[Mercati Traiani] Taberna "Ad Neptunis"

  • Bestürzt sah Plotina zu ihrem Flusskrebs hinunter: Sie hatte noch kaum davon genommen. Daher lächelte sie Verus schon wieder verlegen an und antwortete:


    "Äh ja, das Essen ..."


    und fügte mit einem Seitenblick auf Theodorus hinzu:


    "Doch, doch, es schmeckt! Ganz bestimmt sogar! Gut, ein kleiner Beigeschmack ist da ... Aber jetzt werde ich wieder zugreifen! - Vielleicht rede ich hier ganz einfach zu viel?"

  • Verus trank einen großen Schluck Wein und bestellte sich einen Pudding,den er auch sofort aß.


    "Theodorus und ebenso Plotina,was haltet ihr von der momentanen Situation in Italia?"


    Verus wollte die ein wenig die Meinung des Volkes einfangen,so dass er die Curia etwas verbessern könnte.

  • Plotina kaute an ihrem Krebsfleisch und würgte es schließlich herunter, allerdings - so hoffte sie zumindest - so, dass es den anderen nicht auffiele. Sie wollte sich hier keine Blöße geben.


    "Die Situation in Italia? Ich muss gestehen, ich weiß nur, dass es wieder Schwierigkeiten mit dem Posten des Comes gibt. - Na, das beunruhigt mich natürlich schon, dass jetzt eine solche Führungsfigur fehlt. Ich hatte immer geglaubt, dass die Verwaltung unseres Imperiums straff organisiert sei, und jetzt das ..."

  • Auch Theodorus, der, um der peilichen Situation ein wenig zu entgehen, verlegen mit der Schwanzflosse seines Aales spielt, horcht auf:


    "Probleme in Italia?


    Erst Hispania, dann der Osten und jetzt auch noch Italia?


    Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut."

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  • "Zum Glück wurde ich mit Neuwahlen beauftragt,die Situation müsste sich mit einem neuen Comes bessern,der wirklich auf seiner Moral fußt und ebenso fähig dazu ist.So gravierend sind Probleme auch nicht,bloß die Curia ist sehr eingeschränkt ohne Comes und die Verwaltung stagniert ebenso."


    Verus trank einen Schluck.

  • Geschafft! Plotina hatte das letzte Fitzelchen Krebsfleisch verschlungen und griff sogleich zu ihrem Becher Wein, um den merkwürdigen Geschmack hinunterzuspülen. Aber was zählten solche Kleinigkeiten, wenn es um hohe Politik ging! So stürzte sich Plotina gleich wieder ins Rennen.


    "Hm, 'ein Mann, der auf seiner Moral fußt', sagst du, Verus."


    Sie blickte ihn einen Moment lang an, doch war sie so in Gedanken versunken, dass sie ihn nicht wirklich sah. Als sie dann ihre Gedanken gesammelt hatte, wandte sie sich an beide Männer:


    "Welche Art von Moral könnte das sein, die einen Menschen befähigt, ein solch verantwortungsvolles Amt auszuüben? Ich meine, wenn ich mir Rom betrachte: Es sind im Grunde doch immer Menschen - Männer zumeist - aus denselben Familien, die diese Ämter innehaben. O, ich will nichts gegen sie sagen, ich bin noch nicht lange genug in Rom, um mir ein Urteil bilden zu können, die meisten sind sicher sehr ehrenwert. Aber fußen wirklich nur sie auf ihrer Moral? Und was für eine Moral ist das?"

  • "Die Moral?"


    Er wiederholte die Frage ,um sicher zu gehen,dass er sie verstanden hatte.


    "Ich fasse die Moral jedes Römer darin auf,seine Aufgabe zum Wohle Roms zu erfüllen und diese so lange auszuführen bis eine Ablösung erscheint oder man zu wichtigeren für Rosm Glorie berufen wird.Ebenso ist die Moral des Römer durch die Familienehre definiert.Ich denke Ehre und Moral sind der Schlüssel zu Rom."

  • Zitat

    Original von Titus Decimus Verus
    "Ich fasse die Moral jedes Römer darin auf,seine Aufgabe zum Wohle Roms zu erfüllen und diese so lange auszuführen bis eine Ablösung erscheint oder man zu wichtigeren für Rosm Glorie berufen wird.Ebenso ist die Moral des Römer durch die Familienehre definiert.Ich denke Ehre und Moral sind der Schlüssel zu Rom."


    Plotina drehte den Becher vor ihr hin und her - und dachte nach. Schließlich fand sie den Mut, ihre Gedanken laut auszusprechen, auch wenn diese noch nicht ganz ausgegoren waren.


    "Rom, Rom und Moral ... Also, ich glaube ja auch, dass es da eine Verbindung gibt, aber wenn ich jetzt zum Beispiel an Dorfschulzen in Aegyptus denke oder an die Priester der dortigen Tempel - ich glaube nicht, dass die sagen würden, Rom habe sich die halbe Welt aus moralischen Gründen unterworfen, sondern doch eher aus Habgier und Machtbesessenheit."


    Die Sergierin blickte wieder zu den beiden Männern auf.


    "Andererseits leben die meisten ja nicht schlecht im römischen Imperium."

  • Jetzt schaut auch Theodorus wieder von seinem Essen auf und mischt sich ein. Auch wenn er sich denken kann, worauf Plotinas Frage hinaus zielen wollte, und er heißt das keinenfalls gut, kommt ihn Verus Antwort doch ein wenig zu ungenau vor.


    "Lieber Verus, kannst du erklären, wie du dir das mit der Moral genau in der Praxis vorstellst?


    Denn zweifellos ist eine weise Entscheidung bei der Besetzung eines Amtes wichtig, aber kann man diese wirklich nur an der Moral messen? Ich meine, ein Mensch kann noch so moralisch und ehrbar sein (und möge Gott verhüten, dass er es nicht ist), aber er nutzt doch nichts im Staat, wenn er sein Handwerk nicht beherrscht.


    Abgesehen verlangt doch die Staatsraison oft genug, dass Menschen über ihre Moral hinweg handeln müssen zum Wohl des Staates."

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  • "Das mag sein,ich stimme dir zu. Ein Mann muss beides in sich vereinen:


    Ehre und Beherrschung des Handwerks."


    Er trank einen Schluck.


    "Plotina,Rom sieht sich als Hort der Zivilisation und diese will es anderen Völkern schenken.Habgier und Machtbesessenheit mag zwar im Spiel sein aber wir haben unsere Provinzen immer gut behandelt,sie blühten erst richtig im Imperium Romanum auf.Bieten wir ihnen etwa keinen Schutz,bieten wir ihn nicht Kultur,biete wir ihnen nicht einen großen Markt?"

  • Uiuiui! Das wird jetzt aber ein arg politisches Gespräch!


    "Lieber Verus, obwohl ich ein entschiedener Verteidiger des Basileus und seines Reiches bin, muss ich dich doch fragen, ob du das ernsthaft glaubst? Bist du mal durch die Provinzen gereist? Hast du irgendwo außerhalb Italias jemals etwas anderes gesehen als Leid, verursacht durch die Soldaten Roms?


    Ich bin durchaus der Meinung, dass das Reich der Menschheit ewigen Frieden und Wohlstand bringen wird, aber das geschieht durch den genius, der die Welt leitet, sicher nicht durch den Willen der Rhomäer."

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  • Plotina merkte schon: Hier bahnte sich eine Diskussion an. Daher leitete sie ihren eigenen Redebeitrag mit einem weiteren Schluck Wein ein, um ihn ohne Husten absolvieren zu können.


    "Ich sage ja nichts gegen Rom, Verus, wie könnte ich! Im Ergebnis hast du auch sicher Recht. Vielleicht ist die Geschichte unseres Imperiums wieder einmal ein Beleg dafür, dass böse oder zumindest moralisch neutrale Absichten am Ende zu guten Ergebnissen führen können."


    Dann wandte sie sich an Theodorus:


    "Ich sehe übrigens keinen so großen Graben zwischen politischem Handwerk und Moral - das wolltest du aber vielleicht auch gar nicht sagen. Ich denke mir, Handwerk ist doch die Basis. Aber wer ein Handwerk wirklich beherrscht, kann doch darüber hinaus wachsen. Ich meine, natürlich stellt das jeweilige Material an einen Handwerker oder auch einen Künstler gewisse Ansprüche; das ist die Notwendigkeit. Wenn ich mein Handwerk aber wirklich beherrsche, dann kann ich doch dem Material eine Form geben, die so nicht zu erwarten war und damit über die schiere Notwendigkeit hinausgeht. Und hier setzt für mich die Moral an."

  • Der Alexandriner läuft in seinem bärtigen Gesicht ganz rot an. Er bereut schon wieder, dass er gesagt hat, was er gesagt hat. Wieso hat er sich von Verus, der seine Worte sicherlich nicht bösartig gemeint hat, so provozieren lassen, dass er seine Muße und Besonneheit vergessen hat? Am liebsten würde er im Boden versinken, so sehr schämt er sich.


    Obwohl er seinen Gesprächspartnern dankbar ist, dass sie das Thema wechseln, wird er trotzdem viel unsicherer in seiner Sprache und Struktur. Sich zur Antwort gezwungen sehend, entgegnet er:


    "Ein weiser und guter Handwerker ist sicher in der Lage, beides zu verbinden. Aber in der Politik sieht dies oft anders aus, denn was für den einen weise und gut ist, kann für den anderen unverständlich und schlecht sein. Moral und Staatsraison sind zwei verschiedene Paar Schuhe."


    Schon etwas fester führt er weiter aus:


    "Allerdings hast du mich, glaub ich, falsch verstanden, wie ich das gemeint habe.
    Nehmen wir einmal nur das Beispiel Rhomäer und Hellenen. Das eine Volk hat eine Moral, die auf der Landarbeit, auf der Sippe und Familienzugehörigkeit und der Treue zum Staat beruht. Das andere ist ein Volk von Städtern, das Handwerk und Handel betreibt und das Wohl des Einzelnen über die Belange von Staat und Familie stellt. Wenn einer über den anderen herrscht, sind Konflikte vorprogrammiert, obwohl sich beide im Recht sehen.
    Deswegen halte ich es für nicht dienlich, einen Mann mit fester, in dem Fallle rhomäischer Moral als Verwalter einzusetzen. Ein Verwalter darf sich nicht zu sehr von seiner Moral leiten lassen, sondern muss in erster Linie für die Wünsche seiner Untergebenen Sorge tragen um gut zu sein."


    Jetzt lächelt Theodorus wieder ein bisschen.

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  • Während dieser emphatischen oratio - denn so musste man die Auslassungen des Philosophen wohl nennen - hatte Plotina weitere Schlucke Wein zu sich genommen und sich auch noch einmal nachgegossen; der Krebs war doch ziemlich salzig gewesen.


    Dabei war ihr durchaus nicht verborgen geblieben, dass Theodorus sich sehr erhitzte; unter seinem glänzenden schwarzen Bart konnte sie die Röte seiner Gesichtshaut entdecken. Dieser Anblick belustigte sie zunächst; unwillkürlich lächelte sie Theodorus an, senkte dann aber plötzlich den Blick. Ihre Stimmung schlug auch wegen seiner Ausführungen allmählich um, denn sie konnte bei weitem nicht allem von dem zustimmen, was der Philosoph hier äußerte.


    Nachdem Theodorus geendet hatte, wollte Plotina auch sogleich zu einer heftigen und - wie bei ihr ja eigentlich immer :D - wohl durchdachten Erwiderung ansetzen. Glücklicherweise fiel ihr Blick vorher noch auf Verus, der ein wenig gelangweilt an seinem Becher nippte. Dies brachte Plotina zur Besinnung, denn dies war vielleicht wirklich nicht der richtige Rahmen für eine Diskussion um res publicae und Moral. So beschränkte sie sich auf folgende Entgegnung:


    "Lieber Theodorus, wie immer hat mich deine Rede sehr beeindruckt. Vielem kann ich ohne Zögern beistimmen; andere Dinge sollten wir vielleicht noch einmal einer genaueren Überprüfung unterziehen, um uns dann sicher verständigen zu können. Wenn du erlaubst, werde ich dich also einmal in deiner Bibliothek aufsuchen."


    Dabei musste sie den Philosophen schon wieder anlächeln. Sie nickte jetzt auch Verus zu und lehnte sich zurück. Irgendwie spürte sie einen gewissen Druck in der Magengegend ...

  • "Ich werde dich ebenso aufsuchen,Theodorus."


    Er trank einen Schluck Wein und überließ das Gespräch den beiden,er wollte sich eine kurze Gedenkzeit geben.


    "Theodorus ,was wäre ein Volk ohne Moral? - Es wäre nicht existent ,weil es sich selbst vernichten würde,ein Verwalter kann auch nur das beste für seine Untergebenen wollen und ist dies nicht eine Form von Moral?"

  • Oh nein! Kaum hat der Philologe seine Ansprache beendet, bemerkt er schon den spöttischen Blick von Plotina. (oder ist er überhaupt spöttisch? Zumindest kommt es ihm so vor.) Was ist denn heute nur los. Er hat das Gefühl, kein einziges vernünftiges Wort artikulieren zu können, nichts genügt ihn mehr und er verhält sich ungestüm, emotional und unreif. Am liebsten würde er ganz schnell die Taverne verlassen und den beiden nicht mehr unter die Augen treten.


    Trotzdem muss er das jetzt durchstehen. Er versucht, gelassen zu bleiben. Trotzdem wirkt er wie jemand, der gerade fünf Frösche auf einmal verschluckt hätte.


    "Öhm, ja. Besucht mich in der Bibliothek. Sehr gerne. Seid willkommen. Seid immer willkommen."


    Dann kippt er gedanklich wieder kurz weg. Er schüttelt sich verhalten und antwortet auf Verus Einwand:


    "Ja, äh, genau das, äh, habe ich gemeint. Das... soll die Tugend eines Herrschers sein. Hmmm... Sitte und Tradition müssen geachtet werden, aber um das Beste für seine Untergeben zu finden muss man umsichtig sein und offen für Neues. Falsch angewandte Tradition kann sich sehr untugendhaft auswirken."


    Gespannt schaut er um sich. Ob das jetzt einigermaßen vernünftig klang. Er kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Alles rutscht weg. Was ist denn nur los heute... ?

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  • Schon wieder Philosophie? Der Liebe zur Weisheit hatte stets Plotinas Herz gehört, aber in diesem Augenblick nervten sie diese Gespräche einfach nur noch. Sie bemerkte an sich selbst, dass sie plötzlich immer fahriger wurde; die letzten Worte des Theodorus hatte sie kaum noch richtig mitbekommen.
    Sie griff wieder zu ihrem Becher, füllte ihn nach und trank hastig aus. Kalter Schweiß rann ihr von der Stirn. Sie schnappte nach Luft, und ein äußerst unangenehmes Gefühl breitete sich von der Magengegend her in ihrem Körper aus. Jetzt hieß es: schnell handeln!


    "Theodorus, du kennst dich doch hier aus. Wo kann ich denn ... ich meine ... o gütige Götter, dieser Flusskrebs! Gibt es hier irgendwo eine latrina - na sag' schon, bitte schnell!"


    Inzwischen war auch das Gesicht der Sergierin gelb angelaufen, und über ihre Absicht konnte kein Zweifel mehr bestehen. Sie sah Theodorus flehend an.

  • Erst jetzt bemerkt Theodorus, dass er wohl nicht der einzige am Tisch ist, den es nicht so gut geht. Weil er ein hilfsbereiter Mensch ist, steht er deswegen sofort auf und packt Plotina an, um sie so schnell wie möglich zur nächsten Erleichterungsgelegenheit zu führen.


    Fragend schaut er in Richtung Theke, aber der Kellner deutet nur auf die Terrasse. Ja klar, einfach auf die Märkte runter kotzen, aber wahrscheinlich ist der Weg zu den nächsten Latrinen wirklich zu weit weg für den Notfall.


    Theodorus ruft Verus zu: "Schnell! Schau nach ob vielleicht ein Medicus in der Nähe ist!", dann führt er Plotina zum Geländer.

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  • Dass Theodorus doch gar nicht so ein unpraktischer Mensch war, bewies er in dieser Situation, als er auf Plotinas Flehen hin blitzschnell ihren Zustand erfasste, sie packte und nach Rettung für sie Ausschau hielt. Leider schien die Taberna "Ad Neptunis", im Vollgefühl der Qualität ihrer Angebote, für einen solchen dringenden Fall über keine Einrichtungen zu verfügen: Man bedeutete Plotina oder vielmehr Theodorus, dass die Sergierin sich über das Geländer auf die Märkte hinab zu erleichtern habe.


    Diesem Wink folgte der Alexandriner auch sofort und führte seinen Schützling Plotina behutsam in die bezeigte Richtung - vorbei an einem Tisch, den seine Gäste bereits verlassen hatten, der aber noch nicht abgeräumt worden war. Ein Weinkrug stand darauf; Plotina sah ihn nur aus den Winkeln ihrer Augen heraus, die vor lauter Bauchschmerzen mittlerweile tränten; ohne irgendwie zu überlegen, riss sie diesen Krug an sich und - ja, die Öffnung war groß genug! - füllte ihn mit Krebsfleisch, römischem Landwein und Magensäften.


    Ein, zwei, drei, vier Stöße, und der Spuk war vorbei. Plotina sah Theodorus an. Ihre Augen wirkten um vieles dunkler als sonst, und ihre Haut war von stumpfer gelblicher Farbe und färbte sich allmählich rot - vor Scham.


    "Es tut mir so leid ..."

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