Die Heimkehr von Callidus und Helena

  • Helena trat, nach knapp über einem Jahr, wieder durch das Vestibulum um zum Atrium zu gelangen. Es fühlte sich seltsam für sie an. Sie sah sich beinahe suchend um. Vielleicht um zu kontrollieren, ob alles noch seinen angestammten Platz hatte? Viel hatte sich fürwahr nicht verändert. Ein leichtes Lächeln ruhte auf ihren Lippen. Es war schon solange her, dass sie diese Gefilde verlassen hatte. Eine gewisse Zeit davon hatte sie mit Metellus in Rom verbracht, um dann schließlich nach Germanien weiterzureisen. Sie hatte den Gedanken noch nicht ertragen können, Maximus verloren zu haben und gleich im Anschluss die nächste Ehe einzugehen. Darüber hatte sie erst mit sich in Einklang kommen müssen und das hatte sie geschafft. Sie atmete einmal tief durch und sah sich zu Callidus um, der ihr nachgefolgt war. Für ihn mochte es nicht lange her sein, als er die Heimat verlassen hatte, aber sicher tat es ihm wohl.
    Er hatte ohnehin großes Glück gehabt, denn eigentlich wollte sie wieder selbstständig nach Daheim aufbrechen. Er hatte sie am Tag ihres Aufbruchs erwischt und die Wiedersehensfreude hatte kein Ende gekannt. Es war lange her gewesen, dass Helena so unbefreit hatte lachen können. Endlich war es ihr möglich, die gens Rediviva als ihre Familie anzusehen und vollkommen mit dem früheren Leben abzuschließen. Sie sah die Vergangenheit als Tage einer schönen Zeit an, doch nun konnte sie auch wieder in der Gegenwart leben. Lange Zeit war ihr das nicht geglückt. Es fühlte sich wunderschön an, wieder ausgeglichen zu fühlen und zu denken, ohne auch nur im Geringsten entzwei zu sein.
    Während sie Callidus Gesicht betrachtete, wurden ihre Züge wärmer. Sie wirkte insgesamt auch wieder frischer. Vielleicht hatte sich in ihr blondes Haar die eine oder andere graue Strähne geschlichen und auch ihre Lachfältchen mochten etwas ausgeprägter sein als früher, aber alles in allem sah man ihr das steigende Alter kaum an. Mitte 30 war sie ja schließlich auch erst. Ihr Bruder war entschieden jünger, aber er hatte auch eine völlig andere Mutter. "Es ist seltsam, wieder hier zu sein." meinte sie mit recht leiser Stimme und wandte den Blick wieder ab, um die Wände des Atriums hinaufzusehen und die Decke anschließend zu betrachten. "Aber es ist ein schönes Gefühl."

  • Callidus folgte seiner Schwester stillschweigend. Seit ihrer Abreise aus Germanien hatte er sie nicht mehr aus den Augen gelassen. Er befürchtete das sie wieder verschwinden könnte. Auch wenn sie momentan nicht danach aiussah. Er hatte versucht mit ihr zu reden, doch sie wich ihm aus. Er hatte das Gefühl, dass sie nicht ganz offen zu ihm war. Ert wusste überhaupt nicht, was in seiner Schwester vorging. Nun waren sie erst mal wieder in Hispania. Aber er konnte sich nicht so sehr darüber freuen. Die Reise nach Germanien hatte seine Reiselust geweckt. Er wollte etwas neues sehen. Für ihn war dies hier eh nie eine richtige Heimat, wie für die anderen. "Ja, schön wieder hier zu sein!" sagte er trocken. Ihm war warm.

  • Sie warf ihm einen verschmitzten Blick zu. Sie entnahm seinem Tonfall wohl den Hauch von Ironie, der seinen Worten innewohnte. Aber auch ihr war warm, denn sie hatte mehrere Schichten Kleidung an. je mehr Stoff, je standesgemäßer. Und in Germanien war es zudem auch praktisch gewesen. Die hiesigen Temperaturen hatte sie vollkommen unterschätzt. Der germanische Winter war doppelt kalt gewesen und so schien ihr der mediterrane Frühling schon dreimal so warm. "Du klingst nicht wirklich glücklich, Brüderchen." meinte sie fröhlich und ging auf ihn zu. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und umschloss ihn kurz darauf mit ihren schlanken, aber nicht mehr dürren Armen. Sie hatte wieder in einem gesunden Maß zugelegt, denn vor der Abreise hatte sie sich vor Kummer doch etwas zuviel Fleisch abgehungert.

  • Er blickte sie an. Was hatte sie da eben zu ihm gesagt? Er hatte eigentlich nicht vor gehabt seinen Unmut so zu zeigen. Nun war es aber geschehen und er fuhr er im gleichen Ton fort. "Oh es ist doch schön einen Platz in der weiten, weiten Welt zu haben, wo man zuhause ist!" Aber musste es gerade hier sein? In diesem Provinznest war überhaupt nichts los. Es wimmelte nur so von Langweilern. Und auch Mädchen hatte er schon bessere gesehen. Er seufzte ging zu einem Beistelltisch und goß sich einen Becher Wein ein. Zumindest der heimische Wein war ganz gut. Er leerte den Becher mit einem Zug und rülpste laut. Jetzt fühlte er sich schon besser. Ein Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht.

  • Als er sich wieder aus ihrer Umarmung löste, vor sich hin sprach und letztlich rülpsend den Wein genoss, sah sie ihn beinahe interessiert an. Mit dem Interesse eines Kindes, was zum ersten Mal in seinem Leben einen Frosch sieht. Zumindest sein Benehmen hatte sich keineswegs gebessert. Dabei sollte er doch eigentlich wissen, dass sie, so normal es für ihn auch sein mochte, sein Rülpsen und durch die Gegend spucken nur bedingt tolerierte. Aber sie wollte nichts sagen, der strafende Blick müsste eigentlich schon zu seiner Zähmung ausreichen. "Geh doch nach Rom." begann sie, als hätte sie seine Gedanken erraten. Aber sie kannte ihn mittlerweile gut genug, um ihn auch ohne hellseherische Fähigkeiten zu durchschauen. "Dort gibt's schrecklich viele, käufliche und wohl auch unkäufliche Mädchen. Orgien sind dort sicher auch entschieden häufiger als hier." Sie zwinkerte ihm zu. Dabei näherte sie sich ihm mit gespielt lasziver Gangart.

  • Er stellte den Becher wieder ab und fuchtelte mit den Händen herum. "Rom, Rom... Wer will den schon nach Rom? Seit Nero hat es dort keine vernünftigen..." Er suchte nach einem Wort welches für seine Schwester nicht ganz so unzüglich war. "... Bankette!" Er ging auf sie zu und begab sich langsam hinter ihr. Dann gab er ihr einen Klaps auf den Hintern. Seine Schwester hatte sich gut gehalten für ihr Alter musste er dabei feststellen. "Und die Mädchen? Die gibt es woanders auch, besser und ohne dass man sie kaufen muss!"

  • Nun konnte sie es doch nicht mehr an sich halten und erhob ihre Augenbraue, als er Nero erwähnte. Diese für sie berüchtige Mimik hatte sie schon lange nicht mehr anwenden brauchen und eigentlich schaffte auch nur Callidus es immer wieder, diese zu entlocken. Sie beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, als er um sie herum kam und ahnte schon, dass er sich eine Schandtat ersann. Sie grinste unweigerlich, in Erwartung, dass er irgendwas machte und das auch vollkommen zurecht! Als sie den Klapps auf den Hintern bekam, machte sie einen kleinen Sprung nach vorne und lachte dabei frei. Freier, als sie es jemals tat, seit sie sich kannten. "Du Gauner! Was soll das denn heißen!" Prompt wandte sie sich um und gab ihm einen spaßigen Klapps gegen den Bauch. "Welche Mädchen ziehst du denn vor?" fragte sie grinsend. "Vielleicht bekommst du ja Reisegeld, du Weiberheld!"

  • Anscheinend mochte sie Nero nicht. Nun abgesehen davon dass er paranoid war... Er hatte seine Schwester sellten so lachen gesehen. Es musste wohl daran liegen, dass sie nun wieder zuhause waren. "Du willst wissen auf welche Mädchen ich stehe? Ja das kann ich mir gut vorstellen!" Er grinste. "Aber Schwesterherz! DU musst nicht immer alles wissen, nur weil du älter bist als ich! Vielleicht zeige ich dir ja mal, auf was für Mädchen ich stehe!" Er strich sich durch seinen Kinnbart und blickte sie prüfend an. "Bevor ich dir das aber verrate, hast du noch eine Menge zu lernen, meine Schülerin!"

  • Ihre Züge wichen ab ins freundlich-spöttische und ebenso war auch ihre Stimme liebevoll, als sie mit spielerisch herablassendem Blick sprach: "Ich muss auch nicht immer alles wissen, weil ich ohnehin schon alles Wichtige weiß. Aber du mein Bruder, solltest lernen, wie man alte Damen behandelt." Dabei hustete sie unterstreichend und wandte sich von ihm ab. So, abgewandt, ging sie auch ein paar Schritte um dann beinahe theatralisch herauszubrechen: "Gibs doch zu, es ist meine Tochter!" Dann allerdings, nach einem kurzen Moment des Wartens, wandte sie sich zu ihm um und zwinkerte. Nicht ohne vorher anzufügen: "Aber zuvor musst du unbedingt nochmal zum Barbier. Sonst geht's ohnehin nicht."

  • Alte Dame. Da konnte er nur lachen. Seine Schwester kam ihm gar nicht wie eine alte Dame vor. "Glaub mir, ich weiß wie man mit Frauen umgeht, die behaupten alt zu sein!" Wenn Frauen behaupteten allt zu sein, dann war in ihrem Leben einfach nicht mehr genügend los. Krallten sie sich einen jungen Knabben kamen sie sich auvh gleich wieder 20 Jahre jünger vor. Aber wie kam sie ausgerechnet darauf das er was von ihrer Tochter wollte? "Nein, zu kompliziert!" Dann strich er sich erneut durch seinen Bart. Was hatte sie an seinem Bart auszusetzen? Er konnte Wetten, dass dies zu einer Mode werden würde, wenn der Kaiser selbst so einen Bart tragen würde. "Du hast ja keine Ahnung! Ich bin doch kein griechischer Lustknabe!"

  • Sie legte den Kopf ein wenig schief, sagte aber nichts weiter. Sie wollte nicht unbedingt Unterricht in jenem Fach haben, dass er 'Freude aller Damen' nannte, wie zumindest Helena nun vermutete. Dann allerdings musste sie wieder grinsen. "Ich finde, eher so siehst du wie einer aus." lachend ging sie wieder ein paar Schritte auf ihn zu. "Aber apropos Knabe. Sag, wo ist denn der Junge, von dem du mir erzähltest? Der, den ihr Sporus nanntet? Es würde mich wirklich interessieren." fragte sie fröhlich. Er hatte auf der Reise schon einiges von ihm erwähnt, dass sie ihn aufgenommen hätten und Weiteres. Nun war sie natürlich brennend daran interessiert, ihm einmal zu begegnen. Nicht ohne den Hintergedanken, ob er sie vielleicht sogar an ihren eigenen Sohn erinnerte.

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