Oh, wie lange war Epicharis nicht in den Thermen des Agrippa gewesen! Es war eine halbe Ewigkeit her, mit Sicherheit aber über drei Jahre. Heute hatte sie sich endlich einmal die Zeit genommen, die Badeanstalt aufzusuchen. Bei der ganzen Aufregung der letzten Tage war dies auch dringend nötig.
Mit einer handtuchtragenden Sklavin hatte an ihrer Seite betrat sie das Bad von den Umkleiden her. Dhara und Kassandra waren mit Nordwin in der Stadt und tobten sich aus. Kaum hatten die nackten Füße den beheizten Boden der inneren Thermen betreten, seufzte Epicharis auch schon erfreut auf und sog den Geruch ein. Eine Sklaven der Einrichtung liefen tüchtig umher oder kümmerten sich mit einer herzhaften Massage oder anderweitig umdie Badegäste, die zu dieser Zeit natürlich nur aus Frauen bestand, wie es die Badeordnung erforderte. Nun, zuerst wollte die Claudierin sich im Frigidarium auf das Bad vorbereiten, also schritt sie mit grazilen Schritten auf das Kaltwasserbecken zu, welches gerade von nur zwei Besucherinnen genutzt wurde. Nachdem sie den großen Onkel in das kühle, unbeheizte Wasser gehalten und kurz eine Grimasse gezogen hatte, stieg sie die fünf Stufen in das Marmorbecken hinab. Ihr Körper reagierte augenblicklich auf die sie nun umgebende Kühle, und Epicharis fröstelte. Dennoch setzte sie sich auf eine der unter Wasser liegenden Bänke und harrte einige Minuten aus. Inzwischen hatten die beiden Frauen das Becken wieder verlassen und jemand Neues war dazu gekommen.
Doch lange hielt Epicharis es nicht mehr aus, und so erhob sie sich bald und verließ das Frigidarium. Die bereitstehende Sklavin mit den braunen Locken hüllte sie rasch in ein großes Tuch ein und folgte der Claudierin in den nächsten Raum, der verschiedene Wasserbecken und deutlich mehr Besucherinnen enthielt. Hier war die Temperatur bei weitem angenehmer, sodass Epicharis der Sklavin das Handtuch zurückreichte. Die Mosaike an den Wänden zeigten maritime Szenen und viele Fische, an der längsseitig liegenden Wand befand sich eine über lebensgroße Statue des Neptun, die Epicharis nun ansteuerte. Vor ihr blieb sie stehen und ließ sich eine Muschelkette reichen, welche die sie begleitende Sklavin mit sich führte. Epicharis lächelte die Statue an und legte die hübsch gearbeitete Muschelkette als Geschenk für den Gott an dessen großen Fuß, verharrte noch einen Moment und wandte sich dann um, um eines der beheizten Becken anzusteuern.
Sie entschloss sich für ein mittelfrequentiertes Becken, stieg die wasserbedeckten Stufen hinunter und suchte sich einen freien Platz zwischen zwei Frauen, die sie beide mit einem Lächeln und einem grüßenden Kopfnicken bedachte. Zufrieden seufzend ließ sie sich auf der Marmorbank nieder und wartete darauf, dass die Sklavin das Handtuch los wurde und mit einer einleitenden Nacken- und Schultermassage begann.
In jenem Moment gewahrte sie einen patrizischen Halbmond, der an einem schmalen, aber gerissenen Lederbändchen direkt unter ihr lag. Sie fischte das kleine Schmuckstück vom Boden und aus dem Wasser und betrachtete sich kurz die Knöchel ihrer Sitznachbarinnen, dann fragte sie eine der beiden: "Entschuldige, gehört dies dir?" Die Frau sah auf den Mond hinab und verneinte. Epicharis entschuldigte sich noch einmal für die Störung und wandte sich dann an die Thermenbesucherin auf der anderen Seite. "Verzeih, das hier lag im Wasser, gehört es vielleicht dir?" Fragend musterte sie die Frau neben sich.
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