Ein nicht alzu oft gesehener Gast

  • Vor der Abreise mit seinem Bruder Falco nach Mantua suchte Marcellus den Tempel des Mars auf. Man sah ihn nicht häufig bei der Ausführung des Götterkultes. Im inneren war er davon überzeugt, dass die Götter wahrhaftig existierten und die Geschicke auf der Menschen beeinflussen konnten, wenn sie das wollten. Es hatte auch nichts mit fehlender Ehrfurcht vor den Göttern zu tun, dass er so sellten die Tempel aufsuchte. Es hatte eher damit was zu tun, wieso die meisten anderen Menschen die Tempel aufsuchten: Viele kamen in die Tempel um den Göttern ihr Leid vorzujammern und um sie mit Gaben zu bestechen. Wenn Marcellus eines haßte, dann waren dies Menschen die im Selbstmitleid versanken und ihr ach so großes Leid beklagten, aber selber nicht gewollt waren, dies aktiv zu ändern. Man musste sein Leben selbst in die Hand nehmen. Wer sich zu stark auf andere verließ war verloren. Im Militär war das vielleicht noch etwas anders. Deshalb sprach Marcellus lieber im Stillen ein Gebet oder brachte manchmal den Göttern Gaben, ohne wirklich eine besondere Gegenleistung zu verlangen.
    Dieses Mal kam er jedoch zum Tempel um den Segen des Gottes Mars für sein Vorhaben zu empfangen. Er hatte seinen Sold aus seinem Versteck geholt. Viel bekam er nicht, aber besonders viel gab er auch nie aus. Er hatte von dem Geld einen verzierten Dolch gekauft. Der Preis war natürlich zu beginn viel zu hoch ahgesetzt, aber Marcellus war gut im Feilschen. Natürlich auf seine eigene Art, versteht sich. Dennoch hatte er einen stolzen Preis bezahlt. Der Dolch war gut geeignet um Feinde still auf die andere Seite zu überführen. Aber er hatte ihn nicht für sich geholt.
    So stand er nun vor der Statue des Mars, hier im Mars Ultor Tempel. 'Mars der Rächer', das gefiehl ihm. Er kniete vor dem Gott nieder und sprach:

    "Großer Mars, ein Soldat, ein Kämpfer, bittet um deinen Segen! Ich bitte dich, unterstütze mich bei meinem Vorhaben, zur ersten Legion zu gehen um in deinem Namen und den Roms gegen unsere Feinde zu kämpfen!"


    Marcellus nahm den Dolch, zog ihn aus der Scheide und fuhr sich damit über seine Handfläche.

    "Nimm diesen Dolch und mein Blut, als Zeichen meiner tiefen Verbundenheit zu dir. Ich schwöre, ich werde dich nicht entäuschen. Jeder Gegner, der unter meinem Schwert fällt, soll ein Opfer an dich sein!"

    Dann schaute er auf, dem Gott direkt in die Augen. Er steckte den Dolch zurück in seine Scheide und legte ihn auf den Altar.So blieb er, auf einem Bein niederknient, eine Weile an Ort und Stelle.

  • Es war still in diesen heiligen Hallen. Es schien als führe das Tempelportal in eine andere Welt. Hier war nichts von dem hektischen Treiben auf den Strassen Roms zu vernehmen. Auch die Zeit schien hier andere zu sein. Er merkte wie die Intensität des an dem Portal einströmenden Lichtes abnahm und die Schatten auf dem Boden wie Dämonen weiterwanderten. Auf dem Boden vor ihm, hatte sich eine kleine Lache Blut gebildet, welches von seiner Hand getropft war. Die Wunde blutete nicht mehr. Marcellus erhob sich und atmete tief durch. Er fühlte sich nun besser, wo er hier war und Mars seine Aufwartung gemacht hatte. Ob Mars darauf reagieren würde, war eine andere Frage, aber hauptsache, er würde sich besser fühlen um mit mehr Elan an diese Sacher heranzugehen. Er hoffte in seinem tiefsten Inneren, dass die Völker im Osten weiter den Aufstand proben würden, so dass es zu einer kriegerischen Auseinandersetzng kommen würde. In letzter Zeit war Rom viel zu stark mit sich selbts beschäftigt. Er hoffte, er würde Gelegenheit haben, sich dieser Herausforderung zu stellen und den Test zu bestehen. Vielleicht, auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, könnte er dann den Kontakt zu seinem Vater suchen. Vielleicht! Und dann war da noch dieses Mädchen, welches er nicht so wirklich einordnen konnte. Wenn er nun fortziehen würde, hätte er genug Zeit über all diese Dinge nachzudenken. Wollte er das überhaupt? Auf jeden Fall hätte er verstärkten Kontakt zu seinem Bruder und könnte einiges in Erfahrung bringen...

  • Er war sich dessen sicher nicht bewusst, doch der junge Mann wurde beobachtet, wie jeder Besucher des Tempels, der für ein Opfer vortrat, beobachtet wurde - je nach dem Opfer bedurfte es der Hilfe der Priester und einer gewissen Aufsicht, auch die geopferten Gaben mussten, sobald der Opfernde sich entfernt hatte, abgeräumt werden, damit für den nächsten Raum war. Diesmal war ich es, der diesen Besucher im Blick gehalten hatte, und nachdem er den Altar verlassen hatte, trat ich auf ihn zu und grüßte ihn freundlich:
    "Salve, civis!" Kurz ließ ich meinen Blick über seine Erscheinung schweifen, die verriet, dass er sicherlich in der Legion gut aufgehoben sein würde - ein kräftiger Leib, wache Augen, das half den meisten Soldaten schon beim Überleben, und wenn noch ein klarer Geist hinzukam, hatte man einen künftigen Offizier vor sich.


    "Ich bin mir sicher, Mars wird Deine Worte gehört haben und Dir Seinen Segen schenken - doch denke ich, beim nächsten Mal wird es auch ein Wein und Opferkekse tun, Du wirst, wenn Du dr Legion dienst, sicher noch oft genug Dein Blut für Mars und Rom vergießen, ohne den Tempel betreten zu müssen." Es war ein freundschaftlicher, gut gemeinter Rat, nicht zuletzt, weil Blut aufzuwischen, wenn es sich um menschliches handelte, immer das unangenehmste war, es kroch verflucht gern in Ritzen und Rillen - und es war vielleicht das kostbarste, was man opfern konnte, es sollte niemals leichtfertig geopfert werden.

  • Marcellus war überrascht, dass doch jemand die ganze Zeit mit ihm im Tempelraum war. Doch ließ er sich seine Überraschung darüber wie üblich nicht ansehen. Gesten, ja jede kleinste Bewegung konnten Rückschlüsse auf Emotionen und Handlung zulassen. Marcellus hatte gelernt, dass dies sehr gefährlich war. Allem Anschein befand sich vor ihm ein Priester. Marcellus studierte den Raum. Anscheinend gab es Seitentüren oder Kammern für die Priester. "Sei gegrüßt Priester!" Hörte er da eine versteckte Kritik? Sicher, er hatte ein kleine Sauerei veranstaltet. Er lauschte den Worten des Priesters. Sicher würde er dafür sorgen, dass im Namen Roms Blut fließen wird, aber wohl hoffentlich nicht alzu oft das seinige oder das seiner Kameraden. "Ich glaube, so viel Wein und Kekse können die Götter gar nicht verspeißen. In diesem Falle musste es etwas besonderes sein!"

  • Ich nickte beifällig, denn im Grunde konnte ich den jungen Mann verstehen - er stand vor einem neuen Lebensabschnitt und dieser sollte richtig begonnen werden. "Ah nun, wenn man bedenkt, wieviel Wein und Kekse geopfert werden, und dass diese Gaben immer gern angenommen werden, würde ich sagen, dass wir uns keine Vorstellung von göttlichem Appetit machen können," meinte ich mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. Zugegeben, die Vorstellung von Vater Mars mit einem keksgerundeten Bauch und Weinflecken auf der Lederrüstung war schon etwas amüsant, wenngleich auch lästerlich - ich hoffte insgeheim, er würde mir diesen Gedanken vergeben, schließlich kam jeder Mann irgendwann einmal an einen Punkt, an dem er zuviel gegessen und getrunken hatte, warum nicht auch ein Gott?
    "Was hat Dich bewogen, Dir die Erste Legion auszusuchen, wenn ich fragen darf?" Reine Neugierde meinerseits, immerhin ging es auf einen Krieg zu, und die Parther waren sicherlich keine leichten Gegner.

  • Der Priester war ihm eindeutig zu neugierig. Seine persönlichen Motive gingen niemanden etwas an. In Rom musste man vorsichtig mit Informationen sein. Aber Marcellus hatte Respekt vor der Gestalt eines Priesters. Zumindest vor einem römischen Priester. So versuchte er dem Priester entgegen zu kommen, aber auch nicht zu viel von sich persönlich preis zu geben. "Das Leben ist eine Herausforderung. Und die größte Herausforderung stellt nun mal im Moment für einen Menschen wie mich der Osten dar. Ich sitze nicht gerne rum!" Routzine und Sesshaftigkeit war in der Tat nichts für Marcellus. Er liebte die Herausforderung. Das war seine Stärke, aber auch zugleich seine Schwäche. "Und was hat dich dazu bewogen, Mars zu dienen?" stellte er die Gegenfrage, um von sich abzulenken.

  • Mars kam gerade von seinem täglichen Training zurück, mit dem er sich fit und seinen Körper wohlgeformt hielt, als er am Tempel vorbei ging. Ein paar Kekse täten ihm jetzt sicher gut, aber es gab sogar ein Gelübte zu bestaunen. In Gedanken sah Mars den jungen Mann schon auf dem Schlachtfeld stehen und für jeden getöteten Gegner eine Zahl in den Himmel schreien.

  • Die Einstellung dieses Mannes gefiel mir, er schien nicht vor Herausforderungen zurückzuschrecken, wie es so viele andere junge Römer zu tun pflegten, und vor allem, er klang von dem überzeugt, was er sagte - ich schloss im Geheimen eine Wette mit mir ab, dass ich diesen Mann irgendwann wiedersehen würde, und dann sicher nicht mehr als einfachen legionarius. Zumindest hätte es mir gefallen, eine kühnen Kämpfer unter den Offizieren Roms zu wissen als irgendwelche viel zu sehr von ihrer eigenen Wichtigkeit überzeugte alte Männer, die zu sehr zauderten, wenn es darum ging, Entscheidungen zu treffen.
    "Während meiner rhetorischen Ausbildung in Achaia habe ich einige sehr tiefgreifende, schlechte Erfahrungen gemacht, und doch wohl auch die beste in meinem Leben - dass Mars für mich stets Stütze und Hilfe zugleich war, egal, wie schlecht es mir ging. Ich konnte mich immer auf Ihn verlassen, und dieses Gefühl ist etwas, das ich anderen Menschen auch vermitteln wollte. Man kann vieles im Leben überstehen, wenn man weiss, dass jemand für einen da ist, der einen ohne Fragen annimmt und jederzeit unterstützt. So bin ich hier, und nicht auf irgendeiner Rednerbühne, und ich habe diese Entscheidung nicht bereut."

  • Rhetorische Ausbildung. Auch Marcellus wurde in vielen Dingen ausgebildet, als Vorbereitung für den Senat. Kaum einer hätte wohl geglaubt, dass der damals junge Helvetier vor diesem aussichtreichem Leben fliehen würde. Fliehen! Genau das hatte er getan. Schlechte Erfahrungen? Auch davon hatte Marcellus genug gemacht. Aber er schätzte diese dennoch. "Es sind gerade die schlechten Erfahrungen, die uns auf unser Leben vorbereiten und es uns meistern lassen!" Marcellus hoffte, dass sich der Priester nicht zu sehr auf andere verließ. Er selbst hatte die Erfahrung gemacht, dass wenn man etwas erreichen wollte, man sich am besten auf sich selber verlassen konnte. Gerade bei heiklen Angelegenheiten war es riskant, sich auf andere zu verlassen. Sicherlich machte es einen Unterschied, ob man sich auf einen Menschen oder auf einen Gott verließ. Aber auch die Götter konnten nicht immer zur Stelle sein oder wollten dies vielleicht auch gar nicht. "Nun, es hat mich gefreut, deine Bekanntschaft gemacht zu haben Priester!" Marcellus hatte es eilig. Er verabschiedete sich kurz und ging ein Stück, dann drehte er sich noch einmal kurz um. "Wie war doch gleich dein Name, Priester?" Es war für Marcellus nicht selbstverständlich, jemanden nach seinem Namen zu fragen. Bei vielen Menschen hielt er es nicht für nötig, diesen zu erfahren. Er hatte aber das Gefühl, dass es bei dem Priester hier durchaus einen Sinn machte, sich den Namne zu merken.

  • "Damit sprichst Du ein wahres Wort gelassen aus," pflichtete ich dem jungen Mann bei, durchaus zufrieden mit seinen Worten. Es gab selten genug Menschen, die sich dessen bewusst waren, was man aus einer Niederlage und schweren Zeiten ziehen konnte, auch wenn man im Augenblick, in dem man kämpfte und versuchte, aus der Not wieder heraus zu kommen, die Dinge meistens ganz anders betrachtete. "Die Freude lag ganz auf meiner Seite," ewiederte ich seine Worte und lächelte leicht - manchmal hielt der Dienst im Tempel des Mars angenehme Überraschungen bereit und diese Bekanntschaft war eindeutig eine der angenehmeren der letzten Zeit, wenn man von den vielen Frauen absah, die derzeit den Tempel in Sorge um ihre Männer, Söhne und Brüder stürmten.
    "Caius Flavius Aquilius ist mein Name," enthüllte ich das patrizische Geheimnis und musste schmunzeln, hoffentlich gehörte er nicht zu den Leuten, die auf die Geburt zu viel gaben. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

  • Marcellus merkte sich den Namen des Priesters. Der Name der Flavier war ihm durchaus bekannt, nur war er sich nicht sicher, ob dieser Priester dem patrizischem Geschlecht entstammte oder aus einer plebeischen Gens. Nicht selten kam es vor, dass sich Familien nach großen Gentes bennannten. Aber es war ihm eigentlich auch egal. Sie alle waren nur Menschen, sie alle waren prinzipiell gleich. Auch wenn manchmal die Realität so aussah, dass es Menschen gab, die gleicher waren als andere. Die Sklaven zählte er im übrigen nicht zu der Art der Menschen. Wer seinen freien Willen gänzlich aufgab, der war kein Mensch. "Tiberius Helvetius Marcellus!" antwortete er knapp. Dann machte er sich auf den Weg.

  • "Möge Mars Deinen Waffenarm führen, Tiberius Helvetius Marcellus," sprach ich, als er sich entfernte, und am Eingang des Tempels stehenbleibend, blickte ich dem aufrecht gehenden jungen Mann noch eine ganze Weile lang gedankenverloren nach, bis er in der Menge verschwunden war und mein Blick ihm nicht mehr folgen konnte. Vielleicht würde er aus dem Krieg lebendig zurückkehren, und wir würden unser Gespräch eines Tages fortsetzen, um Erfahrungen und Eindrücke reicher. Dann wandte ich mich ab, dem Inneren zustrebend, um meinen Aufgaben weiter nachzugehen.

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