lectio de arte dicendi

  • "oh je"
    seufzte Avitus leise, während er weiterhin fleißig Notizen machte und sich langsam Gedanken machte, dass er bald keinen Platz würde haben, da er alles vollgekritzelt haben würde. Er kratzte sich am verspannten Nacken, neigte das Haupt mehrmals nach Links und nach Rechts, was es jedesmal von einem leisen Knacken begleitet wurde, und warf dann einen Blick auf die anderen Teilnehmer. Manche wirkten so gelassen, dass es fast schon demotivierend wirkte. Er atmete jedoch tief durch und konzentrierte sich dann wieder, schaute nach vorne zum Rector und verfolgte weiter die Ausführungen desselben.

  • Minor notierte sich die relevanten Stichworte, während er dem Vortrag des Aeliers zuhörte. Die grundlegenden Begriffe und Einteilungen waren ihm natürlich nicht neu, aber der geschichtliche Abriß war interessant zusammengestellt und vorgetragen.


    Ein Blick auf seine Nachbarn zeigte alles von denen die lediglich zuhörten bis hin zu denen, die fleissig mitschrieben.

  • Einige Begriffe kamen Furianus vertraut vor, manche hatte er noch von seinem Paedagogus und dessen Stock sehr gut einverleibt bekommen, so dass sie ihm durchaus bekannt waren, die meisten jedoch, besonders die Namen, musste er sich notieren, um sie nicht zu vergessen. An manchen Tagen schien Furianus ein Sieb hinter der Stirn zu haben, als das Zentrum des Menschseins.

  • Irgendwo zwischen den anderen saß ich - ein unbedeutender Sklave, der nicht mit großem Intellekt glänzte, dafür aber mit breiten Schultern und germanischen Händen. Diese Hände hielten einige Tafeln und schreiben hastig alles in Stichworten mit, was der Mann, der die Schule leitete, da vorn sagte. Ob er mit Cicero den Comes meinte? Ich hatte keinen blassen Schimmer und war zugleich froh, dass hier am Ende nicht ich eine Prüfung ablegen musste, sondern die Herrin dies wollte. Damit sie allerdings nicht unschicklich zwischen den ganzen Männern als einzige Frau auffiel, hatte sie mich gesandt. Gut, dass man mich nur mit der gesamten Familie in Verbindung brachte, immerhin hatte ich hier und dort Leibwächteraufgaben und nicht nur bei Epicharis. Stumm hockte ich in der Ecke und schrieb weiter.



    ....
    - Tzizeroh [strike]insistunierte[/strike] [strike]insistonsierte[/strike] [strike]instuni..[/strike] machte Reden zu nem Bild-Dungrituahl
    - In derr Schulä: Krammatig und Üpunghen, de-klamm-ma-zjon-es
    ....
    - [strike]seit[/strike] [strike]seid[/strike] seit Vespahsianuss leere Stüle für Rehtorigg
    ...
    - Tzizeroh held Pannegürikohn auf Tzesah
    ....

  • > Ich werde jetzt zum praktischen Teil übergehen und versuchen, in überschaubarem Maße das System der Rhetorik darzulegen, wie es von den großen Lehrern vermittelt wird.


    Als erstes sieht rhetor das Gelingen einer Rede in den Voraussetzungen des Redenden. Diese sind
    1. die natürliche Anlage, also natura
    2. die Ausbildung des Redners, also die doctrina, hierunter fallen auch sein Wissen, die scientia, und seine Kunstfertigkeit, die ars 3. die Erfahrung des Redners, usus, und damit zusammenhängend natürlich die Übung, die exercitatio.


    Aus eben diesen Dingen setzen sich nach der Lehre der rhetores also auch die Methoden des Erwerbs der Fähigkeiten zusammen.
    1. der Unterricht an sich, also die Technik und Kunstlehre, die ars
    2. die von mir bereits zuvor erwähnte imitatio, also die Nachahmung von Vorbildern
    3. letztlich das wichtigste, die Übung, die exercitatio


    Nun muss man unterscheiden, welche Formen der Rede es gibt. Diese Formen nennen die rhetores genera causarum.
    So gibt es
    1. die Gerichtsrede, also das genus iudicale
    2. das genus deliberativum, aslo die politische Rede
    3. das genus demonstrativum, die Gelegenheitsrede, zu der auch Festreden gehören. Ich erwähnte ja bereits das Panegyrikon.


    Jede dieser Reden wird stets nach der Lehre der Rhetoren in gewissen Arbeitsstadien erstellt. Diese Arbeitsgänge eines Redners nennt man officia oratoris.
    An erster Stelle steht hierbei die Auffindung der Hauptgesichtspunkte, die so genannte inventio. Der Redende muss sich zunächst über den Stoff klar werden.
    2. erfolgt nun die Stoffgliederung, die dispositio
    3. letztlich kommen die Überlegungen zur Darstellung, die elocutio.


    Schauen wir uns nun die inventio, die Auffindung des Stoffes, genauer an. Sie umfasst die pisteis und die staseis. Die pisteis sind die Beweise, einmal die kunstlosen und unmittelbaren, einmal die künstlichen Beweise, also die probationes inartificiales und die probationes artificiales.
    staseis bedeutet die juristische Fragestellung, also
    a) die Frage nach der begangenen Tat,
    b) die Definition des Tatbestandes
    c) die Beurteilung der Tat
    d) die Zuständigkeit des Gerichtes.


    Die Stoffgliederung, die dispositio wiederum bestimmt die Redeteile. Hier erfolgt zunächst a) die Einleitung, also das exordium
    b) die Erzählung, also narratio
    c) die Präzisierung des Sachverhaltes
    d) die Beweisführung, also probatio
    und e) der Schluss, die conclusio.


    Die von mir erwähnte Darstellung, also die elocutio, umfasst in ihrer Ausarbeitung die Stilqualitäten und Stilarten.
    Unter Stilqualitäten versteht man a) die Sprachrichtigkeit, also die latinitas
    b) die die Deutlichkeit der Sprache, die perspicuitas
    c) die Angemessenheit des Stils gegenüber dem jeweiligen Publikum
    d) den Redeschmuck
    und e) letztlich die brevitas, also die Kürze der Rede, die sie trotz allem bewahren sollte.


    Die möglichen Stilarten untergliedern sich in
    a) in den schlichten Stil
    b) in den mittleren Stil
    und c) in den erhabenen Stil <


    Callidus schaute nach diesem Rund-um-Schlag in die Reihen der Zuhörer. Es lag ihm fern die Vorlesung an dieser Stelle allzu plötzlich enden zu lassen. Also gab er die Gelegenheit der Nachfrage.


    > Gibt es zu dem von mir Vorgertragenen noch kurze Nachfragen, die geklärt werden müssten? <

  • Macer, der dem rationalen Geist der Logik und der Mathematik zweifellos näher stand als den Künsten und vermutlich auch der stilsicheren Rede und der deshalb auch Aedil und nicht Volkstribun geworden war, fiel sofort auf, dass der Rector zunächst seine Lehrsätze zur Übersicht mit Nummern versah und später andere Lehrsätze nach Buchstaben unterteilte. Macer ging davon aus, dass dies einen tieferen Sinn haben musste, konnte ihn aber nicht sofort entdecken.


    Abgesehen davon hörte sich das doch plötzlich alles sehr formelhaft und strukturiert an, was seine Hoffnung steigerte, dass er diesen Kurs zu einem erfolgreichen Abschluß bringen konnte. Wäre da nicht die Sache mit dem Stil. "Hat die gerade genannte Untergliederung der Stile etwas mit den Asianern und Attizisten zu tun, von denen wir vorher hörten? Oder waren das nur Beispiele, während es hier zuletzt um grundlegende Einteilungen geht?"

  • > Ich danke dir für deine Nachfrage, Senator Purgitius Macer. Der Attizismus und der Asianismus haben natürlich mit dem Stil zu tun. Beim Asianismus redete ich von einem sehr schwulstigen, wortreichen Stil. Es hat also hier mit den Stilqualitäten zu tun. Geht man beim Asianismus auf die Stilqualitäten ein, so kann man sagen, dass die perspicuitas, also die Deutlichkeit der Sprache unte dem Wortschwall leidet, was man als negativ betrachten könnte. Unterpunkt "d", nämlich der Redeschmuck, wäre hier aber wohl sehr ausgeprägt, wie man sich unschwer vorstellen kann. Auch Punkt "e" kommt zum Tragen. Denn von der Kürze, der brevitas, ist hier nicht zu sprechen. Als Beispiel nannte ich Sallust als Attizisten. Denn im Unterschied zu den Asianern hat Sallust als Attizist einen sehr verkürzten Stil, eine ihm eigene brevitas. Aus seinen zahlreichen Briefen kennen wir das. Er verwendet häufig asyndetische Trikola, es werden also drei in Bezug stehende Wörter ohne eine Verbindung aneinandergefügt. Auch Senator Cornelius Tacitus ist dafür bekannt, dass er durch Partizipialkonstruktionen den inhaltlichen Gehalt seiner Sätze noch steigert. Das alles führt zu einer sehr dichten Struktur, zu sehr vielen Informationen in wenigen Worten, die prägnant dargestellt werden.
    Und du siehst: die Stilqualitäten, die mit Buchstaben auf den euch vorgelegten Papyri gekennzeichnet sind, sind lediglich Unterpunkte des Unterpunktes elocutio. So verhält es sich auch bei den anderen mit Buchstaben gekennzeichneten Punkten. Sie alle sind jeweils Unterpunkte eines bereits vorher erwähnten Punktes, der mit einer Zahl gekennzeichnet war.
    Die elocutio ist also Punkt 3 der Arbeitsgänge, der officia oratoris. Dieser Punkt 3 unterteilt sich wiederum in die Unterpunkte
    a) die Sprachrichtigkeit, also die latinitas
    b) die Deutlichkeit der Sprache, die perspicuitas
    c) die Angemessenheit des Stils
    d) den Redeschmuck
    und e) die brevitas


    Ich hoffe, dass meine Erläuterungen Aufklärung geben konnten.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Durus hörte sich alles ruhig an. Er hatte all das bereits in seiner Kindheit gehört, aber da er kaum noch dazu kam, Reden zu halten, vieles auch wieder vergessen. So notierte er sich hin und wieder etwas und gab ein sehr leises


    "Ach jaa...stimmt."


    von sich, woraufhin er wieder etwas auf der Tabula niederschrieb.

  • Wie Macer befürchtet hatte, erschlug ihn die Antwort auf seine kurze Frage in ihrem Umfang fast völlig. Hier hörte er Fachbegriffe, die er wohl niemals wieder hören würde, stellte er fest. Zumindest kennt er niemanden außer dem Rector, dem er zutrauen würde, urplötzlich den Begriff "asyndetische Trikola" in den Mund zu nehmen.


    "Danke, das beantwortet die Frage mehr als ausreichend", antwortete er daher, während er versuchte, die Inhalte durch Aufschreiben etwas zu ordnen. Er hätte zwar jetzt gleich wieder neue Fragen stellen können, aber dann wäre wahrscheinlich wieder so eine neue lange Antwort gekommen, aus der sich wieder Fragen ergaben.

  • Callidus war sich angesichts des zweifelnden Gesichtsausdruckes nicht sicher, ob dem Senator die Antwort nun genügte, oder ob sie zu pauschal und banal war, jedoch beließ er es dabei.


    > Gibt es noch weitere Fragen, bevor ich nun die Aufgaben für die abschließende Prüfung stelle? <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Nachdem es offenbar keine Fragen mehr gab, bekamen die Teilnehmer die des Callidus zu Beantwortung vorgelegt.


    Sim-Off:

    Fragen müssten jetzt in eurem Postkörbchen sein....viel Erfolg! :)

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Minor nahm seinen Fragebogen entgegen. Er las sich die Aufgaben gründlich durch und stutze dann bei der letzten.


    "Entschuldigung, rector, ich bin mir nicht ganz im klaren, wie ich genau die letzte Aufgabe angehen soll."


    Unauffällig sah Minor sich um, ob er als einziger Probleme mit der Aufgabe hatte. :D

  • > Nun, ich sprach von den Arbeitsschritten eines Redners in meinem letzten Tagespunkt. Diese Arbeitsschritte findet ihr auf den euch vorgelegten Papyri. Nun bist du der Redner, der die Arbeitsschritte durchgehen muss. Dabei musst du den Bezug zwischen Frage 6 und Frage 7 herstellen. Das vergaß ich zu erwähnen. Es handelt sich um die Rede des Cicero gegen jenen Hortensius.
    Wenn ihr also Frage 6 beantwortet habt, beantwortet nur noch die Schritte, die ich angegeben habe. Also die staseis, Punkt a) und d) und die Punkte der elocutio. Dies findet ihr ja in den Aufzeichnungen. <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Tiberius nahm die Tafeln mit den Fragen, brachte sich in eine bequeme Schreibposition udn machte sich an die Beantwortung. Als sein Verwandter eien frage an den Rector stellte, hielt Tiberius kurz inne und lauschte aufmerksam. Wer weiß, vielleicht würde auch ihm diese Antwort etwas nützen.

  • Ich meldete mich, als ich sah, wie alle anderen ihre Prüfungsunterlagen bekamen - außer mir. "Entschuldigung. Meine Unterlagen fehlen", sagte ich, obwohl es ja eigentlich die Unterlagen der Herrin waren, die fehlten.

  • Und sogleich bekam auch der letzte noch seine Unterlagen.


    Sim-Off:

    Ups, hatte nur die Namen aus der Anmeldung berücksichtigt. Fragen sind jetzt bei der Herrin :)

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Plautius studierte die vielen Fragen und seufzte. Die Beantwortung würde Zeit kosten und Zeit war etwas das er am Vorabend eines Krieges nicht hatte. Die Vorlesung war ein Luxus gewesen, welche er sich schon geleistet hatte. Plautius packte seine Notizen zusammen, legte die Fragen dazu, nickte den Anwesenden zu und machte sich auf den Heimweg. Vielleicht würde er in Parthien die Muse finden sich die Fragen näher anzuschauen.




    Sim-Off:

    @Callidus: Werde die Antworten nicht abgeben. Auf der Arbeit ist Ausnahmezustand, Überstunden hipp hipp hurra. Und ich habe keinen Nerv mir morgen abend die Antworten schnell schnell aus den Fingern zu saugen und nicht gescheit in der Wiki recherchieren zu können. Entweder ganz oder gar nicht. Und Pfingsten ohne IR und Zeitstress tut mir sicher gut.

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!

  • Schlussendlich zog Furianus noch vor der Übergabe an den Rektor kurz Resümee und befand das Geschriebene für abgabewürdig. Er wusste zwar nicht, ob dies den Ansprüchen des Rectors genügte, wollte sich jedoch nicht weiter quälen zumal ihn schon seit einiger Zeit leichte Kopfschmerzen quälten. So massierte er sich, während das Geschriebene noch einmal überflogen wurde, die Schläfen und reichte es schließlich zum Rector.


    Des kleinen Serenus und seines Vetters, der eigentlich sein Onkel war, wurde er nicht gewahr und schritt weiterhin die Schläfen massierend hinaus.

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