[Triclinium] Ein Gespräch über die Liebe zur Weisheit

  • Plotina führte ihren Gast direkt ins Triclinium.


    "Nimm ruhig schon einmal Platz! Eines muss ich dir noch sagen: Ich habe eben erst selbst bemerkt, dass offenbar auch unser Sklave schon früh am Morgen das Haus verlassen hat. Das heißt, dass du mit der ungelenken Bedienung einer civis vorlieb nehmen musst. Und dass du mich einen Augenblick entschuldigen musst, denn ich hole uns eben ein paar Erfrischungen."


    Plotina nickte dem peregrinus freundlich zu und verließ leichten Schrittes den Raum.

  • Ich folgte der jungen Frau weiter in das Haus hinein und lächelte weiter milde. Vielleicht sollte ich ja doch in Rom bleiben. Die Stadt schien doch einiges bereit zu halten. Als ich auch noch zu den Speiseliegen des tricliniums geführt wurde und die reiche Ausstattung sah, wollte ich schon ablehnen. Aber das wäre einer Beleidigung gleich gekommen. Und so nahm ich dankend platz und wartete auf Plotina. Dass sie mich selbst bewirtete, sprach für sich. Im Allgemeinen taten das die Sklaven. Ich freute mich schon auf eine einfache und gute Mahlzeit und Anwesenheit einer schönen Frau.

  • Nach einer Weile kam Plotina wieder - schwer bepackt wie ein Packesel. Obwohl sie seit ihrer Kindheit gewöhnt war, für sich selbst zu sorgen, war die Menge an Erfrischungen, die sie nun mit sich führte, doch auch für ihre ziemlich geübten Hände viel: Brot, Käse, Wasser und Wein, Oliven und Trauben.


    Nachdem Plotina alles glücklich abgestellt hatte, nahm sie selber auf einer Speiseliege Platz und wandte sich ihrem Gast zu.


    "Bedien dich ganz nach Geschmack! Und wenn dir noch etwas fehlt, sag es ruhig! - Ja, nun, am liebsten würde ich dich natürlich gleich mit philosophischen Fragen behelligen, allerdings interessiert mich doch, was einen Gelehrten wie dich nach Rom führt. Nichts gegen die urbs aeterna, versteh mich nicht falsch; aber als Hort der Gelehrsamkeit gilt sie gemeinhin nicht."

  • Plotina kehrte voll beladen zurück und ich wollte schon aufspringen, um ihr zu helfen. Aber scheinbar konnte sie damit recht gut umgehen und stellte alles auf dem Tisch vor den Liegen ab. Ich sah alles und mir gingen die Augen über. Dankbar blickte ich sie an, stand auf und kniete vor ihrer Cline. Dann nahm ich behutsam ihre Hand und hauchte ihr einen Kuss auf.


    "Ich danke vielmals für diese mehr als genügenden Speisen. Wenn ich Dir dafür danken kann, so lass es mich jederzeit wissen.", sprach ich aufrichtig und nahm dann wieder Platz auf meiner Liege.


    Schließlich wollte ich noch warten, bis sie sich etwas davon nahm, wie es die gute Sitte verlangte. Ich war schließlich Gast in diesem Haus. Sie fing auch gleich an mich zu fragen, was mich denn nach Rom getrieben hätte. Lachend erwiderte ich:


    "Nun, Du hast Recht, Sergia Plotina. Weisheit und tiefschürfende Philosophie war ich nicht aus, hier zu finden. Nichts gegen Dich, sicher wirst Du mein Urteil revidieren. Ich kam vor allem hierher, um Menschen kennenzulernen, ins Gespräch mit ihnen zu kommen und mit ein wenig Reserven für den weiteren Weg anzulegen. Vielleicht habe ich irgendwann genug, um im nächsten Jahr die Reise nach Aegyptus anzutreten. Dort soll die Philosophie noch blühen."

  • Zitat

    Original von Theodorus von Corinthus
    Nichts gegen Dich, sicher wirst Du mein Urteil revidieren."


    Plotina versorgte sich mit Brot und Käse, denn ihr eigenes Studieren hatte sie wirklich hungrig gemacht. Diese Speise und dazu noch Wasser gaben ihrem Körper soviel neue Kraft, dass ihrem Geist nicht verborgen blieb, einen echten hellenischen Schmeichler vor sich zu haben.


    "Die philia zur Weisheit scheint dich nicht blind gemacht zu haben für die Gaben, die den Körper erfreuen, Theodoros. Ich sehe es gerne, wenn du dich hier stärkst. Und Komplimente höre ich sonst nur selten."


    Sie schmunzelte.


    "Übrigens brauchst du vor mir, was Rom angeht, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ich lebe erst seit Kurzem hier; aufgewachsen bin ich in der Nähe von Alexandreia. Und ich glaube in der Tat, dass jene faszinierende Stadt eher als Hort der Gelehrsamkeit angesprochen werden kann. Allerdings frage ich mich, ob die Philosophie, die dort betrieben wird, nicht mehr und mehr zur reinen akademischen Disziplin wird. Mein Eindruck war immer, dass die lebendige Philosophie dort ein wenig auf der Strecke bleibt. Damit meine ich ein lebendiges Verhältnis - und vielleicht sogar Zusammenleben - von Lehrern und Schülern. Du hast sicherlich auch viele Schüler gehabt?"

  • Nachdem meine Gastgeberin sich genügend aufgetan hatte, nahm auch ich mir etwas davon und kaute genüsslich auf den Oliven herum. Es schmeckte Wunderbar. Mit etwas Brot stippte ich durch die Öltunke und aß mit Genuss.


    "Ahh, das tut gut...", sagte ich lachend und wischte mir mit einem Hemdzipfel das Öl vom Bart.


    "So gut habe ich lange nicht mehr gespeist. Um auf Alexandria zu kommen. Ja, es wird immer akademischer. Immer mehr reiche Familien schicken ihre verzogenen Bengel zu den Gelehrten, damit sie große Dinge leisten. Und wozu? Nein, ich bin ein freier Philosoph. Vielleicht werde ich vor Alexandria in die Einsamkeit gehen oder in ein kleines Dorf..."

  • Plotina sah mit Behagen, dass Theodoros es sich schmecken ließ. Dabei entging ihr keineswegs, dass der arme Bettelphilosoph durchaus wusste, welche Speisen die edelsten waren. Hätte man ihn eine Weinprobe machen lassen - sicherlich hätte er die besten Weine mit verbundenen Augen erkannt. Die Sergierin schmunzelte.


    "Übertriebene Neugierde verstopft uns sicher oft die Ohren, so dass wir echte Erkenntnis gar nicht mehr wahrnehmen. Dennoch kann ich mich nun nicht bezwingen, und auch deine würdige Gegenwart vermag mich nicht aus dem Zwang zu befreien, der über mir liegt. Erlaube mir, neugierig zu fragen: Woher kommst du? Deine ausgesuchten Manieren lassen mich darauf schließen, dass Betteln dein Broterwerb nicht von kleinauf war."

  • So langsam fühlte ich mich etwas gelangweilt. Dieses Gespräch brachte nicht gerade Neues. Doch sie bewirtete mich und so war ich dankbar genug, um nicht zu gähnen. Stattdessen lächelte ich freundlich und nickte hier und dort.


    "Nun, dann will ich Deine Neugierde zur Genüge befriedigen, wenn Du erlaubst... Ich stamme aus Corinth. Und ja, das Betteln habe ich freiwillig erwählt."

  • Zitat

    Original von Theodorus von Corinthus
    So langsam fühlte ich mich etwas gelangweilt. Dieses Gespräch brachte nicht gerade Neues. Doch sie bewirtete mich und so war ich dankbar genug, um nicht zu gähnen. Stattdessen lächelte ich freundlich und nickte hier und dort.


    "Nun, dann will ich Deine Neugierde zur Genüge befriedigen, wenn Du erlaubst... Ich stamme aus Corinth. Und ja, das Betteln habe ich freiwillig erwählt."


    Die ausführliche Antwort des Philosophen befriedigte die Neugierde der Plotina natürlich restlos. Aus seinen malerischen Beschreibungen konnte sie sich ein detailliertes Bild seiner Vergangenheit zeichnen. :D


    "Ich verstehe, ich verstehe. Nun ja, ab einem gewissen Alter haben wir alle ja so unsere dunklen Punkte in der Vergangenheit, nicht wahr? Schuldlos sind ja nur die Kinder."


    Dabei schmunzelte die Sergierin, zumal ihr nicht entging, dass ihr Gast, kaum dass er seinen Appetit gestillt hatte, zunehmend lustlos und gelangweilt aussah.


    "Ich habe also einen zweiten Krates vor mir! Ich darf doch annehmen, dass du dich der kynischen Schule zurechnest? Aber sag': Kann diese Schule jemals mehr sein als eine - meinetwegen notwendige - Ergänzung der Stoa?"

  • "Es ist gar nicht so schlecht, wie es aussieht. Wenn Du willst, begleite mich doch nach Ägypten. Oder was Du sonst wünscht. Bloß möchte ich mich von diesem gezwungenen Gehabe in Rom befreien, wo die Philosophie so etikettiert geschieht, ein bunter Vogel, der in seinem Käfig verkümmert. Ich ersticke fast in diesem Klima. Ich brauche wieder Freiheit.", sagte ich freudig und setzte mich neben sie auf die Cline.


    "Die Stoa zweifelt nicht. Sie ist bloß selbstgenügsam und sonst nichts. Aber die Kyniker zweifeln an bestehenden Strukturen, nicht unbedingt staatlicher Natur, aber gesellschaftlicher."

  • Noch während Plotina über die neuerlich kryptischen Aussagen des Theodorus zu seiner Vergangenheit nachgrübelte, schwang dieser sich lächelnd zu ihr auf die Kline. Augenscheinlich hatte ein neues Interessengebiet die Langeweile des Greises in die Flucht schlagen können.


    Plotina begann sich zu fragen, wovon seine Augen sprachen - seine Lippen jedenfalls redeten weiterhin von Philosophie. Und dies in einer Weise, die nun wiederum das gesamte Interesse der Sergierin okkupierte.


    "Ich höre gerne, dass deine letzten Worte über die Stoiker und die Kyniker meinem Einwand entgegenkommen - und dies in einer solch treffenden Formulierung, wie ich sie in einem Jahr nicht hätte finden können. Denn das ist genau das, was ich meinte: Die Stoiker mahnen uns, genügsam zu sein und zu handeln, allerdings liefern sie unsere Freiheit den Armen des Fatums aus. Die Kyniker mahnen uns dagegen, uns immer wieder aus solchen vermeintlichen Zwängen zu befreien."


    Plotina nickte bedächtig.


    "Mir scheint jedoch klar, dass das Telos immer der Einsatz für das Gemeinwesen ist - an welchem Platz man auch immer stehen mag. Und die Kyniker leisten eben ihren ganz eigenen unverzichtbaren Beitrag."


  • Lächelnd hörte ich ihr zu und nickte hier und da.


    "Nun, abgesehen davon... wie vertreibst Du Dir hier in Rom die Zeit?"

  • Zitat

    Original von Theodorus von Corinthus
    Lächelnd hörte ich ihr zu und nickte hier und da.


    "Nun, abgesehen davon... wie vertreibst Du Dir hier in Rom die Zeit?"



    "Mit all dem, was du sicher aus tiefster Seele verachtest: Arbeit, Essen, Trinken und auf weichen Klinen schlafen."


    Dies sagte Plotina zwar, war sich aber durchaus nicht sicher, ob der Philosoph neben ihr dies alles wirklich so verachtete, wie sie gerade formuliert hatte. Sein Verhalten passte nämlich durchaus nicht zu dem, was sie schon mit eigenen Augen in Aigyptos und auf ihren Reisen von den Anhängern dieser Richtung hatte wahrnehmen können.


    "Ich führe ein Leben, das aller Spektakel und Auffälligkeiten ermangelt, hoffentlich aber nicht der Rechtschaffenheit."

  • "Wie sollte ich all das verachten? Würde ich nicht essen oder trinken, säße ich heute nicht neben dir. Arbeit habe ich mein Leben lang getan. Auch das Handwerk des Bettelns ist harte Arbeit. Und weiche Klinen. Nunja, ab und zu ist das auch nicht verkehrt. Vielleicht bin ich in der Zeit hier in Rom etwas verweichlicht, aber mir gefällt das Leben hier."


    Ich lächelte ihr zu und nahm dann ein kleines Stück Brot und kaute genüsslich darauf herum.


    "Dein Leben ist tugendhaft und bescheiden, das gefällt mir. Ich sehe aber, dass es dir an zelebraler Stimulanz mangelt. Du gierst geradezu danach, dein Wissen preiszugeben. Wie könnte man da Abhilfe schaffen? Hattest du schon einmal einen griechischen Philosophielehrer?"

  • Plotina hatte gerade eine Olive in ihren Mund katapultiert, als sie ein Fremdwort hörte, an dem sie sich fast so verschluckte wie an der Frucht des Ölbaums. Sicher mangelte es ihr an vielem, aber an - was bitte? Nachdem Plotina ihre Olive endlich heruntergewürgt hatte, entschied sie, auf die fremde Redeweise nicht weiter einzugehen, jedenfalls nicht gleich.


    "Vielmehr als nach der Preisgabe meines bescheidenen Wissens strebe ich nach der Nähe der Weisheit, guter Mann. Und mit einem Philosophielehrer bin ich natürlich, wie so viele in meiner Lage, aufgewachsen. Ihm verdanke ich mehr als jedem anderen Menschen."


    Plotina griff nach ihrem Becher mit Wein und nahm einen Schluck, wobei sie ihrem Gegenüber freundlch zulächelte.


    "Ich nehme doch an, dass auch du in deiner Kindheit einen paedagogus hattest?"

  • Als sie sich verschluckte, schaute ich besorgt. Doch es war alles in Ordnung und so nahm ich mir meinerseits eine Olive. Sie schmeckten wirklich vorzüglich.


    "Die Nähe von Weisheit wird dir auch ein alter Narr wie ich nicht bieten können.", erwiderte ich bescheiden.


    "Das merke ich. Aber dir scheint ein größeres Interesse an der Philosophie gegeben zu sein als so manch anderem Zeitgenossen. Willst du deine Zeit wirklich in diesem Maloch vergeuden?"


    Ich lächelte wieder charmant.


    "Nun...ja, einen Lehrer hatte ich. Später wurde ich dann auch an der Akademie unterrichtet."

  • Plotina führte hinter den Mauern der Casa Sergia ein stilles, zurückgezogenes und bescheidenes Leben - jedenfalls zumeist, und es lag ihr viel daran, dies auch andere Menschen glauben zu machen. So ganz täuschte dieser Eindruck allerdings nun auch wieder nicht. Und so kam es, dass die Sergierin selten Komplimente zu hören bekam und gegenüber den Schmeicheleien des welterfahrenen Mannes hier vor ihr nicht ganz verschlossen war.


    Unbeholfen versuchte sie, ihre aufkeimende Verlegenheit zu überspielen - was ihr allerdings erst gelang, als sie sich wieder den Verlauf des gesamten Gesprächs mit ihm und den genauen Wortlaut seiner Äußerungen in Erinnerung rief.


    "Du solltest nicht so bescheiden sein, auch wenn die Bescheidenheit natürlich eine kostbare Zierde des Edlen ist. Jemand, der wie du von klein auf von einem eigenen Lehrer und später sogar an der Akademie in der philosophia unterwiesen worden ist, spürt doch sicher einen inneren Ruf, auch andere an seiner Weisheit teilhaben zu lassen."


    Ein kleines, aber nicht zu übersehendes Fünkchen Neid keimte in Plotina auf bei dem Gedanken, dass es ihr selbst nicht vergönnt gewesen war, die Akademie zu besuchen. Dies rief in ihr eine weitere Frage hervor.


    "Mit der Akademie, die du besucht hast, meintest du doch sicher die von Alexandria, die wir eben schon kurz streiften, nicht wahr?"

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