• Die Große Synagoge Alexandrias ist das größte jüdische Gebetshaus der Welt und fasst mit Vorplatz einige Tausend Gläubige. Selbst der Tempel in Jerusalem war kleiner als die Synagoge.


    Dass gerade in Alexandria eine solch große Synagoge steht, verwundert nicht. In Alexandria haben sich seit der Stadtgründung Juden angesiedelt, teilweise wurden sie sogar auf Geheiß der Ptolemäer eingeladen. Alexandria beherbergt deswegen die größte jüdische Gemeinde des römischen Reiches. Auf der Welt ist nur die Gemeinde in Seleukeia-Ktesiphon, der Hauptstadt Parthiens, größer.


    Die Synagoge ist deswegen auch seit jeher das intellektuelle Zentrum des Hellenistischen Judentums, welches Griechentum und Judentum miteinander zu vereinen sucht. In neuerer Zeit kam jedoch eine große Welle von Flüchtlingen aus Palästina in der Stadt an, die durch ihre traditionellen, antirömischen und antigriechischen Vorstellung für eine starke Spannung innerhalb der Gemeinde sorgt. Auch zahlreiche Judenchristen sind hier offen vertreten.


    Die Griechen setzen Jahwe übrigens mit Zeus oder Serapis gleich.

  • Die Synagoge Alexandrias war Jakobus bereits bekannt gewesen, als er nach Alexandreia zurückgekehrt war, doch jedes Mal beeindruckte ihn dieses Bauwerk erneut, wenn er die doppelte Säulenhalle durchwanderte, um am Gottesdienst teilzunehmen. Die Synagoge hatte gewaltige Ausmaße, besonders wenn Jakobus sie mit den kleinen Gebäuden verglich, die er aus Syria kannte. Inzwischen hatte er auch damit begonnen, die hebräische Schrift zu lernen, denn trotz aller hellenischen Einflüsse, für die die alexandrinische Gemeinde bekannt war, wurde die Thora noch immer im Originaltext verlesen, während die Septuaginta, benannt nach den zweiundsiebzig Schriftgelehrten, die die Schriften des Volkes Israel angeblich in die Koine übertragen hatten, nur für den Hausgebrauch Verwendung fand.


    "Ja'aqov, hier drüben!"


    hörte er plötzlich eine Stimme, als er im Gebetsraum angekommen war und nach Bekannten suchte. Es war die Stimme von Simeon, einem jüdischen Händler, den Jakobus geschäftlich kennen gelernt hatte, der ihn aber auch in die Synagoge mitgenommen und dem Glauben Jahwes wieder näher gebracht hatte. Erfreut stellte er fest, dass dieser ebenfalls hier war und begab sich rasch zu ihm. Simeon sprach ihn stets mit der hebräischen Ausspracheform seines Namens an - war er doch fest in der Tradition der Stämme Israels verwurzelt!


    "Simeon, ich habe dich gar nicht gesehen!"


    Der Genannte zeigte ein breites Grinsen. Er war ein sehr fröhlicher Mensch, wie Jakobus aufgefallen war, denn im Grunde lächelte er immer. Allerdings wusste Jakobus auch, dass er knallhart sein konnte - besonders, wenn es um das Geschäft ging!


    "Du weißt doch, ich bin immer da, wo du mich nicht erwartest, Chawer*"


    "Wie geht es dir? Wie laufen die Geschäfte?"


    fragte Jakobus fröhlich. Er hatte bereits befürchtet, den ganzen Gottesdienst über allein stehen zu müssen, denn viele Gemeindemitglieder hatte er noch nicht kennen gelernt. Allgemein war Jakobus zwar ein netter, aber auch ein schüchterner Mensch, daher war es nicht einfach, zumal er seine Choser be-Teschuwa, die Rückkehr zum Glauben, erst zu einem relativ späten Zeitpunkt beschritten hatte, wobei er noch nicht einmal die hebräische Sprache fließend beherrschte.


    "Ach, mal so, mal so...du kennst das ja!"


    erwiderte Simeon, dann trat auch schon Stille ein, denn der Chasan, der Vorbeter der Gemeinde, betrat den Gebetsraum. Der Gottesdienst konnte beginnen.


    Sim-Off:

    * Freund

  • Wie die übrigen Männer, trug auch Jakobus die traditionelle Gebetstrachten des Volkes Jahwes: Gebetsriemen wanden sich um seinen Arm und den Kopf - Simeon hatte ihm gezeigt, wie man die Riemen band - letzterer wurde jedoch teilweise vom Gebetsschal, dem Tallit verdeckt wurde. Anfangs waren diese Kleidungsstücke noch etwas gewöhnungsbedürftig gewesen, doch inzwischen fühlte sich der alte Sklave darin mindestens so wohl wie in seiner üblichen Kleidung.


    Inzwischen war der Gottesdienst beim Glaubensbekenntnis angekommen und laut rezitierte Jakobus dies mit:


    "schYma jisrael adonai elohenu adonai echad! Barukh Schem Kawod, Malkhutho le'Olam va'Ed!*"


    Während der erste Satz laut erklang, erhob sich beim Zweiten ein Gemurmel in der Synagoge, als jeder der Satz vor sich hinsagte. Dann jedoch hoben sich die zahllosen Stimmen wieder und die einzelnen Zusätze wurden vorgetragen:


    "Veahawta et Elohejkha, bekhal Lewawekha uwekhal Nafschekha uwekhal Meodekha.


    Vehaju haDewarim haeleh ascher Anokhi mezavekha hajom 'al Lewawekha.


    Veschinantam leWanekha, vedibarta bam, beSchiwtekha beWejthekha uweLekhtekha waDerekh ubweSchakhbekha uweKumekha.**"


    Obwohl Jakobus der hebräischen Sprache noch nicht vollständig mächtig war, wusste er natürlich, was er hier betete: Seinem Sohn sollte er dies weitersagen - wenn er doch nur einen hätte! Obwohl er jede Woche in die Synagoge ging, bereitete diese Stelle im Gottesdienst ihm stets Kummer, denn zu gern hätte er gemeinsam mit Rahel eine Familie gegründet - Durus hätte es ihm sicherlich erlaubt!


    "Ukeschartam leOt 'al Jadekha, vehaju leTotafoth bejn 'Ejnekha.


    Ukethawatam 'al Mesusoth Bejthekha uwiSch'arejkha."


    Der Gottesdienst ging weiter, doch Jakobus' Gedanken waren noch immer bei Rahel. Wie er gehört hatte, war sie verstorben...


    Sim-Off:

    * Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einzig. Gelobt der Name der Ehre, seine Herrschaft für immer und ewig!


    ** Und also liebe den Ewigen Deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Können.
    Und es seinen die Worte diese, die Ich dir heute befehle auf deinem Herzen.
    Und schärfe sie ein deinem Sohne, und rede von ihnen, bei deinem Sitzen in deinem Hause und bei deinem Gehen am Wege und deinem Niederlegen und bei deinem Aufstehen.


    *** Und binde sie zum Zeichen auf deine Hand, und sie seinen dir zum Hauptschmuck zwischen deinen Augen.
    Und schreibe sie auf die Pfosten deines Hauses und an deine Tore.

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