umgriff Marcus einen Pokal mit edlem flavischen Wein aus Baiae und goß ihn in die Flammenschale, die laut aufzischte und einige Flammen schlugen hoch. Erst dann wandte sich Marcus um, sah zu Priscus und Cunctator, die ihren Part mit der rituellen Frage einleiten müssten.

  • Eine Augenblick lang fragte sich Priscus, warum er eigentlich nicht Rinderzüchter und stattdessen Soldat geworden war. So viel wie heute hatte er sich noch nie darum gekümmert, ein Tier von hier nach dort und dann noch woanders hin zu bewegen. Jetzt machte das Vieh endlich seinen letzten Gang, von der Seite herüber direkt an den Altar. Priscus vertrieb die Gedanken nach der Berufswahl und konzentrierte sich wieder auf das Opfer. Die Axt lag fest in seiner Hand und noch war die bunte Schürze vor seinem Körper unbefleckt. Was sich zweifellos bald ändern würde, nachdem der Popa die Frage gestellt hatte und der Centurio als Opferherr sicher bald den Befehl zum Losschlagen geben würde.


    Ein wenig hatte so ein Opfer wohl etwas von einer kleinen Schlacht. Die Soldaten standen im Felde und warteten darauf, dass der Feldherr sie losließ. Und dann schlugen sie los und richteten sie ein Blutbad an. Oder so ähnlich. Zumindest in der Theorie.

  • Bereits einige Moment vorher hatte Marcus bereits sein Haupt bedeckt mit einem Zipfel der toga. Ob des Friedens mißtrauisch, den das Rindvieh Marcus offerierte, betrachtete der centurio das Tier aufmerksam, denn in dem Augenblick des Durchtrennen seiner Schlagader, wo er sein Leben aushauchen und dieses den Göttern weihen würde, mitsamt seines Körpers und der darin enthaltenen Gaben, mußte das Tier aussehen als ob es zufrieden, nein, glücklich über diesen Umstand seines Ablebens war und darauf selig wartete, als geheiligter Ochse bald in dem Ochsenhimmel auf saftigen Weiden zu grasen. Zumindest nahm Marcus in seiner noch recht naiven Art an, daß die Opfertiere einen besonderen Platz erhielten. Schließlich hatte seine Amme das damals von seinem Hund auch behauptet und Marcus glaubte immer noch fest daran, diesem nach seinem eigenen Ableben zu sehen. Die rituelle Frage kam, die Antwort mußte folgen. So nickte Marcus marginal und zufrieden, über den bisherigen Ablauf und sprach feierlich ein einziges Wort.


    “Age!“


    Nun mußte dem Ochsen auf dem Kopf geschlagen werden und das Blut sollte spritzen. Marcus machte einen Schritt zurück, damit das Blut nicht seine toga tränken würde.

  • Das agedes centurios war gefallen. Für den Stier gab es kein Zurück. Die himmlischen Weiden standen ihm offen. Irgendwie tat Cunctator das Vieh leid. Wenn schon, dann sollte es schnell und ohne Schmerzen sterben!


    Cunctator sah zu Priscus mit seiner Opferaxt. Leise fragte er:


    Wie machen wir es, optio? Erst ich mit dem Beil, dann du mit der Axt oder beide gleichzeitig? Ist der Stier erst einmal betäubt, geht alles weitere leichter vonstatten.l

  • Es wäre sicherlich keine schlechte Idee gewesen, solche Fragen vorher zu klären. Aus unerfindlichen Gründen hatte sich Priscus darauf verlassen, dass entweder der Centurio genau sagen würde, wer was wann tun sollte oder das sowohl der Centurio als auch Cunctator genau wussten, was zu tun ist und Priscus einfach die verbleibenden Handlungen übernehmen konnte. Ganz abwegig war der Gedanke allerdings nicht, denn normalerweise sagte ja auch der Centurio, was zu tun war.


    Jetzt musste er also nachdenken. Er war bei dieser Prozedur der Victimarius, mit der Axt in der Hand. Die war dazu da, dem Opfertier die Halsschlagader aufzuschlagen und das war es auch, was ein Victimarius tun sollte. Demnach müsste Cunctator mit dem Beil dafür da sein, entweder vorher die Sehnen der Hinterläufe des Tieres zu durchtrennen oder es von vorne mit einem Schlag auf den Kopf zu betäuben. So genau wusste Priscus dann auch wieder nicht, welche von beiden Sachen ein Popa normalerweise machte. Aber jedenfalls war er vor ihm dran, wenn ihnen das Vieh nicht wieder abhauen sollte.


    "Du fängst an", zischte er daher leise und behielt seine Position neben dem Tier bei, von der aus er ihm später die Axt in den Hals rammen konnte.

  • Cunctataor fackelte jetzt nicht mehr lange.


    Er sah zu Priscus


    Paß`auf


    holte mit dem Beil weit aus und versetzte dem Stier mit aller Kraft einen gezielten Schlag auf den Kopf.


    Der Stier blieb versteinert stehen, schnaubte einige Male, knickte mit seinen Vorderfüßen ein und fiel langsam nach rechts zur Seite. Seine Vorderfüße schaufelten noch etwas Sand, dann rührte er sich nicht mehr.

  • Mit der ganzen Routine eines Mannes, der noch nie in seinem Leben mit einer Axt einem Stier die Halsschlagader geöffnet hatte, holte Priscus aus und schlug zu. Kurz und schnell, so wie er es jederzeit mit dem Gladius tun würde, wenn es im Kampf erforderlich wäre. Warmes Blut schoß aus der Wund, ergoss sich über die Axt und seine rechte Hand. Mit einem Ruck zog er sie wieder zurück und trat einen Schritt zur Seite, während der Stier umkippte und zur Opfergabe für den Kriegsgott wurde.

  • Mit wachsender Zufriedenheit betrachtete Marcus das Tun der beiden Soldaten vor sich, gleichwohl es das erste Mal war, daß sie an einem Opfer teilnahmen und zwar als Gehilfen des Priester, welcher Marcus indes nicht war, aber dessen Aufgabe er nun mal übernommen hatte, verhielten sich die beiden Männer doch sehr geschickt und strebsam im Niederschlachten des Tieres. Marcus neigte den Kopf als das Blut über den Stein vor dem Altar schoß und trat noch mal einen Schritt zurück, denn das warme Blut gierte nach dem Zipfel seiner reinen weißen toga. So umspülte es nur die Spitze einer seiner calcei, vermochte jedoch noch nicht mal das dicke Leder zu durchdringen. Mit einigen Anweisungen, leise gesprochen, deutete Marcus Priscus den Bauch noch aufzuschlitzen und Cunctator die Eingeweide hervor zu holen, die Marcus auf einen silbernen Teller legen ließ. Da war auch schon der entscheidende Moment gekommen. Marcus sah auf die Organe hinab und wurde sich erst da bewusst: Wie las man überhaupt in den Organen? Schnell verzog Marcus sein Gesicht zu einer nachdenklichen Miene, gab leise immer wieder ein: „Mhm!“ oder ein „Mmm?“ von sich, um die Zeit zu überbrücken in der er rätselte, was er denn da vor sich hatte. Also, die Leber erkannte er sofort. Die hatte er oft genug auf dem Teller gehabt. Marcus liebte Leber, besonders Gänseleber und das noch eingelegt in dem Schmalz des Schweines…schnell wandte er den Gedanken von Essen zum Opfer zurück und runzelte die Stirn. Die Leber kannte er auch roh und war somit nicht erstaunt. Aber was war das daneben? Die Milz? Oder doch ein anderes Organ? Marcus hatte nicht die blasseste Ahnung. Denn obwohl er im Opfern geübt war, so war im Hause der villa Flavia in Baiae immer ein Eingeweidenbetrachter hinzu gezogen worden, was Marcus im Vorfeld nicht bedacht hatte. Marcus griff mal zaghaft zu der Leber und drehte sie um. Sah durchaus lecker aus, womöglich vermochte das Mars ja zu beeindrucken. Marcus wäre auf jeden Fall das Wasser im Mund zusammengelaufen, wenn nicht die ganze Konzentration und die übrigen Eingeweide ihn daran hinderten. Einige Male stocherte Marcus hin und her und kam schließlich zu einem Entschluß. Seine Mutter pflegte manchmal zu sagen: Der Eindruck ist alles, wen interessiert da noch der Inhalt. So oder ähnlich hatte sie sich ausgedrückt, sicherlich noch eloquenter als es Marcus selbst in seinen Gedanken vermochte. So drehte sich Marcus zu den Soldaten um, schaffte es sogar ein einigermaßen glaubhaftes Lügengesicht aufzusetzen, wenn auch seine linke Augenbraue zuckte.


    Litatio. Mars hat unsere Gaben angenommen und der Segen ist für die centuria gewiß!“


    Ein Trillern von Flöten untermalte dies und Marcus drehte sich wieder um und warf die Opferinnereien und die Stücke für Mars in das Kohlebecken, wo sie brutzelnd und zischend verbrannte. Leise flüsterte Marcus etwas zerknirscht und schuldbewußt.


    „Entschuldige Mars, ich hoffe, das war in Deinem Sinn.“


    Marcus hoffte, daß der Kriegsgott seine ehrlichen Absichten ihm gegenüber verstand. Nur wollte er nicht gerade vor seinen eigenen Soldaten zugeben, keine Ahnung vom Eingeweidelesen zu haben. Marcus sah noch, bis das letzte Fleisch schwarz angelaufen war und sah wieder zu den Soldaten.


    Milites, greift euch den Ochsen und zerlegt ihn. Der wird heute von uns verspeist werden. Und in der Kiste da ist noch zusätzliches Fleisch. Bedient euch, aber zuerst machen wir das hier noch sauber und kehren dann wieder zu den contubernia zurück. Age!“


    Marcus streifte sich die toga vom Leib und legte sie zu der Kiste mit den Utensilien zurück, ehe auch er anpackte, um den Ochsen auf einen Karren zu hieven. Und so wurde der Platz wieder geräumt und alles zur Mannschaftsunterkunft gebracht, wo kurze Zeit später das Fleisch am Brutzeln war. Brot und Bier wurden zu dem Essen angereicht und schon später waren die Näpfe der Soldaten mit dem Fleisch gefüllt. Marcus trat zu den beiden Gehilfen beim Opfer und nickte ihnen freundlich zu.


    “Sehr gut gemacht, optio. Und auch Du, miles. Ich bin sehr zufrieden mit euch.“

  • Nachdem er dem Opfertier noch den Bauch aufgeschnitten hatte, wischte sich Priscus die Hände an der Schürze ab, während der Centurio sichtbar fachkundig die Eingeweide untersuchte und dann die Annahme des Opfers verkündete. Nachdem die Zeremonie damit beendet war, legte er die Axt zur Seite und entfernte auch die bunte Schürze, die nun noch ein paar große rote Blutflecken bekommen hatte. Das Lob des Centurio nahm er dankbar entgegen.


    "Danke Centurio. Mars schien ja auch zufrieden zu sein", und das war schließlich die Hauptsache bei einem Opfer.

  • Cunctator hatte den centurio beobachtet. Just in diesem Moment erinnerte er sich an die Türme-Schulung, in der der centurio sein Nachbar war und daß es da ein gewisses Zucken der linken Augenbraue in besonderen Momenten gab.


    Cunctator wartete ... und schon war da das "berühmte" Zucken zu erkennen. Wohlgemerkt: nicht für alle, sondern nur für diejenigen, die darum wußten.


    Wie dem auch sei, die für Cunctator ungünstigen omina zu Beginn der Opferung hatten demnach keinerlei Auswirkung auf die heilige Handlung, die ohne Zwischenfälle günstig verlief.


    Mars hatte die Gaben angenommen, mit seinem Segen war zu rechnen!


    Mundus vult decipi --- und die Götter? Die wurden ...


    Cunctator wandte sich an den centurio:


    "Centurio, das war meine erste Opferhandlung, an der ich aktiv teilnehmen durfte. Ich danke dir daür!"


    Sim-Off:

    Die Welt will betrogen sein!

  • Mit einem zufriedenem Seufzen ließ sich Marcus auch auf einen Schemel herunter sinken, griff selber eine Schüssel und ließ sich von einem Soldaten etwas von dem Fleisch auftun. Im Selbstbetrügen war Marcus noch sehr viel begabter als im Belügen anderer, wo er doch meist jämmerlich versagte, meistens zumindest, wenn auch heute wohl nicht. Aber Marcus nickte auf Priscus Worte hin. Ja, der Mars schien wohl zufrieden zu sein, denn es hatte Marcus kein Schlag getroffen, noch war er in ein gladius gefallen nach der Vorstellung. Marcus nahm einige Bissen von dem warmen Ochsenfleisch und vergrub seine Zähne tief in die würzigen Fasern, denn das war noch seine kleine Genugtuung, daß das Vieh tot war und seine Unverschämtheit nun bezahlt hatte. Zudem brachte es Marcus auch zu einem weiteren guten Mahl. Marcus schluckte das Fleisch herunter, wischte sich einige Bratentropfen vom Kinn und lächelte breit.


    „Ah, miles, das wird sicherlich nicht Deine letzte Opferhandlung sein. Spätestens wenn Du mal heiraten wirst und die Zeremonien mit Deiner Familie dann vollführst, wirst Du selber in den Genuß kommen, das Opfer anzuleiten.“


    Marcus wußte nicht, ob Cunctator mal heiraten wollte, dachte sich jedoch, daß es wohl unausweichlich war- wie bei ihm selber. Nachdenklich betrachtete Marcus auch Priscus. Ob dieser auch heiraten wollte, wenn sein Dienst zu Ende war? Ob er womöglich ein Liebchen in Mantua hatte, die auf das Ende der zwanzig Jahre wartete? Marcus wollte nicht derart indiskret fragen, widmete sich lieber dem Essen und dem Bier. Schmausend und gut trinkend konnte das Opfer somit zu einem Ende gebracht werden.

  • Cunctator sah Marcus von der Seite an.


    "Weißt, du, centurio, das mit dem Heiraten ist so eine Sache. Aber das brauche ich dir nicht erst zu erklären. Der römische Staat ist der Meinung, seine legiones könnten wirkungsvoller operieren, wenn die Soldaten nicht durch Familienprobleme belastet seien, außerdem will er keinerlei Verantwortung für die nächsten Angehörigen seiner Soldaten tragen.


    Mag sein, daß ich einmal den Rang eines Decurios oder den eines Centurios erreiche, dann könnte man über eine Heirat nachdenken. Derzeit halte ich es lieber mit dem Weisen, der da sagte: < Eine Frau ... notfalls zum Vergnügen! >"


    Mit sich und der übrigen Welt zufrieden schob sich Cunctator noch ein Stück Fleisch in den Mund.

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