Nachdem ich dem tummelnden Ameisenhaufen des Fremdenmarktes entkommen war, machte ich mich über eine Schleife wieder auf dem Weg zum Zentrum. Denn ein Gebäude dort hatte ich aus Zeitgründen noch nicht besucht. Dabei war es eigentlich das Gebäude, das mich in meiner Eigenheit als Philosoph natürlich am meisten interessierte: Das Museion!
Warum dieses Gebäude nicht zu den Weltwundern zählte, war mir schon immer ein Rätsel, anderseits wusste ich, dass nicht jeder die Wissenschaften schätzte. Irgendein Römer, ich glaube, es war Seneca, hat sogar einmal lobend den Brand der Bibliothek erwähnt. Er war der Meinung, dass Wissenschaft und Forschung unnütz sei und den Menschen nur vom Wesentlichen abhalten würde. Zum Glück hatte er aber unrecht mit dem Brand und das Museion steht uns heute noch so zur Verfügung, wie es vor 400 Jahren gegründet wurde.
Und kaum hatte ich mich ein bisschen über die Einfalt des römischen Schreibers geärgert, stand ich schon vor dem Gebäude: Das heißt, eigentlich war es nicht nur ein Gebäude, sondern ein weitläufiger Park mit vielen verschiedenen Gebäuden. Neben dem Tempel der Musen standen hier verschiedene Institute, an denen gelehrt und geforscht wurde. All das war durch ein weitläufiges Stoensystem miteinander verbunden. Aus der Mitte ragte der mächtige Zentralbau heraus, in dem Studenten aus aller Welt wohnten und gemeinsam speisten. Auch das eigentliche Museion und die Kernsammlung der Bibliothek waren dort untergebracht.
Ich wandelte über den ausgedehnten Park, zusammen mit zahlreichen Studenten und Lehrern. Die Atmosphäre war ganz anders als die, die ich ansonsten von dieser Stadt gewöhnt war: Es war ruhig, geradezu idyllisch und man konnte Vögel in den Bäumen zwitschern hören. Die Menschen, die hier lustwandelten, führten angeregte Gespräche im klassischen Attisch, nicht im in aller Welt gebräuchlichem Koine. Wahrlich, hier lebte ein anderer, edlerer Menschenschlag!
Ich fragte einen, der gerade meinen Weg kreuzte, ob er mir denn sagen könne, ob Lysimachos von Samothrake derzeit in der Stadt sei. Lysimachos war ein Lehrer, mit den ich mich damals in Athen angefreundet hatte, wo er einen Vortrag hielt und ich konnte mir keinen besseren als Führer durch diese edlen Hallen vorstellen.
"Ja, der ist da." meinte der Student, ein junger Mann, der seinem Akzent nach wohl von irgendeiner reichen Familie aus dem Westen, vielleicht Gallien oder Britannien stammte: "Ihr findet ihn im zweiten Gebäude links des Weges. Dort hält er gerade eine Vorlesung."
Also dankte ich dem Eleven und ging in Richtung des mir beschriebenen Bauwerkes um Lysimachos zu überraschen...