• Das Haus des Sigubald



    Sigubald bewohnt gemeinsam mit seiner Frau Gisil und seiner Tochter Heilruna ein Streifenhaus, wie es in Mogontiacum häufig anzutreffen ist. Während der Vater sich als Töpfer verdingt und im Hinterhof seine Produkte herstellt, verkauft die Frau diese in einem Geschäftsraum zur Straße hin. Der Wohnteil dazwischen wird von Heila, der Tochter, saubergehalten und bewirtschaftet.

  • ~ ~ ~


    Seit dem ersten Treffen zwischen Heila und Crispus war bereits mehr als ein Jahr vergangen. Viele Treffen hatten seit jenem Date in der Basilica stattgefunden und die Liebe war entflammt. Heila hatte den Optio ihren Eltern vorgestellt und obwohl der Sigubald den Römern gegenüber eher misstrauisch war, hatte Crispus Anschluss an die germanische Familie gefunden. Besonders die Mutter hatte ihm dies erleichtert.
    Schließlich war Crispus zum Centurio gemacht worden und als der frischgebackene Offizier die ersten Anteile an seinem Sold für seine Freundin abgeliefert hatte, hatte deren Vater seine Abneigung gegen römische Soldaten langsam abbauen können und den Petronier in seiner Familie geduldet, wenn auch nicht vollständig akzeptiert.

    ~ ~ ~


    Wie so oft führten die Schritte des Centurio nach der Schreierei auf dem Exerzierplatz direkt ins die Außenbezirke Mogontiacums in die Töpfergasse. Diese lag nahe dem Rhein, weshalb Crispus die gesamte Stadt durchqueren musste, um dorthin zu gelangen. Mit einer freundlichen Begrüßung der Mutter im Vorbeigehen trat er ohne zu fragen - darüber war er hinaus - durch die Verbindungstür in den Wohnbereich des Hauses.
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    | Heila

    Heila war gerade dabei, mit einem Reisigbesen den Tonstaub, der sich ständig in den Gang zwischen Hinterhof und Laden legte, zusammenzukehren. Den ganzen Tag hatte sie gekocht, eingekauft, geputzt und Mutter im Laden geholfen. Dementsprechend sah sie ein wenig schmutzig aus.
    "Heile, Marcus!"
    grüßte sie ihren Quasi-Ehemann freundlich und fragte sich, ob das Geburtstagsgeschenk des Kaisers bereits bei diesem angekommen war. Dem Haus fehlte der eine oder andere Ziegel und da würde das Geld ganz recht kommen.
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    "Heile, Heila!"


    grüßte Crispus zurück und drückte der Germanin einen Kuss auf die Lippen.


    "Wie war'n die letzten Tage? Ich hatt' keine Zeit - die neuen Probati!"


    Genaugenommen hatte Crispus nicht wirklich so unglaublich viel zu tun, aber zum einen hatte er sein Donativum etwas ausgeben müssen - sonst würde Heila es noch schneller los sein, als er 'Exerzierplatz' sagen konnte - zum anderen war seine erste Verliebtheitsphase vorbei und er musste das Treffen mit der Geliebten immer mit den Versuchen des Vaters, den Centurio zu einem Töpfer zu machen, abwägen. Und außerdem hatte er eigentlich wirklich vie zu tun gehabt...


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    | Heila

    Sie stellte den Besen beiseite und stemmte die Fäuste in die Hüften. Mit anklagendem Blick sagte sie
    "Marcus, es ist höchste Zeit! Unser Dach ist undicht und Papa ist krank."
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    Nachdenklich kratzte sich Crispus am Kinn.


    "Aber es hat doch eh' nicht geregnet."


    Manchmal waren Frauen und ihr Anhang wirklich unangenehm - Laelius hatte es ja immer gesagt: "Frauen sind nur sinnlos investiertes Geld!"


    "Aber hier..."


    Er warf den Sack, mit dem er vor wenigen Tagen sein Donativum abgeholt hatte, auf den Esstisch und setzte sich auf die Eckbank. Selbstverständlich war der Sack beiweitem leerer als an dem Abend, an dem er mit dem Tribun getrunken hatte, aber es war noch ein anständiges Zusatzhaushaltsgeld.


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    | Heila

    Ihre Augen leuchteten geradezu auf, als sie den Sack verbunden mit dem Klimpern in dessen innern erblickte. Nicht, dass sie Marcus nur des Geldes wegen geheiratet hätte - aber was wollte der schon damit in seinem Castellum, wo ohnehin alles umsonst war? Vater jammerte oft genug, dass er sie nun nicht mehr verheiraten konnte und sie überhaupt ständig durchfütterte - dabei brachte Marcus weitaus mehr Geld ins Haus als es ihr Vater wohl jemals können würde!
    Sie nahm neben ihrem Geliebten Platz und seufzte zufrieden.
    "Weißt du eigentlich schon 's neuste? Iska hat tatsächlich Knuz den Spinner geheiratet! Und dabei hat Nandrad nicht'mal 'ne ordentliche Munt zu bieten!"


    erzählte sie munter von einer Hochzeit in der Nachbarschaft.
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    Crispus kannte Iska tatsächlich, aber Knuz sagte ihm überhaupt nichts. Allerdings interessierte ihn all das kaum, denn er war heute erstaunlich müde. Vielleicht würde er sogar vor seiner Rückkehr ins Castellum ein kleines Schläfchen halten - vielleicht sogar mit Heila zusammen? So erzählte Heila noch eine ganze Weile Neuigkeiten aus der Stadt und Crispus hörte mehr oder weniger zu...

  • "Und sonst? Is der Alte endlich tot?"


    fragte er etwas müde. Er wusste, Heila hasste es, wenn Crispus so negativ und gehässig über ihren Vater sprach, dennoch tat er es, um sich vor dem Klatsch der ganzen Stadt zu schützen, denn wenn das, was Heila ihm erzählt hatte, das interessanteste war - und Heila ging immer nach Interessantheit der Neuigkeiten vor - wollte er lieber nicht wissen, was sonst noch passiert war.


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    | Heila

    Tatsächlich traf der Centurio damit wieder einmal voll ins Schwarze, denn Heila sprang auf und stemmte die Fäuste in die Seite.
    "Marcus! Du sollst sowas nicht sagen! Papa findet sowas garnicht lustig!"
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    [Blockierte Grafik: http://img76.imageshack.us/img76/8825/avatar478on8.jpg] | Sigubald

    Als hätte jemand seinen Namen gerufen, trat in diesem Augenblick Sigubald der Töpfer aus dem Hinterhof in den Wohnraum. Seine Hände waren wie immer vom Ton verschmutzt, ebenso seine naturfarbene, ärmellose Tunika. Auf ihm war außerdem deutlich zu erkennen, wo er sich zwischendurch die Hände abgewischt hatte, aber so war das nunmal: Wo getöpfert wird, fällt auch Dreck!
    "Was finde ich nicht lustig, Heila-Schatz?"
    fragte er - offensichtlich hatte er nicht alles mitgehört. Als er sich umsah, erkannte er Crispus und blickte etwas ablehnend, dann den Geldsack, der seine Gesichtszüge zu einem Lächeln brachte.
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    | Heila

    Heila sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen. Hatte ihr Vater alles mitbekommen?
    "Ach...nichts...einen kleinen Witz...Marcus hat einen Witz erzählt."
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    [Blockierte Grafik: http://img76.imageshack.us/img76/8825/avatar478on8.jpg] | Sigubald

    Etwas irritiert blickte Sigubald zwischen seiner Tochter und deren Angetrauten hin und her. Er war im Grunde genommen ein ausgesprochener Spaßvogel - warum sollte er keine Witze mögen?
    "Warum sollte ich ihn nicht lustig finden?"
    fragte er deshalb.
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    | Heila

    Einen Augenblick rang Heila nach Worten. Natürlich wusste sie, dass ihr Vater gerne Witze hörte - wie hatte sie nur so dumm sein können, zu behaupten, Crispus hätte einen Witz erzählt? Am Ende musste Crispus ihn erzählen!
    "Weil...weil er unzüchtig war, genau. Du hättest sicher nicht gewollt, dass Marcus mir solche Witze erzählt!"
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    [Blockierte Grafik: http://img76.imageshack.us/img76/8825/avatar478on8.jpg] | Sigubald

    "Meinst du wirklich?"
    fragte er wieder. Unzüchtige Witze? Legionärswitze? Eigentlich - auch wenn er es nie zugab - mochte er die derben Witze der Soldaten.
    "Als ob du wegen sowas erröten würdst. Dir is' doch nix peinlich."
    behauptete er und grinste.
    "Los, erzähl!"
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    Crispus hatte die Szenerie ruhig und entspannt von seinem Platz aus verfolgt. Heila wirkte äußerst verunsichert, aber da er Geld mitgebracht hatte, war Sigubald besänftigt. Als sich das Gespräch jedoch dann an ihn wandte, musste er überlegen. Wer hatte ihm denn den letzten unanständigen Witz erzählt? Achtfinger-Gaius? Nein, der erzählte immer nur Trinkwitze...oh, einem Centurio erzählte komischerweise nie jemand Witze...
    Der ungeduldige Gesichtsausdruck seines Schwiegervaters spornte ihn an, sodass er losschoss


    "Treffen sich zwei Soldaten. Sagt der eine...*"


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    [Blockierte Grafik: http://img76.imageshack.us/img76/8825/avatar478on8.jpg] | Sigubald

    "Hahaa!"
    Sigubald lachte los und schlug sich mit den flachen Händen auf den Bauch, sodass der getrocknete Ton eine Staubwolke bildete.
    "Der is' wirklich gut - und Heila: Den find' ich toll!"
    Er ging zum Tisch und nahm Platz. Seine Hände nahmen sofort den Beutel und ließen dessen Inhalt auf den Tisch fallen. Die Münzen klapperten fröhlich, was auch die Augen des Germanen zum Leuchten brachte.

    Sim-Off:

    *natürlich zensiert ;)

  • Wieder einmal besuchte Crispus das Haus des Töpfers Sigubald, wieder einmal nicht wegen des Hausherrn, sondern wegen dessen Tochter. Wie immer ging durch den Laden hinein, grüßte Gisil und fragte nach ihrem Befinden.


    "Heile, Gisil! Wie geht's dir? Ist Heila da?"


    "Ja, ja, sie hinten ist!"


    antwortete sie prompt und schenkte ihm ein Lächeln. Sie konnte eigentlich schon Latein, aber hin und wieder hatte sie Probleme mit der Grammatik. Crispus ging weiter und sog den erdigen Geruch eines Töpferhauses ein.


    Sofort entdeckte er seine Quasi-Frau, die am Herd stand und kochte. Irgendwas war diesmal anders...sie hatte doch zugenommen! Mit einem warmen Lächeln drehte sie sich zu ihm und ging raschen Schrittes auf ihn zu.


    "Marcus, ich muss dir etwas sagen!"


    Irgendetwas lag in der Luft - eine Sache, die dem Centurio überhaupt nicht gefiel!


    "Was gibt's?"


    fragte er möglichst unbefangen, doch Heila warf sich an seinen Hals und hauchte


    "Ich bin schwanger! Ich bin so glücklich!"


    Marcus hingegen war völlig perplex. Schwanger? Heila? Sie würde ein schreiendes Bündel bekommen, das sie in Beschlag nahm, groß wurde, Geld kostete, Zeit...und er war Soldat und konnte jederzeit ins ferne Parthia versetzt werden oder nach Untergermanien oder nach Ägypten? Wie sollte er Familie und Arbeit unter einen Hut bekommen? Und überhaupt, eigentlich war er doch zur Ehelosigkeit verpflichtet - gut, andere hatten auch Familie in der Stadt, aber jetzt war er selbst davon betroffen!


    "Und...und jetzt? Wie lange wird das jetzt dauern, bis das da ist?"


    fragte er noch immer voller Gedanken und Verwirrung.


    "Ja freust du dich denn gar nicht? Wir kriegen einen Sohn - oder eine Tochter! Ich dachte, du freust dich..."


    Crispus löste die Umarmung und schnaufte ein, zweimal. Sie hatte eigentlich recht - er sollte sich über seinen Stammhalter freuen! Jetzt würde er einem kleinen Jungen beibringen können, wie man kämpfte, wie man Hütten im Wald baute, Bäche aufstaute - endlich einen Ausgleich zu diesem harten und unbarmherzigen Lagerleben!


    "Ich freue mich, Heila!"


    Er sah sie liebevoll an und umarmte sie wieder, woraufhin sie vor Freude quietschte.


    "Ach, ich freu' mich so, Marcus!"


    Wie sie so dastanden, öffnete sich plötzlich die Tür zum Hof und Sigubald erschien in seiner Arbeitskleidung und -sauberkeit (also keiner). Etwas misstrauisch blickte er auf die traute Zweisamkeit.


    "Was is' los? Gibt's 'ne Gehaltserhöhung?"

  • Heila setzte eine beleidigt-sauere Miene auf, während Crispus sich einfach seinen Teil dachte. Nämlich dass er wohl nie mit Sigubald auskommen würde - es sei denn, dieser starb!


    "Papa! Hör' auf damit! Es gibt wichtigeres als Geld!"


    "Aber mit Geld lebt's sich's schonmal viel bequemer!"


    Nun seufzte Heila und lehnte sich gegen Crispus, der sich fragte, was sein Schwiegervater gleich sagen würde, wenn...


    "Marcus und ich bekommen ein Kind, Papa!"


    Und Sigubald reagierte, wie Crispus es vorhergesehen hatte. Zuerst tat er nichts, sondern zwinkerte mit den Augen. Dann noch einmal, dann schien er nach Worten zu ringen. Es war von vornherein klar gewesen, dass er sich einen besseren Schwiegersohn als Crispus vorstellen konnte, aber nun war die Sache wohl durch etwas kleines Lebendiges in Heilas Bauch besiegelt.
    Mit sichtlicher Verwirrung deutete er zwischen den beiden hin und her.


    "Ihr habt...ihr habt...ich mein' ihr kriegt...'n Kind?"


    Noch immer wirkte Heila böse und jetzt verschränkte sie ihre Arme vor dem Bauch.


    "Ja! Und wir freuen uns, stimmt's, Marcus?"


    'Marcus' setzte sich auf - er hatte nicht damit gerechnet, in dieses heikle Gespräch hineingezogen zu werden. Trotzdem sagte er rasch


    "Ja, natürlich!"


    "Aber wer soll des denn durchfüttern? Was, wenn der da in'n Krieg zieht? Was dann, hm?"


    Nun verschränkte auch Sigubald die Arme vor der Brust und blickte beide misstrauisch an. Heilas Wangen röteten sich - aber nicht vor Scham, sondern vor Wut!


    "Marcus zieht aber nicht in'n Krieg! Hier gab's schon lange nix mehr und selbst wenn - dann kommt er danach eben wieder und hat viel Beute dabei!"


    Irgendwie kam Crispus sich langsam vor, als wäre er für die beiden Streithähne überhaupt nicht anwesend, denn Sigubald fuhr fort


    "Ach jaa? Und wenn nich'? Dann kommst du vor lauter Trauer nich' zum Arbeit'n und sein Balg liegt uns auch noch auf der Tasche! Und so gut laufen die Geschäfte auch wieder nich'!"


    Heila schien immer wütender zu werden und plötzlich wurden ihre Augen feucht.


    "Geld, Geld, Geld! Das is' alles, was dich interessiert! Ob ich mich freu', is' dir ganz egal!"


    Sie sprang auf und verließ den Wohnraum durch die Tür Richtung Laden. Völlig überrumpelt standen die beiden Männer da, bis Crispus plötzlich eilenden Fußes seiner Freundin folgte und dabei fast mit Gisil zusammengestoßen wäre, da diese gerade aus dem Laden kam und ebenfalls einen etwas fragenden Blick auf hatte...

  • ~ ~ ~


    Wenige Tage nach jenem denkwürdigen Ereignis war die Welt wieder leidlich in Ordnung. Sigubald hatte nach gutem Zureden seitens seiner Frau die Schwangerschaft seiner Tochter akzeptiert.
    In den folgenden Monaten schwoll der Bauch von Heila ständig weiter, sodass Crispus dazu gezwungen war, seine Freundin häufiger zu besuchen, den Geräuschen unter ihrer Bauchdecke zu lauschen und sich zu freuen. Er hatte inzwischen realisiert, dass er bald einen Sohn und Erben haben würde. Zusätzlich würde dieser - wenn er die Legion überlebte - sein Erbe werden und vielleicht in die Provinzaristokratie aufsteigen.
    Etwa sechs Monate nach jenen Geschehnissen, die das Leben der germanischen Familie völlig verändert hatten, wurde Crispus von seiner Schwiegermutter eiligst herbeigeholt...

    ~ ~ ~


    In der kleinen Wohnstube lag Heila hechelnd auf der Bank, eine Nachbarin, die sich mit dem Kinder-zur-Welt-bringen auskannte, war ebenfalls geholt worden. Mit deutlichen Spuren, dass er gerade noch gearbeitet hatte, stand Sigubald etwas planlos herum.


    Die Tür öffnete sich und Crispus in seiner üblichen Militärkleidung trat ein, dicht gefolgt von Gisil, der Frau des Sigubald. Sofort eilte der Centurio zu seiner Freundin und ergriff ihre Hand.


    "Heila, geht's dir gut?"


    Schweißperlen standen auf der Stirn der Germanin. Sie nickte rasch, dann war auch schon die Nachbarin da.


    "Geh' mal weg! Es is' gleich so weit - Los, mein Kind! Pressen!"


    Sie ergriff selbst Heilas Hand und das Mädchen presste ihre Lippen aufeinander. Sie stöhnte auf - offensichtlich bereitete Kinderkriegen große Schmerzen.


    Crispus wurde langsam blass, während er wieder in paar Schritte zurücktrat. Sein Blick traf sich mit Sigubalds und zum ersten Mal schienen beide das gleiche zu fühlen. Diese Hilflosigkeit! Heila, ihrer beider Liebling, lag da und presste sich die Seele aus dem Leib und es gab keine Möglichkeit, etwas zu tun. Gisil hatte inzwischen ein paar Tücher herbeigeschafft und reichte Sigubald eine Schale. Auf Germanisch meinte sie


    "Hol' Wasser! Los!"


    Sigubald schien erst murren zu wollen, dann seufzte er jedoch und machte sich auf den Weg. Kaum hatte er den Raum verlassen, entfuhr Heila ein heiserer Schrei - offensichtlich hatte sie heute schon mehrmals geschrieen.


    "Los, weiter, weiter! Immer weiter pressen!"


    Inzwischen war die Nachbarin ans untere Ende der Bank gewechselt und hatte die Tunika der Gebärenden gelupft. Dort schien sich irgendetwas zu tun...Crispus konnte jedoch nicht hinsehen, denn Heila schrie erneut auf. Als er sich wieder hindrehte, konnte er etwas kahles, leicht blutiges zwischen den Beinen von Heila erkennen. Die Nachbarin packte es und zog, während Heila immer wieder rhymthmisch schrie. Ihre Mutter hielt inzwischen ihre Hände. Nach und nach erschienen Schultern, Ärmchen, ein Bäuchlein, Beinchen. Am Bauch hingen zwei Dinge. Eins davon sagte aus, dass es sich um einen Jungen handelte, das andere schien irgendwie mit Heila verwachsen zu sein.


    Die Nachbarin gab dem Baby einen Klaps auf den Po und es begann zu schreien. Crispus musste fast weinen vor Rührung. Er nahm den Kleinen ab, während sie seinen pugio aus der Scheide zog und die Nabelschnur durchtrennte.


    "Heila, schau! Ein kleiner Junge! Schau ihn dir an!"


    Er hielt den schreienden Kleinen etwas hoch und langsam rappelte sich die schweißgebadete Heila auf. Sie lächelte müde.


    "Oh mann, schau ihn dir nur an, den kleinen Lucius!"


    Jetzt strahlte Crispus förmlich. Er hatte eine Sohn und der lebte auch noch! Er trat an seine "Frau" heran und umarmte sie. In diesem Augenblick kehrte Sigubald mit einer Schüssel Wasser zurück.


    "Makus, wasch' den Kleine!"


    meinte Gisil. Auch sie hatte Tränen der Rührung in ihren Augen. Sigubald blieb zuerst stehen, sah dann zum Baby, zu seiner Frau, zu Heila und zuletzt zu Crispus. Er lächelte.

  • Heilruna sass in ihrer kleinen Stube vor dem Webstuhl. Darauf enstand ein feiner Wollstoff mit kunstvoller Borte. Seit sie Mutter geworden war, hatte sie viel mehr Zeit zu Hause verbracht und sich eher femininen Arbeiten gewidmet. Doch innerlich vermisste sie die Freiheit im Wald, zusammen mit Irwin, dem Sohn der Nachbarn.


    Plötzlich begann das Baby in der Wiege zu schreien. Heila erhob sich. Nahm es aus den dicken Schaffellen und streichelte es.


    Dabei schaute sie seine braunen mandelförmigen Augen an. Wie sehr sie doch aussahen wie Marcus Augen. Sie selber hatte, wie viele Germaninnen blaue Augen.


    Wann würde sie Marcus wiedersehen. Er war viel im Lager und nur seltener zu Hause. War es wegen dem Kind? Aber es war sein Sohn und mittlerweile hatte sich doch auch ihr Papa an den Kleinen gewöhnt und Marcus als seinen Schwiegersohn akzeptiert. Das konnte es also nicht sein, aber...


    Doch sie vertrieb die Gedanken wieder. Sie liebte Marcus, und Marcus liebte sie, Heila. Und sie beide liebten ihr gemeinsames Kind.

  • Als hätte das Schicksal es so gewollt, passierte Crispus in diesem Augenblick den kleinen Töpferladen, in dem wie meistens in diesen Tagen, Gisil die Kundschaft beriet.


    Der Centurio nahm seinen Mantel ab, grüßte Gisil mit einem freundlichen


    "Heile."


    und betrat den Wohnraum, wo Heilruna an ihrem Webstuhl saß, während der kleine Lucius auf ihrem Schoß lag und aus Leibeskräften schrie. Einen Augenblick blieb der Petronier stehen und sah sich die Szene an. Seine Mutter wäre so glücklich gewesen, dies sehen zu können. Obwohl sie eine Germanin war, schien sie einer römischen Matrone doch so ähnlich, dass Crispus sich fragte, ob diese Vorurteile gegen die unzivilisierten Germanen nicht jeglicher Grundlage entbehrten (er schätzte die Germanen - nicht erst seit Heila. Aber dennoch glaubte er, dass die Römer ihnen überlegen waren.).


    "Salve, Heila!"


    meinte er dann und kam näher. Seitdem Lucius da war, bemühte Crispus sich, stets Latein zu sprechen - germanisch bekam der Junge sicher genug von seinen Großeltern mit. Rasch drückte er seiner Freundin einen Kuss auf die Wange und blieb dann etwas unentschlossen stehen.


    "Wie geht's dem kleinen Lucius?"

  • Heila hatte nicht gehört wie Marcus eingetreten war. Erst als er sie begrüsst hatte, drehte sie sich von Lucius weg und erwiederte: Heile Marcus!


    War Marcus schon lange hinter ihr gestanden? Merkwürdig, wo sie doch eben an ihn gedacht hatte.


    Sie legte den kleinen wieder in seie Wiege, obwohl er noch immer schrie.
    Lächelnd sah sie Marcus an und sagte.
    Dem Lucius geht's gut. Manchmal is'er ein bessel laut, aber so geht das halt wenn die Kleinen noch net reden können. Konntest für ein Moment aussem Lager verschwinden?

  • "Ein kräftiger Bursche eben."


    erwiderte Crispus grinsend und hob den Kleinen seinerseits aus der Wiege. Er hatte vor Lucius noch nie einen Säugling auf dem Arm gehabt, daher ergriff er ihn einfach am Brustkorb und hob ihn hoch. Der kleine Schrie unbeirrt weiter.


    "Na? Wie gehts denn meinem Großen, hm?"


    Der "Große" schien ihn nicht zu verstehen. Daher legte Crispus seinen Sprössling einfach wieder zurück.


    "Hat deine Mama dir schon ein paar Tricks mit dem Kleinen gezeigt?"


    fragte er dann wieder Heila. Das Geschrei freute ihn zwar einerseits, aber andererseits ging es ihm nach einiger Zeit schon auf die Nerven - er fragte sich, wie Heila und vor allem Sigubald das aushielten.

  • Heila musste lachen, als sie Crispus mit dem "Grossen" zusah. Ja, Mama hat mir so das eine oder andere gezeigt. Und dazu gehörte auch, wie man den Kleinen heben soll. Das geht so, meint sie. Freundschaftlich schubste sie Marcus zur Seite.


    Heila trat selber wieder zur Wiege, in der Lucius noch immer nicht aufgehört hatte zu schreien, griff vorsichtig unter den kleinen Körper und legte ihn geschickt auf ihren Arm. Während sie das zarte Gesichtchen streichelte beruhigte sich das Geschrei und ein Lächeln bereitete sich auf dem Mäulchen des Babys aus. Heila sah es und schaute, vor Freude weinend, zu ihrem Freund.


    Schau Marcus, er lächelt dich an... Es scheint, sein Vater gefällt ihm.

  • Heila war etwas ruhiger geworden seit der Geburt von Lucius, wie Crispus wieder einmal feststellte. Tatsächlich schien seinem Sohn das zu gefallen, denn irgendwie schaffte sie es sofort, ihn ruhig zu machen und sogar ein Lächeln auf die kleinen Lippen zu zaubern.


    Ganz wie es im Lager üblich war, erwiderte Crispus mit einem noch sehr viel breiteren Lächeln.


    "Wen wundert's?"

  • Das breite Lächeln ihres Freundes gefeil Heila und auch Lucius schien seinen Spass an Papas Mimik zu haben. So sah er doch ganz süss und zufrieden aus, dachte seine Mutter.
    Meinste der Kleine weiss schon was a richtiger Soldat is?
    Sie musste auch Lachen und wiegte das Baby in ihren Armen.
    Gibt's nun wider öfter Zeit für die Familie? Oder sind die Jungs noch immer so aufsässig?
    Marcus war viel seltener zum Haus ihrer Familie gekommen, als er es früher zu pflegen tat. Seiner Freundin gefiel das überhaupt nicht und sie gab es ihm immer wieder zu spüren. Schliesslich ging es ja nicht nur um sie selbst, aber ihr Sohn hatte auch das Bedürfnis, Kontakt zu seinem Vater zu haben.


    Beide standen schweigend nebeneinander.
    Dann fielen dem Kleinen die Äuglein zu und Heila legte ihn zurück in die mit Schafsfell gepolsterte Wiege. Sanft deckte sie ihn zu und strich über sein Gesicht.
    Etzt, schläft'r! Möchtest etwas nach draussen gehn?

  • Crispus musste wieder lächeln. Die Vorstellung, dass sein Sohn eines Tages mit einem Holzschwert kommen würde und sich von seinem Vater allerlei Tricks und Finten zeigen ließ, gefiel ihm. Wenn er dann noch ein wenig wuchs, würde er vielleicht wie sein Herr Papa zur II. gehen - vielleicht sogar als Tribun? Immerhin verdiente er inzwischen eine ganze Menge...


    Ehe er antwortete, beschloss Heila, lieber draußen mit ihm weiterzureden.


    "In den Hof oder den Laden?"


    Beides war für Crispus nicht ideal. Heilas Vater hatte ihn inzwischen akzeptiert - vermutlich allein wegen seines fürstlichen Gehalts - aber er hatte noch immer das Gefühl, nicht so richtig willkommen zu sein. Und er würde sicher im Hof an seiner Drehscheibe sitzen, auch wenn die Temperatur das inzwischen nicht mehr so angenehm machte.
    Und im Laden würden sie ebenfalls kaum ungestört reden können.


    "Oder wollen wir einen Spaziergang machen?"


    fragte er daher gleich hinterher.

  • Heila spürte, dass Crispus lieber nicht im Haus bleiben würde. Darum sagte sie: Ja, lass uns ein bissel spazieren gehn. Ich werd nur noch meiner Mama Bescheid sagen, dass sie weiss, dass i den Kleinen allein glass'n hab.


    Sie verliessen die Stube und traten durch den Laden, wo Gisil arbeitete ins Freie, nachdem Heila ihre Mutter informiert hatte. Diese schien damit nicht ungliücklich zu sein, war ihr doch das Baby auch etwas ans grossmütterliche Herz gewachsen.


    Wohin woll'mer gehen?Sagte sie zu ihrem Freund und hängte sich bei ihm ein.

  • Crispus war erleichtert, dass Heila seine Angebot annahm und ergriff ihren Arm, nachdem sie den Laden verlassen hatten und er seiner "Schwiegermutter" ein freundliches


    "Heile!"


    nachgerufen hatte. Dann sah er zu Heila.


    "Gehen wir auf den Markt? Oder musst du noch irgend'was erledigen?"


    Er wusste, dass Heila zumindest früher oft für die Familie eingekauft hatte (so hatte er sie schließlich kennen gelernt). Ob es jetzt allerdings immer noch so war, wusste er nicht - er hatte viel Arbeit seit seiner Ernennung zum Primus Pilus...

  • Marcus schien ihre Gewohnheiten durch und durch zu kennen. Darum sagte sie entspannt. Wenn's dir nichts ausmacht, müsst i noch aufn Markt gehn, um für Mama Gemüse und Trockenfleisch zu kaufen.
    Wie schön es doch war, mit ihm durch Mogontiacum zu schlendern. Seite sie sich nur noch seltener sahen, freute sie sich über jeden solchen Moment.

  • "Kein Problem."


    brummte er nur und hoffte, dass nicht allzuviele Schmuck- und Tandhändler in auf dem Forum waren, an deren Stände Heila auf dumme Gedanken kommen würde. Stattdessen zog er das Sagum etwas enger und ging neben ihr her in Richtung Forum...

  • Mit dem Winter kam auch die Zeit der Kälte. Heilruna sass in dicke Wollgewänder gehüllt am Webstuhl. Das Baby lag unter einem Berg von Fellen und Decken in der Wiege und schlummerte vor sich hin.


    Heila hing ihren Gedanken nach. Wo war wohl Markus zu diesem Zeitpunkt. Sie hoffte, er würde sich nicht wieder irgendwo stundenlange herumtreiben, bevor er nach Hause kam.

  • Nach einem langen Arbeitstag kam Marcus tatsächlich nach Hause...oder besser gesagt zu seinem Schwiegervater, denn wirklich zu Hause fühlte er sich hier nicht. Irgendwie war er eben doch noch ein Römer und fühlte sich bei den Germanen nicht richtig heimisch.


    Aber dies ließ er sich natürlich nicht anmerken. Stattdessen trat er ein, grüßte die stickende Mutter und Sigubald, der still auf der Bank saß und aussah, als würde er sich ausruhen.


    "Heile, Heila!"


    grüßte er seine Freundin (den germanischen Gruß hatte er sich inzwischen angewöhnt).

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