Eine kleine schäbige Barracke wie es in Rhakotis tausende gibt

  • "Ich danke dir für deine Rücksicht auf mein einziges Bedenken.", sagte Nikolaos freundlich. "Sicher halte ich es für möglich, einen Menschen zu finden beziehungsweise finden zu lassen. Wenn du erlaubst, werde ich mich dabei der Stadtwache Alexandrias bedienen. Weißt du noch mehr über diesen Canis? Ist Canis sein richtiger Name?", fragte Nikolaos. Er schien dabei sehr eifrig.

  • "Dann werde ich herausfinden, wer er wirklich ist.", sagte Nikolaos mit Bestimmtheit. "Sobald ich genaueres über ihn erfahren habe, werde ich dir berichten." Nikolaos wurde plötzlich etwas unsicher. "Ich weiß, dass meine folgende Frage unangemessen ist und ich weiß auch, dass ich natürlich erstmal den Auftrag überhaupt ausführen muss, doch könntest du mir, vielleicht nicht als Auftraggeber sondern vielmehr als Freund oder Berater sagen, mit welcher Entlohnung ich zu rechnen habe? Ich weiß, dass mein Anliegen schäbig ist, doch leider bin ich kein reicher Mann, bis vor kurzem war ich noch sehr arm, deshalb hat soetwas hässliches wie Geld, so leid es mir tut, im Augenblick einen großen Platz in meinem Leben eingenommen." Er sah den Verwälter beschämt an und zwang sich zu einem Lächeln, das entschuldigend wirkte. "Ich hoffe, ich habe dich mit dieser Frage nicht verärgert... ."

  • Der Verwalter lächelt vielversprechend. "Sei dir sicher, die Prämie wird mehr sein, als du dir vorstellen kannst... Das ist ein Auftrag höchster Ordnung, eigentlich dürfte er gar nicht an dich vergeben werden, aber die Order kommt vom Chef und der scheint dir zu vertrauen...."

  • "Und wenn sich mir Hindernisse in den Weg stellen, die mich und euch gefährden und ich deshalb die Jagd aufgeben muß? Wirst du und vor allem wird der Chef mir verzeihen, wenn ich selbst keine Schuld trage an Dingen, die mich und euch daran hindern, das Unternehmen bis zum Ende durchzuführen?", fragte Nikolaos, freundlich, aber misstrauisch. Er hatte genug Phantasie, um sich auszumalen, auf welche Ideen derartige Vereinigungen kommen mochten, wenn sie sich rächen wollten oder ein Exempel statutieren. "Auch wenn es vielleicht feige klingt, doch es wäre mir ein Anliegen, dein Wort darauf zu bekommen, dass mir, wenn ich selbst kein Verschulden an möglichen Pannnen habe, nichts passiert."

  • Der Verwalter lacht erneut laut auf. Schon lustig, was für Vorstellungen manche Leute von der Nimbactus haben. "Canis ist unser Ziel, nicht du! Und wir werden uns hüten, uns an unseren eigenen Leuten zu rächen! Im Gegenteil: Du gehörst zur Familie und wirst gedeckt.
    Solltest du auffliegen und Canis etwas gegen dich unternehmen wollen, tätest du uns übrigens ebenso einen Gefallen, denn dann hätten wir etwas sichere gegen Canis in der Hand."

  • "Gut. In sofern bin ich beruhigt.", sagte Nikolaos. Das Lachen des Verwalters schien ihm echt, deshalb war auch Nikolaos Erleichterung echt. "Es ist eine bessere Vorraussetzung für die Erledigung einer Aufgabe, nun da ich weiß, dass mir, wenn ich umsichtig und vertrauenswürdig handle, niemand die Schuld für etwas geben wird, das nicht in meiner Macht steht. Ich danke dir für deine klare, beruhigende Antwort." Er lächelte echt.

  • "Gut, dann ist ja alles geklärt. Ich werde dir übrigens auch noch einen zusätzlichen Mann bereit stellen, der dir für deine erste Aufgabe beratend unter die Arme greifen wird. Du wirst ihn immer bei dir haben." Er brauchte ja nicht zu erklären, dass dieser zusätzliche Mann auch der Nimbactus Bericht erstatten würde, wie die Mission verlaufen war. "Hast du noch weitere Fragen?"

  • "Bis jetzt noch nicht. Ich werde wieder kommen, sobald ich Hilfe brauche oder Fragen habe oder sobald ich erste Ergebnisse habe. Da fällt mir ein-" Er überlegte kurz. "-eine Frage habe ich noch. Meinst du, es ist ratsam, mich bei meiner Jagd der Stadtwache zu bedienen, natürlich ohne dass diese davon etwas weiß? Könnte ich von ihr diesen Canis wie einen Verbrecher suchen lassen oder rätst du mir davon ab?"

  • "Das kann doch nicht wahr sein!" poltert Dionysos, als er von der Razzia erfährt. "Wie kommt es, dass sich hier in Rhakotis, in einem von der Nimbactus gut bewachten Bezirk, einfach eine Verschwörung bilden kann und wir sind nicht unterrichtet?" Die Anwesenden schauen ratlos und betreten. "Dazu noch eine so stümperhaft geplante Verschwörung, dass sie gleich den gesamten römischen Militärapparat ins Viertel herein lockt, ihr wisst, was das bedeuten kann...


    - Holt mir sofort diesen Nikolaos her!"


    ... und sofort machte sich ein Boote auf dem Weg...




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    MAGISTER NEBULAE - DIE NIMBACTUS

  • Jeder kannte diese kleine schäbige Barracke wie es in Rhakotis tausende gab. Sie stach nicht gerade hervor, weder in Größe, Pomp, Ausstattung, noch war sie baufälliger, als die Gebäude ringsherum. Trotzdem kannte jeder das rote Eckhaus, dem der Putz von den Wänden gefallen war und Wind und Wetter hatten den Mörtel darunter angegriffen. Die rote Farbe war verblasst, nur noch in Ansätzen zu erkennen, schemenhaft, aus Pharaonen-Zeit. Über den Eingängen zu beiden Seiten flatterten bereits durchlöcherte Jalousien als Schutz vor allzu starker Sonneneinstrahlung und neugierigen Blicken. Das Innere war verdunkelt. Tagsüber war hier wenig los. Ein Bettler gammelte am Hauseingang. Nachts kamen abundzu Abordnungen der städtischen Polizei vorbei, sagte man. Es kursierten die wildesten Gerüchte und haarsträubendsten Spekulationen über dieses Haus und seine Bewohner, doch imgrunde wußte es jeder.


    Eigentümer der Immobilie war ein örtlicher Bestattungsverein. Diese Tatsache allein mochte schon ausreichen, um die Phantasie manch unbedarften Zeitgenossen zu beflügeln, doch gab es mindestens ein Dutzend solcher Vereinigungen, gerade hier in Rhakotis, die es ärmeren Leuten gestatteten, bei Zeiten Vorsorge für Ihre Bestattung zu treffen. Was sich jedoch zwischen Tag und Nacht, im Halbdunkel, sozusagen im Nebel der Geschichte, abspielte, dass wußte niemand, der nicht in die näheren Dunstkreise dieser Vereinigung aufgestiegen war - SOCIETAS NIMBACTI•D(IS)•M(MANIBUS)" stand auf einem unscheinbaren, winzigen Schild neben dem im Dunkeln liegenden Eingang. Ich war ihr beigetreten mit 15 Jahren und damit nach römischen Recht mit meiner Volljährigkeit. Ich bin Römer, Sohn eines römischen Tribuns bei der Flotte, den ich nie kennengelernt hatte. Meine Mutter erzählte mir wenig von ihm und bis heute hatte ich wenig Verlangen mehr über meine Herkunft und meine Familie zu erfahren. Die Geschichte ist etwas für Alte Menschen, die ihr Leben gelebt haben und sich in Korbsesseln vor dem Haus den lieben, langen Tag die Sonne auf den Kopf scheinen ließen.


    Meine Mutter war schwer krank. Aus Sorge um ihre Gesundheit und dass sie einmal im Jenseits auf mich warten würde, hatte ich Vorkehrungen getroffen und mich an die örtliche Bestattervereinigung gewandt. Das Aufnahmeprozedere glich einem seltsamen Ritual, bestehend aus bürokratischen Formerfordernissen und mystisch angehauchten Gebetsformeln. Ich stand vor einem Tisch mit drei Personen. Der Obere in der Mitte begutachtete mich eindringlich. Der rechte würdigte mich keines Blickes, sondern protokollierte nur alles mit und das mit äußerster Sorgfalt und Akribie. Der Linke starrte mich ebenfalls an, doch er sprach nicht. Reden tat nur der Obere zwischen den Beiden. Er schwor mir Treue ab und schärfte mir ein, die Mitgliedschaft in den NIMBACTUS sei ein ewiger Bund über den Tod hinaus. Sie sei verbunden mit einer engen Gefolgschaft, in der die Mitglieder füreinander einstünden und sich als soziale Gruppe in der Gemeinschaft engagierten. Meine Pflichten seien - neben den Zahlen des monatlichen Zins, der sich nach der Höhe meines Gehaltes richtete - die unbedingte Anwesenheit an den Feiern zu den Gedenktagen der Laren und Manen, jener Geister der Ahnen, die im Jenseits auf uns warteten, und die regelmäßige Pflege von Kult- und Grabstätten. Bei hohen Feiertagen bestimmten die Bestattungsvereinigungen Delegationen ihrer Mitglieder, die diese in der Stadt und auf den Feierlichkeiten vertraten. Dafür erwartete mich eine "integrierende Gemeinschaft" und die Gewissheit, dass ich und meine Familie gut versorgt seien.


    Der Obere benahm sich wichtiger, als ich es zu erahnen vermochte. Einige meiner Bekannten, Freunde und Nachbarn waren ebenfalls Mitglied in einem Bestattungsverein. Es war allgemein, gesellschaftlicher Usus. Nicht ohne Grund verfügten diese Art der Vereinigungen über einen nicht unerheblichen Einfluss im Inneren gegenüber ihren Mitgliedern sowie im Äußeren gegenüber der Polis. Der Glaube an ein besseres Leben im Jenseits war immanent. Die Bestattungsvereinigungen profitierten hiervon, indem sie die verheißungsvollen Sehnsuchtsbedürfnisse dieser zumeist "kleinen Leute" erfüllten oder vorgaben, sie zu erfüllen.

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