• Auf dem Weg von der Taberna nach Hause trödelt Theodorus, grübelt und macht weitläufige Umwege. Sein Herz klopft und das Denken fällt ihm schwer.


    Der Alexandriner erinnert sich zurück, als er sich das letzte Mal so fühlte wie heute. Lange ist es her. Kassandra hieß sie. Er war jung, gerade der eifrige Lehrling des Rabbiners als er sie irgendwann in der Stadt traf. Sie war ein paar Jahre jünger als er, hatte schwarzes, lockiges Haar, grüne, strahlende Augen und ein umwerfendes Temperament. Sie sprach ihn auf einem der Boulevards an, war neugierig, wollte mehr über die Juden wissen, nicht so wie die meisten Alexandriner. Zahlreiche Treffen gab es dann. Romantische Stelldicheins auf dem Paneion bei Sonnenuntergang oder in einem schönen Restaurant beim Leuchtturm. Des Nachts schlich er heimlich aus der elterlichen Wohnung und legte lange Fußwege durch die Dunkelheit zurück, um sich in ihr Gemach einzuschleichen. Es war eine schöne, glückliche Zeit. Wahrscheinlich die schönste Zeit seines Lebens.


    Er hat nie herausgefunden, was mit ihr passierte, doch eines Tages war sie weg und Theodorus blieb zurück, allein mit seinen tausend Büchern, der einzigen Liebe, die er über all die Jahre kannte. Seitdem hat er sich nie wieder Gedanken über eine Frau gemacht.


    Theodorus schaut auf sich herab: Die Jahre sind vergangen. Er ist nicht mehr der jüngste und sein fülliger, dicker Bauch versperrt ihm den Blick zu den Füßen. Das Gesicht unter dem dicken Bart ist faltig. Er fühlt sich alt, hässlich und vertrocknet. Er hat sich eigentlich mit dem Alleine leben abgefunden über die Jahre, sich nie Gedanken darüber gemacht, dass Amors Pfeil auch ihn noch erwischen könnte. Und dann noch so eine junge hübsche Frau, klug dazu und ihr ganzes Leben noch vor sich. Außerdem eine Rhomäerin. Was sollte ihr an so einen alten langweiligen Bücherwurm liegen? Theodorus kann sich das beim besten Willen nicht vorstellen.


    Sim-Off:

    Wenn wer will, die Straße ist breit und es ist genug Platz da ;)

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  • Es ist spät. So spät, dass Stella schon angst hat und ausnahmsweise mal froh ist, dass sie von vielen Sklaven umringt von den Thermen nach Hause laufen kann. Sonst will sie die ja immer los werden. Normalerweise ist Stella eigentlich nie ohne Leni unterwegs, aber jetzt gerade schon. Das ist nämlich so: Eigentlich sollte sie schon längst im Bett liegen. Müde ist sie auch schon, aber Leni, Stella und ein paar Aufpasser sind heute in den Thermen gewesen und haben die aufgemischt. Dabei ist irgendwie Ulpis Drusilla verschwunden und Stella hat das gar nicht gemerkt. Erst nach dem Abendbrot mit Onkel Macer, als Leni gefragt hat, ob Stella der Augusta eine neue Tunika zum schlafen anzieht, da ist es ihr aufgefallen und da hatte sie schreckliche Angst, weil die Augusta noch nie allein irgendwo schlafen musste, und schon gar nicht in der Umkleide von den Thermen. Also hat sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, viel geweint und gefleht und so, bis der Onkel erlaubt hat, dass sie die Augusta jetzt noch holen darf.


    Gerade ist Stella überglücklich mit der Augusta fest im Arm auf dem Weg zurück nach Hause. Weil sie so glücklich ist, fällt ihr auch der Mann auf, der etwas unglücklich wirkt. Jetzt wo die Augusta in Sicherheit ist, soll auch keiner mehr traurig sein, findet Stella. Also bleibt sie stehen und starrt den Mann forschend an. Die Sklaven wollen zwar, dass sie weitergeht und schieben sie deswegen an, aber Stella schüttelt nur widerwillig den Kopf. Und die Sklaven wissen, dass das meistens ein Auftakt für eine Szene ist, die Onkel Macer immer vermeiden will in der Öffentlichkeit. Und das wiederum bedeutet, dass Stella ihren Willen bekommt und sie stehen bleiben darf. Macht sie aber nicht, denn jetzt geht sie auf den Mann zu, bleibt aber ein paar Schritte von ihm entfernt wieder stehen und schaut zu ihm rauf.


    "Bist du traurig?" fragt sie, wie Kinder nun mal fragen. Passieren kann ihr ja nichts wegen der Sklaven, und außerdem denkt Stella da gerade auch gar nicht dran.


    Sim-Off:

    Hihihi :D

  • Eine kleine, helle Stimme reißt Theodorus aus den Gedanken. Verwundert blickt er sich um und sieht nur eine Gruppe Sklaven. Dann schaut er nach unten und sieht ein kleines Mädchen.


    Zuerst weiß der Grieche nicht wie er reagieren soll. Eigentlich sollte man ja sein Gesicht wahren, aber Kinder haben immer so etwas entwaffnend offenes an sich. Außerdem mag Theodorus Kinder - meistens, wenn es sich nicht gerade um einen vorlauten misserzogenen Patrizierbengel handelt.


    Das Mädchen schaut unschuldig zu ihm hoch.


    "Salve, meine Kleine. Was machst denn du hier um diese Uhrzeit in der Stadt? Wo ist denn deine Mama?"

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  • Das ist mal wieder typisch für Erwachsene. Da fragt man sie etwas und sie überschütten einen im Gegenzug selbst mit Fragen. Stella blinzelt zu dem Bart des Mannes hoch und weiß erst gar nicht, was sie zuerst beantworten soll. Als der Fremde ihre Mama erwähnt, drückt Stella die Augusta etwas fester an ihren Bauch und schaut verkniffen aus, aber sie ist ja ein starkes Mädchen, und auch wenn sie die Mama ab und zu vermisst (und meistens in so Situationen wie diesen hier, wenn Leni nicht in der Nähe ist und Stella sich ohnehin schon allein fühlt), kann sie ganz normal antworten.


    "Meine Mama ist tot, deswegen war ich doch bei Tante Domitilla in Ravenna", belehrt sie den Griechen etwas altklug und lässt die Augusta dann wieder mehr zu Atem kommen. "Ich hab nur die Augusta holen müssen, damit sie nicht allein in der Therme schlafen muss, da hab ich sie nämlich vergessen. Aber du hast noch gar nicht geantwortet. Warum guckst du so traurig? Und wie heißt du überhaupt?"


    Stella wird etwas mutiger und macht noch einen Schritt mehr auf den Mann zu, damit sie ihn trösten kann, wenn er gleich zu weinen anfängt. So sieht er nämlich aus, findet Stella.

  • Theodorus schaut etwas betroffen, als die kleine vom Tod ihrer Mutter redet. Dann mischt sich das Betroffensein mit Staunen.


    "Warte mal... Du willst mir grad sagen, die Frau da..." Mit großen Augen wandert der Blick des Griechen, der hinter seinem Bart ganz blass geworden ist nach oben zur Begleitung des Mädchens.


    ... ist die Augusta, die Kaiserin?"


    Theodorus wird ganz schwindlig. Das kann doch nicht wahr sein!

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  • Stella starrt den Mann an, als hätte er sich vor ihren Augen in einen Esel verwandelt. Dann kichert sie mit ihrer glockenhellen Stimme drauflos und überwindet auch noch die letzten zwei Schritte zu dem Fremden. Er ist ihr auf Anhieb sympathisch - auch wenn er wieder nicht auf ihre Fragen eingeht. Aber das ist Stella ja schon gewöhnt. Vielleicht hat er auch schon wieder vergessen, was sie ihn gefragt hat, immerhin ist er ein Erwachsener, Erwachsene sind alt und im Alter vergisst man so einiges. Domitilla hat immer mit ihrem Mann geschimpft, wenn er mal wieder was vergessen hat, daran erinnert sich Stella ganzgut.


    Sie hält dem Fremden ihre Puppe hin, die besteht aus Stoff und kleinen angemalten Holzaugen, ist mit Stroh gefüllt und hat einen aufgenähten Mund. "Neiiiin, DAS ist die Augusta. Iulia Ulpia Drusilla. Und sie hat noch nie allein irgendwo geschlafen, deswegen musste ich sie auch aus den Thermen abholen. Allein hat sie nämlich Angst. Sie schläft lieber mit dem Augustus zusammen im Bett, aber der gehört meiner Schwester", plappert sie munter drauf los. Auf den Mund gefallen ist sie ja nicht. Argwöhnisch schaut sie den Mann mit dem Bart an und beschließt, ihm ein bisschen die Kontaktangst zu nehmen. Also sagt sie: "Ich bin übrigens Stella, und das da ist nur Neferu" , erklärt sie ihm und deutet auf ihre Amme, die der Mann für die Augusta gehalten hat. Dabei ist Neferu echt hässlich, findet Stella. So hässlich kann eine Augusta gar nicht sein. Und jetzt schaut sie ihn erwartungsvoll an, immerhin ist er jetzt an der Reihe.

  • Uff! Jezt fällt Theodorus ein Stein vom Herzen. Wieder lächelnd antwortet er in seinem griechischen Akzent:


    "Na dann will ich der Augusta auch einen schönen Tag wünschen. Chaire, meine Kaiserin!" Er verbeugt sich kurz und spielerisch vor der Puppe. "Brav, dass du die Kaiserin aus den Thermen gerettet hast, man weiß ja nie, welche Leute sich da gerade umtreiben. Außerdem schläft ihre Majestät besser zu Hause bei ihren Mann, gell?" ;)


    "Und dir natürlich auch guten Tag, junge Dame. Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Mein Name ist Theodoros." Auch Neferi nickt er freundlich zu.

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  • Stella macht ein zufriedenes Gesicht. Genauso zufrieden wie auch die Kaiserin schaut. Und auch der Mann, der Theodoros heißt, schaut schon wieder etwas aufgemunterter. Daran ist sicher die Anwesenheit der Augusta Schuld. Und weil Stella heute einen guten Tag hat, hebt sie die Augusta hoch und streckt ihre Arme dem Fremden entgegen. "Du darfst sie auch mal halten, wenn du magst", bietet sie ihm großzügig an. Ha, das ist taktisch echt klug, denn dann geht's ihm sicher gleich besser. Eine Frage hat Stella aber doch. "Duhu? Was heißt denn Scha-ire eigentlich? Du bist auch kein Römer, oder? Dein Name klingt ganz anders und du sprichst auch anders." Fix kombiniert Stella die Hinweise miteinander und springt dann geradewegs in die Luft. "HA! Ich hab's, du bist ein Nordmann! Die rollen das R auch so komisch. Geht's dir jetzt eigentlich schon ein bisschen besser? Du warst sicher traurig, weil do so weit von zu Hause weg bist, stimmt's?" Stella kennt jetzt kein halten mehr und quetscht den armen Theodoros gnadenlos aus. "Ich sag einfach Theo zu dir, wenn ich darf. Schade, dass du nicht mit nach Hause kommen kannst, ich würde sooooo gerne Geschichten hören. Leni sicher auch."

  • Hmm. Zu Kindern freundlich sein ist eine Sache. Die Puppe eines Kindes in der Öffentlichkeit zu drücken wieder eine andere. Deshalb meint er:


    "Du, ich glaub die Kaiserin fühlt sich besser wenn sie bei dir bleibt oder? Die hat doch sicher noch ein wenig Angst, weil sie vorher so lange allein in der Therme war."


    Dann muss er auf die Fragen des Mädchens etwas lachen. Kinder sind so neugierig. "Chaire ist griechisch und heißt Salve. Ich komme nicht aus dem Norden sondern aus Alexandria. Weißt du wo das liegt?"


    Dann schaut er kurz auf: "Nein, ich bin nicht traurig, dass ich von zu Hause weg bin. Das heißt: Das auch manchmal. Aber gerade wäre ich noch trauriger, wenn ich wieder zuhause sein müsste."


    Zum letzten meint er: "Soll ich dir eine Geschichte erzählen?"

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  • Stella schaut Theo argwöhnisch an. Da hat sie ihm eine Freude machen wollen und er will die Augusta nicht nehmen. Naja, wer nicht will, der hat schon. Und irgendwie hat er ja auch recht, Iulia Drusilla zittert sogar ein bisschen in der Kälte. Deswegen winkte Stella einem Sklaven, der die Kaiserin in einer warmen Decke verstaut und diese dann Stella gibt. Als Theo lacht, klingt das wie eine Mischung aus einem Bär und dem Geräusch, das entsteht, wenn eine teure Vase irgendwo runterfällt. Stella grinst schief, schaut im nächsten Moment aber schon wieder ernst, weil sie sich erinnern muss, wo Alexandria liegt. Onkel Macer hat mal was davon erzählt, was Stella auch bald einfällt. "Aegyptus!" beeiilt sie sich zu sagen und schaut Theo mit großen, glänzenden Kinderaugen von einer rehbraunen Farbe an. "Aber wo Aegyptus liegt, weiß ich nicht," gesteht sie dann kleinlaut.


    "Sagen in Alexandria alle Leute Scha-ire wenn sie eigentlich Salve meinen? Warum?" fragt sie Theo weiter aus und zuckt dabei verständnislos mit den Schultern. Und Theodoros verwirrt sie noch mehr, weil er sagt, dass er nur manchmal traurig ist, wenn er an zu Hause denkt, und dass er noch trauriger wäre, wenn er tatsächlich wieder zu Hause wäre. Das versteht Stella nicht. Sie ist gern in Ravenna gewesen aber sie ist auch gern in Rom. Da könnte sie sich gar nicht so richtig entscheiden. Die Aussicht auf eine Geschichte aber wischt alle Gedanken eh wieder weg, und Stella hüpft dreimal auf und ab. "Au ja, au ja!" ruft sie und lacht den Griechen an. Ihre Amme wechselt derweil ein paar Worte mit einem der Sklaven, und sie hört sich nicht begeistert an, dass der Aufenthalt wohl länger dauert als geplant. Aber Stella ist das egal, sie kann Neferu eh nicht leiden.

  • Sim-Off:

    Woher weißt du wie Theodorus Lachen klingt - dass du es so treffend beschreiben kannst? :D


    Theodorus muss erneut lächelnd. So ein putziges kleines und braves Mädchen. Senator Macer muss eine Freude haben mit ihr - ganz anders wie so manche Patriziergentes mit ihren Schrazen. Und als sie dann von Aegyptus redet, bekommt der Grieche glänzende Augen. "Oh weißt du, Aegyptus ist ein großes Land im Süden, weit weg von Rom. Es ist sehr heiß dort und die Menschen benehmen sich ganz anders wie hier. Und es herrlich dort, wunderbar! Es gibt Kamele und Palmen und viele schöne und große Häuser, viel schöner und größer als die hier in Rom. Und es gibt in meiner Stadt einen Leuchtturm, so hoch wie ein Berg, der die Schiffe sicher in den Hafen bringt. Und die Schiffe kommen von überall her, von überall aus dem Reich aber auch von allen anderen Teilen der Welt. Die Welt ist so viel viel größer als nur Rom, weißt du?" Die Augen des Gelehrten nässen sich ein wenig. Vielleicht wäre es doch an der Zeit, wieder nach Hause zurück zu kehren...


    Dann schaut er wieder zu dem Mädchen. In seinem Gesicht liegt ein Ausdruck der Verwunderung über sich selbst. Sachlicher meint er: "Und die Menschen dort sprechen eine andere Sprache als hier, nämlich Griechisch. Deswegen sagen sie dort "Chaire" statt "Salve"."


    Dann hält er ein? Hat er dem Kind gerade eine Geschichte versprochen? Eine Geschichte? Er kennt zwar viele Geschichten, aber die meisten drehen sich wohl um Dinge, die das Mädchen wohl weniger interessieren würden. Was könnte ein Kind auch mit Atomtheorien oder Gottesbeweisen anfangen? Aber trotzdem lächelt er wieder freundlich und meint: "Was möchtest du denn für eine Geschichte hören?"

  • Sim-Off:

    Hmm....kleines Mädchen, großes Wissen? Naa, hab geraten. :P


    Stella denkt, dass die Worte über Ägypten schon die Geschichte sind. Wissbegierig schaut sie zu Theo hoch, den sie einfach mal eben so getauft hat, weil Theodoros so fremd klingt und außerdem zu lang ist. Theo gefällt ihr da schon viel besser. Theo sieht auch schon wieder fröhlicher aus, findet Stella. Wenn man Heimweh hat, dann tut es gut, Sachen von zu Hause zu erzählen. Stella weiß das, ihr geht es auch manchmal so, und wenn sie dann weint und ihre Amme von daheim redet, dann hört sie meistens bald auf zu weinen und redet mit Neferu von zu Hause. Theo redet gerade von einem rieesigen Leuchtturm, und Stella macht ganz große Augen. Sofort als er das erzählt, festigt sich ein Wunsch hinter ihrer kindlichen Stirn. "Wenn es da so toll ist, dann möchte ich da auch mal hin und alles selber anschauen. Auf einem Kamel sitzen und in einem großen, prächtigen Haus wohnen und so!" lacht sie und nickt. Sie stellt sich Leni vor, wie sie mit ihr auf einem Wüstenschiff sitzt. Die Wüste ist auch so ein Ding, das Stella nicht versteht. Angeblich soll da nur Sand sein und sonst nichts. Sand und der Himmel. Und Sand kennt Stella bisher nur von Ravenna, da gibts Sand nämlich am Meer und man kann kleine Hügel und den Kaiserpalast damit bauen, wenn man ihn vorher nass macht. Stella denkt nach und merkt nicht, wie Theo fast anfängt zu weinen. Eine Weile ist es still, nur Neferu räuspert sich mit ihrem schrecklichen Chrm-chrm, wie sie das immer macht, wenn sie auf sich aufmerksam machen will. Vermutlich will sie endlich heim, aber Stella ist eh egal, was ihre Amme will. Die ist nur so eine lästige Klette am Bein, genau wie Paula, die Amme von Leni.


    "Oh, Kriechisch! Davon hat Onkel Macer mal erzählt, ich glaub, er kann das auch. Aber ich versteh nicht, warum die Menschen nicht einfach alles auf Latein sagen, ist doch viel einfacher als eine andere Sprache zu lernen, oder?" fragt sie. Immerhin gibt es dann für jedes lateinische Wort ein...kriechianisches. Ist doch viel zu umständlich, sich die alle zu merken, wenn man genauso gut Latein sprechen kann und das eh alle verstehen. Die Geschichte bringt sie mit den Gedanken wieder zurück auf die Steinplatten der Via, auf der sie stehen. "Hm, eine kriechianische? Oder viel besser eine aus deinem Zuhause. Aus Alexandria", bittet sie den freundlichen Theo und lugt nach oben. Wenn er jetzt von zu Hause erzählen kann, dann geht's ihm sicher wieder gut, später.

  • Etwas nachdenklich schaut Theodorus in die Luft. Das kindliche Weltbild in seiner Naivität ist manchmal klüger und weiser als das des größten Philosophen. Es ignoriert die Schwierigkeiten einfach. Wenn doch nur alles so einfach wäre... "Wahrscheinlich hast du recht. Einfacher wäre es wenn alle Menschen eine Sprache sprechen würden. Aber du wirst noch früh genug feststellen, dass nicht einmal alle Menschen, die Latein sprechen, die selbe Sprache sprechen."


    Da fällt Theodorus eine Geschichte ein. Gut, keine alexandrinische, aber eine schöne Geschichte.


    "Weißt du, in meinem Volk gibt es eine Legende, warum nicht alle Menschen die selbe Sprache sprechen. Ich erzähl sie dir!"


    Der Grieche kauert sich auf dem Boden um mit dem Mädchen auf Augenhöhe zu sein und eine gemütlichere Postition zum Erzählen einzunehmen. Außerdem hat er schon öfters Geschichtenerzähler in den Straßen dieser Welt gesehen und immer sitzen sie im Schneidersitz da, wenn sie das Publikum mit ihren Legenden erfreuen.


    "Vor langer Zeit in einem weit entfernten Land im Osten, dort wo heute die Barbaren leben, herrschte ein König über alle Völker und Länder der Welt, auch über die Griechen und Römer und auch über Ägypten. Und der König hatte eine riesige Armee und unermessliche Schätze und niemand auf der Erde durfte und konnte etwas tun, ohne dass es der König befahl.
    Und weil er der König über die ganze Welt war, hatte er natürlich einen riesengroßen Palast mit goldenen Statuen und Gärten so groß wie Wälder. Die Stadt, in der der Palast stand, hieß Babylon und war genauso groß wie Rom."


    Dann macht er eine kleine rhetorische Pause.

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  • Nicht einmal alle Menschen, die Latein sprechen, sprechen die selbe Sprache. Ähä. Stella blinzelt verwundert und schaut zu Theo hoch. Das versteht sie nicht. Wenn man doch Latein spricht, dann spricht man Latein. Oder gibt's verschiedene Lateins? Stella kratzt sich am Kopf und will gerade nachfragen, da hockt sich Theo hin und fängt mit der Geschichte an. Stella bleibt stehen, kuschelt mit der Augusta und hört zu.


    Die Geschichte beinhaltet einen König, der wohl mächtiger war als der Augustus. Stella macht große Kinderaugen, das kann sie sich gar nicht vorstellen. Aber Theo macht einen ganz wissenden Eindruck, also zweifelt sie nicht sondern glaubt ihm das. Außerdem hat er eine ganz tolle Art an sich, wie er erzählt. So richtig fesselnd und spannend. "Gibt es dieses Babülonn wirklich?" will Stella wissen und schaut Theo prüfend an. "Und wenn der König so ein großer Herrscher war, hat er dann auch unserem Augustus was befohlen?" War ja klar, dass Stella den armen Theo nun löchert. Aber sie findet ihn wirklich toll und mag seine Geschichte schon jetzt.

  • Der Alexandriner schmunzelt bei diesem unorthodoxen Vorstoß der kleinen Rhomäerin, die einfach in die Erzählpause hineinplappert.


    "Es gab dieses Babylon einmal, aber das ist alles unvorstellbar lange her. Als die Geschichte passierte gab es nämlich noch gar keinen Augustus und es gab nicht einmal die Stadt Rom. Es gab noch gar keine andere Stadt und auch keinen anderen König. Aber wenn du mal in den Osten kommst, kannst du dir die Ruinen der Stadt Babylon anschauen und sehen, dass es sie wirklich gegeben hat. Zu dieser Zeit gab es auch noch keine Römer und keine Griechen und keine Ägypter. Alle Menschen waren gleich und sprachen eine gemeinsame Sprache.


    Und obwohl der König so mächtig war, dass alle Länder auf der Welt ihm gehörten und alle Menschen und Tiere und Pflanzen und die Berge, die Seen, die Steine und das Meer, und sie alle tun mussten, was er sagte, war er unzufrieden.


    Jeden Morgen wanderte er durch seinen Garten und betrachtete nachdenklich das Blau des Himmels, das Vorbeiziehen der Wolken und die hell leuchtende Sonnenscheibe. Und jeden Abend stieg er auf seinen Balkon und schaute in den weiten schwarzen Nachthimmel mit dem Mond und den tausend Sternen. Und dann wurde er immer ganz furchbarwütend. Er schimpfte und tobte, er stampfte auf dem Boden und schrie die Sonne, die Sterne und den Mond an: "Ich bin der König über die Erde! Alles gehört mir! Nur der Himmel gehört mir nicht!" Aber der Himmel lachte ihn nur aus. Obwohl er die größte Armee der Welt hatte, konnte er den Himmel nicht erreichen.


    Und so rief er die klügsten und weisesten Männer seines Reiches zusammen und fragte sie, was er nur tun könnte."

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  • Stella schaut Theo mit großen Augen an. Beim Zuhören ist ihr langsam aber sicher der Mund aufgeklappt, und als sie das jetzt merkt, macht sie ihn schnell wieder zu. Neferu sagt immer, dass sie dabei aussieht wie ein Fisch und dass sich das für eine kleine Dame nicht gehört. Schnell schielt Stella zu ihrer Amme, aber die hat das zum Glück nicht gesehen. Dass alle Menschen in der Geschichte gleich sind, glaubt Stella auch nicht. Immerhin gibt's da den König, und der ist halt ein bisschen gleicher als alle anderen. Das ist ja auch wie mit dem Kaiser, weil der ist ja göttlich und so. Und auch gleicher als ein Senator oder so.


    Stella stellt sich einen kleinen dicken König vor, der bunte Kleider trägt und eine goldene Krone auf dem Kopf hat, die immer fast runterrutscht, wenn er in den Himmel schaut. Das findet sie witzig, und deswegen muss sie kurz kichern, aber sie wird auch gleich wieder ernst, als Theo erzählt, dass der König es gar nicht toll fand, dass der Himmel nicht ihm gehörte. Stella fragt sich, warum der König nicht einfach behauptet hat, dass der Himmel ihm gehört. Vermutlich hat er Angst gehabt, dass Iuppiter einen Blitz in seinen Popo schießt. Dann wär der König herumgehüpft und hätte sich den Popo gehalten und geflucht. So wie Neferu, als Leni und Stella mal eine Nadel auf ihren Stuhl gepiekst haben. Theo erzählt davon, dass der König viele weise Männer bestellte, die ihm helfen sollten. Da hat sie eine Idee, und wieder plappert sie dazwischen. "Ha, die haben sicher die längste Leiter der Welt gebaut" Das muss es sein. Immerhin wohnt Iuppiter mit seiner Familie im Himmel, da kann man nicht mal eben seinen Namen draufschreiben und behaupten, dass der Himmel einem gehört. Oder?

  • Abermals schmunzelt Theodorus über den Einwurf des Mädchens.


    "Nein, eine Leiter haben sie nicht gebaut. Die müsste man ja irgendwo anlehnen und außerdem wär dem König sicherlich schwindelig geworden auf so einer hohen Leiter und er hätte sich nicht getraut sie zu besteigen oder er hätte hinunterfallen können bevor er sein neues Reich erreichte.


    Aber deine Idee ist gar nicht so falsch: Die Weisen und Gelehrten saßen lange, lange Zeit zusammen und überlegten sich, was sie machen könnten. Dann hatte einer von ihnen eine Idee: Er sagte den König, dass er einen Turm bauen müsse, der so hoch ist, dass er oben am Himmel anstoßen würde. So könnten dann die Soldaten den Himmel erreichen und die Götter hinaustreiben. Und der König fand die Idee gut.


    Also schickte er tausend Boten aus dem Palast in alle Länder seines großen Reiches, damit diese alle Bewohner nach Babylon holen um den Turm zu bauen. Und weil der König so mächtig war, ließen die Menschen alles stehen und liegen und folgten dem Ruf nach Babylon, wo der Turm gebaut werden sollte."

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  • Stella macht ein verdutztes Gesicht. Also keine Leiter. Die Erklärung klingt auch ziemlich einleuchtend. Wobei irgendwo ja auch eine Tür sein muss oder ein Fenster, senn sonst kriegen die Götter ja gar nichts mit von dem was hier so passiert. Stella nagt an ihrer Unterlippe und hört zu. Ein Turm klang logischer, einer mit vielen, vielen Treppenstufen. Da musste man sicher viel Proviant mitnehmen, um unterwegs nicht zu verhungern. Zumindest schätzt Stella die Entfernung so ein. Dass aber alle Menschen im ganzen Reich dem Ruf folgten, die Götter aus ihrem Haus zu werfen, erschreckt sie. Stella schlägt die Hand vor den Mund und schaut empört. "Aber... Man darf doch Iuppiter nicht aus seinem Haus jagen! Und Mars ist da sicher auch ganz böse geworden. Das gab sicher Ärger für den König. Du hast vorhin erzählt, dass es die Stadt nicht mehr gibt. Sicher waren die Götter ganz schrecklich böse und haben sie kaputt gemacht."

  • "Abermals hast du Recht. Der Turm wuchs und wuchs und weil so viele Menschen da waren, schien es fast so als könnte der Plan des Königs gelingen. Aber mit den Göttern spielt man nicht.


    Deswegen haben sich die Götter auch zusammen gesetzt und beraten, was man tun könnte. Und dann sind sie auf eine ganz unglaubliche Idee gekommen. Sie haben den Turm nicht zerstört. Sie haben etwas gemacht, was viel gemeiner war. Und lustiger noch dazu:


    Eines Tages wachten die Arbeiter nämlich auf und wollten sich wieder an die Arbeit wachen. Aber dann passierte etwas: Einer der Arbeiter, nennen wir ihn Gaius, wollte einen Stein tragen. Also fragte er seinen Freund Deinokrates, ob er ihn helfen würde. Aber: Der Deinokrates verstand Gaius nicht mehr! Denn der Gaius redete auf einmal Latein und Deinokrates konnte nur Griechisch! Ratlos fragte Gaius nun einen anderen Freund, Xerxes. Aber auch der verstand ihn nicht. Er konnte auf einmal nur noch Persisch reden und verstehen.


    Und so ging das dann auf der ganzen Baustelle! Auf einmal redeten alle Bauarbeiter, die vorher alle die selbe Sprache sprachen, Lateinisch, Griechisch, Persisch, Germanisch, Lybisch, Phönizisch und alle anderen Sprachen der Welt. Niemand wusste mehr was der andere sagte und so konnten die Leute nicht mehr weiter bauen.


    Ratlos gingen alle nach Hause und der König stand auf seinem Balkon und wütete und tobte. Denn auch seine Befehle konnte keiner mehr verstehen, auch seine Soldaten nicht. So wurde der König in Babylon alleine gelassen und starb vor Kummer und Verbitterung.


    Die Leute aber gingen in alle Ecken der Welt zurück, die Griechen nach Griechenland, die Lateiner nach Italien, die Iberer nach Hispanien und die Kelten nach Gallien. Und überall gründeten sie ihre eigenen Königreiche und vergaßen die Geschichte. So haben die Götter die ganze Welt bestraft weil ein König dachte, dass er mächtiger wäre als sie."


    Damit war die Geschichte dann zu Ende.

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  • Stella nickt. Sowas hat sie sich schon gedacht. Tante Domitilla hat ihr vor einer gaaanzen Weile mal erzählt gehabt, was Iuno in Rom mit dem Schaf vor dem Tempel angestellt hat, nur weil man sie an einem Ehrentag vergessen hat. Aber statt die Stadt kaputt zu machen, haben die Götter den Menschen also ziemlich deutlich gemacht, dass sie es sich nicht gefallen lassen, wenn man mit ihnen spielt oder sie belästigt. Stellas Mund steht offen, als sie sich vorstellt, dass keiner den anderen mehr versteht, obwohl sie doch das gleiche meinen. Dem König geschah das recht, findet sie. Den mag sie nämlich nicht. Stella klappt den Mund wieder zu und kneift die Augen zusammen, dann nickt sie. "Jaa. Das kann passieren, wenn man nicht weiß, wie groß Iuppiter und seine Familie sind und wie mächtig. Deswegen darf man nicht vergessen, immer Kekse auf den Hausaltar zu legen", weiß Stella und nickt nochmal geschäftig. Dann wirkt sie nachdenklich, und schon wieder fällt ihr eine Frage ein. "Duhuuu, Theooo? Wie kommt es dann, dass manche Leute nicht nur Latein sprechen, sondern auch noch andere Sprachen? fragt sie und blinzelt hoch zu Theodorus.


    Im Hintergrund regt sich Neferu. Sie will endlich weiter und nach Hause. Schließlich schiebt sich die Ägypterin nach vorn und räuspert sich. Chrm-chrm, macht sie und schaut den Fremden auffordernd an. Stelle bekommt es mit und rollt nur mit den Augen. Sie kann Theo gut leiden und will Onkel Macer von ihm erzählen. Vielleicht kann Theo ja Lenis und ihr Lehrer werden, wenn sie schon irgendwas lernen müssen. Sie seufzt.

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