• Es war noch früh am Vormittag, die Marktstände waren zwar lange schon aufgeschlagen, aber die Kunden - und vor allem vornehme Kundinnen - fanden sich erst allmählich ein, um die Waren der Händler zu begutachten.
    All dies aber nahm Sergia Plotina nur wie durch dichten Nebel hindurch wahr. Sie streifte an Ständen und Buden vorbei, war aber viel zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt, um für Marktleute und Besucher Augen und Ohren zu haben.
    Schon am Tag ihrer Ankunft in Rom hatte ein dunkles Gefühl sie beherrscht, und diese Ahnung hatte sich bestätigt. Aber nein, sie war nicht monatelang hierher unterwegs gewesen, um sich jetzt unterkriegen zu lassen!
    Mit vollem Bewusstsein blickte sie jetzt auf und richtete ihr Auge auf die Aushänge an der Seite des Marktes. Doch noch war sie unschlüssig, was sie als nächstes tun sollte.

  • In der Nähe konnte man zwei Männer stehen sehen, wie sie heftig diskutierten. Die Hände wurde dafür genauso eingesetzt, wie Worte und hin und wieder konnte man den Eindruck gewinnen, das sie auf Sergia Plotina zu zeigen schienen.
    Wenn die Männer ihr auffielen würde sie zwei sich sehr ähnlich ausschauende Brüder sehen, die sich nur durch ihre Kleiden und durch den Bart des einen voneinander unterschieden.
    Die Diskussion schien zu einem Ergebnis zu führen und während Montanus mit verschränkten Armen stehen blieb und das folgende neugierig beobachtete, bahnte sich sein Bruder einen Weg auf die Frau zu.

  • Diesmal war es also seine Aufgabe. Blöder Montanus. Spann mal wieder total. Aber der Kleine hatte ja eh keine Ahnung von nichts. So näherte er sich der Frau und stand plötzlich hinter ihr. FReundlich meinte er dann: "Welch Dinge mögen es sein, die solch strahlendschöne Augen zu erhaschen wünschen?"

  • Aha, stimmte es also doch, was man Plotina in ihrer Heimat von den römischen Männern erzählt hatte: Sie litten unter einer Art inneren Zwang, jeder Frau gleich erfundene Komplimente machen zu müssen. Denn Plotinas Augen waren in diesem Moment weit davon entfernt zu strahlen, das wusste sie selbst. Eher sendeten diese Augen giftige Pfeile aus, ärgerte sie sich doch sehr darüber, ausgerechnet jetzt auf eine so plumpe Art und Weise angesprochen zu werden.
    Außerdem war ihr der junge Mann nicht geheuer mit seinem ein wenig zu stutzerhaft geschnittenen Bart. Oder war er etwa nur ein Händler, der ihr etwas verkaufen wollte? Andererseits war er doch eher gekleidet wie ein vornehmer Herr.
    Plotina war sich nicht sicher. Daher entschloss sie sich, zunächst einmal Zeit zu gewinnen.


    "Sei mir gegrüßt. Mein Name ist Sergia Plotina, ich bin neu hier in Rom und wollte mir einen Rundgang über den Markt an diesem wunderschönen Vormittag natürlich nicht nehmen lassen."


    Sie lächelte ihren Gesprächspartner erwartungsvoll an.


    "Aber verrate mir: Was mag es nur sein, dass deine Adleraugen dazu gebracht hat, aus der Menschenmenge hier ausgerechnet mich unscheinbare Person in den Blick zu nehmen - und anzusprechen?"

  • Mit einer gewissen Befriedigung sah Plotina, dass der Angesprochene mit einer solchen Gegenfrage nicht gerechnet hatte. Er stand mit leicht geöffnetem Mund da und versuchte offensichtlich, diese für ihn unerwartete Situation zu überblicken.
    Als er nach einigen Augenblicken immer noch nichts sagte, nickte ihm Plotina endlich freundlich zu - sie wollte ihn ja schließlich nicht demütigen - und verabschiedete sich mit den Worten:

    "Verzeih mir, wir sind uns in einem ungünstigen Moment begegnet. Ich muss weiter. Mögen die Götter es fügen, dass wir uns bald unter einem anderen Stern begegnen!"


    Mit diesen Worten ging Plotina von dannen und ging bald unter in dem immer stärker werdenden Menschengewirr des Mercatus. Gedankenverloren schlenderte sie an den Ständen vorbei und betrachtete die Auslagen der Händler. Irgendwann erklang Musik. Plotina horchte auf. Die Musik riss sie aus ihren Gedanken. Suchend ging sie umher, bis sie nach einiger Zeit an einer anderen Stelle des Mercatus einen Lautenspieler erblickte.

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