Der Eutheniarchos

  • prologus


    Der Eutheniarchos war ein beschäftigter Mann. Euxenides war sein Name und er verbrachte viel Zeit mit Listen und Tabellen. Er übte große Sorgfalt darin aus, denn er kannte die Wichtigkeit seines Amtes. Er war für die Nahrungsversorgung der Stadt verantwortlich und stand außerdem in regelmäßigen Kontakt mit der Cura Annonae der Urbs. Eine große Bürde lastete somit auf seinen Schultern und er war sich dieser jeden Tag aufs Neue bewusst, wenn er spürte welche Verantwortung er damit auf sich geladen hatte. Nicht den geringsten Fehler in seinen logistischen Abläufen durfte er sich erlauben. Er hätte verhehrende Folgen und führte zu Unruhen und Aufständen.


    Euxenides war imgrunde ein unscheinbarer Mann. Er strahlte keine große Aura aus und seine Beliebtheit beim Volk hielt sich in Grenzen. Er war nie ein großer Redner gewesen und den Posten des Eutheniarchos hatte er auf der letzten Versammlung erhalten dank des Zuspruchs einiger einflussreicher Freunde, so wie des ehemaligen Gymnasiarchos dessen Schwester eine Cousine zweiten Grades von ihm war.
    Er erledigte seine Aufgaben gewissenhaft ohne dabei zu glänzen. Bei öffentlichen Auftritten im Prytaneion hielt er sich zumeist zurück, stand irgendwo in der zweiten Reihe, während seine Collegen sich im Glanz des Ruhmes sonnten.


    Er lebte zusammen mit seinem Weib und den zwei Kindern in einem noblen Anwesen in Brucheion dessen Besitz er wohl auch einigen Beziehungen verdankte. Er verfügte über einen Haushalt von 12 Sklaven, darunter einen Koch und einen Paedagogen. Außerdem nannte er ein Stück Land außerhalb der Stadt sein eigen bei Eleusis am Lacus Mareotis. Dort pflanzte er Weizen. Die Ernte ist erträglich, doch reicht nicht zum Leben. Dies finanziert er hauptsächlich durch gewinnbringende Bankgeschäfte. Er bereichert sich am Geld wohlverdienter Römer, investiert es in lohnende Betriebe und kassiert eine saftige Provision.


    Er ist ein Mann, den man schwer einschätzen kann. Stille Wasser sind bekanntlich tief und viel mehr lässt sich nicht über ihn sagen.

  • Und weil sich wirklich kein Mensch in der Stadt um den guten Mann auch nur ein bisschen schert, ist es ein paar anonymen Gestalten der Stadt ein Leichtes, alle brauchbaren Informationen über den Eutheniarchos zu sammeln. Athleten und lüsterne Säcke im Gymnasion, Redner und Politiker auf der Agora, das Hauspersonal des Anwesens, der Masseur in der Therme, der ehemalige Hauslehrer seiner Jugend - alle werden angesprochen und gefragt, das Anwesen Tag und Nacht beobachtet. Notizen werden gemacht, Berichte angefertigt und alles verdichtet sich langsam zu einem klaren Netz. Man weiß, wann der Mann aufsteht, was er zum Frühstück ist, dann viel wichtiger, wann er aus dem Haus aufbricht um sein Büro auf der Agora aufzusuchen.
    Und man studiert auch seinen Körper ganz genau. Jede Narbe, jeder Leberfleck wird gezählt und verortet. Und all diese Nachforschungen, jedes einzelne Wort, kommen an einen Ort zusammen: Einer schäbigen Barracke im Rhakotis-Viertel...

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