Während ich die letzten Tage und Wochen damit verbrachte, die endlosen Straßen der Stadt entlang zu schlendern, mich mit Einwohnern und Touristen zu unterhalten und die Stadt kennenzulernen, kam ich irgendwann zu einer hohen Mauer, die einen Teil des Brucheionviertels vom Rest abtrennte. Wieder einmal offenbarte mir die Stadt ihre bizarre Ordnung, in der die Unterschiede zwischen den Ständen und Völkern so krass hervortraten: Nicht jedem war es gestattet, alle Teile der Stadt zu betreten und vor dem Tor kontrollierten und durchsuchten bullige römische Torwachen jeden, der keine Genehmigung hatte, dieses Viertel zu betreten. Hier ging es zur Halbinsel Lochias, der inoffiziellen Akropolis der Stadt, wo die reichsten und wichtigsten Menschen dieser Provinz wohnten.
Ich musste aber nichts befürchten, denn ich hatte eine Einladung des römischen Präfekten bei mir. Ich zeigte den Wisch und die Wachen winkten mich einfach neben der langen Reihe der Anstehenden, die das Viertel betreten wollten, durch. Ja, der Soldat war sogar sehr freundlich, beschrieb mir genau, wie ich zu gehen hatte und bot mir eine Eskorte an, die ich aber ablehnte, denn ich wollte mich lieber frei bewegen und mich noch ein wenig umsehen.
So spazierte ich dann die ruhigen, schön angelegten, von gepflegten Bäumen, hübschen Statuen und Springbrunnen gezierten Wege entlang und betrachtete die hier stehenden Paläste. Jeder einzelne war ein wahres Monstrum, an Größe und Ausstattung dem Palast des Kaisers in Rom gleich. Und nichts war mehr zu spüren von der Unordnung und dem Chaos der Stadt. Vögel zwitscherten und in Seidenbrokate gekleidete Männer und Frauen flanierten durch die Parkanlagen, nur ab und an hetzten Dienstboten an mir vorbei. Alles strahlte eine frühlingshafte, bukolische Ruhe und Gemütlichkeit aus, ganz, als wäre man in eines der kitschigen Gemälde pergamesischer Künstler geraten. Mir schauderte ein wenig aufgrund dieser offensichtlichen Ignoranz und Volksferne. Welcher geistig gesunde Mensch war in der Lage, eine solche Stadt zu entwerfen? Eigentlich musste man sich vor Alexandria gruseln. Wenn sie nur nicht so schön wäre...